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Platon - Politeia - Huber-tuerkheim.de

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<strong>Platon</strong>: <strong>Politeia</strong><br />

Gerechte wür<strong>de</strong> sich zwar selbst achten, aber in allen pragmatischen Lebensbelangen Nachteil<br />

haben. Deshalb wird Sokrates am En<strong>de</strong> ausdrücklich auf <strong>de</strong>n äußeren Lohn zurückkommen<br />

(612 b – 613 e), <strong>de</strong>n die Gerechtigkeit neben <strong>de</strong>m (freilich sehr viel be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>ren) inneren<br />

„Nutzen“ für die Seele und ihre Selbstachtung erbringt (612 bc), nämlich die Ähnlichkeit<br />

mit <strong>de</strong>r Gottheit (613 a). Des Sokrates Behauptung, die Gerechtigkeit sei ein Gut, das um<br />

ihrer selbst und um <strong>de</strong>s äußeren Nutzen willen erstrebenswürdig sei, stellt damit die doppelte<br />

Gegenthese zu Thrasymachos dar.<br />

Glaukon und A<strong>de</strong>imantos: advocati diaboli<br />

(15) Glaukon und A<strong>de</strong>imantos versuchen, jene bei<strong>de</strong>n Thesen <strong>de</strong>s Thrasymachos (§ 14;<br />

zusammengefasst in 343 a – 344 c) noch einmal beson<strong>de</strong>rs stark zu machen, um Sokrates zu<br />

einer beson<strong>de</strong>rs starken Wi<strong>de</strong>rlegung zu provozieren. Bei<strong>de</strong> <strong>Platon</strong>-Brü<strong>de</strong>r wollen <strong>de</strong>n Erweis<br />

dafür, dass die Gerechtigkeit um ihrer selbst willen erstrebenswürdig ist (358 d; 367 b). Was<br />

gegen diese Auffassung spricht, bringen sie nochmals zur Geltung. Es sind zwei grundlegen<strong>de</strong><br />

Einwän<strong>de</strong> gegen einen intrinsischen Wert <strong>de</strong>r Gerechtigkeit.<br />

(16) „Das Gerechte ,,, wer<strong>de</strong> nicht als gut geliebt, son<strong>de</strong>rn durch das Unvermögen, unrecht<br />

zu tun, sei es zu Ehren gekommen“ (359 ab; 366 d; vgl. Gorgias 483 c; 492 ab). Die Gerechtigkeit<br />

ist eine Erfindung <strong>de</strong>s Schwachen, weil sie ihm nützt: Sie ermöglicht ein friedliches<br />

Zusammenleben <strong>de</strong>r Menschen, statt dass sie im Zuge <strong>de</strong>s „Mehrhabenwollens“ (359 c) einan<strong>de</strong>r<br />

bekämpfen, wobei <strong>de</strong>r Schwache immer <strong>de</strong>n Kürzeren zöge (358 e – 359 b). Gerechtigkeit<br />

hat in sich selbst keinen Wert, son<strong>de</strong>rn nur als Mittel zu sozialem Frie<strong>de</strong>n und Sicherheit<br />

<strong>de</strong>s Einzelnen. Glaukon argumentiert mit drei Gedankenexperimenten (eigentlich zweien,<br />

weil [a] und [b] auf’s Gleiche hinauslaufen):<br />

[a]<br />

Gyges und sein Ring: Glaukon versucht dies durch die Parabel vom Ring <strong>de</strong>s Gyges<br />

einsichtig zu machen (359 b – 360 d): Wer ohne Furcht ungerecht sein kann, <strong>de</strong>r wird<br />

die Gerechtigkeit über Bord werfen. Glaukon argumentiert also etwa so: Sobald die<br />

Gerechtigkeit keinen äußeren Vorteil bringt, strebt man auch nicht mehr nach ihr. Das<br />

zeige, dass die Gerechtigkeit nicht um ihrer selbst willen angestrebt wer<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn<br />

nur wegen <strong>de</strong>s gegebenenfalls mit ihr verbun<strong>de</strong>nen Nutzens. Wer glaubt, dass es <strong>de</strong>m<br />

Menschen in Wahrheit nur darum gehen könne, seinen eigenen Vorteil zu maximieren,<br />

für <strong>de</strong>n ist je<strong>de</strong>s Interesse, das ich an an<strong>de</strong>ren Wesen nehme, immer nur ein vorteilskalkulieren<strong>de</strong>s<br />

(zweckrationales) Interesse, das sich auf jene an<strong>de</strong>ren Wesen nicht<br />

um ihrer selbst willen, son<strong>de</strong>rn nur um meines eigenen Vorteils willen richtet. Gibt es<br />

tatsächlich kein Interesse an an<strong>de</strong>ren um ihrer selbst willen? Ist das, was <strong>de</strong>n Menschen<br />

interessiert, tatsächlich nur und ausschließlich <strong>de</strong>r eigene Vorteil, das eigene<br />

„Mehrhabenwollen“ (359 c)? Kann Moral tatsächlich „unter <strong>de</strong>n Bedingungen mo<strong>de</strong>rner<br />

Gesellschaften und erst recht <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Weltgesellschaft nur auf <strong>de</strong>n einzig<br />

verbleiben<strong>de</strong>n gemeinsamen Nenner individueller Vorteilskalkulation gegrün<strong>de</strong>t<br />

sein“ 13 ? Cicero beruft sich auf die Gyges-Geschichte. 14 Er räumt ein, dass es viele<br />

Leute gibt, die wie Gyges sind und han<strong>de</strong>ln, d. h. die nur vorteilskalkulierend han<strong>de</strong>ln.<br />

Er argumentiert aber, dass jemand, <strong>de</strong>r zugäbe, so zu han<strong>de</strong>ln, in seinen eigenen Augen<br />

ein „Schandbube“ (facinorosus) sein müsste. Cicero beruft sich also auf die sittli-<br />

13 Homann 1997, 21. – Die gegenwärtige Moralphilosophie geht vielfach davon aus, dass Moral nur eine Funktion<br />

<strong>de</strong>s (aufgeklärten) Eigeninteresses <strong>de</strong>r Einzelnen ist, statt von objektiven in sich wertvollen Gütern her<br />

fundiert zu sein (Quante 2003, 54-73; vgl. <strong>Huber</strong> 2006, § 79 mit Zusätzen).<br />

14 De officiis III, 38f<br />

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