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März 2009 <strong>BLICK</strong> AUF DIE STADT<br />
Gespaltene Persönlichkeit<br />
Wie Stadträte durch ihre Doppelfunktion ins Dilemma geraten<br />
Als Stadtrat sollen sie dem Allgemeinwohl dienen, als Aufsichtsräte kommunaler Gesellschaften<br />
den Unternehmen. Eine Doppelrolle, die denjenigen Kommunalpolitikern Kopfzerbrechen<br />
bereitet, die ihren Job ernst nehmen. Führen die modernen Strukturen, die Städte zu Unternehmen<br />
gemacht haben, die Volksvertreter immer weiter vom Wähler weg?<br />
Stadtrat Peter Pell versucht<br />
gerade dem Dilemma<br />
zu entkommen, in dem er<br />
Flagge zeigt: die Finanzen<br />
der GmbHs sind ihm, zumindest<br />
was die WGP angeht,<br />
wichtiger als die Bedenken<br />
der Bürger.<br />
Wenn es um Thann geht,<br />
flackern beim Neustifter<br />
Pell die Augen vor Zorn:<br />
„seine“ Wohn- und Grundstücksgesellschaft<br />
sitzt<br />
auf „sauren Wiesen“, weil<br />
die Erschließungspläne<br />
für Strassentrassen und<br />
Gewerbeflächen gestoppt<br />
wurden. „Die Zinsen der<br />
Grundstücksankäufe laufen<br />
uns davon“, mahnt<br />
er. Nicht zu Unrecht. Die<br />
Spekulationsgeschäfte aus<br />
der Wendl-Ära treffen die<br />
Erben wie ein Fluch.<br />
Vielleicht gibt es Anwohner,<br />
die „saure Wiesen“ lieben.<br />
Die einen verbinden<br />
mit den grünen Hängen<br />
Kindheitserinnerungen,<br />
ihrer ersten Schlittenfahrt,<br />
ihr Räuber-und-Schande-<br />
Spiel in den Dobln. „Als<br />
die Landvermesser ihre<br />
Pfosten setzen, haben wir<br />
sie heimlich wieder herausgerissen“,<br />
bekennt ein<br />
heute 18-jähriger seine<br />
„Kinderstreiche“. An dieser<br />
Stelle wurden „saure<br />
Wiesen“, die der Hefeprinz<br />
als Bauland an die<br />
Stadt verkaufte, zu einem<br />
fragwürdigen Wohngebiet<br />
erschlossen. Was nützen<br />
Einfamilienhäuser aufgereiht<br />
wie eine Perlenschnur,<br />
wenn der Weg zum nächsten<br />
Bäcker nur mit dem<br />
Auto zu bewältigen ist?<br />
Sieben Aufsichtsräte<br />
hat die WGP.<br />
Wenn sie dort<br />
ihre Aufgabe<br />
ernst nehmen,<br />
müssen Sie im<br />
Stadtrat gegen<br />
die Bedenken<br />
und wirtschaftlich<br />
unsinnigen<br />
Wünsche der<br />
Bürger stimmen.<br />
Die aktuelle<br />
Debatte um die<br />
Schließung des<br />
Altenheims Maierhofspital<br />
zeigt<br />
anschaulich, wie<br />
die Widerspruch<br />
im Kopf funktioniert:<br />
Das<br />
Klinikum, ein<br />
städtischer Eigenbetrieb,<br />
will<br />
sich eines Kostenfaktors<br />
entledigen und das kaufmännische<br />
Denken der<br />
Stadtrats-Unternehmer<br />
hebt die Hand zum „Aus“.<br />
Oliver Robl, Lehrer und<br />
Gastwirt, zeigt mit zwei altgedienten<br />
CSU-Stadträten<br />
Zivilcourage und stemmt<br />
sich gegen das Plenum.<br />
Unternehmer statt<br />
Volksvertreter?<br />
Werden die Geschicke<br />
der Stadt Passau künftig<br />
hauptsächlich von geschulten<br />
Betriebswirten und<br />
Handelsfachleuten bestimmt?<br />
Für manche eine<br />
wahre Horrorvorstellung.<br />
Wenn es nach dem Antrag<br />
von Ex-CSU-Stadtrat Pell<br />
(Passauer Liste) geht, sollen<br />
sich Stadträte, die in<br />
den kommunalen GmbHs<br />
als Wächter eingesetzt sind,<br />
ihrer Verantwortung um<br />
Stadtrat Peter Pell will Aufsichtsräte schulen<br />
