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Innovative Digitaltechnik aus dem Gutenberghaus als Problemlöser

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Rudi Horst an alter Wirkungstätte.<br />

Foto: Menge<br />

16 Druck<br />

Mitarbeiter im Blick<br />

Vom bleisatz zum computersatz –<br />

eine Zeitreise<br />

Ein Griff zum großen Setzkasten. Drei Finger finden schnell ihren Weg in eines der zahlreichen<br />

Fächer. Sie fassen eine Letter <strong>aus</strong> Blei, auf <strong>dem</strong> der Buchstabe „e“ zu lesen ist. Wie im Zeitraffer<br />

bewegt sich die rechte Hand, nur schwer sind klare Konturen der Finger zu erkennen. Schnell<br />

setzen sie das „e“ in einen Winkelhaken. Eine halbe Sekunde später geht der Griff in ein<br />

anderes Fach. Die nächste Letter und somit der nächste Buchstabe landet im Winkelhaken. Im<br />

regelmäßigen Wechsel fliegen die Finger zwischen Winkelhaken und Holzkasten hin und her.<br />

Ein Griff in den Setzkasten, ein Griff zum Winkelhaken. Minutenlang. Griff für Griff.<br />

Es sind Handgriffe, die Rudolf Horst, im<br />

Gutenbergh<strong>aus</strong> seit 1975 beschäftigt<br />

und von allen Rudi genannt, wie im<br />

Schlaf beherrscht. Denn Rudi ist <strong>aus</strong>gebildeter<br />

Schriftsetzer. Von 1969 bis 1972<br />

hat er den Beruf gelernt. Doch eigentlich<br />

gibt es Rudis Beruf nicht mehr. Zu sehr<br />

hat sich die Druckindustrie gewandelt.<br />

Innerhalb von vier Dekaden haben Automatisierung<br />

und Digitalisierung seine<br />

Tätigkeit überflüssig gemacht. Niemand<br />

muss mit seinen Händen Buchstaben<br />

<strong>aus</strong> Blei in einen Winkelhaken, <strong>als</strong>o die<br />

winkelförmige Satzschiene, legen. Seit<br />

den Siebziger Jahren muss diese Griffe<br />

niemand mehr beherrschen.<br />

„Schriftsetzen macht richtig Spaß“, sagt<br />

Rudi, für den die Arbeit mit den Bleibuchstaben<br />

stets mehr <strong>als</strong> ein Müssen<br />

war. Wenn er das sagt, verliert er sich<br />

etwas in seinen Erinnerungen. Seine<br />

Mundwinkel gehen nach oben, die Augen<br />

werden wach. Das Setzen, so wie er<br />

es einst gelernt hat, weckt eine Leidenschaft<br />

in ihm. „Wenn es geht, würde ich<br />

<strong>als</strong> Rentner gerne in einem Druckmuseum<br />

<strong>als</strong> Setzer arbeiten. Dann bleibt diese<br />

schöne Arbeit auch im digitalen Zeitalter<br />

erhalten.“ Denn das Zeitalter des Internets<br />

ist nicht mehr das Zeitalter des traditionellen<br />

Schriftsetzens. Bleiletter und<br />

Winkelhaken sind nur noch etwas für<br />

Nostalgiker und Historiker.<br />

Ein Griff zum Metallrahmen. Die rechte<br />

Hand bewegt sich nun nicht mehr zum<br />

Setzkasten. Sie greift nach <strong>dem</strong> sogenannten<br />

Schließrahmen. Massiv ist er,<br />

schwarz sieht er <strong>aus</strong>. Tiefschwarz. Schuld<br />

ist die Druckerschwärze. Rudi legt den<br />

Rahmen in den Winkelhaken mit den<br />

gesetzten Buchstaben. Mit einem Typometer,<br />

das Maßband des Schriftsetzers,<br />

bestimmt er millimetergenau die korrekte<br />

Position seines Satzes. Er nimmt<br />

den Winkelhaken <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Metallrahmen<br />

