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Musik<br />
Best of<br />
Lena Kiess<br />
20, Cellistin von Gaudi Quattro<br />
Hercules and Love Affair: Hercules<br />
and Love Affair (2008)<br />
Dieses Albumbegleitet<br />
mich seit<br />
2008 und ist<br />
trotz seiner<br />
Einfach heit<br />
immer noch nicht langweilig geworden.<br />
Das Projekt von Andy Butler schafft<br />
in seinem Debütalbum gekonnt einen<br />
Stilmix von gutem alten Disco-Wave-<br />
Sound mit Synthies, gepaart mit Elektro<br />
und klassischen Instrumenten wie<br />
Streichern und Bläsern, die zusätzlich<br />
eine gesunde Portion Jazz liefern. Böse<br />
Zungen behaupten, die Platte sei nur<br />
alte, neu produzierte Musik. Tatsächlich<br />
assoziiert man mit dem ruhigen, etwas<br />
psychedelischen Gesang vom „Antony<br />
and the Johnsons“-Protagonisten Antony<br />
Hegarty schnell Jimmy Somerville<br />
und Bronski Beat, man begegnet dem<br />
klassischen 80´s Sound von „The Cristians“<br />
und vor allem von „The Catch“ und<br />
dennoch versäumen es H&LA nicht,<br />
dem Ganzen einen besonderen, neuen<br />
Charme zu geben. Wie sie das machen<br />
bleibt ein Rätsel...aber wenn endlich die<br />
Streicher- und Bläsersequenzen zusammen<br />
mit kurzen Agogoeinwürfen durch<br />
den Klangteppich blitzen, ist für mich<br />
die Welt zu Ende :-)<br />
34 Von hier von dort und anderen guten Dingen<br />
!!!: Strange weather, isnt it?<br />
Dass es den New Yorkern von !!! (gern als chk chk chk<br />
ausgesprochen) schon immer gelang, den guten alten Funk<br />
in die Moderne und auf die Tanzfläche zu befördern, haben<br />
sie schon auf ihren alten Platten und vor allem live bewiesen.<br />
Dass sie sich jetzt ein halbes Jahr in Berlin einquartiert haben,<br />
um an ihrer neuen Platte zu arbeiten, hat ihnen sicherlich gut<br />
getan. Auf „Strange weather, isnt it?“ sind durchaus entspannt<br />
souligere Nummern zu finden wie etwa „the most certain sure“. Ohne natürlich den nötigen<br />
Drive zu verlieren. Andere Songs schweifen schon fast ins Technoide ab, schmecken nach<br />
Berliner After-Hour. Einmal mehr gelingt es !!! die entspannte Coolness und den schwitzig<br />
getriebenen Rhythmus in tolle Songs umzusetzen. (SB)<br />
Robyn: Bodytalk<br />
Viel hat sie schon durchgemacht, die kleine blonde Robyn.<br />
Als Schwedens-Teeniestar war sie bei einem Major-Label unter<br />
Vertrag und dabei sehr erfolgreich. Sie hat sich aber nicht<br />
wohlgefühlt, also hat sie sich durchgekämpft zu ihrer eigenen<br />
Plattenfirma „Konichiwa Records“, hat Musik produziert und<br />
wurde dann sogar von Madonna als Support-Act auf ihrer Tour<br />
mitgenommen. Dieses Jahr hat sie sich etwas ungewöhnliches<br />
vorgenommen: die Album-Trilogie „Body Talk“. Part I und II gibt es schon zu kaufen, auf<br />
den dritten Teil müssen wir wohl noch bis Ende des Jahres warten. Aber das wird sich lohnen.<br />
Die ersten beiden Teile sind - wie gewohnt bei Robyn - textlich sehr an die, meist nicht<br />
erwiderte, Liebe gebunden. Zum Musikalischen kann man nur sagen: Es verleitet den geneigten<br />
Hörer sehr oft zum Lauterdrehen, Mitsingen, Tanzen und Mitfühlen. (DK)<br />
Grinderman: Grinderman 2<br />
Mit seinen Bad Seeds ist es meist die morbide Ballade, die Tausendsassa<br />
Nick Cave pflegt und hegt. Mit seiner anderen Band<br />
Grinderman beweist Cave, wie böse Blues klingen kann. Schon<br />
Songtitel wie „Mickey Mouse and the goodbye Man“ zeigen,<br />
