32RISIKO- UND PROGRESSIONSFAKTOR AUCH BEI RENALEN ERKRANKUNGENRauchen und NiereUniv.-Doz. Dr. Karl LhottaKlinische Abteilung für <strong>Nephrologie</strong>, Universitätsklinik für Innere Medizin, InnsbruckRauchen erhöht das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisseum das 2–3-Fache und <strong>ist</strong> für 90 % der Lungenkarzinomesowie 80 % der Fälle von chronisch-obstruktiverLungenerkrankung verantwortlich. Weniger im öffentlichenBewusstsein verankert <strong>ist</strong> die Tatsache, dass Zigarettenrauchenauch für die Nieren schädlich <strong>ist</strong>. Im Folgendenwerden Pathomechanismen und klinische Auswirkungenvon Rauchen auf die Nieren zusammengefasst.Tabelle 1: Pathomechanismen derGefäßschädigung durch Zigarettenrauch• erhöhter Sympathikotonus, Katecholamine• Vasopressinspiegel• verminderte NO-Produktion• oxidativer Stress• Leukozytose, CRP , Interleukin 6 , TNF-alpha• lösliche Adhäsionsmoleküle• vermehrte Adhäsion und transendothelialeMigration von Monozyten• Proliferation glatter Muskelzellen• Anstieg von Cholesterin, LDL, Triglyzeriden,vermindertes HDL• LDL-Oxidation• vermehrte Plättchenaggregation• Fibrinogen• verminderte Thrombolyse• Insulinres<strong>ist</strong>enz➛➛➛➛➛➛➛➛Mit einem Raucheranteil von über 40 % <strong>ist</strong> Österreich Spitzenreiterin Europa. Hierzulande rauchen 43 % der Männerund 31 % der Frauen. Bei den Jugendlichen haben dieMädchen mit 26 % bereits die Nase vorne (Burschen 20 %).Zigarettenrauch enthält mehr als 4.000 Inhaltsstoffe. Davonam besten erforscht <strong>ist</strong> Nikotin, welches auch für das Suchtpotenzialverantwortlich <strong>ist</strong>. Nikotin bindet an postganglionärecholinerge Rezeptoren in Gehirn, autonomen Ganglien, Nebennierenund neuromuskulären Endplatten. Als Nettoeffektresultiert eine Sympathikusaktivierung mit Anstieg des Blutdruckesum 5–10 mmHg und der Herzfrequenz um 10–15Schläge pro Minute. Freisetzung von Katecholaminen und Vasopressinsowie verminderte NO-Bildungtragen zur Vasokonstriktion undErhöhung des peripheren Gefäßwiderstandesbei. Für die gefäßschädigendeWirkung durch Zigarettenrauch dürftendiese Effekte aber von untergeordneterBedeutung sein. Wahrscheinlich stellt der oxidative Stressdurch Zigarettenrauch die Hauptursache dar. Zigarettenrauchenthält große Mengen an freien Radikalen und stimuliert zusätzlichdie endogene Radikalbildung, zum Beispiel durch Stimulierungvon Leukozyten. Weitere zentrale pathogenetischeMechanismen sind proinflammatorische Effekte, direkte Toxizitätan Endothelzellen, Lipidmodifikation und Insulinres<strong>ist</strong>enzals Folge des Rauchens (Tabelle 1).Akute Effekte auf die NiereZigarettenrauchen führt bei Nierengesunden durch intrarenaleVasokonstriktion zu einer Zunahme des renovaskulären Widerstandes,einer Abnahme der Filtrationsfraktion und einerAbnahme der glomerulären Filtrationsrate um etwa 20ml/min. Diese akute Verringerung der GFR fehlt bei Patientenmit einer IgA-Nephropathie, allerdings findet sich ein Anstiegder Albuminausscheidung. Bei chronischen Rauchernfehlen diese akuten Auswirkungen von Nikotin auf die renaleHämodynamik ebenfalls, dafür <strong>ist</strong> bei ihnen eine konstanteReduktion des renalen Plasmaflusses bei erhaltener GFR zu beobachten.Epidemiologische UntersuchungenUniv.-Doz. Dr.Karl LhottaIm Rahmen der PREVEND-Studie (bei allen erwachsenenEinwohnern der Stadt Groningen) war das Risiko für eineMikroalbuminurie bei Rauchern um 30 % höher als bei Nichtrauchern.Bei Probanden, die mehr als 20 Zigaretten pro Tagrauchen, war das Risiko sogar verdoppelt. In derselben Studiewurde gezeigt, dass das Risiko für eine reduzierte GFR fürRaucher um 60 % erhöht <strong>ist</strong> und sich, ähnlich der Mikroalbuminurie,bei starken Rauchern verdoppelt. Auch in einergroßen australischen Studie (AusDiab Kidney Study) an gesundenProbanden war Rauchen mit einem um 60 % höherenRisiko für eine Proteinurie verbunden. In derselben Studiewurde ein erhöhtes Risiko für eine eingeschränkte Nieren-
