ÖMZ 3/2009
ÖMZ 3/2009
ÖMZ 3/2009
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
pöttering: synchronized armed forces europe (safe)<br />
der europäischen Partner zu vergrößern, verlangt es nicht nur<br />
einfach nach höheren Verteidigungsausgaben, sondern nach<br />
der intelligenteren Ausgabe der vorhandenen Mittel, nach mehr<br />
Synchronisierung und Kooperation innerhalb der EU, um für<br />
die vorhandenen Ressourcen schlagkräftigere, einsatzfähigere<br />
und effizientere Streitkräfte zu erhalten. Das Konzept der Synchronized<br />
Armed Forces Europe (SAFE) kann dabei wichtige<br />
Anregungen zur Erreichung dieses Ziels vermitteln. Die EU wird<br />
und will die NATO nicht ersetzen oder ablösen. Die NATO wird<br />
ihre Zuständigkeit für die europäische Territorialverteidigung<br />
behalten. Gleichwohl muss Europa Fähigkeiten erwerben, um<br />
eigenständig handeln zu können, wenn seine Sicherheitsinteressen<br />
bedroht sind.<br />
Die angestrebte Rückkehr Frankreichs in die Nukleare Planungsgruppe<br />
und in den Verteidigungsplanungsausschuss der<br />
NATO sowie eine auf Kooperation angelegte sicherheitspolitische<br />
Zusammenarbeit sind die Zeichen der Zeit. Voraussetzung<br />
für die Erfolg versprechende Entwicklung einer europäischen<br />
Sicherheitsarchitektur ist das komplementäre und nicht konträre<br />
Verhältnis zwischen der EU und der NATO. Dies ist wesentlich,<br />
weil nur so die bisherigen Widersprüche aufgelöst werden<br />
können.<br />
Diesen Zielen fühlte sich die gerade zu Ende gegangene französische<br />
Ratspräsidentschaft besonders verpflichtet. Frankreich<br />
hat dabei die Unterstützung von all jenen, die erkannt haben,<br />
dass die so genannte Friedensdividende der 1990er-Jahre nur<br />
von kurzer Dauer gewesen ist.<br />
Die führende Rolle Frankreichs heute ist dabei umso bemerkenswerter<br />
und anerkennenswerter, weil 1954 Frankreich den in<br />
den anderen fünf Staaten der Gründerländer der EU ratifizierten<br />
Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft nicht<br />
zur Abstimmung stellte, womit das Projekt der Europäischen<br />
Verteidigungsgemeinschaft scheiterte. Konrad Adenauer, der<br />
erste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, hat in seinen<br />
Memoiren dazu gesagt: „Die größte Enttäuschung und der<br />
größte Rückschlag“ seiner Kanzlerschaft seien gewesen, dass<br />
die EVG, die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, damals<br />
am Willen Frankreichs scheiterte. Stellen wir uns einmal vor,<br />
das Projekt einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft wäre<br />
damals gelungen. Um wie viel weiter wären wir heute mit einer<br />
gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />
Auch in London nimmt die Unterstützung für die Weiterentwicklung<br />
der ESVP zu. So hat der britische Außenminister<br />
David Miliband nur drei Wochen nach dem irischen Referendum<br />
im Sommer 2008 in einem ganzseitigen Namensartikel in<br />
einer angesehenen deutschen Tageszeitung festgestellt, dass der<br />
Nationalstaat die Bürgerinnen und Bürger heute nicht mehr vor<br />
globalen Gefahren schützen kann und dass wir dafür jetzt die<br />
EU benötigen. Minister Miliband identifiziert drei Bereiche, in<br />
denen der europäische Nationalstaat zu klein ist und die globalen<br />
Institutionen zu schwach sind, um die Bürger abzusichern. Diese<br />
sind der Klimawandel, die Bedrohung unserer Sicherheit von<br />
außen und die Verwirklichung des Binnenmarktes.<br />
Der zivil-militärische sicherheitspolitische<br />
Ansatz der Europäischen Union<br />
Wer den Sicherheitsbegriff im 21. Jahrhundert auf die militärische<br />
Sicherheit reduziert, wird bei der Lösung der komplexen<br />
Probleme scheitern. Deshalb ist der in der EU verfolgte zivilmilitärische<br />
