Touchscreen und Pelikansoufflee - VSETH - ETH Zürich
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Polykum Nr. 3/09–10 Illustration: Marie Vey a, Bilder: ZVG (Mitte), Hannes Hübner (oben)<br />
PoLykÜmLer<br />
PLattenteLLer<br />
der nörgLer<br />
anita bünter<br />
alter: 22 Funktion: Redaktionsleiterin Studium: Ethnologie, Publizistik- <strong>und</strong> Kommunikationswissenschaften,<br />
islamische Welt (3. Semester) Freizeitgestaltung: Auf Hügel klettern <strong>und</strong> Milchreis kochen,<br />
vierblättrige Kleeblätter finden <strong>und</strong> Bananenbäume pflanzen musik: nur solche zum Mitsingen Literatur:<br />
«Commissario Brunetti»-Krimis von Donna Leon, die «Wallander»-Bücher von Henning Mankell,<br />
«Sofies Welt» von Jostein Gaarder Lieblingszitat: Kommt der Frost im Jänner nicht, zeigt im März er<br />
sein Gesicht. Phobien <strong>und</strong> ticks: Frösche geheime Leidenschaften: Backen. Von Können kann aber<br />
nicht die Rede sein. Und Pilze sammeln. Aber nur theoretisch. Helden: Meine Katze Über sich selbst:<br />
Vollzeitstudentin mit vielen Nebenbeschäftigungen. Oder auch umgekehrt.<br />
editors – in this Light and on this evening<br />
Auch dem Laien fällt beim ersten Durchhören von «In This Light And On This Evening» die essentielle Veränderung<br />
im Musikschaffen der Editors auf. Während ihre früheren Alben verhältnismässig gitarrenlastig<br />
waren, findet man das Saiteninstrument auf dem neusten Werk der Editors nur selten. Alle Songs werden<br />
von düsteren, pessimistisch-traurigen Achtziger-Elektroklängen dominiert. Breite, langgezogene Synthieflächen<br />
überlagern trockene, relativ monotone Beats. Off-Beats sucht man vergebens; die anfängliche, stilistische<br />
Verwandtschaft mit der New Yorker Punk-Band Interpol lässt sich nur noch erahnen. Tom Smiths<br />
eindringliche Stimme ist auf dem neuen Album unwahrscheinlich präsent <strong>und</strong> fügt sich dank ihres melancholisch-träumerischen<br />
Klangs perfekt in die karge, synthetische Klanglandschaft. Beinahe könnte man hier<br />
von einer Neuschaffung des Depeche Mode’schen Klanguniversums sprechen. Der Titeltrack von «In This<br />
Light And On This Evening» beginnt sehr sphärisch, was eine ungeheure Spannung erzeugt. Diese wird nach drei Minuten in einem<br />
wuchtigen, hauptsächlich synthetischen Feuerwerk aufgelöst. Besser kann ein Album kaum beginnen. Sämtliche Songs sind gleichzeitig<br />
kalt <strong>und</strong> monumental, sanft <strong>und</strong> böse, nett <strong>und</strong> unnahbar, diabolisch <strong>und</strong> himmlisch.<br />
Fazit: Wenn man aufwändig sucht, könnte man dem Album eine gewisse Eintönigkeit ankreiden. Ich halte dies für unnötig, da das<br />
Zusammenspiel zwischen Smiths eindringlicher Stimme <strong>und</strong> den düsteren, schwammig-schwebenden So<strong>und</strong>s perfekt harmoniert. Das<br />
Album eignet sich absolut nicht für ausgelassene Partys. Als treuen, angenehmen Begleiter für frühmogendliche Zugfahrten oder zur<br />
Verstärkung der Herbstdepression empfehle ich das Werk jedoch wärmstens. Philipp Gautschi<br />
Sexy wie, sexy was?<br />
Mannigfaltig sind die Objekte <strong>und</strong> Sachverhalte, die mit sexy apostrophiert werden – ein iPod<br />
Touch, das Buch des renommierten Professors, das Cabriolet des Créateur d’Automobile, die<br />
Rede des globalen Hoffnungsträgers Obama über seine Vision einer atomwaffenfreien Welt. Zu<br />
jeder Zeit <strong>und</strong> Unzeit wird mit dieser Adjektiv-Allzweckwaffe alles <strong>und</strong> jeder, zuvorderst notabene<br />
jede, tituliert. Jetzt hört’s halt auf damit. Genug des unsäglich flachen <strong>und</strong> endlos gebeteten<br />
«Sex-sells»-Gefasels, das dem Intellekt jedes ernsthaften Rezipienten Hohn spottet. Basieren<br />
denn alle Kommunikationskonzepte nur noch auf der Hypothese, sämtliche Adressaten<br />
vegetierten als hirnlose, ausschliesslich triebgesteuerte Konsumtrottel vor sich<br />
hin? Ein für allemal: Nein. Im Jahr 2009 sind wir gesegnet, will sagen: zugemüllt mit<br />
Botschaften jeglicher Art, sodass mit Fug <strong>und</strong> Recht eine Besinnung auf Inhalte gefordert<br />
werden darf.<br />
In diesem Sinn beginnen wir freilich nicht beim grassierenden Sexismus der Werbung,<br />
lehnen uns nicht gegen die Pornographisierung unterschiedlicher Gesellschaftsbereiche<br />
auf, sondern verharren bescheiden bei der Forderung nach einer bedacht verwendeten<br />
Sprache. Hiebei fixieren wir uns auf ebendieses vermeintlich harmlose «sexy». Längst piesackt<br />
die Vokabel unser Gemüt über die Massen. Aber nicht alles, was Aufmerksamkeit erheischen<br />
soll, muss sexy sein. Allein zu nörgeln, saturiert uns nicht. Gerne bringen wir Optionen ein, die<br />
mitunter der Originalität ermangeln mögen, aber zweifelsfrei für stilistische Abwechslung <strong>und</strong><br />
semantische Aufwertung zu stehen geeignet sind. Ein technisches Gerät ist einfach funktional,<br />
leistungsfähig, vielleicht elegant, eine Publikation hervorragend, ein Gefährt gut zu steuern <strong>und</strong><br />
schnittig, ein Redebeitrag nüchtern überzeugend, in der Gr<strong>und</strong>idee schlicht zündend. Sie, verehrter<br />
Leser, dürsten nach mehr Sinnlichkeit, mehr Attraktivität, mehr Sex in der Sprache, verwerfen<br />
die eingeforderte linguistische Prüderie? Geschenkt.<br />
Post an den Nörgler ist an folgende Adresse zu richten: dernoergler@polykum.ethz.ch<br />
eXtraS<br />
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