AUFTRAG_283_w.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
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BLICK IN DIE GESCHICHTE<br />
schen St. Lamberti-Kirche Selsingen<br />
teil (Bild 4).<br />
Ein knappes Vierteljahr später<br />
wurde Christian Wulff zum zehnten<br />
Bundespräsidenten gewählt. In seiner<br />
Antrittsrede nach seiner Vereidigung<br />
am 2. Juli konzentrierte sich<br />
das neue Staatsoberhaupt schwerpunktmäßig<br />
auf das Thema der Zukunft<br />
Deutschlands; die Bundeswehr<br />
wurde darin nicht erwähnt. Nur wenige<br />
Tage später, am 8. Juli 2010,<br />
besuchte der neue Bundespräsident<br />
das NATO-Hauptquartier in Brüssel<br />
unter Generalsekretär Anders Fogh<br />
Rasmussen (* 1953) und diskutierte<br />
mit ihm, dem Vorsitzenden des NA-<br />
TO-Militärausschusses, dem italienischen<br />
Admiral Giampaolo Di Paola<br />
(* 1944), Martin Erdmann (* 1955),<br />
dem deutschen Botschafter bei der<br />
NATO, dem aus Niedersachsen stammenden<br />
deutschen Militärischen Vertreter<br />
(DMV) bei der NATO, Generalleutnant<br />
Roland Kather (* 1949)<br />
und weiteren NATO-Spitzenvertretern<br />
über die künftige Strategie des Bündnisses,<br />
sowie den Einsatz der NATO<br />
am Hindukusch.<br />
Am 13. August 2010 stattete Wulf,<br />
nun erstmals als Staatsoberhaupt, der<br />
Bundeswehr eine Stippvisite ab, die er<br />
aber nicht als Antrittsbesuch verstanden<br />
wissen wollte. Vor der beeindrukkenden<br />
Kulisse des nach dem Vorbild<br />
der Danziger Marienburg erbauten<br />
„roten Schlosses am Meer“ nahm der<br />
Bundespräsident an der Vereidigung<br />
von Offiziersanwärtern der Marineschule<br />
Mürwik (MSM) teil und ehrte<br />
die Schule zu deren 100. Geburtstag. 15<br />
250 Rekruten der Crew VII/2010 –<br />
darunter auch <strong>Soldaten</strong> aus Albanien,<br />
Aserbeidschan, Frankreich, Jemen,<br />
Kasachstan, Korea, Montenegro,<br />
Namibia und Thailand – waren<br />
bei strahlendem Sonnenschein auf<br />
der Admiralswiese an der Förde angetreten.<br />
Auch eine Fahnenabordnung<br />
der polnischen Marineakademie aus<br />
Gdingen, der Schwesterakademie, erwies<br />
der MSM die Ehre. Das militärische<br />
Zeremoniell wurde von einer<br />
15 Nachdem der Kaiser Wilhelm II. am 22.<br />
Juni 1903 den Plan, die Marineschule<br />
von Kiel nach Flensburg zu verlegen,<br />
gebilligt hatte, und 1906 der Bau begann,<br />
zogen am 1. Oktober 1910 die ersten<br />
Fähnriche der Crew 09 in Mürwik<br />
ein. Am 21.11.1910 eröffnete der Kaiser<br />
die Marineschule.<br />
<strong>AUFTRAG</strong> <strong>283</strong> • SEPTEMBER 2011<br />
Abordnung des Wachbataillons aus<br />
Berlin und dem Marinemusikkorps<br />
Nordsee aus Wilhelmshaven begleitet<br />
und musikalisch gestaltet. Wulff wurde<br />
vom schleswig-holsteinischen Ministerpräsident<br />
Peter Harry Carstensen<br />
(* 1947), dem Parlamentarischen<br />
Staatssekretär Christian Schmidt (*<br />
1957), dem Inspekteur der Marine<br />
Vizeadmiral Axel Schimpf (* 1952)<br />
