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MOTORRAD 10/2015

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Aleix Espargaró (#41) hatte auf der neuen Suzuki den Start gewonnen,<br />

erneut landete er wie Teamkollege Maverick Viñales unter den Top Ten. Doch dieser<br />

Erfolg wurde vom Duell der Giganten Márquez und Rossi völlig überdeckt<br />

beim Warm-up mit Cheftechniker Silvano<br />

Galbusera, seinen Elektronik-Spezialisten,<br />

seinem Öhlins-Techniker und dem Bridgestone-Mann<br />

zusammen und hörte aufmerksam<br />

zu, was jeder zu sagen hatte.<br />

Dann setzte Rossi auf „extrahart“ – und<br />

das war die entscheidende Weichenstellung,<br />

mit der der Altmeister und sein Team<br />

wie schon so oft in letzter Minute das Ruder<br />

herumrissen. Zwar drehte sein Hinterrad<br />

zunächst etwas stärker durch als bei Márquez.<br />

Doch dafür lag sein Motorrad auch in<br />

der zweiten Renn hälfte wie ein Brett. Dass<br />

er den Vier-Sekunden-Vorsprung von Marc<br />

Márquez vernichten könnte, glaubte zunächst<br />

trotzdem niemand. Außer Rossi<br />

selbst, der mit dem Sieg in Qatar und mit<br />

der WM-Führung im Gepäck in Argentinien<br />

angekommen war und bereits vor Trainingsbeginn<br />

angekündigt hatte, Márquez „zumindest<br />

ins Schwitzen“ zu bringen. Jetzt, mit<br />

dem Gegner am Horizont vor Augen, packte<br />

er alles aus, was diesen unbändigen Kämpfer<br />

ausmacht, und rückte unerbittlich, mit<br />

jedem Bremsmanöver in jeder Kurve näher<br />

an den Rivalen heran. Rossi machte im<br />

Schnitt eine halbe Sekunde pro Runde gut.<br />

Zwei Runden vor Schluss war es dann<br />

so weit. Rossi tat, was er immer tat: Er griff<br />

an. Und Márquez musste tun, was er nicht<br />

gewohnt ist: sich verteidigen. Das Ergebnis<br />

www.motorradonline.de<br />

war ein beinhartes Duell unter tosendem<br />

Beifall von den Rängen, wobei die beiden<br />

über drei Kurven hinweg mehrmals kurz<br />

hintereinander die Positionen wechselten.<br />

Dann war Rossi vorn und blieb auch dort,<br />

als Márquez in einem letzten Gegenangriff<br />

in einer Rechtskurve innen in eine nicht<br />

vorhandene Lücke stechen wollte und eine<br />

erste Kollision auslöste.<br />

Wenige Meter später dann des Dramas<br />

letzter Akt. In der Vorbereitung für den anschließenden<br />

Linksknick machte Rossi einen<br />

Schlen ker nach rechts und streifte mit dem<br />

Hinterrad das Vorderrad des Spaniers, der<br />

nur eine Handbreit neben ihm auf gleicher<br />

Linie verbissen kämpfte. Márquez stürzte,<br />

Rossi fuhr weiter – und feierte einen Sieg,<br />

mit dem er die Herzen einer ganzen Nation<br />

eroberte. Dank seiner wilden Fahrt, aber<br />

auch eines weltberühmten blau-weiß gestreiften<br />

Trikots mit der Nummer <strong>10</strong>, das er<br />

sich für die Siegerehrung überstreifte. Es sei<br />

keine Anspielung auf den möglichen zehnten<br />

WM-Titel, sondern nur eine Hommage<br />

an Diego Maradona gewesen, grinste Rossi.<br />

Es war eine gelungene Show, mit der<br />

sich Rossi ebenso wie der Fußballgott eine<br />

gewisse Unsterblichkeit verschaffte. „Márquez<br />

stürzt von der Hand Gottes“, textete ein<br />

spanischer Journalist in Anspielung auf das<br />

berühmte, vom Schiedsrichter übersehene<br />

Handspiel Maradonas zum 1 : 0 gegen England<br />

beim WM-Viertelfinale 1986 in Mexiko,<br />

bei dem der Superstar den unvergessenen<br />

Spruch von der „Hand Gottes“ geprägt hatte.<br />

Dass im Fall Rossi kein Regelverstoß<br />

vorlag, zeigten anders als damals bei Maradona<br />

auch die Fernsehbilder. „Márquez ist<br />

ein Fahrer, der immer auf alles oder nichts<br />

setzt. Ich habe ihn ausgebremst, aber er<br />

hat mich touchiert, erst in der Kurve, dann<br />

beim Beschleunigen. Er hat einen Fehler<br />

gemacht und ist gestürzt“, sagte Rossi.<br />

Marc Márquez erklärte nach dem Rennen:<br />

„Für uns war der extraharte Reifen keine<br />

Option. Ich hätte damit nicht gewinnen<br />

können. Mit dem weicheren hatte ich wenigstens<br />

eine kleine Chance. Ich wusste,<br />

dass Rossi einen guten Rhythmus hatte und<br />

von hinten ankam, und habe für diese letzten<br />

beiden Runden selbst wieder aufs Tempo<br />

gedrückt, um mich verteidigen zu können.<br />

Nach seinem Überholmanöver weiterzukämpfen<br />

war kein Fehler, sondern die<br />

rich tige Entscheidung. Es waren noch anderthalb<br />

Runden zu fahren, und ich wollte<br />

dranbleiben.“ Beim Nachhaken, ob er nicht<br />

ein bisschen sauer auf Rossi sei, wehrte er<br />

ab. „Nein, nein, nein“, beteuerte er. „Solche<br />

Dinge passieren. Du musst deine Lektion<br />

lernen und die Seite umblättern.“<br />

SPORT 137

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