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KULTUR IM BLICK

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März 2009<br />

Tod vorm Vulcano<br />

Am Bordstein war<br />

Schluss mit lustig<br />

Der Tod ist ein Spielverderber.<br />

An einem Freitag im Februar<br />

um 2.30 Uhr früh schlägt<br />

er dort zu, wo die Partylust<br />

am stärksten brodelt: „Vulcano“,<br />

Niederbayerns größter<br />

Diskotempel, Platz für 3.000<br />

Menschen. Sie können sich<br />

austoben auf zwei Tanzebenen<br />

und in Spielotheken, mit<br />

Alkohol betäuben an einem<br />

Dutzend Bars.<br />

Fünf junge Soldaten aus<br />

der Bayerwaldkaserne Freyung<br />

suchen in der Nacht vom<br />

5. auf den 6. Februar hier ihr<br />

Vergnügen. Für sie genügt es,<br />

wenn sie zum Dienstantritt<br />

wieder anwesend und einigermaßen<br />

fit sind. Es sind vernünftige<br />

Kerle, einer entscheidet<br />

sich bei Apfelsaftschorle<br />

und Cola zu bleiben, damit<br />

die Rückfahrt, immerhin 40<br />

Kilometer, glatt läuft.<br />

Die Soldaten sind schon<br />

beim Feiern, da brechen gegen<br />

23 Uhr auf einem großen Bauernhof<br />

bei Straßkirchen drei<br />

Jugendliche auf. Der Landwirtsohn<br />

Matthias (27) mit<br />

seinem 19-jährigen Cousin<br />

und einer Cousine. Der Junge<br />

hat einen Grund zum Feiern,<br />

er hat gerade seinen Gesellenbrief<br />

bestanden. Auch hier<br />

wird vereinbart, wer als Fahrer<br />

nüchtern bleibt.<br />

Wenn nur alle an diesem Tag<br />

mit Saft und Schorle glücklich<br />

gewesen wären – es hätte die<br />

Tragödie wohl verhindert.<br />

Rausch braucht zum Streit<br />

kein Motiv. Gruppenzwang,<br />

männlicher Geltungsdrang,<br />

sinnlose Provokation. Ein<br />

Wort ergibt schnell das andere.<br />

Der Blutalkohol der Burschen<br />

hat "gut angetrunken"<br />

erreicht, so um die 1 Promille.<br />

Während die Fahrer zu den<br />

Wagen gehen, kommt es zwi-<br />

schen dem Bauernburschen<br />

und den Soldaten zum Gerangel.<br />

Mindestens ein Faustschlag<br />

trifft Matthias mit gnadenloser<br />

Wucht. Er geht zu<br />

Boden, sein Kopf knallt auf<br />

einen Bordstein. Ob danach<br />

der Bewusstlose noch getreten<br />

oder geschlagen wurde,<br />

lässt sich nicht genau feststellen.<br />

Aber allein das Ergebnis<br />

der Obduktion klingt tragisch<br />

genug: Ein Blutgerinnsel, das<br />

Vulcano: Niederbayerns größter<br />

Diskotempel, Aicha v. Wald<br />

sich durch den heftigen Faustschlag<br />

im Kopf gebildet hat,<br />

führte letztendlich zum Tode.<br />

Um 4.50 Uhr müssen die Ärzte<br />

den Patienten aufgeben.<br />

In der großen Stube des<br />

Bauernhofs sitzen die Eltern<br />

mit rot verweinten Augen<br />

am Tisch. Verwandte, Freunde,<br />

Nachbarn, Bürgermeister<br />

persönlich kommen zum<br />

Kondulieren. Die Gemeinde<br />

im Schock. Das Feuerwehrfest<br />

wird abgesagt,<br />

Matthias war aktives<br />

Mitglied und als Techniktalent<br />

weithin bekannt:<br />

Für einen<br />

Agrardienstleister<br />

war er als Land-<br />

maschinenfahrer auf den Höfen<br />

unterwegs.<br />

Die Alkoholtat hat weitere<br />

Leben zerstört: In Gefängniszellen<br />

warten zwei der fünf<br />

Soldaten, 19 Jahre alt, auf ihren<br />

Prozeß wegen Verdachts<br />

des "gemeinschaftlichen Totschlags".<br />

Noch zwei saßen 13<br />

Tage ein, bis die Ermittlungen<br />

ergaben, dass sie an den tödlichen<br />

Faustschlägen nicht beteiligt<br />

waren.<br />

"Vulcano"-Chef Franz Adam<br />

wird von einer Schlagzeile in<br />

der Sonntagszeitung überrumpelt:<br />

„Disco-Boss trauert mit<br />

den Eltern des Opfers“ steht<br />

auf dem Titel. Peinlich, denn<br />

er hat mit den Angehörigen<br />

noch kein Wort gesprochen.<br />

Die rauschende Party im "Vulcano"<br />

tobt nach dem Todesfall<br />

weiter, als wäre nichts passiert.<br />

Keine Gedenkminute, welche<br />

die aufgedrehten und leichtsinnigen,<br />

jungen Leute zum<br />

Innehalten bringt, nachdenklich<br />

stimmt?<br />

"Ich muss zugeben, ich habe<br />

nicht daran gedacht", entschuldigt<br />

sich Adam in einem<br />

Gespräch mit dem Bürgerblick.<br />

Kurz darauf greift er erneut<br />

zum Telefon. Das "ganze<br />

Mitgefühl" will er den Hinterbliebenen<br />

aussprechen; es soll<br />

nicht bei Beileidsworten<br />

in der Zeitungbleiben.<br />

19<br />

Fotos: mediendenk, Tobias Köhler

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