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Timi geht essen - Supershit

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Essen und Trinken<br />

MINZE<br />

Nase, Gaumen und Gemüt<br />

belebender Star des Sommers<br />

von August F. Winkler<br />

Die Minzgewächse sind eine muntere<br />

Kräutersippe, in der sich so ziemlich<br />

alle Sorten hemmungslos durcheinander<br />

lieben, was zu noch bunterer Nachkommenschaft<br />

und nicht nur bei Botanikern<br />

zu großer Verwirrung führt. Auch Köche<br />

und selbst Gemüsefrauen schlittern bei<br />

der präzisen Bestimmung der vielen Arten<br />

zwischen Pfeffer-, Zitronen-, Apfel-, Thai-,<br />

Acker-, Schoko-, Basilikum-, Muskat- und<br />

Kölnisch Minze irritiert umher wie Butter<br />

auf einem heißen Teller. Nicht selten<br />

wird sogar Zitronenmelisse als Minze verkauft.<br />

Allerdings gibt es eine Nasenregel:<br />

nahezu jede Minze, die wie Kaugummi<br />

oder Zahnpaste duftet, ist Pfefferminze,<br />

erkennbar auch an dunkelgrünen bis ins<br />

leichte Bläulichlila changierenden Blättern,<br />

den rötlichen Zweigen und eben ih-<br />

38 Von hier von dort und anderen guten Dingen<br />

rem eindringlichen bis starken, je nach<br />

Unterart sogar lautem Menthol-Aroma.<br />

Familiengeschichtlich ist die Echte Pfefferminze<br />

(Mentha piperita) ein sogenannter<br />

„Tripelbastard“: einer ihrer Eltern, die<br />

Ähren-Minze, auch Grüne Minze oder<br />

Waldminze genannt (Mentha spicata)<br />

ist selbst schon einer Vermischung entsprungen,<br />

nämlich der Liaison zwischen<br />

der etwas grobschlächtigen Roß- oder<br />

Langblättrigen Minze (Mentha longifolia)<br />

mit der Rundblättrigen Minze (Mentha<br />

rotundifolia), die im Handel auch als<br />

Apfelminze angeboten und von Bäckern<br />

gerne anstelle von Zimt zu Apfelkuchen<br />

genommen wird. Aus der Partnerschaft<br />

mit der Wasser- oder Bachminze (Mentha<br />

aquatica) ist vor über 300 Jahren die<br />

Pfefferminze entstanden, die – 2004 zur<br />

Arzneipflanze des Jahres gekürt - Bonbons<br />

aromatisiert, mit Schokolade überzogen<br />

wird, Gemüsiges sowie Salate würzt,<br />

Kompotte verfeinert, Sorbets schmückt<br />

und vor allem als Tee weltweit beliebt ist.<br />

Ihre Nase, Gaumen sowie Gemüt belebende<br />

Frische macht die Minze zu einem Star<br />

des Sommers – wie beispielsweise als gleichermaßen<br />

dekorierendes und würzendes<br />

Element einer geeisten Melonensuppe.<br />

Im Orient belebt ein Sträußchen Minze<br />

das Nationalgetränk in Form eines stark<br />

gesüßten Tees. Die Mint Sauce ist den<br />

Briten eine unentbehrliche Beigabe zum<br />

Lammbraten. Amerika hat die Welt mit<br />

Mint Jelly beglückt, den erfrischenden<br />

Pfefferminzgelees. Ein Klassiker der englischen<br />

Küche ist die Erbsensuppe mit<br />

Minze. Johann Lafer reichert eine Zucchi-<br />

nischaumsuppe – auf der Basis von Hühnerbrühe<br />

- mit Parmaschinkenstreifen und<br />

frischen Pfefferminzblättchen an. Ernest<br />

Hemingway wiederum verbrauchte Unmengen<br />

für seinen Mojito, den legendären<br />

Cocktail aus kubanischem Rum, Limettensaft,<br />

etwas Rohrzucker, Eis und Sodawasser,<br />

serviert auf einem Büschel Minze,<br />

die zuvor mit einem Stößel zerdrückt wird,<br />

damit sie ihre köstlichen ätherischen Öle<br />

an den Drink abgibt, den der Schriftsteller<br />

besonders gerne und reichlich in der –<br />

heute noch existierenden – Havanna-Bar<br />

namens La Bodeguita konsumierte. Ein<br />

