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Einführung ins Thema Geburt und Tod - Histomat

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Der Trauerzug <strong>und</strong> das M<strong>und</strong>öffnungsritual 11<br />

Bereits im alten Ägypten war das Ritual des Trauerzuges bekannt. Am Tag der Beisetzung<br />

wurde die Mumie in ihrem Sarg in einer Prozession zum Grab getragen. Darstellungen in<br />

Gräbern von hohen Beamten <strong>und</strong> Priestern aus Theben (1500-1000 v. Chr.) zeigen, wie ein<br />

altägyptischer Trauerzug damals ausgesehen hat: Frauen <strong>und</strong> Mädchen, nach der Mode der<br />

Zeit mit plissierten Gewändern bekleidet, zogen voran <strong>und</strong> beklagten den Toten. Sie stiessen<br />

schrille Schreie aus, weinten <strong>und</strong> rauften sich die Haare. Hinter dem Sarg trugen Diener die<br />

Grabausstattung: Betten, Stühle, Kopfstützen, Sandalen, kostbare Truhen mit Kleidung,<br />

Schminkgefässe aus Alabaster, Schmuck <strong>und</strong> Brettspiele. Die Utensilien sollten sicherstellen,<br />

dass es dem Toten im Jenseits an nichts fehlen würde <strong>und</strong> er seinen bisherigen Lebensstandard<br />

beibehalten konnte. Am Schluss des Zuges folgten die Verwandten <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e des<br />

Verstorbenen.<br />

Nachdem der ganze Trauerzug mit der Mumie das Grab erreicht hatte, mussten die Priester<br />

nun eine wichtige Handlung vornehmen. Dazu hatten sie auf einem Tisch nicht nur die Bestandteile<br />

eines Mahls, Brote <strong>und</strong> Krüge voll Bier, bereitgestellt, sondern auch seltsame Instrumente<br />

aufgelegt: Ein Dachsbeil, ein grosses Messer in Gestalt einer Straussenfeder, einen<br />

künstlichen Rinderschenkel <strong>und</strong> ein Brettchen, das in zwei Spiralen auslief. Diese Gegenstände<br />

sollten dem Priester dabei behilflich sein, die Auswirkungen der Einbalsamierung aufzuheben<br />

<strong>und</strong> dem Verstorbenen den Gebrauch seiner Glieder <strong>und</strong> aller Organe wiederzugeben.<br />

Hände <strong>und</strong> Gesicht der Mumie wurden anschliessend mit diesen rituellen Werkzeugen berührt<br />

<strong>und</strong> dazu die Zauberformeln des Totenbuchs gesprochen. Dieses Ritual war möglicherweise<br />

das wichtigste am ganzen Totenkult, gab es der mumifizierten Leiche doch den Gebrauch der<br />

Sprache <strong>und</strong> die Schöpferkraft des Wortes zurück, ferner Gesicht, Gehör, Geschmack, Geruch<br />

<strong>und</strong> Gefühl sowie den Gebrauch der Arme <strong>und</strong> der Beine. Erst durch die Rückgewinnung seiner<br />

Sinne wurde sichergestellt, dass sich der Tote im Jenseits erfreuen konnte. So findet man<br />

denn von der Epoche der Pyramiden bis an das Ende der römischen Zeit in den Gräbern oder<br />

auf den Papyri Zauberformeln- gekürzt oder komplett, illustriert oder nicht-, die dazu dienten,<br />

„den M<strong>und</strong>, die Augen <strong>und</strong> Ohren des Verstorbenen zu öffnen.“<br />

11 Zusammengestellt aus Albert Champdor: Das Ägyptische Totenbuch. Vom Geheimnis des Jenseits im Reich<br />

der Pharaonen, Freiburg im Breisgau 1993, S. 113-115.

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