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März 2009 OFFENER BRIEF<br />
Sehr geehrte Frau Simone Tucci-Diekmann,<br />
nur wenige Meter vor Ihrer Haustür auf der Ries haben sich am Abend des 12. Februars fast 100 Ihrer wichtigsten Mitarbeiter getroffen. Redakteure<br />
aus Passau, Altötting und Landau an der Isar, aus ihrem gesamten Verbreitungsgebiet. Leider waren Sie nicht dabei. Darum berichte ich<br />
Ihnen, was Sie verpasst haben.<br />
Sie können stolz sein, solche Mitarbeiter zu haben. Denn sie sorgen sich nicht nur um ihre Arbeitsplätze, ihre Existenz, ihre Familien – sie sorgen<br />
sich auch um „ihre“ Zeitung. Um den guten Ruf, um den besseren Zugang zum Leser, ja sogar um Ihre Anzeigenkunden.<br />
Diesen Journalistinnen und Journalisten blutet das Herz, weil sie sich nach acht, fünfzehn oder gar dreißig Dienstjahren eigentlich als „PNP-<br />
Familie“ fühlten. Sie aber haben alles unternommen, diese auseinanderzureißen.<br />
Diese Mitarbeiter sind, mal anschaulich gesprochen, das „Hirn“ Ihres Unternehmens. Wie töricht, dass Sie es teilweise amputieren wollten. Zum<br />
Glück haben beherzte Betriebsräte und kämpferische Solidarität das im letzten Moment verhindert. Am Samstag wollten die PNPler durch die<br />
Fußgängerzone ziehen und am Aschermittwoch streiken. Das hat Ihnen wohl einen Stich versetzt.<br />
Eine gute Heimatzeitung hat viele Aufgaben. Sie ist auch Anwalt für Arme, Pranger für Politiker, Gegner der Geldgierigen. Jetzt mussten wir<br />
erfahren, dass es auch bei Ihnen nur der schnöde Mammon ist, der Sie treibt. Darum dürfen Sie sich nicht wundern, wenn Sie selbst am Pranger<br />
stehen.<br />
Schlimmer noch: In den letzten Tagen, Wochen und Monaten haben Sie das Engagement junger Journalisten und die Treue lang gedienter Redakteure<br />
mit Füßen getreten. Sie haben Familienväter, alleinerziehende Mütter und Singles in Angst und Panik versetzt. „Betriebsbedingte Kündigung“<br />
hieß die Schlinge, die Sie ihnen um den Hals legten. Es flossen Tränen. Sie haben angeblich auch geweint, aber es waren, das behaupte ich mal,<br />
Krokodilstränen ums Geld.<br />
Vielleicht haben Sie nur die falschen Berater oder ein fehlendes Bewusstsein, welches Erbe Sie angetreten haben. Wahrscheinlich fehlen Ihnen<br />
Vorbilder, das Ethos der alten Verleger, wie es der legendäre Gründer Ihres Imperiums, der Journalist Dr. Hans Kapfinger war. Haben Sie einmal<br />
darüber nachgedacht, warum er eine Lizenz, eine Erlaubnis, benötigte, um als einer der ersten deutschen Verleger nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
wieder eine Zeitung zu drucken? Weil Verleger keine Gelddruckmaschine bedienen, sondern Verantwortung und Verpflichtung gegenüber der<br />
Gesellschaft haben: Sie sind die Säulen der im Grundgesetz verankerten Pressefreiheit.<br />
Es gab eine Zeit, da hätten Sie in Ihrer Verlegerrolle als „eiserne Lady“ schlechte Karten gehabt. Da galt der Chefredakteur noch als unantastbare<br />
Größe im Zeitungshaus und die Trennlinie zwischen Redaktion und Verlag war klar gezogen. „Innere Pressefreiheit“ nennt man das.<br />
Heute sind diese Grenzen verwaschen und geschickte Verleger haben Chefredakteure zu „Geschäftsführern“ gemacht, zu Handlangern des wirtschaftlichen<br />
Erfolges. Auf der Strecke bleibt der echte Journalismus. Er nimmt kein Blatt vor dem Mund, dient dem „kleinen Mann“ und nicht den<br />
Mächtigen, den Wohlhabenden, dem Kommerz.<br />
Ich muss Ihnen das alles erzählen, weil Sie von einer ernst zu nehmenden Verlegerin so weit weg sind wie Liechtenstein von der Fußballweltmeisterschaft.<br />
Leider, das soll keine Entschuldigung sein, gibt es immer mehr von Ihrer Sorte.<br />
Kommen Sie zurück auf den Boden der niederbayerischen Provinz und lassen Sie sich von Ihren Schreiberlingen erzählen, was die Menschen da<br />
draußen wirklich interessiert. Dann vergessen Sie Ihr Leben zwischen goldenen Löffeln, Poolpartys und Designerklamotten. Für Gerechtigkeit<br />
und Liberalität zu kämpfen macht auch Spaß. Sie haben doch mal Jura studiert.<br />
„Ich werde mir künftig zweimal überlegen, ob ich für ein Unfallfoto in den Graben steige und mir die Schuhe schmutzig mache“, drückte bei der<br />
Versammlung ein Fotograf seinen Frust aus. Frauke Ancker, die Geschäftsführerin des Bayerischen Journalistenverbandes, nannte es „menschenverachtend“,<br />
dass Sie ihre Mitarbeiter wie austauschbare Nummern behandeln, als hätten sie keine Namen. Ein Dutzend Kollegen mit Zeitverträgen<br />
stehen immer noch auf Ihrer Abschussliste. Das wird nicht vergessen, weil es die Redaktionen spürbar schwächen wird. Merken Sie denn<br />
nicht, wie sehr Sie ihre Leute verletzt haben und immer noch quälen?<br />
Ich weiß, dass meine Kollegen, trotz aller Schmach, die sie in der letzten Zeit durch Sie erlitten haben, bald wieder mit voller Kraft im Einsatz<br />
sind. Vielleicht nicht für Sie, denn das Vertrauen ist für lange Zeit vertan, aber im Pflichtbewusstsein für Ihren Beruf, für Ihre Leser. Journalisten<br />
ticken so. Was für ein Glück für Sie.<br />
Stellen Sie sich vor, Ihr Gatte hätte Ihnen mit Scheidung gedroht und Sie eine Nacht vor die Tür gesetzt. Mit welchem Gefühl würden Sie danach<br />
wieder die gemeinsame Wohnung betreten? Jetzt wissen Sie, wie es den Redakteurinnen und Redakteuren ergeht, die Sie auf die Schwarze Liste<br />
setzten. Sie mussten einen Fragebogen ausfüllen, damit sie Punkte gegen ihre Kollegen und den drohenden Rauswurf sammeln. Geht`s noch<br />
unwürdiger?<br />
Wenn Sie ihre Zeitung stärken wollen, stärken Sie die Redaktionen. Sie sind Ihr größtes Kapital und bringen mehr Rendite als jede Geldanlage:<br />
begeisterte Leser, die gerne zu Ihrer Heimatzeitung greifen und nach der Lektüre zu ihren Nachbarn sagen: „Das musst Du lesen!“<br />
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