weiterer Rum-Cocktail, der Mai Tai, wird<br />

mit einem Zweiglein Minze dekoriert.<br />

Die kulinarische Bedeutung der Minze<br />

reicht also weit über den magenstärkenden<br />

und gallenfreundlichen Tee hinaus, der<br />

sich sowohl aus frischen wie auch aus<br />

getrockneten Pfefferminzblättern zubereiten<br />

läßt. Köche empfehlen übrigens,<br />

frische Minzeblätter in warmen Speisen<br />

nicht lange mitkochen zu lassen, weil das<br />

Kraut leicht an Aroma einbüßt; hingegen<br />

bewahren getrocknete Minzeblätter auch<br />

beim Kochen ihre Würzkraft erstaunlich<br />

gut. Selbst das schlichteste Mineralwasser<br />

wird durch ein paar Minzestängel zum<br />

Getränk erhoben. Dass zum Lammfleisch<br />

viel Minze gehört, weiß man. Aber weiß<br />

man auch, dass Käse, Erbsen, Kartoffel<br />

(geschälte neue Kartoffeln mit einem<br />

Minzebündel in leicht gesalzenem Wasser<br />

kochen und mit einigen frisch überbrühten<br />

Minzeblättern als Beilage anrichten),<br />

Fisch, Couscous, Tomatensauce, Nudel-<br />

gerichte, Quark, Hackfleisch, Vanilleeis,<br />

Obstsalat, Marmelade, Schokolade, Bowlen,<br />

Mixgetränke und zahlreiche andere<br />

Speisen durch Minze gewinnen, und dass<br />

der Gast, dem eine diskret mit Minze<br />

überhauchte Erbsen- oder Kartoffelsuppe<br />

aufgetischt wird, in ergebnisloses Grübeln<br />

verfällt, was in aller Welt denn das Besondere<br />

an dieser raffinierten Suppe sein<br />

könnte?<br />

In der Küche werden neben der Pfefferminze<br />

am häufigsten die duftige Grüne<br />

Minze sowie die Apfelminze verwendet.<br />

Kauft man getrocknete Pfefferminze, ist<br />

die „Mitcham-Minze“ aus England wegen<br />

ihres starken Aromas die beste Wahl. Wer<br />

für minzig parfümierte Speisen und Getränke<br />

über den Sommer hinaus gerüstet<br />

sein will, kann sich ruckzuck ein Pesto<br />

rühren: einen dicken Bund Minze mit gemahlenen<br />

Mandeln und entsprechend viel<br />

Olivenöl zu einer cremigen Paste rühren,<br />

mit Zitronensaft, Salz, Pfeffer sowie geschabter<br />

Zitronenschale würzen (wem das<br />

Minze-Aroma zu dominant ist, kann zusätzlich<br />

Petersilie einarbeiten). Das kühl<br />

aufbewahrte Pesto hält lange und eignet<br />

sich löffelweise zum Aromatisieren von<br />

Salaten, Eintöpfen, Saucen & Co bis hin<br />

zu Süßspeisen.<br />

Offiziell ist die Pfefferminze erstmals<br />

1696 als merkwürdig riechende Staude<br />

von Dr. Eales beschrieben worden, der sie<br />

in seinem Garten in Herfordshire gezüchtet<br />

hatte – ob bewußt oder durch Zufall,<br />

ist offen. Britische Seeleute schätzten<br />

die Pflanze hoch, denn zusammen mit<br />

Essen und Trinken<br />

Ingwer galt sie als bewährtes Mittel gegen<br />

die Seekrankheit. Zudem hielten<br />

ihre Blätter das Trinkwasser an Bord außergewöhnlich<br />

lange frisch. Die Kirche<br />

verbannte eine Zeit lang die Minze, weil<br />

sie als Geheimtipp für Abtreibungen benutzt<br />

wurde. Die vielen Geschichten und<br />

Legenden von der Zauberkraft der Minze<br />

spiegeln sich auch im Mythischen: Menthe,<br />

die liebliche Nymphe, wurde die Geliebte<br />

von Hades, dem Gott der Unterwelt,<br />

d<strong>essen</strong> Gemahlin Persephone darob wutschnaubend<br />

die Nebenbuhlerin in kleine<br />

Stückchen zeriss und auf den Boden warf,<br />

woraus seither die Minzen als duftende<br />

Büsche sprießen.<br />

Von hier von dort und anderen guten Dingen 39

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