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1001 Nacht Die Liebe zu den drei Orangen ... - Dinges und Frick

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Michael Günther Bard, Sybille WeiserWenn die Angst regiertArthur Millers HexenjagdEs herrscht Ruhe <strong>und</strong> Frie<strong>den</strong> in Salem. <strong>Die</strong> Gemeindehält <strong>zu</strong>sammen. Disziplin, Strenge <strong>und</strong> Entsagung sinddie Werte, die sie sich einst auf die Fahne schrieb.Doch unter der Decke brodelt es, <strong>und</strong> längst ist aus<strong>den</strong> Glaubensgr<strong>und</strong>sätzen ein System von Heucheleigewor<strong>den</strong>. Dagegen opponieren die jungen Mädchendes Dorfes mit einem nächtlichen Exzess. Sie lassenihre Wut <strong>und</strong> ihre unterdrückte Lebenslust heraus.Bis Pastor Parris sie dabei überrascht. Und nun ist allesanders in Salem.Wie Schleichgift breitet sich derVerdacht aus, es sei Hexerei im Spielgewesen. Um von sich ab<strong>zu</strong>lenken,bezichtigen die Mädchen – allenvoran Abigail Williams – unbescholteneBürger im B<strong>und</strong> mit dem Teufel <strong>zu</strong>sein. Der junge <strong>und</strong> ehrgeizige PastorHale wird beauftragt <strong>den</strong> Fall <strong>zu</strong>untersuchen. Doch schon längst gehtes nicht mehr darum, <strong>den</strong> Verdacht<strong>zu</strong> bestätigen oder <strong>zu</strong> entkräften.Niemand kann der Lawine, die da insRollen gekommen ist, noch etwasentgegensetzen. Und manche wollendas auch gar nicht: Unter dem Vorwand,Hexerei <strong>und</strong> Teufelsbündnisseauf<strong>zu</strong>decken, wer<strong>den</strong> alte Rechnungenbeglichen <strong>und</strong> handfeste Vorteileherausgeschlagen. Abigail, die einstein Verhältnis mit dem angesehenenBauern John Proctor hatte <strong>und</strong> ihnimmer noch begehrt, will ProctorsFrau Elizabeth auf diese Weise ausdem Weg räumen. Andere hoffendarauf, unter dem Deckmantel derreligiösen Säuberung ihren Besitz <strong>zu</strong>vergrößern <strong>und</strong> Konkurrenten aus<strong>zu</strong>schalten.<strong>Die</strong> Mädchen heizen <strong>den</strong> Prozessdurch geschickte Verstellung, fingierteIndizien <strong>und</strong> gezielte Denunziationan. <strong>Die</strong> Vernunft hat keineChance. Auch Richter Danforth, der<strong>den</strong> Prozess gegen die Verdächtigtenführt, ist <strong>zu</strong>nächst ganz im Bann derMädchen <strong>und</strong> stellt die Tatsache derHexerei nicht in Frage. Und als sichimmer mehr Zweifel einschleichen,ob die Mädchen nicht einfach lügen,hat der Prozess bereits eine Eigendynamik:Menschen sind wegen Hexereigehängt wor<strong>den</strong>. Sollte Danfortheinräumen, dass der Vorwurf jederGr<strong>und</strong>lage entbehrt, würde er sichselbst delegitimieren. Und so sterbenweitere Menschen.Der amerikanische DramatikerArthur Miller greift in seinem StückHexenjagd auf Ereignisse <strong>zu</strong>rück,die sich 1692 im Dorf Salem (Massachusetts)ereignet haben. <strong>Die</strong> englischenSiedler waren in <strong>den</strong> zwanzigerJahren in der Neuen Welt gelandet<strong>und</strong> hatten streng regierte puritanischeGemein<strong>den</strong> gegründet. Immerwieder gab es brutale Auseinanderset<strong>zu</strong>ngenmit Indianern, die durchdie Engländer von ihrem angestammtenTerritorium vertrieben wor<strong>den</strong>waren. Für die Puritaner waren dieIndianer Teufelsanbeter <strong>und</strong> ihreVertreibung ein biblischer Kampf desGuten gegen das Böse. Der Glaubediente <strong>zu</strong>nächst als Bollwerk gegendie fremde Kultur <strong>und</strong> als Legitimationdes Kampfes. Inzwischen wardaraus jedoch ein Dogma gewor<strong>den</strong>:Wer nicht regelmäßig <strong>zu</strong>r Kirche ging,wurde verdächtigt. Wer Bücher las,wurde verdächtigt. Wer sonntagsarbeitete, wurde verdächtigt. Aus derDisziplinargesellschaft war eine Kontrollgesellschaftgewor<strong>den</strong>. Und sobedurfte es lediglich der raffiniertenTäuschung junger Mädchen, um 150unbescholtene Bürger der Hexerei<strong>zu</strong> beschuldigen <strong>und</strong> die Gemeindekomplett <strong>zu</strong> sprengen.Arthur Millers Hexenjagd entstandim Jahr 1953. Der Anlass, auf diesenalten Stoff <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong> greifen, war fürMiller ein unmittelbar aktueller: Von1947 bis etwa 1956 wur<strong>den</strong> unter derÄgide des US-amerikanischen SenatorMcCarthy zahlreiche politisch„Verdächtige“ vor parlamentarischeUntersuchungsausschüsse, z. B.das „Komitee für unamerikanischeUmtriebe (HUAC)“ zitiert. Millerkritisierte in Hexenjagd die Umtriebedieses Komitees auf unverhohleneWeise. 1956 erhielt er selbst eineVorladung. Er erschien in Begleitungseiner Frau Marilyn Monroe <strong>und</strong> weigertesich, irgendwelche Namen vonWeggefährten <strong>zu</strong> nennen. Er wurdeverurteilt <strong>und</strong> legte Berufung ein, der1958 schließlich stattgegeben wurde.8Hessisches Staatsthea ter Wiesba<strong>den</strong> / Theaterblatt • November 2013

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