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Dr. Andrea Mayr: Mein Marathon<br />

Mit dem Marathon-Sieg in Wien hatte wohl niemand<br />

gerechnet. Aber <strong>SV</strong>S-Langstreckenspezialistin<br />

Andrea Mayr überraschte Österreichs<br />

Sportwelt und holte sich den heißbegehrten Pokal.<br />

Gemeinsam mit dem Sportsfreund lässt Sie<br />

diesen Tag noch einmal Revue passieren.<br />

Kurz vor 8.00 Uhr machten sich Andi (Lebensgefährte<br />

Andreas Stitz) und ich auf den<br />

Weg zum Start – Andi mit seinem Street-<br />

Stepper und ich mit meinem Rad. Hubert<br />

(Trainer Hubert Millonig) hat zwar sehr dringend<br />

von einer Radanreise abgeraten. Uns<br />

fiel aber nichts Besseres ein, daher hielten<br />

wir uns nicht an seine Vorgaben. Ich sperrte<br />

mein Rad auf der Donauinsel ab und spazierte<br />

gemütlich auf die Reichsbrücke hinauf.<br />

Aber was war das? Warum hatte ich<br />

plötzlich heftiges Bauchweh? Sicher nur ein<br />

Symptom der Nervosität. Einfach ignorieren.<br />

Und was ist das? Es ist gerade mal 8.00 Uhr<br />

und die ganzen Afrikaner kommen mir bereits<br />

im Laufschritt entgegen. Hubert meinte, ich<br />

solle maximal 25 min vor dem Start mit dem<br />

Aufwärmen beginnen und dann reichen auch<br />

5 bis 10 min lockeres Laufen und zwei Steigerer.<br />

Also, wo ist Hubert?<br />

10 SPORTSFREUND 03/2009 • Mai/Juni/Juli 09<br />

Irgendwie geht dann alles recht schnell und<br />

plötzlich hab ich es schon eilig meine Wettkampfschuhe<br />

anzuziehen. Ein letzter Steigerer<br />

noch (das fühlt sich heut schnell an!) und<br />

dann ab in den Startbereich! Ich bin nervös<br />

und entspannt zugleich, voller Vorfreude und<br />

Ungewissheit. Durch die Lautsprecher dringt<br />

die österreichische Bundeshymne! Was für<br />

eine Stimmung!<br />

Der Start erfolgt dann relativ abrupt, aber bei<br />

42 km braucht man sich am Anfang keinen<br />

Stress zu machen. Meine Kilometer-Zeiten<br />

sollten so um die 3:34 min liegen, möglichst<br />

konstant. Der erste Kilometer geht bergauf,<br />

deswegen wird der wohl etwas langsamer<br />

sein. Vater Weidlinger meinte vor dem Start<br />

noch, dass der erste Kilometer wahrscheinlich<br />

auch ein bisschen einfahren wird. Aber<br />

das ist überhaupt nicht der Fall. Es geht<br />

echt locker und ich kann die Stimmung in<br />

mich aufsaugen. Tempogefühl hab ich natürlich<br />

keins, aber dafür hab ich ja meine zwei<br />

Tempomacher. Das Feld hat sich schnell<br />

geordnet, vorne die Männerelite, hinten die<br />

Frauen. Wir sind eine Gruppe von etwa 10<br />

Läuferinnen. Wir umrunden den Praterstern<br />

und biegen in die Hauptallee ein. Andi ruft<br />

mir bei Kilometer drei eine Zwischenzeit von<br />

zehneinhalb Minuten zu. Etwas zu schnell,<br />

aber es fühlt sich sehr gut an. Die Hauptallee<br />

ist schattig, völlig flach und von unzähligen<br />

Trainings in derselben mir bestens bekannt.<br />

Bei Kilometer 5 die erste Verpflegstelle. Meine<br />

Übergabe funktioniert einwandfrei, obwohl<br />

doch eine gewisse Unruhe ins Feld kommt,<br />

denn jeder sucht seinen „Flaschengeber“.<br />

Wir laufen raus auf die Schüttelstraße. Von<br />

einem Moment auf den nächsten beginne ich<br />

nervös zu werden. Was ist los, wieso ist es<br />

auf einmal so anstrengend? Ich überlege, ob<br />

ich Hermann (mein Tempomacher) mitteilen<br />

soll, dass ich gern langsamer möchte. Aber<br />

ich warte noch ein bisschen ab. Die nächste<br />

Kilometerzeit ist voll im Plan. Jetzt geht’s<br />

rüber über den Donaukanal. Tausende Menschen<br />

jubeln und rufen. Mein gutes Gefühl<br />

ist wieder da. Am Ring wird’s immer besser.<br />

Hermann pfeift mich zurück. Ich lasse mich<br />

von den Anfeuerungen anstecken und werde<br />

immer schneller. Es geht so leicht.<br />

Kilometer 10: Hubert steht da und deutet mir,<br />

dass das Tempo (35:15 min) eher zu schnell<br />

