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Einführung ins Thema Geburt und Tod - Histomat

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Als endlich die Weiber fort waren mit ihren sonderbaren Tröstungen (…) richtete sich mein<br />

Weibchen im Bette auf <strong>und</strong> sagte mir: ‚(…) Ich habe das ganze Neue Testament durchlesen<br />

<strong>und</strong> kein Sterbenswörtchen darin gef<strong>und</strong>en, dass ungetaufte Kinder nicht selig würden. Ich<br />

habe aber gef<strong>und</strong>en, dass Jesus sagte, man solle die Kinder nur zu ihm kommen lassen, denn<br />

ihnen gehöre das Himmelreich. (…)’<br />

Ich band ein schwarz Halstuch um <strong>und</strong> wanderte hin zum Pfarrer. (…)‚Ach’, sagte ich, ‚ich<br />

wollte mich darein ergeben, wäre es nur getauft worden wäre. (…) Denn wenn es jetzt etwa<br />

nicht selig werden sollte?’ ‚Glaubet Ihr das auch?’ fragte der Pfarrer (…)‚Schulmeister!’, sagte<br />

er, ‚die Sach ist die. (…) Der alte Glaube, dass Ungetaufte des Teufels seien, blieb, blieb<br />

nicht nur unterm Volk, sondern ward auch Kirchenglauben, obgleich er durchaus keinen<br />

Gr<strong>und</strong> in der Bibel hatte. So war zum Beispiel in der Stadt Büren in der dortigen Kirche ein<br />

Muttergottesbild, von dem man behauptete, alle ungetauft gestorbenen Kinder würden in dessen<br />

Armen auf so lange wieder lebendig, dass ihnen das Sakrament der Taufe könne gegeben<br />

werden. Man kann denken, wie unendlich viele Kinder zu demselben gebracht wurden <strong>und</strong><br />

wie viele Eltern weinten, als man es bei der Reformation verbrannte. Obgleich das Bild verbrannt<br />

wurde, blieb doch der alte Glauben. Es ist sonderbar, wie mancher Abergauben der<br />

Vorzeit so fest den Leuten in den Köpfen sitzt, während so manche alte schöne Wahrheit nie<br />

in die Köpfe will. (…)<br />

Wenn man übrigens den Glauben der Menschen untersuchen würde, den Glauben, der auf ihr<br />

Leben eigentlich Einfluss hat, man würde da w<strong>und</strong>erliches Zeug finden, man würde finden,<br />

dass an diesem Glauben die Bibel den wenigsten Anteil hat. Dieser eigentliche kursierende<br />

Volksglaube wechselt etwas im Laufe der Zeiten, aber langsam, <strong>und</strong> wenn derselbe einmal<br />

mit dem Bibelglauben zusammentrifft, dann ists gut, aber leider sind wir noch nicht da. Ein<br />

solcher Glaube ist eigentlich Unsinn. (…)<br />

Andächtig brachte ich des andern Morgens früh die kleine Leiche, die wir vorher noch brünstig<br />

geküsst hatten, dem Totengräber auf den Kirchhof. Derselbe hatte das kleine Gräbchen in<br />

der Dachtraufe gemacht <strong>und</strong> gar nicht tief. Ich frug ihn, warum er es gerade hier gemacht, wo<br />

es ihm mehr Mühe gegeben hätte. (…) „Je näher der Kirche man begraben werde, desto sicherer<br />

sei man vor den bösen Erdgeistern, <strong>und</strong> da ungetaufte Kinder nicht durch die Taufe vor<br />

ihnen geschützt würde, so tue man sie an die Kirche, um durch die Kirche selbst beschützt zu<br />

werden. Dann tue man sie <strong>ins</strong> Dachtrauf, damit sie noch hier getauft würden. Wenn nämlich<br />

der Pfarrer das Taufwasser segne, so werde alles Wasser in <strong>und</strong> an der Kirche zu Taufwasser<br />

(…), so dass, wenn es einmal stark regne zu selber Zeit, so werde auch Regenwasser auf dem<br />

Dach Taufwasser, <strong>und</strong> wenn es nun hinunterrinne <strong>und</strong> bis zu dem Kinde dringe, so werde das<br />

Kind im Boden so gut <strong>und</strong> gültig getauft als das Kind in der Kirche.’ (…)“

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