Tabelle 2: Auswirkungen von Rauchen auf dieNiere und NierenerkrankungenAkut• Abfall der GFR bei Gesunden• Anstieg renovaskulärer Widerstand• Albuminurie➛Chronisch• erhöhte Inzidenz von Mikroalbuminurie undverminderter GFR• beschleunigte Progression(GFR-Verlust ca. 50 % größer)• erhöhtes Risiko für ESRD bei Zystennnieren undIgA-Nephropathie• atherosklerotische Nierenarterienstenose• Herzinsuffizienz und PAVK bei Dialyse• höhere Mortalität bei Dialyse• erhöhte Mortalität nach NTX• doppeltes Risiko für Transplantatverlustfunktion von 30 % gefunden. Dieses Risiko war bei Männernsogar 4-mal höher. Jedes gerauchte Pack-Year verringerte dieGFR um 3–4 ml/min.Auch das Risiko für eine höhergradige <strong>Niereninsuffizienz</strong> (inetwa Stadium 4) wird durch Rauchen vergrößert. So fand eineCase-Control-Studie in Schweden ein für Probanden, die mehrals 20 Zigaretten pro Tag rauchen oder mehr als 30 Pack-Yearsrauchten, ein um 50 % erhöhtes Risiko. Dieses Risiko bestandvor allem für die Diagnosen Nephrosklerose und chronischeGlomerulonephritis.Rauchen und KrankheitsprogressionZahlreiche Untersuchungen belegen, dass Rauchen die Progressionverschiedenster chronischer Nierenerkrankungenbeschleunigt. Eine Studie bei Patienten mit schwerer essenziellerHypertonie fand bei Nichtrauchern einen GFR-Verlustvon 0,1 ml/min pro Monat im Vergleich zu 0,4 ml/min proMonat bei Rauchern. Bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes wird dasRisiko für das Auftreten einer Mikroalbuminurie und Makroalbuminurieum das 2–3-Fache erhöht. Eine prospektive Untersuchungbei Typ-2-Diabetikern unter optimaler BlutzuckerundBlutdruckeinstellung inklusive ACE-Hemmer zeigte beiRauchern einen monatlichen GFR-Verlust von 0,7 ml/min imVergleich zu 0,4 ml/min bei Nichtrauchern. Bei den Rauchernnahm die Proteinurie um 4 g/Tag zu (Nichtraucher 1 g/Tag).Für Patienten mit Zystennieren oder IgA-Nephropathie, die5–15 Zigaretten rauchen, <strong>ist</strong> das Risiko für Erreichen einer terminalen<strong>Niereninsuffizienz</strong> um den Faktor 3,5, bei mehr als15 Zigaretten um den Faktor 5,8 erhöht. Zumindest in dieserUntersuchung konnte das Risiko bei Rauchern durch Gabeeines ACE-Hemmers deutlich reduziert werden.Rauchen bei Dialysepatienten➛Der Anteil von rauchenden Dialysepatienten scheint deutlichgeringer zu sein als in der Allgemeinbevölkerung (7–14 % imVergleich zu 30 %). Die Ursache dafür <strong>ist</strong> unklar, dürfte aberam ehesten in einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität beiRauchern mit chronischer <strong>Niereninsuffizienz</strong> liegen. Rauchen<strong>ist</strong> bei Dialysepatienten mit einem vermehrten Auftreten vonHerzinsuffizienz (+60 %) und PAVK (+70 %) sowie mit einererhöhten Mortalität (+40 %) assoziiert.Rauchen und NierenarterienstenoseEine schwere hämodynamisch signifikante atherosklerotischeNierenarterienstenose kommt fast ausschließlich bei Rauchernvor. 70–80 % dieser Patienten sind Raucher.Rauchen nach NierentransplantationEigene Untersuchungen zeigen, dass der Anteil an Patienten,die nach einer NTX rauchen, deutlich rückläufig <strong>ist</strong>.Während von Patienten, die vor 1990 transplantiert wurden,über 30 % rauchten, <strong>ist</strong> der Anteil auf derzeit etwa 10 %zurückgegangen. In der ALERT-Studie erhöhte Rauchen dasRisiko für Transplantatverlust sowie Verdoppelung des Serumkreatininsnach 5–6 Jahren um das 2,3-Fache. Ähnliche Ergebnissewurden auch von anderen Autoren gefunden. AndereUntersuchungen fanden eine erhöhte Mortalitätsrate beiRauchern (RR 1,42) durch kardiovaskuläre Ereignisse und einerhöhtes Auftreten maligner Tumoren bei Rauchern nachNTX. Auch eine Raucheranamnese des Spenders (lautUNOS bei 40 % positiv) <strong>ist</strong> mit einer geringgradigen Reduktiondes Transplantatüberlebens verbunden.H<strong>ist</strong>ologische Veränderungen bei RauchernEigene Untersuchungen an Biopsien von Patienten mit Glomerulonephritisergaben, dass durch Rauchen vor allem diekleinen renalen Arterien im Sinne einer myointimalen Hyperplasiegeschädigt werden. Diese Veränderungen sind unabhängigvom Blutdruck der Patienten. Daneben fand sich auch einTrend zu einer vermehrten Hyalinose der Arteriolen. EigeneUntersuchungen bei Nierentransplantierten bestätigen dieseErgebnisse, wobei diese Veränderungen in Nierentransplantatenwesentlich früher auftreten als in Eigennieren. Eine experimentelleStudie an teilnephrektomierten Ratten fand zusätzlicheine vermehrte Glomerulosklerose und tubulointerstitielleFibrose unter dem Einfluss von azetongelöstem Zigarettenrauch.■Es steht heute außer Zweifel, dass Zigarettenrauchensowohl ein Risikofaktor für das Auftreten einer Nierenerkrankungals auch ein wesentlicher Progressionsfaktorbei bestehender Nierenerkrankung <strong>ist</strong>. Einstellen einesNikotinabusus <strong>ist</strong> die wirksamste progressionshemmendeMaßnahme und somit ein ganz wichtiger Aspekt in derBehandlung nierenkranker Patienten.