Jahresbericht - Hannah-Arendt-Gymnasium
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Das schlechte Abschneiden von neunten Schülerjahrgängen überrascht Schulkundige kaum. Seit<br />
Jahrzehnten gelten die Jahrgänge 7 bis 9 als pädagogisches Problemfeld, ohne dass bisher<br />
überzeugende Lösungen gefunden wurden. Die vielfach positiven Erfahrungen mit<br />
polytechnischem Unterricht im Schulwesen der ehemaligen DDR sind nach 1990 sträflich<br />
unberücksichtigt geblieben. Die pädagogischen Erneuerungen waren in unseren Schulen stark auf<br />
die Primarstufe und die gymnasiale Oberstufe konzentriert, außerdem auf die Ausbildungsgänge<br />
im beruflichen Schulwesen, hier veranlasst durch den rasanten technisch-wirtschaftlichen<br />
Wechsel. Die PISA-Ergebnisse machen eine verstärkte didaktische und pädagogische Bemühung<br />
um die 13- bis 15jährigen unausweichlich. Uns sollte zu denken geben, dass im PISA-Spitzenland<br />
Finnland 16 – 17 Prozent der Schüler eines jeden Jahrgangs für bestimmte Zeiten durch eine<br />
Speziallehrkraft zusätzlich zum Fachlehrer unterrichtet werden, damit die notwendige Förderung<br />
der Schwächeren nicht den Fortschritt der schneller Lernenden hemmt. In Finnland kommt ein<br />
Schulpsychologe auf 800 Schüler, bei uns kommt einer auf 10 000.<br />
Muss nach Pisa die jahrzehntelang erbittert geführte Kontroverse über die zeitgemäße Schulform –<br />
Integrierte Gesamtschule oder ein in Haupt- und Realschule sowie <strong>Gymnasium</strong> gegliedertes<br />
Schulwesen – neu entfacht werden? „Wir brauchen die Gesamtschule, aber ohne die alte<br />
Ideologie“ titelte die „Zeit“ (Nr. 40) am 28. November 2002. Abgelehnt wird die verbreitete<br />
Unterbewertung von Leistung und Anstrengungsbereitschaft, die Aufgabe vergleichbarer<br />
Maßstäbe bei der Benotung in vielen (nicht allen!) Gesamtschulen. Zur Begründung der<br />
Umwandlung unseres Schulwesens in ein durchgängiges Gesamtschulsystem wird nach wie vor<br />
auf die Gefahr einer zu frühen Auslese verwiesen, und die guten Ergebnisse in bei PISA<br />
erfolgreicheren Ländern wie Schweden und Finnland, wo die Schüler wesentlich länger als bei uns<br />
zusammenbleiben, gilt als neues Argument. Aber Mexiko hat eine sechsjährige Grundschule und<br />
nimmt den vorletzten Platz aller Länder ein, Polen hält seine Schüler volle acht Jahre zusammen<br />
und steht nicht besser da als wir. Der Vergleich unseres Schulsystems z.B. mit Finnlands<br />
Schulwesen darf nicht die völlig unterschiedlichen Verhältnisse aus dem Blick verlieren: 40<br />
Prozent aller finnischen Schulen haben nicht mehr als 50 Schüler in allen Jahrgängen zusammen;<br />
in 60 Prozent aller finnischen Schulen unterrichten nicht mehr als höchstens sechs Lehrkräfte.<br />
Unter solchen Bedingungen erhalten sich die Vorzüge der alten Dorfschule: Förderung kleiner<br />
Schülergruppen durch methodisch gut geschulte Lehrer in kontinuierlichem, engstem persönlichen<br />
Kontakt zwischen Lehrenden und Schülern, Einbezug älterer Schüler als Lehrende für Jüngere,<br />
Entwicklung einer hohen Kunst der Binnendifferenzierung zur Förderung Hochbegabter nicht<br />
weniger als der langsam Lernenden, also ein Schulsystem größtmöglicher Offenheit mit geringer<br />
Reglementierung.<br />
Das aber heißt: Auch nach PISA erweist sich als gültig, was sich in den letzten Jahrzehnten für<br />
vorurteilsresitente Betrachter ohnehin abzeichnete: Weder das eine noch das andere System<br />
erbringt von sich allein heraus bessere Lernerträge. Entscheidend ist die erreichte<br />
Unterrichtsqualität und das Maß an erzieherisch fürsorglichem Einsatz für Schülerinnen und<br />
Schüler an jeder einzelnen Schule bei gesicherten äußeren Voraussetzungen, z. B. hinreichender<br />
Lehrerversorgung, erträglichen Klassenstärken, angemessener Ausstattung und erzieherischer<br />
Unterstützung bei Problemfällen durch speziell ausgebildete Beratungslehrer, so dass sich die<br />
Lehrenden stärker auf ihre unterrichtliche Arbeit konzentrieren können.<br />
Jede weitere einfache Erklärung (z. B. die Ableitung besserer Ergebnisse von der Stundenzahl der<br />
Lehrenden, von der Höhe ihrer Besoldung oder allein von den Klassenfrequenzen) greift zu kurz.<br />
Leistungsbezogene Gehaltszuschläge und größere Selbständigkeit der einzelnen<br />
Bildungseinrichtung in ihrem Finanzbudget haben zwar durchaus positive Auswirkungen, aber<br />
nach PISA gehört alles auf den Prüfstand, was in der Debatte immer noch häufig als einzig<br />
entscheidende Stelle oder Größe herausgehoben wird: Grundschule und Elementarerziehung,<br />
Integration ausländischer Schüler und sprachliche Anforderungsvoraussetzungen für den<br />
Grundschuleintritt, verstärkte Einstellung der Schulen auf veränderte Schülergenerationen und<br />
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