G R A Z - Home - Kulturzentrum bei den Minoriten
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04<br />
A l E R I E N<br />
5 / GOR CHAHAl, Sun of Truth, Kindness and Beauty, 2003/2009, C-Print auf leinwand, je 90x30 cm / Geschenk des Künstlers an Johannes Rauchenberger (2009), in Erinnerung an die Ausstellung: Gor Chahal,<br />
GRACE MAJOR, <strong>Minoriten</strong> Galerien im Priesterseminar, 1.6. - 7.7. 2007 / Sammlung Johannes Rauchenberger, Graz<br />
Gegenwartskunst des <strong>Kulturzentrum</strong>s <strong>bei</strong> <strong>den</strong> <strong>Minoriten</strong>, Graz, (Ankauf 2010)<br />
6 / Danica Dakić, Detail aus: „Surround“, 2003, 7 C-Prints (Diasec) im Format je 50 x 42 cm, Sammlung des <strong>Kulturzentrum</strong>s <strong>bei</strong> <strong>den</strong> <strong>Minoriten</strong>, Graz<br />
7 / Gyula Fodor, noosphere, 2006-07, Fotografien / Etwa mannshoher, leerer Weintank aus Kunststoff. C-Print auf Aluminium, Aufl.6+1, 90 x 120 cm, 2005 / Ausstellung: „WIE DU MIR. Gegenbilder für transkulturelles<br />
Denken und Handeln“ (steirischer herbst 08), <strong>Minoriten</strong> Galerien im Priesterseminar, 4.10.-9.11.2008, Kuratoren: J. Rauchenberger/A. Kölbl/R. Grabner / Sammlung für Gegenwartskunst des <strong>Kulturzentrum</strong>s <strong>bei</strong><br />
<strong>den</strong> <strong>Minoriten</strong>, Graz<br />
Aber auch die Negativitätsübungen sind vor dem<br />
Prozess des Alterns nicht gefeit: Vom Graben zwischen<br />
Kunst und Kirche kann in unseren Breiten<br />
nämlich längst keine Rede mehr sein: Das hat zwar<br />
etwas mit einer gebündelten Kompetenz vor Ort<br />
zu tun, es ist aber schlicht auch eine Indifferenz<br />
der Zeit und eine Frucht tief greifender Säkularisierung,<br />
die eine Grabenbekundung schlicht langweilig<br />
erscheinen lässt. Weil man einander schon<br />
so fremd gewor<strong>den</strong> ist, ist die Verwendung des<br />
Zeichenvokabulars des jeweils anderen längst en<br />
vogue – manchmal peinlich, manchmal noch mit<br />
dem Pathos der Bestreitung, aber kaum mehr mit<br />
dem Tabubruch von einst belegt. Und Profil vorgebende<br />
Orte sind im Durchschnitt interessanter<br />
als White-Cube-manierartige locations. Die Reduzierung<br />
der Zeichen, (auch der mit religiösem Anspruch<br />
bela<strong>den</strong>en), in Zeiten digitalen Datenstroms<br />
auf ein bloßes Datenmaterial lässt freilich manche<br />
Tiefe des ehemals benannten Abgrunds, die eher in<br />
der Abneigung beklagt, <strong>den</strong>n in der Anziehung gepriesen<br />
wurde, als flach erscheinen. So mussten wir<br />
– während wir noch mit der Dialektik von Attraktivität,<br />
Abstoßung und Negativität beschäftigt waren<br />
– zur Kenntnis nehmen, dass Kunsthallen Ausstellungstitel<br />
wie „Gott sehen“, „God and Goods“ 2 ,<br />
„Medium Religion“ etwas ungebrochener in der<br />
Medienwelt gepostet haben, als uns dies eingefallen<br />
wäre. Schließlich tat ein neues Datum seine Wirkungsgeschichte<br />
auch in der Kunst: 9/11 hat Religion<br />
zurück ins Debattenfeld geschleudert, allerdings<br />
mit Vorzeichen, die dem christlichen Bildgedanken<br />
schon längst fremd gewor<strong>den</strong> war: der Brechung<br />
derselben in der Codierung von Gewalt. Hannes<br />
Priesch’s „Ich als Moses als Gottvater“ hat die<br />
biblisch monotheistischen Alleingottbehauptungen<br />
auch auf ihre Ambivalenz hin befühlt – in diese wie<br />
in jene Richtung. Wilfried Gerstels „Marienerscheinung“<br />
über <strong>den</strong> Wolken zeigt je<strong>den</strong>falls eine<br />
tränende Madonna aus dem Flugzeugfenster, eine<br />
visuelle Begegnung mit dem himmlischen Personal<br />
vor möglichen Attentatsflügen oder etwaigen<br />
Vulkanausbrüchen. Ausstellungen wie „Gestures<br />
of Infinity“ waren hingegen nicht selten subtil<br />
hintergründige und WIE DU MIR. Gegenbilder<br />
für transkulturelles Denken und<br />
Handeln 4 homöopathische Gegenbilder zu einer<br />
solchen Sicht auf Religion. Die „Surround-Serie“<br />
der aus Sarajewo stammen<strong>den</strong> und in Düsseldorf<br />
leben<strong>den</strong> Künstlerin Danica Dakić mit<br />
<strong>den</strong> abgebildeten Hän<strong>den</strong> (nackter Menschen),<br />
die vor <strong>den</strong> heiligen Büchern der Weltreligionen<br />
mit der Geste der Behutsamkeit schweben, gehören<br />
zu <strong>den</strong> kostbarsten Stücken dieser speziellen<br />
RELIQTE-Sammlung: Die „christliche Seite“ der<br />
heiligen Bücher, ist bezeichnender Weise jene mit<br />
„Ad Corinthos I, Kap XIII“: „… und hätte aber die<br />
liebe nicht“. Dieser Vers beschreibt schlicht jene<br />
christliche Gegenwelt, entnommen aus der Schönheit<br />
heiliger Texte, die einer einseitigen Monotheismusthese<br />
<strong>den</strong> Stachel zieht. Aber auch die eindrückliche<br />
Knieperformance (K9) des Zagreber Künstlers<br />
Zlatko Kopljar in <strong>den</strong> Straßen New Yorks ist<br />
eine Apotheose der Ohnmacht, die das Gegenüber<br />
– seien es die Vorübergehen<strong>den</strong>, seien es, wie<br />
in <strong>den</strong> anderen Bildern, die Tempel der Wirtschaft,<br />
der politischen Macht und der Kunst dieser Stadt<br />
– entlarvt. Die Dialektik von Schwäche als Stärke<br />
ist das eigentlich Provozierende für jedes scheinbar<br />
funktionierende System. Der Brückengang mit ver-