her<strong>aus</strong>. Da liegen die Bleilettern<br />

nun allein. Sie sind so sauber, dass sie<br />

im schwarz beschmierten Rahmen hell<br />

scheinen. Rudis Finger, an den Kuppen<br />

sind mittlerweile graue Spuren, greifen<br />

nach fingerdicken Metallstäben mit großen<br />

Drehgewinden. Er legt die Stäbe an<br />

den Rahmen und an die Buchstaben. Mit<br />

einem Sechskantschlüssel dreht er die<br />

Stäbe fest. Die Buchstaben, eben noch<br />

locker im Winkelhaken, sind nun im<br />

Schließrahmen montiert. Den fertigen<br />

Satz setzt Rudi in eine Druckpresse. Ein<br />

Kollege, ein Drucker, trägt Farbe auf die<br />

Druckwalzen. Dann läuft Papier durch<br />

die Maschine. Und schon kommen im<br />

Sekundentakt bedruckte Seiten hervor.<br />

Noch in den Siebzigern hat Rudi Handgriffe<br />

angewendet, die auch Johannes<br />

Gutenberg vor mehr <strong>als</strong> 450 Jahren beherrscht<br />

hat. Und zwar Griff für Griff.<br />

„Schriftsetzer waren sehr angesehen“, erinnert<br />

sich Rudi an das damalige Image<br />

seines Berufs. Er selbst war 15 Jahre jung,<br />

<strong>als</strong> er die Lehre anfing. „Die Perspektiven<br />

waren zu der Zeit richtig gut. Es gab gute<br />

Stellen und gutes Geld. Wenn jemand<br />

zuverlässig und schnell arbeitete, konnte<br />

er bereits <strong>als</strong> Geselle einiges verdienen.“<br />

Ein Grund für die gute Bezahlung war,<br />

dass der Setzer von den Handwerksberufen<br />

der anspruchvollste war. Auch deshalb<br />

wollte er unbedingt Setzer werden.<br />

„Beim Gießen eines Buchstabens war<br />

handwerkliches Geschick gefragt und<br />

beim Setzen war Fingerspitzengefühl<br />

gefordert.“ Doch das allein reichte nicht,<br />

um ein guter Setzer zu sein. „Man musste<br />

die Sprache perfekt beherrschen. Recht-<br />

schreibung, Grammatik und Zeichensetzung<br />

mussten einfach sitzen. Tauchte<br />

auch nur ein Fehler auf, musste ich den<br />

gesamten Text neu anfertigen.“ Das hat<br />

nicht nur Nerven gekostet – sondern<br />

auch Zeit. „Für einen Briefbogen benötigte<br />

ich dam<strong>als</strong>, in den Siebzigern, mehr<br />

<strong>als</strong> eine Stunde.“<br />

Ein Fingerdruck auf der Tastatur. Rudi<br />

drückt die Taste für das „e“. Einen halben<br />

Meter von Rudi entfernt rattert es. Eine<br />

Kamera rotiert um ein Rondell, auf <strong>dem</strong><br />

das gesamte Alphabet gedruckt ist –<br />

und zwar in Groß- und Kleinbuchstaben,<br />

Zahlen und Zeichen inklusive. Die Kamera,<br />

eine Reprokamera, fotografiert den<br />

Buchstaben ab. Rudis Finger drückt die<br />

nächste Taste. Die Kamera knipst einen<br />

anderen Buchstaben. Im regelmäßigen<br />

Wechsel fliegen die Finger des ehemaligen<br />

Schriftsetzers zwischen den Buchstaben<br />

auf der Tastatur hin und her. Ein<br />

Tastendruck, eine Drehung der Kamera.<br />

Fingerdruck für Fingerdruck. Auch so hat<br />

Rudi Texte gesetzt. Nicht in den Siebzigern,<br />

sondern in den Achtzigern. Mit<br />

<strong>dem</strong> neuen Jahrzehnt ist auch eine neue<br />

Satztechnik entstanden.<br />

Welche neuen Satztechniken Rudi bis<br />

heute noch gelernt und genutzt hat, lesen<br />

Sie unter http://gutenbergh<strong>aus</strong>.de/downloads..html<br />

erfahren. Oder Sie nutzen folgenden<br />

QR-Code und lesen die Geschichte<br />

bequem auf Ihrem Smartphone weiter.<br />

J. Menge

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