ABSCHLUSSBERICHT
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Forschungsprojekt Proposal<br />
Störung des Schlafs und der Leistungsfähigkeit<br />
von LKW- Fahrern durch Störgeräusche und<br />
nächtlichen Verkehrslärm<br />
- Folgestudie zur Effektivität der nächtlichen<br />
Schalldämmung in der Actros-Fahrerkabine<br />
Juli 2008<br />
<strong>ABSCHLUSSBERICHT</strong><br />
Popp R, Maier S, Zulley J, Hajak G<br />
Universität Regensburg<br />
Schlafmedizinisches Zentrum<br />
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie,<br />
Psychosomatik und Psychotherapie der<br />
Universität am Bezirksklinikum Regensburg<br />
Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums / Forschung:<br />
Prof. J. Zulley & Prof. G. Hajak<br />
Studienprojekt für die Daimler AG<br />
Projekt Konditionsmanager 07/08<br />
S. Rothe<br />
Projektleiter und Ansprechpartner<br />
Dr. Roland F.J. Popp<br />
Schlafmedizinisches Zentrum Regensburg<br />
Universität Regensburg Phone: +49 941 941 2068<br />
Universitätsstrasse 84 Fax: +49 941 941 1505<br />
D-93042 Regensburg Email: roland.popp@klinik.uni-regensburg.de
Störung des Schlafs und der Leistungsfähigkeit<br />
von LKW- Fahrern durch Störgeräusche und<br />
nächtlichen Verkehrslärm<br />
Synopsis - Überblick<br />
Zusammenfassung<br />
Wird die Kontinuität des Nachtschlafs durch lauten Lärm gestört, hat dies meist erhebliche<br />
negative Auswirkungen auf die Erholsamkeit des Schlafs und die Tagesverfassung (condition).<br />
LKW-Fernfahrer sind berufsbedingt bei Übernachtungen an belebten Raststätten besonders<br />
starkem Verkehrslärm ausgesetzt.<br />
Vorliegendes Forschungsprojekt simulierte unter möglichst realistischen Bedingungen eine 6-<br />
Tage-Arbeitswoche, bei der 10 LKW-Fahrer drei Nächte lang Autobahnlärm ausgesetzt waren.<br />
Die Studie wies nach, dass Verkehrslärm sowohl die Schlafqualität von LKW-Fahrern<br />
beeinträchtigt als auch zu einer vermehrten physiologischen Schläfrigkeit sowie einer<br />
eingeschränkten Leistungsfähigkeit im Tagesverlauf führt:<br />
� Objektive Schlafqualität: Unter der Lärmbedingung ließ sich eine signifikante Erhöhung<br />
des Anteils von Schlafstadium 1 (Leichtschlaf) im Vergleich zur Kontrollbedingung<br />
nachweisen. Ebenso war die Anzahl von Weck-Reaktionen (Arousals) in den Lärmnächten<br />
deutlich erhöht und führte zu einer stärkeren Fragmentierung der Schlafkontinuität.<br />
� Subjektive Schlafqualität: Auch subjektiv wurde der Schlaf unter Verkehrslärmbedingungen<br />
als qualitativ schlechter und weniger erholsamer beurteilt.<br />
� Physiologische Schläfrigkeit: Während der Fahrzeiten im LKW wurde im Wach-EEG ein<br />
reduzierter Wachheitsgrad - gemessen an einem höheren Müdigkeitsquotienten - nach<br />
Lärmnächten in Vergleich zu Kontrollnächten registriert.<br />
� Leistungsfähigkeit: Bei einem monotonen Daueraufmerksamkeitstest wurde eine<br />
Zunahme von Auslassungsfehlern, die ein sensitives Maß für Schläfrigkeitseffekte<br />
darstellen, nach den Lärmnächten festgestellt. Ebenso kam es nur nach Lärmnächten zu<br />
einer Zunahme von Fehlreaktionen bei einem komplexen Mehrfachreiz-<br />
Mehrfachreaktionstest, sobald eine Stresssituation induziert wurde. Außerdem konnte mit<br />
Hilfe eines portablen Reaktionstest bei Fahrtbeginn eine Verlangsamung des<br />
Reaktionsvermögens nach den Lärmnächten beobachtet werden.<br />
Selbst unter den gut standardisierten und „fahrerfreundlichen“ Arbeitsbedingungen“ unserer Studie<br />
reichten drei aufeinander folgende Lärmnächten aus, um objektive Leistungseinbußen bei<br />
Fahrtbeginn sowie unter Monotonie und Stress hervorzurufen. Subjektiv wurden diese Defizite<br />
