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EDITORIAL<br />
196<br />
4<br />
31. Jahrgang, 2005, Heft 4<br />
Wir müssen jetzt das Richtige tun MOSAIK 193<br />
Als Carl Friedrich Gauß wieder einmal die Mühsal der Messvorbereitungen für sein weit gespanntes<br />
Triangulationsnetz, das sich von Göttingen bis hoch zur dänischen Grenze erstrecken soll, in seinen Knochen<br />
spürt, beginnt er (so beschreibt es jedenfalls Daniel Kehlmann in seinem Buch »Die Vermessung der Welt«)<br />
zu sinnieren.<br />
»Bald würde all das eine Kleinigkeit sein. Man würde in Ballons schweben und die Entfernungen auf magnetischen<br />
Skalen ablesen. Man würde galvanische Signale von einem Meßpunkt zum nächsten schicken und<br />
die Distanz am Abfallen der elektrischen Intensität erkennen. Aber ihm half das nichts, er musste es jetzt tun,<br />
mit Meßband, Sextant und Theodolit, in lehmigen Stiefeln, mußte dazu noch Methoden finden, auf dem Weg<br />
reiner Mathematik die Ungenauigkeiten der Messung auszugleichen: Winzige Fehler addierten sich jedesmal<br />
zur Katastrophe. Noch nie hatte es eine genaue Karte dieser oder irgendeiner Gegend gegeben« (mehr darüber<br />
in diesem Heft).<br />
Worüber sinniert das Genie? Über die große Spannung zwischen einer sich anbahnenden technisch-wissenschaftlichen<br />
Entwicklung und den immer wieder neu empfundenen Alltagsmühen. Natürlich sieht das Genie<br />
die Zukunft auf seinem Wissensfeld deutlicher als wir Verstandeszwerge. Aber Gauß entzieht sich deshalb<br />
nicht den gestellten Aufgaben. Ganz im Gegenteil! Mit Heliotrop und Fehlerrechnung – um nur einige Beispiele<br />
zu nennen – werden die Aufgaben lösungsfähig gemacht und die Zukunft vorbereitet.<br />
Und nun springen wir mal in unseren ÖbVI-Alltag und fragen uns (zum Jahreswechsel darf man das ja), ob<br />
uns das was »lehrt«.<br />
Die These lautet: Unser Problem liegt nicht in der Gestaltbarkeit der Zukunft,<br />
sondern in der Gestaltung der Gegenwart. Auch uns gelingt es, Zukunft zu beschreiben.<br />
Einige berufsstandsrelevante Entwicklungen der kommenden Jahre lassen sich<br />
durchaus benennen. Im IT-Bereich: GIS, digitale Signatur, Datenverbund. Im Bürobereich:<br />
Leistungs- und Qualitätsrevolution, Wissensverbund, Fortbildungsprimat.<br />
Jeder wird diese Auswahl leicht ergänzen können.<br />
Viel wichtiger ist aber die Frage danach, was wir mit unserer Gegenwart anfangen.<br />
Wie bewältigen wir unseren Alltag? Stärken wir unseren Berufsstand durch unser<br />
Tun und bereiten damit die Zukunft vor? Oder stehen die ÖbVI vielerorts im Begriff,<br />
Gegenwart und Zukunft in ihrem Alltag zu verspielen? Das sind die Fragen, denen<br />
wir in diesem Heft nachgehen. Deshalb widmen wir uns beispielsweise so ausführlich<br />
dem Thema der Missachtung des Kostenrechts.<br />
Den Brandenburgern gebührt das Verdienst, mit der Podiumsdiskussion in Rathenow<br />
gegenwartsnah auf diese Berufsstandsseuche öffentlich aufmerksam gemacht zu<br />
haben. Vielleicht gebührt Baden-württemberger Kollegen bald Verdienst, einen Weg<br />
aus dieser Berufskrise gefunden zu haben.<br />
Mit guten Wünschen für die Gestaltung des kommenden Jahres<br />
Ihr<br />
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INHALT<br />
EDITORIAL 196<br />
BERUF<br />
■ Zu warm unterm »Mäntelchen«?<br />
Podiumsdiskussion in Rathenow zur Unterbietung von Kostenordnungen 198<br />
GRUNDSTÜCKSBEWERTUNG<br />
■ Fläche ist nicht gleich Fläche<br />
Axel Ziemann, Petra Schmökel 210<br />
BERUF<br />
■ Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure –<br />
Ein freier Berufsstand mit staatlicher Bindung<br />
Hubertus Brauer 216<br />
GRUND UND BODEN<br />
■ Gegen die Abschaffung des<br />
öffentlich-rechtlichen Abmarkungszwanges<br />
Ralph Schulze 220<br />
HOCHSCHULE<br />
■ Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge<br />
Hubertus Brauer 222<br />
INTERNATIONAL<br />
■ The Global Land Information Explosion<br />
Gunther Greulich 226<br />
TECHNIK<br />
■ GIS-ASP by ÖbVI<br />
Wolfgang Glunz 231<br />
RECHT<br />
■ Nur in zweiter Linie befugt 236<br />
FORUM FUNDUS<br />
31. Jahrgang, 2005, Heft 4<br />
■ Rechts- und Hochwert 240<br />
FORUM FEDERALE<br />
■ Statistik schafft Transparenz<br />
Hubert Middrup 242<br />
BÜCHER 244<br />
FORUM FUTURA 250<br />
MOSAIK 255<br />
IMPRESSUM 256<br />
Niemand<br />
unterbietet<br />
198<br />
Ob in der ÖbVI-Hörerschaft einer gewagt hätte,<br />
einen Missbrauch der Kostenordnung einzugestehen?<br />
Wie hätten die Kollegen aus Büros<br />
und Amtsstuben reagiert?<br />
Aber darum ging es nicht in Rathenow. Niemand<br />
wollte Kollegen bloßstellen. Die Podiumsdiskussion<br />
war darauf ausgerichtet, die<br />
Wichtigkeit und Dringlichkeit dieses Themas<br />
allen Zuhörern – und nun im FORUM auch<br />
allen Lesern – vor Augen zu führen.<br />
Vision of<br />
GIS-Cooperation 226<br />
Vor dem deutschen FIG-Jahr eignet sich<br />
eine Vision zur transatlantischen Verbindung<br />
von GIS-Systemen hervorragend, die Chancen<br />
globaler Kooperation herauszustellen.<br />
Der Sache tut es keinen Abbruch, wenn<br />
Mr. Greulich einräumen muss, dass es möglicherweise<br />
realistisch ist, “to expect a transition<br />
period from one to three generations,<br />
before it can be happen in the United States”.<br />
Übergriffig 236<br />
Es ist einfach eine Unsitte, sich Kompetenzen<br />
anzumaßen, die außerhalb des Rechtsrahmens<br />
liegen. Das Verwaltungsgericht Hannover<br />
hat die kommunalen Vermessungsstellen<br />
eindeutig in ihre Schranken gewiesen. Hoheitliche<br />
Vermessungsaufgaben sind in erster<br />
Linie Sache der Vermessungsverwaltungen<br />
UND der ÖbVI. Basta!<br />
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