dass diese Combo nichts heiliges im Sinn hat und den Eltern<br />
von damals beweisen will, dass der Teufel doch im Blues steckt.<br />
Dreckige Gitarren sind zu hören, es wird gestöhnt und gegrunzt und hin und wieder wird<br />
sich der geneigte Zuhörer fragen, ob das noch Musik oder nur noch Lärm ist. Außer natürlich,<br />
man ist dem Satan vorher schon verfallen und folgt Cave blindlings auf seinen verschlungenen<br />
Pfaden, immer dem Rhythmus nach. (SB)<br />
Außerdem neu im Oktober<br />
Indiefans aufgepasst! Im Oktober kommt das langersehnte neue Platte von Antony & The<br />
Johnsons namens Swanlights (8. Oktober), aber auch Belle & Sebastian mit Write about<br />
Love (8. Oktober) und Kings of Leon mit Come around sundown (15. Oktober) könnten<br />
interessant werden. Auch Altmeister Joe Cocker legt mit Hard Knocks (1. Oktober) neues<br />
Material vor, Robbie Williams schmeißt seine Best of namens In and out of Consciousness<br />
(8. Oktober) auf den Markt und auch die Herren von Selig sind mit Von Ewigkeit zu<br />
Ewigkeit (1. Oktober) im Plattenregal zu finden. Weltmusikfans freuen sich auf Quadro<br />
Nuevo und Grand Voyage (1. Oktober), Hardrockfans auf Monster Magnet und Mastermind<br />
(29. Oktober) und die Fans verschrobenen Zeitgeistes können ja mal in Schwefelgelb<br />
und Das Ende vom Kreis (29. Oktober) reinhören. Wer es tanztauglicher braucht:<br />
Fritz Kalkbrenner und here today, gone tomorrow (15. Oktober) erscheint ebenso wie<br />
Jamiroquai und Rock dust light star (29. Oktober). Ach ja: Wer es unbedingt jetzt schon<br />
braucht: Ende Oktober erscheinen auch eine ganze Reihe von Weihnachts-CDs... (SB)<br />
Die Radleys. Ein Vampirroman<br />
Bücher<br />
von Matt Haig<br />
Die Radleys sind alles andere als eine normale Familie. Sie sind Vampire. Seit der Geburt der beiden Kinder<br />
vor 17 Jahren leben Helen und Peter jedoch abstinent. Was bedeutet, dass sie kein Menschenblut mehr trinken<br />
und sich auch sonst möglichst an die Welt der Lebenden angepasst haben. Während sich Helen in ihrem<br />
beschaulichen Leben als perfekte Vorzeige Ehefrau und Mutter mit Buchclub und perfekt gepflegten Garten<br />
eingerichtet hat, leidet Peter darunter, sein früheres Leben aufgegeben zu haben. Er langweilt sich in seiner<br />
emotional abgekühlten Ehe und sehnt sich nach dem betörend riechenden Blut seiner Nachbarin, welche er<br />
nur allzu gerne beißen würde. Den Kindern, welche nichts über ihre wahre Identität wissen, fällt es schwer,<br />
sich in dem kleinen englischen Dorf anzupassen. Sie leiden unter den Folgen des „blutleeren“ Lebens, wie<br />
extrem empfindlicher Haut, Müdigkeit und Übelkeit, was sie zu Außenseitern macht. Die sorgfältig gepflegte<br />
Fassade der heilen Welt, hinter welcher es schon seit langem bröckelt, droht endgültig einzustürzen, als die Tochter im Blutrausch<br />
einen Mitschüler tötet. Jetzt kann nur noch einer helfen, Peters verhasster, bluttrinkender Bruder Will, den ein dunkles Geheimnis mit<br />
Helen verbindet. Haigs Roman ist eine gut gelungene humorvolle Persiflage à la „American Beauty“. Beschrieben wird das Leben in<br />
einer Gesellschaft, in der mit allen Mitteln versucht wird, den Schein zu wahren, auch wenn im Innern längst alles zerbrochen ist. Wer<br />
einen klassischen Vampirroman erwartet, wird hier enttäuscht, für alle Anderen: LESEN!<br />
Kiepenheuer und Witsch, Preis: 11,90 Euro, (Martina Zink von Bücher Pustet)<br />
