Einführung ins Thema Geburt und Tod - Histomat
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Liebesgeschichten, bei denen die Sexualität einen wesentlichen Bestandteil bildet. Mit seinem<br />
Werk hat Boccaccio die Grenzen dessen, worüber man zu seiner Lebzeit schreiben durfte,<br />
stark ausgeweitet.<br />
Der Quellenausschnitt ist Teil der Vorgeschichte von „Il Decamerone“. 21<br />
Analyse<br />
Textsorte<br />
Bei der Quelle handelt es sich um einen literarischen Text. Das heisst, der Text beansprucht<br />
für sich nicht historische Wahrheit, wie die Lernenden es von Quellen wie amtlichen Dokumenten<br />
oder Protokollen kennen, sondern er widerspiegelt subjektive Wahrnehmungen, persönliche<br />
Meinungen <strong>und</strong> E<strong>ins</strong>chätzungen des Autors. Zusätzlich muss davon ausgegangen<br />
werden, dass Boccaccio stilistische Mittel verwendet, damit das Werk bei seinen Leserinnen<br />
<strong>und</strong> Lesern sowie bei den Kritikern Geltung erlangen kann.<br />
Autor<br />
Der Autor, Giovanni Boccaccio, der 1313 als unehelicher Sohn eines Geschäftsmannes eines<br />
grossen Bankhauses im Hause des Vaters aufwuchs, verbrachte einige Zeit seines Lebens ausserhalb<br />
von Florenz, hat nach seiner Rückkehr die Pestepidemie in der Stadt aber selber erleben<br />
können. Boccaccio absolvierte nebst einer Banklehre auch ein Studium der Literatur <strong>und</strong><br />
bemühte sich um Übersetzungen lateinischer Werke. Boccaccio hatte zur Zeit des Ausbruchs<br />
der Pest seinen Wohnsitz in Florenz. Als Diplomat war aber im Auftrag der Regierung häufig<br />
auf Reisen.<br />
Zeit<br />
Boccaccios Hauptwerk, „Il Decamerone“, entstand in den Jahren 1349 bis 1353, also genau<br />
während der Pestepidemie in Florenz. Daraus wird ersichtlich, dass der Autor die Geschehnisse<br />
direkt, aus eigener Betroffenheit heraus, beschreibt. Dies weist auf authentische Beschreibungen<br />
hin, die einerseits nicht getrübt wurden durch Vergessen im Verlauf der Zeit, andererseits<br />
führt dies aber auch dazu, dass Boccaccio über keine örtliche <strong>und</strong> zeitliche Distanz zum<br />
Erzählten verfügt, dass seine Darstellung also Emotionen <strong>und</strong> möglicherweise unreflektierte<br />
Urteile enthalten könnte.<br />
Zielpublikum<br />
Mit dem Gesamtwerk „Il Decamerone“ richtet sich Boccaccio, wie er selber es schreibt, an<br />
Frauen, die von ihren Vätern, Ehemännern <strong>und</strong> den Erwartungen der Gesellschaft ihrer Freiheit<br />
beraubt, ein langweiliges Dasein fristen müssen <strong>und</strong> ihre Wünsche <strong>und</strong> Sehnsüchte nicht<br />
ausleben können. Mit dem Buch wolle er sie aufheitern <strong>und</strong> ihnen die Langeweile vertreiben.<br />
Der gewählte Quellenausschnitt ist Teil des Erzählrahmens des Gesamtwerks, der nicht nur<br />
spezifisch an Frauen gerichtet ist, da er ganz allgemein den Zerfall der menschlichen Solidarität<br />
in (Not-)Situationen darstellt <strong>und</strong> kritisiert. Mögliches Zielpublikum des gewählten Ausschnitts<br />
ist die gesamte Gesellschaft seiner Zeit, der er einen Spiegel vorhalten wollte, andererseits<br />
könnte Boccaccio auch die Absicht gehabt haben, der Nachwelt einen Eindruck der<br />
Geschehnisse in Florenz während der Pest zu vermitteln. 22<br />
21 Angaben zum Autor <strong>und</strong> zum Werk aus: Boccaccio, Giovanni: Das Decameron. Auswahl, Übersetzung <strong>und</strong><br />
Kommentierungen: Kurt Flasch; Der Hör-Verlag, München, 2002.<br />
22 Diese Vermutungen werden durch die Aussagen in den Zeilen 1-5 der Quelle unterstützt.