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ÖMZ 3/2009

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Österreich nach Solferino<br />

Die österreichische militärische Führung hatte aus dem<br />

Geschehen bei Solferino geradezu katastrophale Schlüsse<br />

für die zukünftige Einsatztaktik der Infanterie gezogen. Die<br />

österreichische Artillerieführung dagegen beurteilte die Lage<br />

völlig richtig und schuf in erstaunlicher Schnelligkeit eine neue<br />

Artilleriewaffe, die sich in den folgenden Kriegen ausgezeichnet<br />

schlug.<br />

Das Infanteriegewehr M 1854 war praktisch neu eingeführt<br />

worden, hatte sich nach Ansicht der obersten Militärbehörde<br />

1859 bewährt, es bestand kein Grund - und es gab auch kein<br />

Geld -, es zu ändern. 1861 wurde lediglich die Geschoßform<br />

verändert. Man wechselte vom Lorenzschen Kompressionsgeschoß<br />

zu einem Expansionsgeschoß, das eine etwas höhere<br />

Mündungsgeschwindigkeit erwarten ließ.<br />

Völlig anders war die Lage bei der Artillerie. Frankreich<br />

hatte als erstes Land Geschütze mit gezogenen Rohren nach dem<br />

System La Hitte eingeführt, und die klaren Erfolge in Oberitalien<br />

wurden vor allem den neuen Geschützen zugeschrieben. Das<br />

System La Hitte verbreitete sich demgemäß sehr schnell und fand<br />

in Belgien, Dänemark, Italien, den Niederlanden, Norwegen, der<br />

Schweiz und in den USA Einführung.<br />

Österreich hatte einige französische La Hitte-Geschütze erbeutet<br />

und damit ausgedehnte Schießversuche unternommen.<br />

Man beschloss, als Zwischenlösung eine Anzahl vorhandener<br />

Glattrohr-Geschütze nach diesem System umzubauen, aber<br />

- wohl in richtiger Erkenntnis der Schwächen des Systems<br />

- die Suche nach einem leistungsfähigeren Geschütz mit<br />

gezogenem Rohr fortzuführen.<br />

Zuerst glaubte die militärische Führung in Wien eine ausgezeichnete<br />

Lösung in dem von dem Artillerieoffizier Oberst<br />

Baron Lenk von Wolfsberg, Departementchef bei der Generalartilleriedirektion,<br />

