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AUFTRAG_283_w.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten

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SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK<br />

<strong>AUFTRAG</strong> <strong>283</strong> • SEPTEMBER 2011<br />

dessen anormale Teilung durch die<br />

Wiederherstellung der Einheit beseitigt<br />

war, und das nun nicht länger der<br />

Frage ausweichen konnte, die andere<br />

Länder und Nationen – insbesondere<br />

solche innerhalb der NATO – schon<br />

früher für sich beantworten mussten:<br />

die Frage nach der Beteiligung an internationalen<br />

Einsätzen zur Konfliktlösung.<br />

Für mich gehört es zu den bis<br />

heute eher übersehenen, gleichwohl<br />

tatsächlichen Sternstunden des deutschen<br />

Parlamentarismus, dass und<br />

wie die erste konkrete Einsatzentscheidung<br />

des Bundestages für den<br />

Einsatz von deutschen <strong>Soldaten</strong> im<br />

Kosovo 1998 zustande gekommen ist.<br />

Damals hatte die geschäftsführend<br />

noch im Amt befindliche Regierung<br />

mit Helmut Kohl und dem damaligen<br />

Verteidigungsminister Volker<br />

Rühe und Außenminister Klaus Kinkel,<br />

mit der noch gar nicht gewählten,<br />

aber voraussichtlich ins Amt kommenden<br />

künftigen Regierung Gespräche<br />

geführt, mit dem Ergebnis, dass<br />

der Deutsche Bundestag mit einer<br />

überragenden Mehrheit quer durch<br />

alle Fraktionen diesem ersten deutschen<br />

Militäreinsatz zugestimmt hatte.<br />

Vorausgegangen war eine denkwürdige<br />

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes,<br />

das in einer unter Juristen<br />

nicht völlig unstreitigen Weise<br />

nicht nur aus dem Grundgesetz, sondern<br />

– wie es sinnigerweise hieß –<br />

„aus der deutschen Verfassungstradition<br />

seit 1918“ einen Parlamentsvorbehalt<br />

herausgelesen hatte und damit<br />

erst jene Praxis etabliert hat, die inzwischen<br />

in Deutschland unangefochten<br />

gilt: Dass die Entscheidung über<br />

den Einsatz deutscher <strong>Soldaten</strong> vom<br />

Parlament zu treffen ist. Die Fragen,<br />

ob überhaupt und wenn ja, wo und<br />

wie lange, wie viele deutsche <strong>Soldaten</strong>,<br />

mit welchem Auftrag irgendwo in<br />

der Welt aktiv werden, dies alles steht<br />

unter Parlamentsvorbehalt, bis hin zu<br />

der – inzwischen ja auch dafür gesondert<br />

gefundenen – gesetzlichen Regelung<br />

im sogenannten Parlamentsbeteiligungsgesetz<br />

aus dem Jahre 2005 und<br />

zu der gesetzlichen Regelung, dass im<br />

Ausland eingesetzte deutsche <strong>Soldaten</strong><br />

auf Entscheidung des Parlaments<br />

jederzeit zurückgeholt werden können.<br />

Das ist eine weltweit beispiellose<br />

Regelung. Dass sich in Deutschland<br />

mit Blick auf die Bundeswehr der Begriff<br />

„Parlamentsarmee“ eingebürgert<br />

hat, ist insofern mehr als ein zufälliger<br />

Sprachgebrauch, sondern macht<br />

eine Verantwortung deutlich, die es<br />

in dieser Weise kein zweites Mal gibt,<br />

und derer sich der Deutsche Bundestag<br />

ganz besonders und ausdrücklich<br />

bewusst ist.<br />

Inzwischen hat der Deutsche Bundestag<br />

mehr als ein Dutzend mal neue<br />

Aufträge für Militäreinsätze beschlossen<br />

oder alte Aufträge verlängert. Es<br />

kann kein Zweifel daran bestehen:<br />

Friedenssicherung ist eine der dringendsten<br />

und zugleich schwierigsten<br />

Aufgaben, die wir im 21. Jahrhundert<br />

zu bewältigen haben. Eine der dringendsten,<br />

weil nach wie vor die Versuchung<br />

übermächtig ist, da, wo es keine<br />

hinreichenden Widerstände gibt, Interessen<br />

mit brutaler Gewaltanwendung<br />

durchzusetzen, nicht selten auch<br />

gegen die eigene Bevölkerung. Das<br />

macht Friedenssicherung als organisierte,<br />

auch militärisch gestützte Anstrengung<br />

unverzichtbar. Und gleichzeitig<br />