Dinge, die wir heute sagten<br />
von Judith Zander<br />
Ingrid muss heim nach Norddeutschland. Ihre Mutter, Anna Hanske, ist gestorben und es gilt, die Beerdigung und<br />
den Nachlass zu organisieren. Die Heimat, das ist Bresekow, eine Sickergrube für Träume und vergangene, totgeschwiegene<br />
Zeiten. Vor langer Zeit schon ist Ingrid nach Irland geflohen und hat einen Iren geheiratet. Doch im<br />
Dorf rumort es, als sie zurückkommt und die Bresekower reden fleißig. „Es gibt keine Kneipe in Bresekow. Es gibt<br />
überhaupt nichts. Es ist das Zentrum des Nichts, das sich kurz hinter Berlin auftut und bis Rostock nicht aufhört.<br />
Ein hässliches Entlein der Welt, über das man besser den Mund hält.“ So charakterisiert Romy, eine weitere Figur<br />
in Judith Zanders Roman das Kaff. Sie und Klassenkameradin Ella wollen endlich raus, aufbrechen in die Welt<br />
oder wenigstens etwas Spannendes erleben. Als Paul, Ingrids Sohn dann in Bresekow auftaucht und Luftgitarre<br />
spielt wie ein junger Gott, ist endlich einmal was los! Da haben Ecki und die anderen Jungs auf der „Elpe“, der leeren Dorfmitte, Grund<br />
beschränkt aus der Wäsche zu gucken.<br />
Es kommt einem so vor, als würde die junge Autorin Judith Zander ihre Romanfiguren tagtäglich treffen und mit ihnen „schnacken“. Meisterhaft<br />
versteht Zander es, jedem Charakter eine eigene Stimme, eine andere Klangfarbe und seine Eigenheiten zu geben. Ihr brillantes<br />
Romandebüt hat es bis dato auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft. Von dieser Dame können wir noch Großes erwarten!<br />
dtv Premium, Preis: 16,90 Euro, (Simone Frank von Bücher Pustet)<br />
Bacons Finsternis<br />
von Wilfried Steiner<br />
Arthur Valentin führt mit seiner Frau Isabel ein angenehmes, kultiviertes Leben. Er besitzt ein Antiquariat in<br />
Wien, sie ist Filmdozentin mit Spezialgebiet Horrorfilm. Im Urlaub auf Kreta eröffnet ihm Isabel urplötzlich, dass<br />
sie sich von ihm trennen will. Das gemeinsame Leben sei ihr zu eng geworden. Spießig und vorhersehbar, keine<br />
Überraschungen. Die Wochen und Monate nach der Scheidung versinkt Arthur in Depressionen. Er hofft, träumt<br />
und wartet – vergebens. Auch seine Geschäftsteilhaberin Maia vermag es nicht, ihn zu trösten, er zieht sich vollkommen<br />
aus dem Alltag zurück. Erst nach Monaten tastet er sich wieder in sein früheres Leben zurück.<br />
Zufällig besucht er eine Ausstellung des Malers Francis Bacon, und der Anblick der brachialen, verstörenden<br />
Gemälde berührt und fesselt ihn. Fortan verbringt er jede freie Minute mit dem Studium von Bacons Leben und<br />
Werk. Maia, die früher Malerin war, versorgt ihn mit vielen Insiderinformationen. Arthur ist wie bes<strong>essen</strong>, er reist<br />
nach Berlin und London um Bacons Werk in natura zu sehen. Zum ersten Mal nach Isabels Weggang fühlt er sich wieder lebendig. Doch in<br />
der Tate Gallery sieht er zufällig Isabel mit einem anderen und belauscht ein Gespräch zwischen den beiden. Sie planen einen Kunstraub.....<br />
Wilfried Steiner ist ein immens intelligenter, spannender und kurzweiliger Roman gelungen. Der Leser kann sich an profundem Wissen über<br />
Literatur, Film und den Kunstbetrieb erfreuen. Und Francis Bacon sieht man künftig mit anderen, wacheren Augen!<br />
Deuticke Verlag, Preis: 19,90 Euro, (Jutta Ederer von Bücher Pustet)<br />
Von hier von dort und anderen guten Dingen 35