entwickelten Schießwolle-Geschütz<br />

gefunden zu haben. In einem großen Schritt nach vorne wollte<br />

man zusammen mit neuen gezogenen Vorderladern auch ein<br />

völlig neues Treibmittel, die Schießwolle, 30) einführen, um<br />

möglichst hohe Schussweiten zu erreichen. Nach sehr zufriedenstellenden<br />

Schießversuchen wurde am 19. Februar 1861<br />

die Einführung dieser Kanone beschlossen. 31) Nachdem schon<br />

drei Regimenter damit ausgerüstet worden waren, musste<br />

die weitere Einführung gestoppt werden, weil nacheinander<br />

mehrere Schießwollmagazine ohne äußeren Anlass explodiert<br />

waren. Trotz viel besserer ballistischer Eigenschaften gegenüber<br />

dem Schwarzpulver, wie höherem Gasdruck, keiner<br />

Rauchentwicklung und keinerlei Rückständen, musste dieses<br />

Treibmittel wegen seiner nicht sofort erkennbaren Tendenz zur<br />

Selbstentzündung schließlich aufgegeben werden.<br />

Unter Benützung der wesentlichen konstruktiven Vorteile<br />

des Schießwollgeschützes wurde die Entwicklung fortgeführt.<br />

Vor allen Dingen verbesserte man die Form der Züge so, dass<br />

beim Laden das Geschoß vollkommen zentriert wurde. Die<br />

Besonderheit war die Ausbildung der so genannten Bogenzüge<br />

am Umfang dieses Mantels. Sie passten in die entsprechenden<br />

Züge des Geschützrohres und bewirkten eine wesentlich bessere<br />

Abdichtung, als es die Warzenführung der französischen<br />

La Hitte-Geschütze vermochte. Ähnlich wie bei der La<br />

Hitte-Kanone wurden vier Munitionsarten eingeführt: Hohlgeschoße<br />

(Sprenggranaten), Schrapnells, Brandgeschoße und<br />

Büchsenkartätschen. Um einen problemlosen Ladevorgang zu<br />

ermöglichen, musste der Geschoßdurchmesser um 2,4 mm<br />

kleiner gemacht werden als das Geschützkaliber (Spiel). Beim<br />

Abschuss entwich natürlich ein Teil der Pulvergase durch<br />

diesen Spielraum und verringerte die ballistische Leistung<br />

im Vergleich zu einem Hinterlader. Das Geschütz war aber<br />

der beste Vorderlader, den es je gab.<br />

Die Geschoße wurden mit einem Ladewerkzeug genau<br />

in die Mündung eingesetzt und durch eine Rechtsdrehung<br />

bis zum hinteren Ende des Rohres geführt. Sie bestanden<br />

aus Gusseisen. Um den zylindrischen Eisenhohlkörper war<br />

ein Mantel aus einer Zinn-Zinklegierung gegossen. Die<br />

wichtigste und auch treffgenaueste Munitionsart war das<br />

Hohlgeschoß mit Aufschlagzünder. Die Schrapnelle waren mit<br />

80 Bleikugeln gefüllt und verfügten über einen verbesserten<br />

Brennzünder, der eine relativ gute Einstellung der Flugzeit<br />

bis zur Zerlegung erlaubte. Brandgeschoße und Kartätschen<br />

wurden nur in geringer Zahl mitgeführt, letztere nicht mehr<br />

zum Angriff, sondern nur mehr zur Notabwehr von Infanterieangriffen.<br />

Das neu eingeführte Vierpfünder-Feldgeschütz (8 cm) M<br />

1863 zeichnete sich daher durch seine für damalige Verhältnisse<br />

sehr zufriedenstellenden ballistischen Eigenschaften aus.<br />

Es war dazu außerordentlich leicht, sehr beweglich und manövrierfähig.<br />

Im neu erbauten Artilleriearsenal in Wien wurde<br />

innerhalb von nur zwei Jahren das komplette Geschützmaterial<br />

für die österreichische Artillerie neu gefertigt.<br />

Der Feldzug 1864 gegen Dänemark bot sofort die erste<br />

Gelegenheit, die Verwendbarkeit der neuen Waffe im Einsatz<br />

zu erproben. Man kämpfte gemeinsam mit Preußen. Es zeigte<br />

sich die völlige Überlegenheit der österreichischen gezogenen<br />

Geschütze über die dänische glatte Vorderladerartillerie, auch<br />

im Vergleich mit den glatten deutschen Hinterladern. Preußen<br />

sah sich daraufhin veranlasst, seine Artillerie schnellstens<br />

auf gezogene Geschütze umzurüsten. Bei Beibehaltung<br />

der Hinterladung wurde dabei eine sehr hohe Genauigkeit<br />

beziehungsweise geringe Streuung erreicht. Die von hinten<br />

geladenen Geschoße wurden beim Abschuss in die Züge<br />

gepresst und dichteten das Rohr völlig ab.<br />

Die Lehren aus Magenta und Solferino fanden ihren taktischen<br />

Niederschlag in einem 1865 neu verfassten „Exerzier-<br />

Reglement für die kaiserlich königliche Artillerie“.<br />

Die Feuerstellung (Ziffer 132 des Reglements) sollte auf<br />

alle Fälle vorher erkundet und so ausgewählt werden, dass<br />

die Geschütze vor der Feuereröffnung möglichst verdeckt<br />

waren und auch beim Feuern möglichst viel Deckung besaßen.<br />

Eine Lehre aus dem Gefecht des Hauptmanns Winterstein bei<br />

Melegnano. Als Deckung werden dichte Hecken, Mauern<br />

und Straßendämme empfohlen. Die Batterien mussten in den<br />

Marschkolonnen weit vorne eingegliedert werden, um Zeit für<br />

eine ausreichende Erkundung der Batteriestellungen zu haben.<br />

Die Batterien sollten grundsätzlich zusammenbleiben, feuerten<br />

aber (zur besseren Schussbeobachtung) geschützweise.<br />

Man hatte erkannt, dass die Sprenggranate die wirkungsvollste<br />

Munitionsart war. Gegen Infanterie im offenen deckungslosen<br />

Gelände fand auch das Schrapnell Verwendung, doch sollte<br />

es, wegen der ungenauen Brennzünder, die eine höhere Längenstreuung<br />

ergaben, nur gegen tiefe Ziele wie Kolonnen<br />

oder aus der Flanke heraus Verwendung finden. Gegen breite<br />

Ziele geringer Tiefe - Infanterie in Schwarmlinie - hatte man<br />

erkannt, dass Schrapnelle wenig Wirkung besaßen und ver-<br />

<strong>ÖMZ</strong>-Online 3/<strong>2009</strong> 29

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