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70 Aktuelles Recht<br />
Urteil <strong>de</strong>s Monats<br />
Kündigung wegen<br />
wirtschaft licher Verwertung<br />
Mietvertrag: Eine wirtschaftliche<br />
Verwertung kann angemessen sein,<br />
wenn wegen Alters <strong>de</strong>s Gebäu<strong>de</strong>s eine<br />
Vollsanierung unumgänglich erscheint.<br />
Eine wirtschaftliche Verwertung ist angemessen<br />
im Sinne <strong>de</strong>s § 573 Abs. 2<br />
Nr. 3 BGB, wenn sie von vernünftigen,<br />
nachvollziehbaren Erwägungen getragen<br />
wird. Ist wegen <strong>de</strong>s Alters und schlechten<br />
baulichen Zustands eines Gebäu<strong>de</strong>s gemessen<br />
an üblichen Wohnverhältnissen<br />
eine „Vollsanierung“ o<strong>de</strong>r ein Abriss mit<br />
anschließen<strong>de</strong>r Errichtung eines Neubaus<br />
geboten, kann ein erheblicher Nachteil<br />
<strong>de</strong>s Vermieters im Sinne <strong>de</strong>s § 573 Abs. 2<br />
Nr. 3 BGB darin liegen, dass er an<strong>de</strong>renfalls<br />
auf notwendige Maßnahmen („Minimalsanierung“)<br />
verwiesen ist, die we<strong>de</strong>r<br />
zu einer nachhaltigen Verbesserung noch<br />
zur Verlängerung einer verhältnismäßig<br />
geringen Restlebensdauer <strong>de</strong>s Gebäu<strong>de</strong>s<br />
(hier 15 bis 20 Jahre) führen.<br />
BGH, Urteil v. 28.1.2009, Az.: VIII ZR 8/08<br />
Fakten: Der Mieter bewohnt seit 1981<br />
eine Wohnung in einem 1914 errichteten<br />
Gebäu<strong>de</strong> mit insgesamt 280 qm Wohnfl<br />
äche. Der Vermieter hatte das Gebäu<strong>de</strong><br />
2005 erworben und danach sämtlichen<br />
Mietern zum 31.1.2006 gekündigt. Er<br />
plant <strong>de</strong>n baurechtlich bereits genehmigten<br />
Abriss <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n sanierungsbedürft<br />
igen Gebäu<strong>de</strong>s und die<br />
Neuerrichtung einer bereits genehmigten<br />
Wohnanlage auf <strong>de</strong>m Grundstück, welche<br />
eine Gesamtwohnfl äche von 610 qm<br />
aufweisen soll. Ein Mieter hält die Planung<br />
für ein rein spekulatives Geschäft ,<br />
05 | 2009 www.immobilienwirtschaft.<strong>de</strong><br />
welches von <strong>de</strong>r grundgesetzlichen Eigentumsgarantie<br />
nicht geschützt sei. Der<br />
BGH gibt <strong>de</strong>m Vermieter recht.<br />
Der Vermieter war zur Kündigung<br />
gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB berechtigt,<br />
da er durch die Fortsetzung <strong>de</strong>s Mietverhältnisses<br />
an einer angemessenen<br />
wirtschaft lichen Verwertung <strong>de</strong>s Grundstücks<br />
gehin<strong>de</strong>rt wür<strong>de</strong>. Der geplante<br />
Abriss <strong>de</strong>s vorhan<strong>de</strong>nen Gebäu<strong>de</strong>s und<br />
seine Ersetzung durch einen Neubau<br />
stellt eine wirtschaft liche Verwertung <strong>de</strong>s<br />
Grundstücks dar. „Angemessen“ ist eine<br />
wirtschaft liche Verwertung dann, wenn<br />
sie von nachvollziehbaren Erwägungen<br />
getragen wird. Gegen Investitionen in<br />
das vorhan<strong>de</strong>ne sanierungsbedürft ige<br />
Gebäu<strong>de</strong> sprechen die verhältnismäßig<br />
geringe Restnutzungsdauer von 15 bis<br />
20 Jahren und <strong>de</strong>r allein für eine „Minimalsanierung“<br />
erfor<strong>de</strong>rliche Kostenaufwand<br />
von 70.000 Euro. Da <strong>de</strong>m Abriss<br />
städtebauliche Grün<strong>de</strong> (Denkmalschutz)<br />
nicht entgegenstehen und eine Abrissgenehmigung<br />
bereits vorliegt, entspricht<br />
die Errichtung <strong>de</strong>s baurechtlich ebenfalls<br />
bereits genehmigten Neubaus, mit <strong>de</strong>m<br />
viel zusätzlicher Wohnraum geschaffen<br />
wird, vernünft igen wirtschaft lichen<br />
Überlegungen. Das Eigentum gewährt<br />
<strong>de</strong>m Vermieter zwar keinen Anspruch<br />
auf Gewinnoptimierung. Die Abwägung<br />
zwischen <strong>de</strong>m Bestandsinteresse <strong>de</strong>s Mieters<br />
und <strong>de</strong>m Verwertungsinteresse <strong>de</strong>s<br />
Eigentümers lässt sich nur im Einzelfall<br />
treff en. Bei einer Fortsetzung <strong>de</strong>s Mietverhältnisses<br />
könnte <strong>de</strong>r Vermieter hier<br />
mit <strong>de</strong>r erfor<strong>de</strong>rlichen „Vollsanierung“<br />
die Anpassung <strong>de</strong>r Grundrissgestaltung<br />
an heutige Anfor<strong>de</strong>rungen mit <strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>nen<br />
Mitteln nicht erreichen. Eine<br />
„Minimalsanierung“ wäre mit <strong>de</strong>m kaum<br />
kalkulierbaren Risiko verbun<strong>de</strong>n, dass<br />
alsbald weitere Maßnahmen nötig wür<strong>de</strong>n,<br />
<strong>de</strong>ren Aufwand in keinem Verhältnis<br />
zur Restnutzungsdauer <strong>de</strong>s Gebäu<strong>de</strong>s<br />
stehen wür<strong>de</strong>. Vor diesem Hintergrund<br />
muss sich <strong>de</strong>r Vermieter nicht entgegenhalten<br />
lassen, er habe das Grundstück in<br />
Kenntnis <strong>de</strong>s <strong>de</strong>solaten Bauzustands <strong>de</strong>s<br />
Gebäu<strong>de</strong>s erworben.<br />
Fazit: Die Frage, ob <strong>de</strong>m Eigentümer<br />
durch <strong>de</strong>n Fortbestand eines Mietvertrags<br />
erhebliche Nachteile entstehen und<br />
er <strong>de</strong>shalb zur Kündigung <strong>de</strong>s Mietverhätlnisses<br />
berechtigt ist, ist gegen das<br />
grundsätzliche Bestandsinteresse <strong>de</strong>s<br />
Mieters abzuwägen, in <strong>de</strong>r bisherigen<br />
Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt<br />
zu verbleiben. Dabei han<strong>de</strong>lt es sich immer<br />
um eine Einzelfallentscheidung. Gewinnmaximierung<br />
ist für sich gesehen<br />
kein berücksichtigungsfähiger Kündigungsgrund.<br />
Der Vermieter hatte hier mit<br />
<strong>de</strong>m schlechten Bauzustand und mit <strong>de</strong>r<br />
Unverhältnismäßigkeit an<strong>de</strong>rer Baumaßnahmen<br />
als <strong>de</strong>r geplanten argumentiert.<br />
Foto: Pixelio