ist es eine der schwierigsten<br />

Aufgaben, weil die Erfolgsaussichten<br />

für militärisches Engagement mit dem<br />

Ziel der Konfliktüberwindung und der<br />

Friedenssicherung nie so schwer zu<br />

kalkulieren waren wie heute.<br />

Natürlich haben Päpste und Bischöfe<br />

Recht, wenn sie in ihren zahlreichen<br />

Verlautbarungen zu diesem<br />

Thema immer wieder darauf hinweisen,<br />

dass eine der wesentlichen Voraussetzungen<br />

für die Legitimation<br />

der Anwendung militärischer Gewalt<br />

die sorgfältige Prüfung der Frage ist,<br />

ob der Zustand, der nach Anwendung<br />

der militärischen Gewalt besteht, ein<br />

besserer ist als derjenige, den man mit<br />

eben diesem Einsatz verändern wollte.<br />

Diese Frage lässt sich viel leichter<br />

formulieren als beantworten, weil die<br />

Antwort notwendigerweise immer eine<br />

hypothetische ist. Und das macht einmal<br />

mehr die Verantwortung deutlich,<br />

die diejenigen übernehmen müssen,<br />

die eine solche Entscheidung zu treffen<br />

haben. Um so angemessener finde<br />

ich die Lage, die wir in Deutschland<br />

haben, auch wenn sie ganz gewiss<br />

nicht gemütlich ist, dass eben diese<br />

Entscheidung nicht Regierungen<br />

überlassen wird, sondern vom Parlament<br />

zu treffen ist, also von der Repräsentanz<br />

aller Staatsbürgerinnen<br />

und Staatsbürger, die – direkt oder<br />

indirekt – die Folgen einer solchen<br />

Entscheidung mittragen müssen.<br />

Religion ist nicht auf dem Rückzug<br />

Ich will in diesem Zusammenhang<br />

noch einmal das Thema Religion<br />

und das Thema Religionsfreiheit aufgreifen.<br />

Entgegen der weitverbreiteten<br />

Meinung nämlich, dass wir uns in<br />

einer säkularen Welt befänden, in der<br />

die Bedeutung von Religion immer<br />

mehr zurück ginge, haben wir es in<br />

Wirklichkeit mit einer Welt zu tun, in<br />

der die Bedeutung der Religion eher<br />

zu- als abnimmt und wo wir uns in dem<br />

Auf und Ab des religiösen Eifers eher<br />

in einer Phase zu befinden scheinen,<br />

in der diesmal nicht christliche, sondern<br />

andere Religionsgemeinschaften<br />

ihre Glaubensüberzeugungen mit<br />

fundamentalistischem Eifer und unter<br />

Einbeziehung von Gewalt verfolgen.<br />

Diese Entwicklungen verdeutlichen<br />

nicht nur auf eine besondere<br />

Weise den weltweiten Stellenwert von<br />

Religion, sondern zugleich die bemerkenswerte<br />

Distanz, die es nach wie vor<br />

zu den Prinzipien gibt, die die Vereinten<br />

Nationen 1948 in der Allgemeinen<br />

Erklärung der Menschenrechte dazu<br />

notifiziert haben. Dort heißt es in Artikel<br />

18 wörtlich: „Jeder hat das Recht<br />

auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit;<br />

dieses Recht schließt<br />

die Freiheit ein, seine Religion oder<br />

seine Weltanschauung zu wechseln,<br />

sowie die Freiheit, seine Religion oder<br />

seine Weltanschauung allein oder in<br />

<strong>Gemeinschaft</strong> mit anderen, öffentlich<br />

oder privat durch Lehre, Ausübung,<br />

Gottesdienst und Kulthandlungen zu<br />

bekennen“.<br />

Der Blick allein in die Fernsehnachrichten<br />

zeigt jedoch beinahe<br />

täglich, wie weit die Realität von diesem<br />

Anspruch entfernt ist, denn der<br />

religiöse Fundamentalismus, der uns<br />

dort entgegentritt, nimmt diese Freiheit<br />

für sich mit derselben Radikalität<br />

in Anspruch, mit der er sie Andersund<br />

Nicht-gläubigen abspricht – allzu<br />

häufig mit der fanatischen Androhung<br />

oder gar Anwendung von Gewalt.<br />

Für die alten Römer war es nicht<br />

zufällig eine zur Spruchweisheit gewordene<br />

Lebenserfahrung, dass man<br />

sich auf Kriege vorbereiten müsse,<br />

wenn man den Frieden wolle: „Si vis<br />

pacem, para bellum.“ Darin kam die<br />

Überzeugung von kriegserfahrenen<br />

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