Ansatz ein wesentlicher Beitrag für eine zeitgemäße,<br />
erfolgreiche und ergebnisorientierte Sicherheitspolitik.<br />
Sicherheit umfasst das ganze Instrumentarium politischer,<br />
wirtschaftlicher, diplomatischer sowie kultureller Möglichkeiten.<br />
Erfolgreiche Sicherheitspolitik beginnt mit politischer Kooperation,<br />
wozu der interkulturelle Dialog genauso wie die Förderung<br />
demokratischer Strukturen, aber auch der Kampf gegen die<br />
Folgen des Klimawandels weltweit gehören. Aus diesem Grund<br />
fördert die EU z.B. die Zusammenarbeit mit den afrikanischen<br />
Parlamenten und dem Pan-Afrikanischen Parlament. Dieses<br />
Pan-Afrikanische Parlament ist gegenwärtig eine mit dem Europäischen<br />
Parlament nicht vergleichbare Volksvertretung, aber<br />
doch eine Institution für den gesamten afrikanischen Kontinent.<br />
Die Förderung parlamentarischer Strukturen ist dabei ein Beitrag<br />
für eine umfassende Sicherheitspolitik, denn Demokratie<br />
ist ohne Parlamentarismus nicht denkbar. Wo es aber keinen<br />
Parlamentarismus gibt, entwickeln sich Diktaturen, und diese<br />
sind oft Ursache von Konflikten.<br />
Dieser erweiterte zivil-militärische Sicherheitsbegriff<br />
bestimmt als sicherheitspolitische Leitidee unser auf Werten<br />
basierendes Handeln in der Welt. Diese Leitidee ist aus einer bewegten<br />
und wechselvollen europäischen Geschichte gewachsen.<br />
Unsere gemeinsame Grundlage ist das kulturelle Erbe, das in der<br />
griechischen Philosophie, dem römischen Recht, dem Judentum<br />
und Christentum, der Aufklärung und dem Humanismus wurzelt.<br />
Sie ist weit mehr als eine Anzahl gemeinsamer Institutionen und<br />
Regeln. Sie gründet auf der gemeinsamen Geschichte, einem gemeinsamen<br />
Werteverständnis - dessen Kern der Respekt vor der<br />
Menschenwürde bildet. Die EU formt daraus einen Rahmen, um<br />
im Sinne der Menschen und des friedlichen Zusammenlebens<br />
gemeinsam zu handeln - ein Rahmen, der uns die Möglichkeit<br />
zur Verwirklichung unserer Werte im täglichen Leben und in<br />
der Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft bietet. Ihr liegen<br />
unsere zentralen Werte zugrunde: Freiheit, die in Europa mit dem<br />
Rechtsstaat und dem Demokratieprinzip geschützt wird, Solidarität,<br />
die mit dem Prinzip der sozialen Marktwirtschaft praktisch<br />
umgesetzt wird, und Gerechtigkeit, die seit den philosophischen<br />
Dialogen Platons unser Streben nach einer auf Ausgleich und<br />
Recht basierenden, zutiefst europäischen Idee beschreibt.<br />
Der synchronisierte sicherheitspolitische<br />
Ansatz: Synchronized Armed Forces Europe<br />
(SAFE)<br />
Ein erfolgreicher europäischer Beitrag zur weltweiten Sicherheit<br />
muss sich zusätzlich auch auf militärische Fähigkeiten<br />
abstützen können. Wir sollten uns daher fragen, was die EU noch<br />
mehr tun kann und muss, um die gewünschte handlungsfähigere<br />
EU im Bereich der Sicherheitspolitik zu erreichen. Die Antwort<br />
liegt letztlich nicht in der bloß vertieften Zusammenarbeit zwischen<br />
autonomen nationalen Armeen, sondern im Vergleich zu<br />
heute in einem Quantensprung bei gemeinsamer Führung, bei<br />
Ausrüstung und Einsatz.<br />
Wenn wir diese Ziele erreichen wollen, brauchen wir<br />
zwischen dem heutigen Zustand von zwar teilweise interoperablen<br />
aber noch rein national organisierten Streitkräften<br />
ein verbindendes Zwischenglied in die Zukunft. Diesem bis<br />
heute fehlenden Zwischenglied könnte man auch der positiven<br />
gedanklichen Verknüpfung und Einprägsamkeit wegen den<br />
Namen SAFE geben, eine Abkürzung für „Synchronized Armed<br />
Forces Europe“. SAFE kann auch jene mit in die Debatte über<br />
<br />
<strong>ÖMZ</strong>-Online 3/<strong>2009</strong>