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Platon - Politeia - Huber-tuerkheim.de

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<strong>Platon</strong>: <strong>Politeia</strong><br />

Die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s Guten III: Die Gleichnisse<br />

Sonnengleichnis: Ontologie – Sein als geordnete Welt (Kosmos) von Seien<strong>de</strong>n<br />

(49) Mittels <strong>de</strong>r Sonne veranschaulicht Sokrates die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s Guten. Dabei sind es zwei<br />

grundlegen<strong>de</strong> Funktionen, welche bei<strong>de</strong>n zukommen, <strong>de</strong>r Sonne in eingeschränktem, überschaubarem<br />

Maßstab, <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s Guten im kosmischen Maßstab:<br />

[a]<br />

[b]<br />

So wenig das Auge etwas zu sehen vermag, wo sich räumlich nichts unterschei<strong>de</strong>n<br />

lässt (sei es in <strong>de</strong>r schwarzen Finsternis o<strong>de</strong>r im weißen Nebel), ebenso wenig vermag<br />

die Vernunft da etwas zu verstehen, wo sich gedanklich nichts unterschei<strong>de</strong>n lässt:<br />

Etwas zu <strong>de</strong>nken, be<strong>de</strong>utet immer, nicht etwas an<strong>de</strong>res zu <strong>de</strong>nken, und diese Unterscheidung<br />

muss je<strong>de</strong>r Gedanke machen, wenn er auch das an<strong>de</strong>re alles, das er nicht<br />

<strong>de</strong>nkt (obgleich es zu <strong>de</strong>nken möglich wäre), nicht weiter ausdifferenziert. So wie die<br />

Sonne im Raum <strong>de</strong>s Sichtbaren die Unterscheidungslosigkeit <strong>de</strong>r Finsternis vertreibt<br />

und dadurch die Dinge in ihren Unterschie<strong>de</strong>n und Differenziertheiten hervortreten<br />

und damit erst wahrnehmbar und i<strong>de</strong>ntifizierbar wer<strong>de</strong>n lässt, ebenso lässt die I<strong>de</strong>e<br />

<strong>de</strong>s Guten die verstehbaren Dinge und Wesen erst unterscheidbar wer<strong>de</strong>n und an ihnen<br />

<strong>de</strong>utlich hervortreten, „was je<strong>de</strong>s ist“ (532 a; 533 b; 534 b; 484 d). Wenn man die<br />

Dinge nämlich unter <strong>de</strong>r Perspektive <strong>de</strong>s Guten betrachtet, dann fragt man, wozu es<br />

gut sei, dass dies gera<strong>de</strong> so und jenes gera<strong>de</strong> an<strong>de</strong>rs ist. Die Antworten auf solche<br />

Fragen nach <strong>de</strong>m Guten zeigen uns die Unterschie<strong>de</strong> und spezifischen I<strong>de</strong>ntitäten<br />

<strong>de</strong>r Wesen. Die Frage nach <strong>de</strong>m Guten erschließt die komplexe Welt <strong>de</strong>s Verstehbaren,<br />

<strong>de</strong>n Raum <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong> (§ 39 Zusatz 1-b). Erst wenn wir wissen, aus welchem<br />

Grund <strong>de</strong>r Reißzahn eines Löwen spitz sein muss, haben wir verstan<strong>de</strong>n, was ein<br />

Reißzahn ist – haben wir die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s Reißzahnes verstan<strong>de</strong>n.<br />

Wo kein Unterschied herrscht, da ist soviel als nichts. 63 Wenn das Sein in sich selbst<br />

nicht unterschie<strong>de</strong>n wäre, wenn es nicht ausdifferenziert wäre in unterschiedliche Seien<strong>de</strong>,<br />

son<strong>de</strong>rn nur einen gestaltlosen Nebel bil<strong>de</strong>te, so wäre es in dieser inneren Unterscheidungslosigkeit<br />

<strong>de</strong>m Nichts gleich: Wenn sich Löwesein, Tigersein, Granitsein<br />

usw. nicht unterschei<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n, dann gäbe es we<strong>de</strong>r Tiger noch Löwen noch Granit,<br />

son<strong>de</strong>rn nur ein unterschiedslos allgemeines Sein. Wo alles unterschiedslos dasselbe<br />

Sein ist, da ist so viel als gar nichts. Damit das Sein die Leerheit und Nichtigkeit verliere<br />

und als Sein wirklich wer<strong>de</strong>, muss es sich in unterschie<strong>de</strong>ne Seien<strong>de</strong> trennen, in<br />

die bunte Mannigfaltigkeit einer Welt von verschie<strong>de</strong>nartigen Wesen. Dass überhaupt<br />

etwas ist (statt dass gar nichts wäre), hat daher seine Ursache darin, dass das Sein unterschiedliche<br />

geistige Wirkprinzipien – d. h. unterschiedliche I<strong>de</strong>en (§ 44) – hervorbringt,<br />

welche die unterschiedslose Gleichheit <strong>de</strong>s Seins zu unterschiedlich gestalten<br />

Wesen bil<strong>de</strong>n. So wie die Sonne (ihr Licht, ihre Wärme) die Ursache dafür ist, dass<br />

sich aus <strong>de</strong>m unterschiedslosen Urstoff <strong>de</strong>r Welt verschie<strong>de</strong>ngestaltige Wesen heraus<br />

entwickeln, ist das Gute Ursache und Grund dafür, dass das Sein einzelne Seien<strong>de</strong><br />

aus sich hervorgehen lässt (§ 39 Zusatz 3): Das Sein drängt danach, etwas Bestimmtes<br />

zu sein, statt unterschiedsloses Nichts zu bleiben (so ist es Grund für die<br />

Wesen); und das Sein drängt danach, zu sein (so ist es zugleich Ursache für die Wesen,<br />

eine Ursache, <strong>de</strong>ren Wirkweise wir nicht zu verstehen vermögen).<br />

Zusammenfassend halte ich fest: Das Gute lässt die Welt als Reich vielgestaltiger Wesen<br />

63 <strong>Huber</strong> 2006, §§ 34ff<br />

34

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