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DONNER<br />
UND GLORIA<br />
Von Peter Mayer<br />
Fotos: Hersteller<br />
Technisch und optisch gehört die Aprilia Tuono<br />
längst zu den extravagantesten Power-Naked-<br />
Bikes. Nun will der Donnerbolzen mit größerem<br />
Hubraum und jeder Menge Detailänderungen<br />
die Kraft-Nackedeis erneut aufmischen.<br />
Aufgeregt flackert die Warnleuchte der Traktionskontrolle<br />
im Cockpit, die Tuono scheint ihre Aufregung nicht mehr<br />
verbergen zu können. Endlich Auslauf, endlich zeigen, was<br />
sie kann. Und das sogar auf heimischem Terrain. Nur ein<br />
paar Steinwürfe vom GP-Kurs von Misano entfernt schlängeln sich die<br />
Straßen über die Hügel des romagnolischen Hügellands. Kein Meter<br />
eben, kaum einer gerade. Il paese delle nude, Naked-Bike-Land.<br />
Verständlich, dass der Aprilia das Herz pocht. Das größte in ihrer<br />
Modellgeschichte. Genau einen Liter Hubraum hatten die Ingenieure<br />
ihr sowohl als Zwei- wie auch als Vierzylinder bislang eingeschenkt.<br />
Jetzt träufeln drei Millimeter mehr Bohrung noch einmal 77 cm³ nach.<br />
Mille plus statt Mille. Die Stoßrichtung ist klar: Mehr Druck im<br />
Drehzahlkeller, mehr Spitzenleistung. In Zahlen: 121 statt 112<br />
Newtonmeter Drehmoment, 175 statt 170 PS. Schon vorher<br />
beeindruckende Werte, jetzt erst recht.<br />
Kein Wunder, dass dieses gelbe Lämpchen immer wieder<br />
aufflackert. Denn der 65-Grad-V4 hat es schon immer gemocht,<br />
sich in Szene zu setzen. Spritzig biss er kurz über<br />
dem Drehzahlkeller zu, flutschte frisch durch die Drehzahlmitte,<br />
um im letzten Drehzahldrittel zur Hochform<br />
aufzulaufen. Genau diesen Charakter hat sich auch der<br />
aufgeblasene V4 konserviert. Wohl auch, weil an der Neuen<br />
Pleuel des österreichischen Kurbelwellenspezialisten<br />
Pankl stattliche <strong>10</strong>0 Gramm pro Stück einsparten. Und<br />
so legt die Tuono so frech los wie eh und je. Allein dieser<br />
Sound. Kein kreischender Reihenvierer, kein bollernder,<br />
drehmomentschwangerer V2 und auch kein zwitschernder<br />
Drilling kommt diesem satten und sonoren V4-Bass nahe. Jedes<br />
Gasanlegen verwandelt sich zum akustischen Erlebnis – auch<br />
wenn eine sozialverträglichere Lautstärke den Genuss sicher nicht geschmälert<br />
hätte. Doch für einen Vorschalldämpfer fehlt unter der weit<br />
nach unten ragenden Ölwanne und der Umlenkung des Federbeins<br />
schlicht der Platz. So darf die Tuono ihre Freude aus der Edelstahlanlage<br />
recht ungeniert hinausbrüllen. Sauber und mit akzteptablem<br />
Ansprechverhalten nimmt sie am Kurvenscheitelpunkt Gas an und<br />
sorgt nach jeder Kehre für diesen erfrischenden druckvollen Spurt.<br />
Nicht zu viel, nie zu wenig, so schiebt der Vierzylinder voran. Ganz<br />
leicht, betont mühelos dreht er hoch, bis er kurz vor der Siebentausender-Marke<br />
bis zum Drehzahlbegrenzer bei 12 000 Touren noch mal<br />
nachlegt, als wäre die italienische Steuerfahndung hinter ihm her.<br />
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motorradonline.de/<strong>2015</strong><strong>10</strong>020<br />
Ob der Neue mehr Druck besitzt als sein Vorgänger? Schwer zu sagen,<br />
denn es ist weniger schiere Power, eher die vom Schaltassistenten<br />
noch unterstützte Leichtigkeit, die den V4 in jedem Moment charakterisiert.<br />
Ein moderater Zug am Gasseil und – wupp – schnalzt die Front<br />
nach oben, um Sekundenbruchteile später von der Wheelie Control<br />
wieder eingefangen zu werden. Das gelingt nach jeder Kehre, ganz<br />
TEST+TECHNIK 21