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KULTUR IM BLICK

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März 2009 <strong>BLICK</strong> IN DIE STADT<br />

Architektur-Professor analysiert das "moderne" Passau<br />

Neuer Blick auf alte Sünden<br />

Kritische Betrachtungen zum Kommerzstadtteil am ZOB bleiben spannend. Nicht nur für Architekten.<br />

Hier öffnet uns ein Regensburger Experte die Augen.<br />

Der interessanteste<br />

Gedanke vorweg:<br />

Vielleicht würden wir dem<br />

neuen Stadtteil weniger distanziert<br />

gegenüber stehen,<br />

Stau auf der Donau wegen Baustelle<br />

Schleusentore vom Kachlet werden vier Jahre lang komplett saniert<br />

Die Doppelschleusenkammer<br />

der Donau-Staustufe<br />

Kachlet bei Passau<br />

wenn das Kind einen anderen<br />

Namen hätte. "Neue<br />

Mitte" klingt wie eine<br />

Kriegserklärung an die<br />

"alte". "Das ist ebenso wahnwitzig,<br />

als würden wir<br />

das Regensburger Donaueinkaufszentrum<br />

dort als die Neue Mitte<br />

bezeichnen", sagt<br />

Architekturprofessor<br />

Christian Hütz.<br />

Der kleine Zuhörerkreis<br />

in der Scheune<br />

stimmt ihm zu. Die<br />

Veranstaltung<br />

des Ar-<br />

wird ab 2010 komplett<br />

saniert. Vor allem Kreuzfahrtschiffen<br />

drohen wäh-<br />

Das Kachlet entstand auf einem Felsen, der die Schiffahrt behinderte.<br />

chitekturforums hätte sicher<br />

auch die breite Masse<br />

interessiert.<br />

Es ist etwas daran, dass<br />

auch die Erfinder der falschen<br />

Begriffe die Übeltäter<br />

sind. Neue Mitte, Stadtturm,<br />

Stadtgalerie - das<br />

weckt Erwartungen, die<br />

zwangsweise enttäuscht<br />

werden mussten. Keine<br />

falschen Namen - dann<br />

wäre die Altstadt spirituell-kulturelles<br />

Zentrum,<br />

die Einkaufspassagen im<br />

Kleiner Eingriff, große Wirkung: Wenn das Kapfingerhochhaus solitär wäre, würde es besser dastehen.<br />

rend der rund vierjährigen<br />

Bauzeit Staus: Für tal- und<br />

bergwärts fahrende Don<br />

a u s c h i f f e<br />

steht nur<br />

noch eine<br />

Kammer zur<br />

Verfügung.<br />

„Nach mehr<br />

als 80 Jahren<br />

Dauerbetrieb<br />

hat die<br />

Anlage ihre<br />

Lebensdauer<br />

überschritten“,<br />

erklärt<br />

Bauingenieur<br />

Gerhard<br />

Müller vom<br />

Anschluss kommerzielles.<br />

Doch statt Dialog herrscht<br />

jetzt Konkurrenz, jeder<br />

will "Mitte" sein. Beispiel<br />

Kapfinger Hochhaus. Hier<br />

sieht Hütz eine "vertane<br />

Chance". "Ein Turm setzt<br />

ein Zeichen, wenn er richtig<br />

ist." Er sollte mutig herausragen<br />

und auf jeden Fall<br />

für sich alleine stehen.<br />

In Passau lief alles falsch.<br />

Man glaubte, zu hoch würde<br />

er dem Dom schaden,<br />

er ist kein Solitär und hat<br />

keinen Deckel. Dazu<br />

der geschmacklose<br />

"Metzgermarmor".<br />

Beim Einkaufszentrum<br />

habe sich der<br />

Architekt bei<br />

der Fassade<br />

sehr bemüht.<br />

Aber "Mäntelchen<br />

drüber<br />

hängen" genüge<br />

nicht, der<br />

geschlossene<br />

Wasser- und Schifffahrtsamt<br />

in Regensburg. Der<br />

Stahl sei spröde geworden,<br />

die Technik nicht mehr<br />

zeitgemäß.<br />

Das Kachlet wurde 1922<br />

gebaut und 1927 in Betrieb<br />

genommen. Rund 15 bis<br />

20 Schleusungen werden<br />

am Tag abgewickelt. Ein<br />

Schleusenvorgang dauert<br />

etwa 40 Minuten.<br />

Zu Spitzenzeiten werden<br />

sich die Wartezeiten an der<br />

Schleuse Kachlet auf vier<br />

Stunden verlängern.<br />

Die europaweite Ausschreibung<br />

für die Sanierung,<br />

die einen zwei-<br />

11<br />

Prof. Christian Hütz<br />

geboren 1943<br />

TU München ab 1964<br />

danach an der FH<br />

Regensburg bis zum<br />

Ruhestand<br />

Koloss bediene die Straße<br />

nicht. Er hat nur drei Eingänge<br />

und spart mit Schaufenstern.<br />

Vordringlicher als alle<br />

Bausünden empfand der<br />

Regensburger die Passauer<br />

Verkehrsprobleme. "Als<br />

die Regensburger City verkehrsfrei<br />

wurde, haben alle<br />

geschrien", erzählt er. Heute<br />

kräht kein Hahn mehr<br />

danach. Das Weltkulturerbe<br />

lässt sich auch zu Fuß<br />

erkunden. "Ihr müsst den<br />

Verkehr nicht in, sondern<br />

vor der Stadt abfangen",<br />

lautet der Ratschlag des<br />

Professors. Leichter gesagt<br />

als getan: In Passau fehlen<br />

die Umgehungsrouten.<br />

stelligen Millionenbetrag<br />

verschlingen wird, läuft bis<br />

24. März 2009.<br />

In Passau macht man sich<br />

bereits Gedanken über die<br />

Auswirkungen. Negativ:<br />

Einbußen für die Stadtwerke<br />

durch geringere Auslastung<br />

der Anlegestellen,<br />

wenn Kreuzfahrtschiffe<br />

von Regensburg kommend<br />

bereits in Vilshofen ihre<br />

Passagiere ausladen und<br />

mit dem Bus nach Passau<br />

bringen. Positiv: Die selben<br />

Passagiere könnten die<br />

Wartezeit an der Schleuse<br />

für einen Stadtbummel<br />

nutzen.<br />

Fotos: Prof. Christian Hütz, Daniel Pangerl

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