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Die gnadenlose Macht des Medie<br />
Rollende Köpfe in der Chefredaktion - Zwangsversetzungen quer<br />
Auf dem Foto sehen sie die offenherzige PNP-Erbin Simone Tucci-Diekmann<br />
mit ihrem geschniegelten Gatten, den Münchner Rechtsanwalt Marco Tucci.<br />
Turtelnde bei einer schicken Party. Das schillernde Paar steht heute als gefürchtete<br />
Herrschaft über der Heimatzeitung: Sie, die unnahbare Madonna<br />
der Medien, und er, der hartgesottene Hausjurist. Ihr Spiel mit der Macht<br />
ist grausam. Zurück bleiben verängstigte, gedemütigte und demotivierte<br />
Mitarbeiter.<br />
Im Gasthof Vogl auf der<br />
Ries feierten mehr als 100<br />
Redakteure aus dem gesamten<br />
PNP-Verbreitungsgebiet<br />
ihre Betriebsräte mit stehendem<br />
Applaus: acht "betriebsbedingte"<br />
Kündigungen waren<br />
vom Tisch! Eine Zusage<br />
abgerungen, dass wenigstens<br />
bis 2013 die festen Arbeitsplätze<br />
sicher sind. Natürlich<br />
nicht ohne Gegenleistung,<br />
mit Lohneinbußen und die<br />
Redakteure mit Zeitverträ-<br />
Abgesägt: Vize-Chefredakteur<br />
Konrad Kellermann.<br />
gen, mindestens ein Dutzend,<br />
werden geopfert.<br />
Am Morgen war die Euphorie<br />
dahin: Medien-Madonna<br />
Tucci-Diekmann gebietet<br />
Zwangsversetzungen.<br />
Eine Redakteurin aus Passau<br />
nach Freyung, eine aus<br />
dem hintersten bayerischen<br />
Wald nach Osterhofen usw..<br />
Sinn gibt das nicht, soll es<br />
auch nicht: Pendelfahrten<br />
über 100 Kilometer zermürben<br />
diejenigen, welche man<br />
wegen des unerwarteten<br />
Widerstands nicht entlassen<br />
konnte.<br />
V i z e - C h e f r e d a k t e u r<br />
Konrad Kellermann, einer<br />
der alten Garde, muss am<br />
Freitag, den 13., das letzte<br />
Mal als Unglücksbote einspringen,<br />
Hat er sich kurz<br />
gewehrt? Nach Chefredakteur<br />
Hans Schregelmann<br />
rollt sein Kopf. Bleiben der<br />
Chefredaktion noch Ernst<br />
Fuchs, das Urgestein aus der<br />
ewig zweiten Reihe, und der<br />
Freund der Familie Diekmann,<br />
Werner Windpassinger,<br />
der vom Bistumsblatt<br />
abgeworben wurde.<br />
Weitere Racheakte: Sportredakteur<br />
Reinhard Wilhelm,<br />
der mit seinem Kollegen<br />
Werner Schötz zur<br />
Speerspitze des Betriesbrates<br />
gehört, wurde sein Ressort<br />
"Heimatsport" entzogen.<br />
Das stärkt nicht die Lokalberichterstattung,<br />
sorgt aber<br />
für Ärger und Missgunst.<br />
Schlechte Presse, selber schuld<br />
Christian Jakubetz, Journalist,<br />
Dozent und ehemaliger<br />
PNP-Redakteur betreibt<br />
eines der bekanntesten<br />
Online-Portale der Medienbranche.<br />
Das schrieb er über<br />
Passau, die PNP und Bürgerblick.<br />
Die letzten Wochen in Passau<br />
waren ein Lehrstück. Es<br />
hat Gründe aufgezeigt hat,<br />
warum unsere schöne, alte<br />
Medienwelt so krachend<br />
zusammengestürzt ist. Sieht<br />
man von einigen Passauer<br />
Spezifika ab, könnte man die<br />
Geschichte jedem Studenten<br />
als wunderbares Fallbeispiel<br />
auf den Tisch legen.<br />
Was die PNP-Verlegerin<br />
in den letzten Wochen anrichtete,<br />
war ein kommu-<br />
Von Altötting bis Danzig<br />
reicht das Verlagsgebiet.<br />
nikatives Großdesaster<br />
und Ausdruck eines etwas<br />
merkwürdigen Weltbildes.<br />
Die PNP-Alleinherrscherin<br />
bekam das bemerkenswerte<br />
Kunststück hin, mit ihren<br />
geplanten Stellenkürzungen<br />
viel stärker in die Negativschlagzeilen<br />
zu geraten als<br />
beispielsweise eine Westdeutsche<br />
Allgemeine Zei-<br />
Seinen Stellvertreter, der<br />
nicht in der Gewerkschaft<br />
aktiv ist, betrifft es auch. Wo<br />
die beiden künftig eingesetzt<br />
werden, ist ungewiss.<br />
Das grausame Spiel hinter<br />
den Kulissen wird in der<br />
Öffentlichkeit kaschiert: Der<br />
PNP-Wirtschaftsteil feiert<br />
die "Vereinbarung" zwi-<br />
tung (WAZ), die gerade beträchtlich<br />
mehr Redakteure<br />
vor die Tür setzt, als die PNP<br />
je vorhatte. Der Unterschied<br />
zwischen Passau und Essen:<br />
Die WAZ kommunizierte<br />
von Anfang an halbwegs offen,<br />
was sie vorhat. Das sorgt<br />
wenigstens für eine gewisse<br />
Transparenz und das Gefühl,<br />
in einem unschönen Prozess<br />
<strong>BLICK</strong> AUF DEN<br />
Da waren sie noch jünger und nicht verheiratet: Verlagserbin Sim<br />
schen Verlagsleitung und Belegschaft<br />
als "echtes Bündnis<br />
für Arbeit“.<br />
Doch Betriebsrat Wilhelm<br />
ist anderer Meinung und<br />
möchte dies auch kundtun.<br />
Er ruft zur Betriebsversammlung,<br />
doch Geschäftsführung<br />
und Chefredaktion<br />
bleiben dieser und auch al-<br />
halbwegs ernst genommen<br />
zu werden.<br />
Die Verlegerfamilien Kapfinger/Diekmann<br />
waren über<br />
Jahrzehnte publizistische<br />
Alleinherrscher einer ganzen<br />
Region. Zeitung, Radio,<br />
TV, Online, Wochenblätter;<br />
kaum ein Bereich, auf den<br />
die Familie keinen Zugriff<br />
gehabt hätte (und immer<br />
noch hat). Wer als Journalist<br />
in Niederbayern arbeiten<br />
wollte, kam am Diekmann-