24.01.2015 Aufrufe

01-01_2010 - dbz-donaustädter bezirkszeitung

01-01_2010 - dbz-donaustädter bezirkszeitung

01-01_2010 - dbz-donaustädter bezirkszeitung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

18 Donaustädter Bezirkszeitung Nr. 2/2<strong>01</strong>1 5/2<strong>01</strong>3<br />

Kuriose Ideen, G´schicht´ln und Geschichte<br />

Zwangsarbeiter József Bihari:<br />

Sein Stadlauer Tagebuch Teil 1<br />

Serie von Robert Eichert<br />

Bezirksvorsteher Norbert Scheed lädt am 26. Mai zur 4. Donaustädter GEH-DENK Wanderung. (Näheres dazu auf S.15) und auf<br />

www.geh-denk.at) Diese führt durch die Lobau zum „Mahnmal zum Gedenken an jene ZwangsarbeiterInnen, die zwischen 1938<br />

und 1945 zum Bau des Donau-Oder-Kanals und des Ölhafens sowie im Stadtgut Lobau eingesetzt wurden“. Teil der GEH-DENK<br />

Wanderung sind auch zwei Lesungen, deren Texte ich auswählen und aufbereiten durfte. Für eine der Lesungen sind mir die Aufzeichnungen<br />

des ungarischen Juden József Bihari (geb. 7.8.1883) in einem Taschenkalender von 1944 sehr wichtig. Der 61-jährige<br />

Bihari wurde von Ungarn nach Groß-Wien deportiert und war dann von Juli 44 bis Anfang 45 als Zwangsarbeiter in der heute<br />

noch existierenden Schule in Stadlau, Konstanziagasse 24, untergebracht. Bis dahin war er Handelsvertreter in Szolnok, wurde<br />

jedoch aus Debrecen deportiert und dadurch offenbar von seiner Frau Rózsi getrennt - Rózsa Bihari, geb. am 18. 4. 1886. Den<br />

