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Interview mit Dr.-Ing. Hermann Strub Transkription des Interviews ...

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meiner großen Überraschung <strong>mit</strong> großer Mehrheit gewählt worden. Das habe ich<br />

dann, glaube ich, sehr ordentlich machen können. Jede Sitzung, ob <strong>mit</strong> oder ohne<br />

Probleme und gewichtige Entschlüsse für den ESA-Haushalt, bereitete ich <strong>mit</strong> den<br />

Mitarbeitern im Büro Lüsts vor und sprach die Delegationen, auf deren Stimme es<br />

ankam, zuvor an, entweder um Lösungen zu finden oder zumin<strong>des</strong>t unnötige Schärfen<br />

in der Ausschuss-Diskussion zu vermeiden. Reimar Lüst, der mich früher übersehen<br />

hatte, sagte dann hinter meinem Rücken, so etwas könne er gebrauchen. So war das<br />

die Art, eine gewisse Rückenfreiheit zu haben.<br />

Ich habe auch immer versucht, allgemein, aber auch in der ESA, nicht zu scharf<br />

antiamerikanisch zu sein, obwohl ich schlechte Erfahrungen <strong>mit</strong> SYMPHONIE bei<br />

der Trägerbeschaffung (Delta 2914) gemacht hatte. Bei SYMPHONIE war Max<br />

Mayer der deutsche Aufsichtsratschef, dann kam Fritz-Rudolf Güntsch für kurze Zeit,<br />

ohne größere Spuren zu hinterlassen, und als er weg war, wollte Wolfgang Finke das<br />

nicht mehr übernehmen. Das Projekt war beschlossen, und die Satelliten waren schon<br />

fertig gebaut. Er sagte:“ Machen Sie das, Sie reden ja ohnehin <strong>mit</strong> den Franzosen.“<br />

Da<strong>mit</strong> hatte ich SYMPHONIE, und dann bekamen wir diese Schwierigkeiten <strong>mit</strong> der<br />

Rakete und auch viel Ärger <strong>mit</strong> den Franzosen, die versuchten, andere ein bisschen<br />

gegen die Amerikaner aufzustacheln. Ich war der Meinung, wir sollten bewusst<br />

Europäer sein, aber ohne <strong>mit</strong> den anderen Krach zu haben. Denn die Wissenschaftler<br />

hätten eine antiamerikanische Haltung grundsätzlich nicht <strong>mit</strong>getragen, weil sie<br />

immer gemeinsame Projekte machten. In amerikanischen Wissenschaftssatelliten<br />

waren immer wieder deutsche Wissenschaftler <strong>mit</strong> Experimenten beteiligt, die zur<br />

Hälfte die MPG, gelegentlich auch Hochschulinstitute, und zur anderen Hälfte das<br />

Forschungsministerium finanzierte. Das waren Ereignisse, bei denen ich versuchte,<br />

zu ver<strong>mit</strong>teln, und das ist mir, glaube ich, oft auch ganz ordentlich gelungen. Mit<br />

Reimar Lüst habe ich, was mich erstaunt hat, seither ein gutes Verhältnis gehabt, weil<br />

ich ihm gute Dienste geleistet habe.<br />

52:00 HT: Jetzt sind wir bei der Mitte der 80er Jahre angelangt. Gehen wir auf die<br />

Ära Lüst als Generaldirektor ein, die ja von der Konstellation her eine glückliche war,<br />

weil er in einer Phase die Verantwortung übernahm, als die Budgets noch wuchsen.<br />

Aber er hatte auch eine sehr glückliche Hand. Alle, <strong>mit</strong> denen man über ihn redet,<br />

sind immer noch begeistert davon, wie er die Dinge nach vorne gebracht und in<br />

diesem Sinne auch europäisch integrierend gewirkt hat.<br />

52:30 HS: Obwohl die Wissenschaftler manchmal äußerten, er sei kein<br />

Wissenschaftler mehr. Das hat er aber auch nicht mehr gebraucht. Vielleicht<br />

bedauerte er es, dass er nie nobelpreisverdächtig war. Das kann ich mir vorstellen,<br />

von seinem ursprünglichen Selbstverständnis her, aber seine Persönlichkeit hat sich in<br />

eine andere bedeutende und eindrucksvolle Richtung entwickelt. Das<br />

naturwissenschaftlich-logische und erfolgsgerichtete Denken hat er dabei aber<br />

behalten, was <strong>mit</strong> verantwortlich für seine glückliche Hand geworden war.<br />

52:50 HT: Bevor wir auf die Ära Lüst zu sprechen kommen, würde mich nochmals<br />

interessieren, wie sie den Lernprozess der ESA, den Entwicklungsprozess von einer<br />

schwierigen Geburt hin zu einer immer stärker integrierten europäischen Institution<br />

wahrgenommen haben. War das tatsächlich ein Lernprozess <strong>mit</strong> den<br />

Kinderkrankheiten einer zu starken Betonung nationaler Interessen?<br />

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