und Flottillenadmiral Thomas Ernst<br />
(* 1956), dem Kommandeur der Marineschule,<br />
begleitet. Über 2.000 Gäste<br />
nahmen an der Feier teil. In seiner<br />
Ansprache, die er mit dem Satz<br />
„Gottes sind Wogen und Wind, Segel<br />
aber und Steuer, dass ihr den Hafen<br />
gewinnt, sind euer“ von Johann Wilhelm<br />
Kinau, genannt Gorch Fock, einleitete,<br />
ermutigte Wulff die <strong>Soldaten</strong>,<br />
„als Staatsbürger die politischen Debatten<br />
unserer demokratischen Gesellschaft<br />
aktiv zu verfolgen und daran<br />
mitzuwirken“. Bisher blieb dieser<br />
Aufruf, der auch in ähnlicher Weise<br />
von seinem Vorgänger Köhler an die<br />
Streitkräfte ergangen war, ohne jegliche<br />
Resonanz. Beim Thema Integration<br />
lobte Wulff die Bundeswehr<br />
hinsichtlich zweier Aspekte: zum einen<br />
hätte sie als „Armee der Einheit“<br />
nach der Wiedervereinigung eine Vorreiterrolle<br />
beim Zusammenwachsen<br />
des Landes eingenommen, und zum<br />
anderen wäre sie vorbildlich bei der<br />
Integration der Frauen.<br />
„Ich habe mit Freude von der<br />
hohen Zahl der weiblichen Rekruten<br />
unter Ihnen erfahren“. Ob man dies<br />
allerdings dahingehend interpretieren<br />
kann, dass die Freude des Bundespräsidenten<br />
mit dem Ansteigen der Zahl<br />
von Soldatinnen zunimmt, und ob es<br />
nicht auch sachliche Grenzen für das<br />
Bild 5:Bundespräsident Wulff und Kapitän zur See Norbert Schatz (links) an<br />
Bord der Gorch Fock<br />
Zahlenverhältnis zwischen männlichen<br />
und weiblichen <strong>Soldaten</strong> – zumal<br />
in Kampfverbänden – gibt, wurde von<br />
Wulff nicht vertieft. Denn auch diese<br />
notwendige Diskussion kam nicht<br />
zustande. Seit langem geben lautstarke<br />
Minderheiten der Mehrheit ein als<br />
verbindlich geltendes Meinungsbild<br />
vor, und kein Politiker, aber auch kein<br />
Bischof, 16 kann oder will es sich leisten,<br />
diesen nicht unbedingt demokratischen<br />
Trend zumindest als diskussionswürdig<br />
zu bezeichnen oder ihm gar<br />
zu widerstehen. An Bord des Segelschulschiffes<br />
„Gorch Fock“, das erstmalig<br />
an der Blücherbrücke unmittelbar<br />
an der MSM festgemacht hatte,<br />
wurde Wulff in Begleitung des Kommandanten,<br />
Kapitän zur See Norbert<br />
Schatz (* 1957), mit militärischem<br />
Seezeremoniell begrüßt. Dem Rundgang<br />
über das Segelschulschiff, dem<br />
Besuch des Kommandostandes, und<br />
Gesprächen mit <strong>Soldaten</strong> folgte ein<br />
Empfang an Deck (Bild 5). Nur wenige<br />
Monate später stürzte ein weiblicher<br />
Obermaat der Crew VII/2010, die<br />
aus Niedersachsen stammende Sarah<br />
Lena Seele, im brasilianischen Hafen<br />
Salvador de Bahia aus der Takelage<br />
16 Ein Beispiel ist das „Zurückrudern“<br />
des gerade zum neuen Erzbischof<br />
von Berlin nominierten bisherigen<br />
Kölner Weihbischofs Rainer Maria<br />
Woelki in der Frage des Umgangs mit<br />
Homosexualität.<br />
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