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2. Quartal 2012 - Wietersheim

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<strong>Wietersheim</strong>er Geschichten<br />

6. Auszug aus der Broschüre<br />

„Bäuerliche Heilkunde in einem Dorfe des <strong>Wietersheim</strong>er Landes“<br />

von Wilhelm Brepohl<br />

bearbeitet vom Ortsheimatpfleger Wilfried Weßling<br />

………Fortsetzung<br />

Das Beuten wandte man auch bei der gefürchteten<br />

Gürtelrose an. Den Spruch<br />

wollte mir aber die alte Beuterin nicht<br />

sagen, da mit seiner Kenntnis die Kraft<br />

auf mich überginge und sie nicht mehr<br />

helfen könne. Wenn sie zu dem Rosekranken<br />

ging, durfte sie mit keinem anderen<br />

Menschen sprechen. Wurde sie<br />

dennoch unterwegs angeredet, musste<br />

sie zuvor in einem fremden Hause einkehren,<br />

„ünner einen Daoke wäsen sien“<br />

bevor sie weiter ging. Dann murmelte<br />

sie bei dem Kranken den Vers, sagte laut<br />

des „Im Namen des Vaters . . .“ und wiederholte<br />

dies Besprechen an den beiden<br />

folgenden Tagen. Schon am zweiten Tag<br />

sollten sich weiße Flecken bilden und<br />

die Rose abheilen. Geld durfte sie für<br />

diese Behandlung nicht nehmen. Ähnlich<br />

besprach diese Beuterin auch die<br />

Gesichtsrose. Zur Nachbehandlung<br />

nahm man Öl, Honig oder Kamille<br />

(1935). Später nannte mit ein älterer<br />

Mann auch den gegen die Rose gebrauchten<br />

Beutevers:<br />

„Rot Rose, witt Rose, gäl Rose.<br />

eck verbie’e di,<br />

dat du mi nich steckst,<br />

dat du mi nich breckst<br />

un dat du mi nich füdder (voran)<br />

gahst!<br />

Im Namen des Vater (+) . . . . . .“<br />

Dieser Vers musste auch nach<br />

seiner Angabe dreimal gesprochen werden.<br />

Schließlich nahm man noch die<br />

Flüssigkeit ein, die man aus Schweinespeck<br />

presste (vor 1900).<br />

Gebeutet wurde auch gegen die<br />

„fallende Krankheit“, gegen die in einem<br />

20 ORTSGESPRÄCH<br />

Falle auch ein Stück Holz bestimmter<br />

Art auf dem Rücken getragen worden<br />

sein soll (um 1900).<br />

Ein weiterer Beutevers wurde<br />

gegen die „Stichten“ gebraucht. Was die<br />

„Stichten“ seien, konnte mir die alte<br />

Frau D. nicht mehr sagen. Sie wusste<br />

diesen Vers, der wohl noch vor 1850 gebräuchlich<br />

war, von ihrem Großvater:<br />

„Eck beute di de Stichten,<br />

de schwatten und de witten,<br />

de roen un de blauen,<br />

de griesen un de grauen,<br />

dat se nich stäket (stechen),<br />

dat se nich äket (eitern)<br />

un dat se sien Lierbe nich wie’er weih<br />

dauet!“<br />

Groß war die Zahl lästiger<br />

Hautkrankheiten. Die „Blattern“ und<br />

„Schwatten Pocken“ waren allerdings<br />

seit Einführung der Zwangsimpfung<br />

ausgestorben. War früher jemand an<br />

ihnen erkrankt, mussten die Besucher<br />

erst einige „Schlücke“ trinken, um eine<br />

Ansteckung zu vermeiden.<br />

Mitesser und Pickel, die „lütken<br />

Puen“, kamen selten vor. Man<br />

pflegte sie einfach auszudrücken<br />

(1930). Dabei soll es dann und wann infolge<br />

von Unsauberkeit der Finger zu Todesfällen<br />

gekommen sein. Gegen<br />

Hautunreinigkeiten wurden vereinzelt<br />

auch „Poggeneier“, Froschlaich (Rana<br />

esculenta), gebraucht (um 1920).<br />

Auf den kleinen Ausschlag in<br />

den Mundwinkeln, der wegen seiner<br />

Ähnlichkeit mit ausgebratenen Speckbrocken<br />

wie diese „Schremen“ hieß,<br />

schmierte man wohl etwas Schmalz<br />

(1930).<br />

Lästiger war schon der „Hunnering“,<br />

ein Ausschlag. Er fraß sich im<br />

Kreise weiter und hinderte stark bei der<br />

Arbeit, da er vorwiegend an Händen<br />

und Beinen auftrat. Seinen Namen hatte<br />

er wohl davon, dass man ihn zur Heilung<br />

von Hunden ablecken ließ (1949).<br />

Helfen sollten auch „Piepenseibel“ (Tabaksoße)<br />

(1935) oder „Botternsöle“<br />

(Salzwasser, das sich noch aus der fertigen<br />

Butter kneten ließ) (1930).<br />

Arg wurden besonders die<br />

Männer von Geschwüren und Furunkeln,<br />

den „Pinnschwären“ und „Rabunken“,<br />

geplagt, die oft sehr „vernienig“<br />

(bösartig) waren. Gegen sie gab es verschiedene,<br />

oft nicht gerade angenehme<br />

Mittel. Man verwandte Packungen aus<br />

Lehm und Schweinedreck (1920), band<br />

Speck mit Zwiebelscheiben oder die<br />

Haut eines rohen Eies über die Schwellung<br />

(1936) und benutzte ein scharf ziehendes<br />

Pflaster aus Honig und<br />

Weizenmehl (1930). Weiter gebrauchte<br />

man Packungen aus Roggenbrei, der bei<br />

den alten Leuten von seiner häufigsten<br />

Anwendung her durchweg „Rüggenbrei“<br />

hieß. Wollte man es besonders gut machen,<br />

so briet man „Gosefett“ (Gänsefett)<br />

mit „Zipollen“, Zwiebeln (Allium<br />

ascalonium),und tat beides unter den<br />

Roggenbrei (um 1935 noch allgemein<br />

gebräuchlich). Besonders gut sollte folgendes<br />

Mittel sein: Man nahm frischen<br />

Kuhdreck, drückte ihn in einem Lappen<br />

aus und tat von der gewonnenen Flüssigkeit<br />

einige Tropfen in „Schluck“, der<br />

getrunken werden musste. Dann war<br />

man für alle Zeit die „Pinnschwären“<br />

los. Ob man drei, fünf, sieben oder mehr<br />

Tropfen des Ausgedrückten nahm, war<br />

gleichgültig. Ihre Zahl musste nur „unpart“<br />

sein (um 1900). Auch Schwarzpulver<br />

(Schießpulver) sollte helfen (1950).<br />

Nagelgeschwüre (Panaritium)<br />

wurden von Würmern hervorgerufen<br />

und hießen deshalb „Nägelwörm“. Ein<br />

Gemisch aus ungesalzener Butter und<br />

Brotkrümeln sollte sie herausziehen<br />

(um 1925).<br />

Litt eine stillende Frau an Geschwüren<br />

der Brust, machte man Um-<br />

Bauunternehmung · Klinkerfachbetrieb<br />

Päpinghauser Straße 153 · 32423 Minden · Telefon (0571) 30593 · Telefax (0571) 32231

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