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Aleix Espargaró (#41) hatte auf der neuen Suzuki den Start gewonnen,<br />
erneut landete er wie Teamkollege Maverick Viñales unter den Top Ten. Doch dieser<br />
Erfolg wurde vom Duell der Giganten Márquez und Rossi völlig überdeckt<br />
beim Warm-up mit Cheftechniker Silvano<br />
Galbusera, seinen Elektronik-Spezialisten,<br />
seinem Öhlins-Techniker und dem Bridgestone-Mann<br />
zusammen und hörte aufmerksam<br />
zu, was jeder zu sagen hatte.<br />
Dann setzte Rossi auf „extrahart“ – und<br />
das war die entscheidende Weichenstellung,<br />
mit der der Altmeister und sein Team<br />
wie schon so oft in letzter Minute das Ruder<br />
herumrissen. Zwar drehte sein Hinterrad<br />
zunächst etwas stärker durch als bei Márquez.<br />
Doch dafür lag sein Motorrad auch in<br />
der zweiten Renn hälfte wie ein Brett. Dass<br />
er den Vier-Sekunden-Vorsprung von Marc<br />
Márquez vernichten könnte, glaubte zunächst<br />
trotzdem niemand. Außer Rossi<br />
selbst, der mit dem Sieg in Qatar und mit<br />
der WM-Führung im Gepäck in Argentinien<br />
angekommen war und bereits vor Trainingsbeginn<br />
angekündigt hatte, Márquez „zumindest<br />
ins Schwitzen“ zu bringen. Jetzt, mit<br />
dem Gegner am Horizont vor Augen, packte<br />
er alles aus, was diesen unbändigen Kämpfer<br />
ausmacht, und rückte unerbittlich, mit<br />
jedem Bremsmanöver in jeder Kurve näher<br />
an den Rivalen heran. Rossi machte im<br />
Schnitt eine halbe Sekunde pro Runde gut.<br />
Zwei Runden vor Schluss war es dann<br />
so weit. Rossi tat, was er immer tat: Er griff<br />
an. Und Márquez musste tun, was er nicht<br />
gewohnt ist: sich verteidigen. Das Ergebnis<br />
www.motorradonline.de<br />
war ein beinhartes Duell unter tosendem<br />
Beifall von den Rängen, wobei die beiden<br />
über drei Kurven hinweg mehrmals kurz<br />
hintereinander die Positionen wechselten.<br />
Dann war Rossi vorn und blieb auch dort,<br />
als Márquez in einem letzten Gegenangriff<br />
in einer Rechtskurve innen in eine nicht<br />
vorhandene Lücke stechen wollte und eine<br />
erste Kollision auslöste.<br />
Wenige Meter später dann des Dramas<br />
letzter Akt. In der Vorbereitung für den anschließenden<br />
Linksknick machte Rossi einen<br />
Schlen ker nach rechts und streifte mit dem<br />
Hinterrad das Vorderrad des Spaniers, der<br />
nur eine Handbreit neben ihm auf gleicher<br />
Linie verbissen kämpfte. Márquez stürzte,<br />
Rossi fuhr weiter – und feierte einen Sieg,<br />
mit dem er die Herzen einer ganzen Nation<br />
eroberte. Dank seiner wilden Fahrt, aber<br />
auch eines weltberühmten blau-weiß gestreiften<br />
Trikots mit der Nummer <strong>10</strong>, das er<br />
sich für die Siegerehrung überstreifte. Es sei<br />
keine Anspielung auf den möglichen zehnten<br />
WM-Titel, sondern nur eine Hommage<br />
an Diego Maradona gewesen, grinste Rossi.<br />
Es war eine gelungene Show, mit der<br />
sich Rossi ebenso wie der Fußballgott eine<br />
gewisse Unsterblichkeit verschaffte. „Márquez<br />
stürzt von der Hand Gottes“, textete ein<br />
spanischer Journalist in Anspielung auf das<br />
berühmte, vom Schiedsrichter übersehene<br />
Handspiel Maradonas zum 1 : 0 gegen England<br />
beim WM-Viertelfinale 1986 in Mexiko,<br />
bei dem der Superstar den unvergessenen<br />
Spruch von der „Hand Gottes“ geprägt hatte.<br />
Dass im Fall Rossi kein Regelverstoß<br />
vorlag, zeigten anders als damals bei Maradona<br />
auch die Fernsehbilder. „Márquez ist<br />
ein Fahrer, der immer auf alles oder nichts<br />
setzt. Ich habe ihn ausgebremst, aber er<br />
hat mich touchiert, erst in der Kurve, dann<br />
beim Beschleunigen. Er hat einen Fehler<br />
gemacht und ist gestürzt“, sagte Rossi.<br />
Marc Márquez erklärte nach dem Rennen:<br />
„Für uns war der extraharte Reifen keine<br />
Option. Ich hätte damit nicht gewinnen<br />
können. Mit dem weicheren hatte ich wenigstens<br />
eine kleine Chance. Ich wusste,<br />
dass Rossi einen guten Rhythmus hatte und<br />
von hinten ankam, und habe für diese letzten<br />
beiden Runden selbst wieder aufs Tempo<br />
gedrückt, um mich verteidigen zu können.<br />
Nach seinem Überholmanöver weiterzukämpfen<br />
war kein Fehler, sondern die<br />
rich tige Entscheidung. Es waren noch anderthalb<br />
Runden zu fahren, und ich wollte<br />
dranbleiben.“ Beim Nachhaken, ob er nicht<br />
ein bisschen sauer auf Rossi sei, wehrte er<br />
ab. „Nein, nein, nein“, beteuerte er. „Solche<br />
Dinge passieren. Du musst deine Lektion<br />
lernen und die Seite umblättern.“<br />
SPORT 137