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Einführung ins Thema Geburt und Tod - Histomat

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Zusatzinformationen: <strong>Tod</strong>esvorstellungen im MA 17<br />

Im Spätmittelalter ist in religiöser H<strong>ins</strong>icht eine Lockerung von Ethos <strong>und</strong> Zucht feststellbar,<br />

die Geistlichen sind eher Messeleser als Seelsorger <strong>und</strong> sehen ihr Amt eher unter dem Aspekt<br />

der Verwaltung als dem der geistlichen Führung. Die Gläubigen waren in ihrer Frömmigkeit<br />

fast sich selber überlassen, was sich in eigenen <strong>und</strong> gefühlsbetonten Aufwallungen äusserte.<br />

Der Klerus kümmerte sich zuerst um die äussere Beobachtung des Kultes sowie um seine<br />

Steuereinziehung <strong>und</strong> tat sehr wenig, um der Verschiebung <strong>und</strong> der Verwirrung, die sich in<br />

den religiösen Anschauungen breit machten gegenzusteuern.<br />

Zu beobachten ist bei den Gläubigen vor allem eine Veränderung in der Vorstellung vom <strong>und</strong><br />

der Darstellung des Göttlichen, ein betontes Vermischen vom Himmlischen mit dem Irdischen.<br />

Dogma <strong>und</strong> Glauben um 1400<br />

Die Christen betrachteten ihr Dasein auf Erden als Zeit der Verbannung, während der der<br />

Mensch vor allem zu leiden hat. Seine eigentliche Bestimmung kann der Mensch erst im Jenseits<br />

erleben. Im 14. <strong>und</strong> 15. Jahrh<strong>und</strong>ert hatten die Menschen zum Jenseits <strong>und</strong> v.a. auch zum<br />

Himmel ein vertrautes Verhältnis.<br />

Die Gläubigen waren vom Weiterleben nach dem <strong>Tod</strong> überzeugt. Sie gingen davon aus, dass<br />

sie beim Übergang vom Diesseits <strong>ins</strong> Jenseits nicht verändert werden, es herrschte die Vorstellung,<br />

dass sich nur die äusseren Bedingungen ändern würden: Der Mensch muss nicht<br />

mehr leiden. Der Gläubige wusste, dass er im Himmel nicht allein, sondern umgeben von den<br />

Heiligen <strong>und</strong> der Gesellschaft, die er schon vom Erdenleben kannte, leben würde. Lediglich<br />

die schlechten Mitglieder der Gesellschaft würden im Himmel fehlen. Das Jenseits war daher<br />

nichts Ungewisses, sondern eine zum Greifen nahe Welt. Weil jeder die eigene Identität behielt,<br />

jeder also Bauer oder Kaufmann oder Herr blieb, behielt auch die Gesellschaft im Jenseits<br />

ihre gewohnte Struktur <strong>und</strong> Hierarchie bei.<br />

Sehr viel mehr als mit dem Paradies haben sich die Gläubigen zwischen dem 14. <strong>und</strong> 15.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert aber mit der Hölle befasst. Geschildert wurde die Hölle in Predigten, auf Miniaturen,<br />

Fresken <strong>und</strong> Abhandlungen. Um die furchtbare Vorstellung der Hölle – ein Ort voller<br />

Schmerz <strong>und</strong> ein Meer der Rache – zu degradieren, suchten die Gläubigen Zuflucht im Mythos<br />

des Fegefeuers. Die Strafen im Fegefeuer waren zwar die gleichen wie in der Hölle, fanden<br />

aber irgendwann ein Ende.<br />

Die Gläubigen vertrauten auf ein ganzes Heer von Fürsprechern, welche sich am Ende des<br />

Lebens dem Menschen annehmen, sich für ihn e<strong>ins</strong>etzen <strong>und</strong> ihm so die Hölle ersparen würden.<br />

Die mächtigste Fürsprecherin war die Mutter Gottes, ihr weihte man einen überschwänglichen<br />

Kult. Engel, so glaubte man, würden wachsam <strong>und</strong> kämpferisch der Seele beistehen<br />

<strong>und</strong> alles versuchen, sie den Krallen des Teufels zu entreissen. Auf die Hilfe der Heiligen<br />

hofften die Gläubigen <strong>und</strong> beteten zu ihnen, weil diese sich für eine Verkürzung des Aufenthaltes<br />

in der Hölle e<strong>ins</strong>etzen würden.<br />

Die Hoffnung auf Rettung aus dem Fegefeuer äusserte sich überdies in einer massiven Zuwendung<br />

zum Ablass: Durch den Kauf von Ablassbriefen, so hofften die Gläubigen <strong>und</strong> versprach<br />

die Kirche, könne die Zeit im Fegefeuer verkürzt werden.<br />

17 Diese Ausführungen sind keine Definition der religiösen Anschauungen Westeuropas zur damaligen Zeit,<br />

sondern geben einige wesentliche Züge wieder. Zusammengestellt aus: Mittelalter <strong>und</strong> Frühe Neuzeit. Die<br />

Gr<strong>und</strong>lagen der modernen Welt, Spätmittelalter, Renaissance, Reformation (Fischer Weltgeschichte Band 3),<br />

hrsg. von Ruggiero Romano <strong>und</strong> Alberto Tenenti, Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 2003, S. 95-124.

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