ist und ich mir ruhig ein „bissi Zeit“ lassen<br />

soll. Wir laufen die linke Wienzeile hinaus.<br />

Laut Steckenprofil geht’s hier leicht bergauf,<br />

aber mir fällt nichts auf, auch die Kilometerzeiten<br />

bleiben konstant! Es rollt richtig<br />

gut und ganz im Gegensatz zum Halbmarathon,<br />

den ich hier vor drei Jahren gelaufen<br />

bin, kommt mir dieser Streckenabschnitt<br />

auch gar nicht furchtbar, oder langweilig vor.<br />

Auch Zuschauer sind heuer ganz viele. Zwei<br />

Halbmarathonmänner laufen an mir vorbei,<br />

drehen sich kurz um und feuern mich an!<br />

Kilometer 15: Wir sind in Schönbrunn angekommen.<br />

Jetzt kommt der „steilste“ Teil der<br />

Strecke. Mir geht‘s extrem gut und ich kann<br />

das Tempo fast halten. Allerdings setze ich<br />

mich damit vom gesamten Frauenfeld ab.<br />

Ich freu mich darüber, versuche weiterhin<br />

nur auf mich zu achten und konzentriert zu<br />

bleiben. Die äußere Mariahilfer Straße ist<br />

nicht ganz einfach auf Grund der Straßenbahnschienen.<br />

Aber ich weiß, dass bald der<br />

Abschnitt kommt, bei dem es drei Kilometer<br />

nur bergab geht. Diesen Teil nützt eine Kenianerin<br />

(mit verdammt langen Beinen) sich<br />

etwas von mir abzusetzen. Wenn ich aufgeschaut<br />

hätte, hätte ich bemerkt, dass sie nur<br />

eine Tempomacherin ist, denn „Pace“ steht<br />

hinten auf ihrer Startnummer. Aber ich registriere<br />

das eigentlich nicht, so wie ich auch<br />

viele andere Sachen und vor allem Personen<br />

entlang der Strecke nicht registriere. So etwas<br />

Ähnliches habe ich mir schon gedacht<br />

und deswegen hab ich Andi beauftragt, mir<br />

während des Rennens schon immer mitzuteilen,<br />

an wem wir aller vorbei gelaufen sind.<br />

Kilometer 20: Ich nähere mich langsam wieder<br />

dem Ring und wahnsinnig vielen Leuten.<br />

Als wir am Heldenplatz vorbei laufen, sehe<br />

ich den Veranstalter Wolfgang Konrad auf der<br />

Strecke stehen. Er mustert mich, um zu be-<br />

Bundespräsident Heinz Fischer (2.v.r.) gratuliert den<br />

Siegern des Vienna City Marathons.<br />

urteilen wie es mir geht. „Super geht’s mir!“,<br />

möchte ich rufen, behalte es aber doch lieber<br />

für mich. Die halbe Distanz ist bereits<br />

zurückgelegt: 1.14:45 Std. Verdammt gute<br />

Zeit, aber ich weiß, der Marathon hat noch<br />

nicht wirklich begonnen. Im Training bin ich<br />

dieses Tempo maximal 25 km lang gelaufen<br />

und das war schon recht „zach“. Heute funktioniert<br />

es um einiges leichter. Wir biegen ab<br />

in die Lichtensteinstraße. Dagmar Rabensteiner<br />

(die frühere Marathonrekordlerin)<br />

steht bei Kilometer 22,5 und feuert mich<br />

an. Das freut mich! Es geht vorbei am Franz-<br />

Josefs-Bahnhof und auf einmal erblicke ich<br />

in meiner Gruppe (bin mittlerweile die einzige<br />

Frau), den Haus- und Hof-Tempomacher<br />

und langjährigen Begleiter von Eva Gradwohl!<br />

Was macht der da, warum rennt der die ganze<br />

Zeit hinter mir, warum läuft er überhaupt<br />

und nein, bitte, ich will das nicht!!<br />

Ich werd nervös! Allerdings, vielleicht ist das<br />

genau der Sinn und Zweck dieser „Übung“.<br />

Ich versuch mich zu beruhigen und ihn zu<br />

ignorieren.<br />

Bei Kilometer 25 steht Dagmar noch einmal.<br />

Sie ruft mir zu, dass sie mir wünscht, den<br />

österreichischen Rekord zu brechen! Das<br />

baut mich auf! Andi schreit mir zu, dass die<br />

Kilometerzeiten recht gut sind, aber mein<br />

Gefühl ist es nicht mehr! Jetzt muss wohl ein<br />

Kilometerschild falsch aufgestellt worden<br />

sein, denn den nächsten Kilometer laufe ich<br />

„angeblich“ in 3:20. Die Schüttelstraße wird<br />

etwas mühsam. Ständig läuft man leicht<br />

bergauf und dann wieder hinunter. Ich freue<br />

mich schon auf die Hauptallee.<br />

Kilometer 30: Endlich habe ich sie erreicht,<br />

aber die kleine Schlaufe zum Stadion hin<br />

