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Platon - Politeia - Huber-tuerkheim.de

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<strong>Platon</strong>: <strong>Politeia</strong><br />

[d]<br />

nach <strong>de</strong>r Reichweite und Tiefe seines Fürsichseins, d. h. danach, in welchem Maß<br />

ein Wesen fähig ist, seine eigenen Daseinszwecke und neben diesen auch die <strong>de</strong>r übrigen<br />

Wesen zu verstehen und zu achten. 71<br />

Zusatz 1: Fürsichsein liegt vor, wenn ein Wesen sich selbst in dumpferer o<strong>de</strong>r hellerer Empfindung,<br />

in <strong>de</strong>r Weise <strong>de</strong>s Bewusstseins o<strong>de</strong>r gar mit Selbstbewusstsein gegeben ist. Bewusstsein, ja sogar<br />

schon Empfindung hat immer ein Moment von Selbstbewusstsein an sich. Hätte man bei einer Empfindung<br />

keinerlei Empfindung auch von sich selbst, wür<strong>de</strong> man die Empfindung sozusagen nicht registrieren<br />

können: Man empfin<strong>de</strong>t nichts, wenn man in <strong>de</strong>r Empfindung nicht auch sich selbst mitempfin<strong>de</strong>t.<br />

Aber es ist ein Unterschied sich selbst bloß mitzuempfin<strong>de</strong>n, wobei <strong>de</strong>r Brennpunkt <strong>de</strong>s Gewahrseins<br />

nur auf <strong>de</strong>m Inhalt <strong>de</strong>r Empfindung, nicht aber auch auf <strong>de</strong>m empfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Selbst liegt, o<strong>de</strong>r aber die<br />

ganze Komplexität eines Selbst, das von sich im An<strong>de</strong>ren weiß, klar zu erfassen.<br />

Zusatz 2: Ein Tier versteht seine Daseinszwecke nicht bewusst, aber in Form <strong>de</strong>r Empfindung, in<br />

Form also eines sozusagen gefühlten Verstehens. Aber auch in dieser empfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Weise versteht es<br />

seine Daseinszwecke nur unvollkommen: So empfin<strong>de</strong>t es z. B. die Lust, die mit <strong>de</strong>r Sättigung verbun<strong>de</strong>n<br />

ist, als seinen eigenen Daseinszweck. Aber diese Lust ist <strong>de</strong>r Zweck <strong>de</strong>r Sättigung nur für das Tier,<br />

welches nicht erfasst, dass <strong>de</strong>r Zweck <strong>de</strong>r Sättigung an sich mehr umfasst: Die Sättigung zielt an sich<br />

nicht nur darauf, <strong>de</strong>m Tier momentane Lust zu verschaffen, son<strong>de</strong>rn darauf, ihm sein Dasein über längere<br />

Zeit zu erhalten. Eben dies aber empfin<strong>de</strong>t und weiß das Tier ebensowenig wie es z. B. weiß, dass<br />

<strong>de</strong>r Paarungstrieb an sich nicht nur die momentane Lust bezweckt (wie es das Tier für sich selbst empfin<strong>de</strong>t),<br />

son<strong>de</strong>rn unmittelbar auf Junge und durch diese und <strong>de</strong>ren Junge dann weiter auf <strong>de</strong>n Fortbestand<br />

<strong>de</strong>r Gattung aus ist. Das Tier kann auch die Daseinszwecke an<strong>de</strong>rer Wesen nicht erfassen: Die<br />

Katze kann nicht verstehen, wie es ist, ein Adler zu sein (und es interessiert sie auch nicht). Nur <strong>de</strong>r<br />

Mensch ist das Wesen, das potentiell (wenn auch nicht faktisch) seine eigenen Daseinszwecke über die<br />

momentane Befriedigung hinaus erfassen und auch die Daseinszwecke <strong>de</strong>r übrigen Wesen verstehen<br />

und achten kann. Darin ist er Vernunftwesen. 72<br />

Folgen<strong>de</strong> Arten von Seien<strong>de</strong>n unterschei<strong>de</strong>t <strong>Platon</strong> im Liniengleichnis und in folgen<strong>de</strong> kosmologische<br />

Stufenfolge sieht er sie geglie<strong>de</strong>rt (ich beginne mit <strong>de</strong>r untersten Stufe und steige<br />

schrittweise höher):<br />

A. Bil<strong>de</strong>r<br />

A.1 Schatten und Spiegelungen<br />

(51) „Ich nenne aber Bil<strong>de</strong>r zuerst die Schatten, dann die Erscheinungen im Wasser und<br />

die sich auf allen dichten, glatten und glänzen<strong>de</strong>n Flächen fin<strong>de</strong>n und alle <strong>de</strong>rgleichen“ (509<br />

d – 510 a).<br />

[a]<br />

[b]<br />

Die eigene Wirklichkeit konstant stabil zu halten (§ 50-a), vermögen am wenigsten<br />

die Schatten und Spiegelungen: Sie halten ihre Gestalt (das, was sie sind) nicht aus eigener<br />

Kraft fest, son<strong>de</strong>rn nur solange das Ding, <strong>de</strong>ssen Schatten sie sind, seine Gestalt<br />

behält, behalten auch sie diese. Schatten (o<strong>de</strong>r Spiegelungen) sind vollkommen abhängig<br />

von <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>ssen Nachbildungen sie sind. Verschwin<strong>de</strong>t das Urbild, verschwin<strong>de</strong>t<br />

<strong>de</strong>r Schatten.<br />

Spiegelungen sind von höherer Komplexität als Schatten, <strong>de</strong>nn Schatten zeigen nur<br />

die Umrisse, während Spiegelungen auch Farben und Aussehen abbil<strong>de</strong>n. Spiegelungen<br />

integrieren das, was Schatten leisten, vollziehen selber aber eine höhere Abbil-<br />

71 <strong>Huber</strong> 2006, §§ 59; 78<br />

72 <strong>Huber</strong> 2006, §§ 3; 5; 54; 78; 223<br />

36

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