lassen.<br />
diese Unternehmen besser<br />
bewusst werden.<br />
Der Auslöser dieses Ansinnens<br />
ist mit Sicherheit<br />
auch die eigene Unzufriedenheit<br />
mancher Stadträte<br />
mit der Doppelrolle, die<br />
ihnen aufgebürdet wird: In<br />
der Ratssitzungen sollen<br />
Sie nach bestem Wissen<br />
zum Wohl der Bürger und<br />
damit manchmal auch gegen<br />
wirtschaftliche Kriterien<br />
entscheiden. Im Aufsichtsrat<br />
der städtischen<br />
Unternehmen sollen sie<br />
wie gute Geschäftsleute<br />
funktionieren: gewinnorientiert.<br />
Jeder Stadtrat muss für<br />
sich selbst entscheiden, wie<br />
er den Konflikt löst.<br />
Pell, der Metzgermeister<br />
und Betriebswirt, Dittlmann,<br />
der ehemalige Mitinhaber<br />
eines renommierten<br />
Spielwarenfachgeschäfts,<br />
sind beides tüchtige<br />
Geschäftsleute.<br />
Selbstredend, welche<br />
Position ihnen mehr<br />
liegt.<br />
„Das Hin und Her<br />
zwischen Wohl der<br />
Bürger oder Wohl der<br />
Unternehmen treibt<br />
einen manchmal an<br />
den Rande der Schizophrenie“,formuliert<br />
es anschaulich<br />
ein Kommunalpolitiker.<br />
Letztendlich beweist<br />
die Diskussion<br />
nur: Mit der Gründung<br />
kommunaler<br />
Unternehmen hat<br />
sich die Kommunalpolitik<br />
nicht nur was<br />
Durchschaubarkeit<br />
anbelangt, auch in Ihrer<br />
Zielsetzung vom Bürger<br />
mehr entfernt als genähert.<br />
Stadträte in<br />
Doppelfunktion<br />
WGP: Karl Synek (Vorsitzender),<br />
Silke Werts<br />
(Vize), Erika Träger, Karl<br />
Abelein, Alois Feuerer, Dr.<br />
Chrysant Fischer, Clemens<br />
Damberger, Peter Pell,<br />
Heinz-Peter Höber, Rainer<br />
Holzmann, Helmut Krautstorfer,<br />
Paul Kastne, Oliver<br />
Robl (Aufsichtsräte). Event<br />
GmbH: Hans-Jürgen Bauer,<br />
Armin Dickl, Andreas<br />
Dittlmann, Michael Geins,<br />
Dr. Anton Jungwirth, Karin<br />
Kasberger, Matthias<br />
Koopmann, Klaus Schürzinger,<br />
Karl Synek, Patricia<br />
Veitengruber, Dr.<br />
Gerhard, Waschler, Albert<br />
Zankl. hd<br />
Streitpunkte<br />
EW, oh weh!<br />
Alte Fehden werden<br />
bei den Europäischen<br />
Wochen wieder gepflegt:<br />
Vorstandsvorsitzende<br />
Karin Pernpoitner hat<br />
wieder Zündstoff gegen<br />
Intendant Dr. Pankratz<br />
Freiherr von Freyberg in<br />
der Hand, weil die untadeligePressesprecherin<br />
Sabrina Schosser das<br />
Handtuch geworfen hat.<br />
Zuviel Stress mit dem<br />
Chef. "Ist Freyberg derzeit<br />
besonders gereizt,<br />
weil seine Stelle bald<br />
ausgeschrieben wird?",<br />
fragt die PaWo.<br />
Bubigesicht<br />
als Buhmann<br />
Bürgermeister Urban<br />
Mangold (ödp, Foto),<br />
der sich mit 46 freuen<br />
darf, immer noch<br />
"Milchbubi" genannt<br />
zu werden, bekommt`s<br />
dicke von allen Seiten:<br />
Beim Rathaus-Kabarett<br />
nahm ihn Stadtrat<br />
Matthias Koopmann<br />
(wechselte von ödp auf<br />
PaL) auf die Schippe,<br />
CSU-MdB Andreas<br />
Scheuer und PaL-Kollege<br />
Peter Pell wollen<br />
ihn in Sachen "GmbH-<br />
Transparenz"" rechts<br />
überholen und jetzt das:<br />
beim Starkbieranstich-<br />
Spektakel in Kohlbruck<br />
verkörpert ihn die Ilzer<br />
Ulknudel und Kabarettistin<br />
Babsi Dorsch.<br />
Da kriegt er bestimmt<br />
wieder sein Fett weg.<br />
9<br />
Fotos: Alexander Eckmeier, ödp Passau