wird zur Herausforderung. Ich habe einen<br />

nicht ganz unbedeutenden Durchhänger. Ja,<br />

ich erinnere mich auf einmal daran, dass Roman<br />

Weger letztes Jahr hier das Handtuch<br />

geschmissen hat. Wie, als könne er Gedanken<br />

lesen, beginnt jetzt Hermann auf mich<br />

einzureden. Denk an etwas Schönes! Lass<br />

die negativen Gedanken beiseite! Na gut, ich<br />

probiere es. Jetzt dringe ich in unbekanntes<br />

Terrain vor. Noch nie bin ich so lang, so<br />

schnell gelaufen. Und das Problem dazu: es<br />

ist noch ein ganz schönes Stück bis ins Ziel!<br />

Den 31. Kilometer lauf ich wieder in 3:33<br />

min. Das tut gut für die Psyche. Die ganze<br />

Hauptallee hinauf und hinunter läuft wieder<br />

KONTAKT – LEICHTATHLETIK<br />

Sportlicher Leiter:<br />

Mag. Leo Hudec<br />

L.hudec@kabsi.at<br />

Tel. (0650) 373 52 87<br />

Geschäftsstelle:<br />

Erich Straganz<br />

Tel. (01) 707 17 87-27<br />

svs.la@aon.at<br />

www.<strong>SV</strong>S-Leichtathletik.at<br />

Nachwuchs:<br />

Michael Löscher<br />

Tel. (0664) 965 00 69<br />

michael.loescher@gmx.net<br />

Trainingstermine/Trainingsort:<br />

Mo bis Fr<br />

16.30 bis 18 Uhr<br />

Phönixsportplatz<br />

Alfred Horn Str. 2, <strong>Schwechat</strong><br />

(Winter: Sporthauptschule)<br />

total gut.<br />

Als ich bei Kilometer 35 aus dem Prater wieder<br />

hinaus laufe, denke ich mir: „Das wird<br />

richtig einfach bis ins Ziel!“ Doch dann<br />

kommt wieder die Schüttelstraße mit ihren<br />

ständigen Rhythmusbrechern. Sofort werden<br />

die Zeiten langsamer- Kilometer 39:<br />

Andi schreit mir entgegen, dass ich, sollte<br />

ich die letzten 3 km in 3:40 min laufen, den<br />

Rekord in der Tasche habe. 3:40! Ein Klacks<br />

denke ich mir und beginne mich schon zu<br />

freuen. Allerdings folgt darauf ein Kilometer<br />

mit 3:45 und mein Optimismus ist dahin.<br />

Kilometer 40: Ich biege jetzt gleich in den<br />

Ring ein. Hoffentlich stehen da recht viele<br />

Leute, die mich anfeuern und so die Anstrengung<br />

vergessen machen. Naja, so ganz klappt<br />

das noch nicht. Den nächsten Kilometer lege<br />

ich ebenfalls nur in 3:43 min zurück. Ich<br />

verzweifle ein bisschen und muss mich wieder<br />

neu motivieren. Ich führe ja, ich werde<br />

gewinnen. Vergiss doch den blöden Rekord!<br />

Hermann, Thomas, Andi und zahlreiche Leute<br />

entlang der Strecke schreien mir zu. Ich<br />

kann fast nichts verstehen, aber der Lärm<br />

erfüllt seinen Zweck. Er betäubt die Gefühle<br />

der Anstrengung. Irgendjemand ruft mir zu,<br />

dass ich nur mehr 90 Sekunden zu laufen<br />

hätte. Wirklich? Aber ich kann doch die Abzweigung<br />

zum Heldenplatz noch gar nicht<br />

sehen? Wie soll sich das ausgehen?<br />

Kilometertafel 42: ich schau auf die Uhr und<br />

sehe 2.30:00 std! Ich weiß, ich habe es geschafft,<br />

denn die letzten 200 m werd ich<br />

wohl noch in 50 Sekunden absolvieren können.<br />

Ich laufe unter dem Heldentor durch.<br />

tausende Leute tragen mich über die letzten<br />

Meter! Ich kann kaum noch den Kopf halten.<br />

Zweimal fällt er mir in den Nacken, aber ich<br />

fixiere die Zeitnehmung! Die letzten Meter –<br />

geschafft! 2.30:42 Stunden! Sieg und Österreichischer<br />

Rekord! Und so ganz nebenbei<br />

habe ich das WM-Limit für Berlin erfüllt!<br />

Was jetzt folgt ist pure Euphorie! Gefühle,<br />

die man wohl nur in der Sportwelt kennt.<br />

Trotz größter Anstrengung in den letzten<br />

zweieinhalb Stunden, verspüre ich keinerlei<br />

Müdigkeit, kann die Zielgerade im Freudentaumel<br />

sofort wieder jubelnd rauf und runter<br />

laufen. Erst beim missglückten Freudensprung,<br />

muss ich zur Kenntnis nehmen, dass<br />

meine Muskeln jetzt doch nicht mehr ganz<br />

frisch sind. ANDREA MAYR<br />

SPORTSFREUND 03/2009 • Mai/Juni/Juli 09 11

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