Opfern einer menschenverachtenden Ideologie einen Namen geben!<br />

© Holocaust Dokumentationszentrum<br />

Budapest<br />

Ausweis des József Bihari<br />

von 1926<br />

Aus dem Tagebuch des József<br />

Bihari (leicht gekürzt):<br />

26.6.1944 …Wir sind zu Fuß mit<br />

unserem Gepäck in fürchterlicher<br />

Hitze 15 Kilometer nach Debrecen<br />

marschiert, wo alle entkleidet<br />

wurden, das heißt, es<br />

wurde uns alles weggenommen.<br />

Noch am selben Abend wurden<br />

wir einwaggoniert. Es war<br />

furchtbar. 88 Menschen in einem<br />

15-Tonnen-Waggon, nur mit<br />

Handgepäck. Unendlich viel haben<br />

wir an Hitze und Wassermangel<br />

gelitten. Ich habe von einer<br />

Fischkonserve eine Vergiftung<br />

bekommen. Auf dem Weg<br />

haben wir gehört, dass die Bewohner<br />

von Szolnok schon weggekommen<br />

sind. Wir sind in der<br />

größten Verzweiflung, ob wir jemals<br />

wieder jemanden von ihnen<br />

treffen werden. Es war<br />

furchtbar, es war furchtbar. 29.<br />

6. Endlich sind wir angekommen.<br />

Man hat uns in Strasshof<br />

bei Wien auswaggoniert. Die<br />

Hälfte von Szolnok war hier, die<br />

andere Hälfte ist noch nicht angekommen.<br />

Meine Rózsi ist<br />

nicht da. 30.6. Heute hat man<br />

uns desinfiziert. Die Nacht haben<br />

wir unter freiem Himmel<br />

verbracht. Ein furchtbarer<br />

Platz… Das Essen ist ungenießbar.<br />

1.7. Nachmittags um fünf<br />

Uhr wurden wir einwaggoniert.<br />

2.7. Um sechs Uhr früh sind wir in<br />

Wien angekommen. Es ist<br />

furchtbar das Gepäck zu tragen.<br />

Wir bekamen Mittagessen. Am<br />

Nachmittag hat man uns nach<br />

Stadlau gebracht und dort in einer<br />

Schule untergebracht. Das<br />

ist ein besserer Platz. Ich habe eine<br />

saubere Schlafstelle. Endlich<br />

ein wenig Beruhigung. Nur die<br />

Umgebung ist fürchterlich. Ich<br />

habe gut geschlafen. Man sagt,<br />

meine Rózsi wird auch herkommen.<br />

Gott gebe es. 4.7. Gestern<br />

war Ruhetag. Es war wirklich<br />

notwendig. Alles ist furchtbar erschöpft.<br />

5.7. Das Essen ist furchtbar,<br />

bin ganz abgemagert, meine<br />

faziale Lähmung will nicht<br />

besser werden. Ich habe keine<br />

Medikamente. Mein Bein ist<br />

ganz bamstig. Seit einer Woche<br />

spüre ich nichts mehr. Ich weiß<br />

nicht, was damit sein wird, es<br />

beunruhigt mich sehr. 7.7. …Leider<br />

habe ich von meiner Rózsi<br />

noch immer nichts gehört. Es<br />

tut mir furchtbar leid, dass wir<br />

nicht zusammen sein können.<br />

Was ist mit der Armen Oh,<br />

wenn ich nur etwas über sie erfahren<br />

könnte. 8.7. Noch immer<br />

Ruhe. Heute habe ich alles gewaschen.<br />

Mir wurden die Haare geschnitten.<br />

Wir haben Butter und<br />

Marmelade bekommen. Das Essen<br />

ist ungenießbar. 9.7. Von<br />

meiner Rózsi habe ich noch keine<br />

Nachricht. Ich werde verrückt,<br />

wenn wir uns nicht sehen<br />

können. Ich habe schlecht geschlafen.<br />

Auch im Übrigen nichts<br />

Gutes.<br />

10.7. Man hat 142 von uns auf Arbeit<br />

geschickt. Mich hat man<br />

hier gelassen, da ich über sechzig<br />

bin. Ich habe mich freiwillig<br />

gemeldet, weil es furchtbar ist,<br />

hier zu sein und man wird ganz<br />

verzagt. 11.7. Ich bin immer noch<br />

marode, ich habe Diarrhöe. 12.7.<br />

Von meiner Rózsi keine Nachricht.<br />

Leider weiß ich nicht, was<br />

mit ihr ist. Ich habe schlechte Gefühle.<br />

13.7. Heute hat man mich<br />

zur Arbeit ausgewählt. Laci<br />

kommt auch mit… 14.7. Heute<br />

geht es mir besser. Ich bin nur<br />

sehr schwach. 15.7. …Wie gestern<br />

war ich auch heute im<br />

(Anm.: jüdischen) Spital zur Behandlung.<br />

16.7. …ein gutes Mittagessen.<br />

Keine Neuigkeit. 17.7.<br />

Wir sind zur Arbeit gegangen.<br />

Haben kein Mittagessen bekommen.<br />

Die Arbeit dauert bis<br />

sechs, sieben Uhr… Es geht mir<br />

nicht gut… 18.7. Die Lage ist dieselbe.<br />

Vor Hunger komme ich<br />

fast um... 21.7. Die Arbeit ist viel<br />

und ermüdend. Dreieinhalb<br />

Stunden braucht man mit der<br />

Straßenbahn und dann zu Fuß<br />

zum Arbeitsplatz... 23.7. Ruhe.<br />

Nachdenken. Hoffnungen. Die<br />

Lage ist unverändert, das Essen<br />

ist miserabel, ich sehe sehr<br />

schlecht aus, Hunger. 24.7. Von<br />

meiner Rózsi leider noch immer<br />

keine Nachricht. Das tut mir sehr<br />

weh und ich finde keine Ruhe.<br />

25.7. In meiner Nase habe ich eine<br />

Haarwurzelentzündung. Es

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!