oder Anzeichen einer erhöhten physiologischen Schläfrigkeit nicht wahrgenommen. Hier besteht<br />
die Gefahr einer Selbstüberschätzung oder Fehlbeurteilung des Wachheitsgrades auf Seiten<br />
der LKW-Fahrer, was zu einem deutlich erhöhten Unfallrisiko beiträgt.<br />
Insgesamt erfüllt die bisherige Schalldämmung der Actros-Kabine die Richtlinien für nächtliche<br />
Lärmbelastung bei weitem nicht. Daher sollte durch eine bessere Schallisolierung angestrebt<br />
werden, im Innenraum des Actros Lautstärkepegel von 30-35 dB(A) zu erreichen – diese<br />
Normpegelwerte werden für Schlafräume in Mischgebieten empfohlen. Dadurch soll den LKW-<br />
Fahrern ein erholsamer Schlaf ermöglicht werden, wenn sie an einer Raststätte übernachten<br />
müssen.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 2
Methodisches<br />
Vorgehen<br />
Für die Studie verbrachten zehn LKW-Berufsfernfahrer, die alle mit<br />
Übernachtungen an Raststätten vertraut waren, jeweils sechs aufeinander<br />
folgende Nächte in einer LKW-Schlafkabine. Als „Schlaflabor auf Rädern“<br />
diente das untere Bett eines Mercedes-Benz LKW Actros II, Typ 1860 MS,<br />
in der akustische Original-Aufzeichnungen von Autobahngeräuschen eingespielt<br />
wurden.<br />
Jeder LKW-Fahrer durchlief drei Kontrollnächte ohne Verkehrslärm und<br />
drei Lärmnächte mit der Einspielung der Verkehrsgeräusche. Die<br />
Reihenfolge der beiden Experimentalbedingungen (laut vs. leise) erfolgte<br />
dabei nach dem Zufallsprinzip.<br />
In allen sechs Nächten fand eine Schlafaufzeichnung mittels einer<br />
Polysomnographie statt, um die objektive Schlafqualität anhand von<br />
etablierten Schlafparametern (z.B. Tiefschlafanteil, Schlafeffizienz, Anzahl<br />
der Weckreakionen etc.) zu erfassen. Am Morgen wurde jeweils die<br />
subjektive Schlafqualität eingeschätzt. Anschließend wurde mittels<br />
Reaktions- und Daueraufmerksamkeitstests sowie einer Fahrdatenaufzeichnung<br />
das Fahr- und Leistungsvermögen der Probanden im<br />
Tagesverlauf ermittelt. Parallel dazu wurde die Tagesbefindlichkeit und<br />
die subjektive Schläfrigkeit erfasst. Physiologische Komponenten der<br />
Schläfrigkeit wurden mittels einer Pupillographie am Morgen und am<br />
Mittag sowie mit Hilfe eines ca. 14-stündigen Wach-EEGs erhoben.<br />
Um die ausgewählten Parameter in einem möglichst naturalistischen und<br />
gleichzeitig standardisierten Setting erheben zu können, wurde eine<br />
typische Arbeitswoche eines LKW-Fahrers nach gesetzlichen Lenk- und<br />
Ruhezeiten simuliert. Dazu mussten die Probanden sechs Tage lang<br />
vorgegebene Fahrrouten mit einem Actros II 1840 samt Auflieger<br />
(Gesamtgewicht 40 t) absolvieren. Besonderes Augenmerk der Studie lag<br />
auf kumulativen Schläfrigkeitseffekten über einen ganzen Tag hinweg bzw.<br />
nach mehreren Nächten mit Lärmbelastung im Vergleich zu mehreren<br />
ruhigen Nächten. Die Messungen wurden gemäß eines Within-Subject-<br />
Designs über sechs Tage und Nächte hinweg durchgeführt:<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 3
Einbindung<br />
der Studie<br />
� Hintergrund dieser Studie bildet das Modul „Schlafqualitätsfördernde<br />
Maßnahmen“ innerhalb eines umfassenden Konditions-Managements<br />
(KOMA) für den einzelnen LKW-Fahrer: Durch Verbesserung der<br />
Schlafumgebung und Reduzierung schlafstörender Umwelteinflüsse soll<br />
eine angemessene Schlafqualität in der Nacht ermöglicht werden, um<br />
somit am Tag ein entsprechendes Leistungsvermögen zu gewährleisten.<br />
� Das geplante Forschungsprogramm stellt eine Anschlussuntersuchung<br />
einer vorangegangenen Pilotstudie dar:<br />
>>Störung des Nachtschlafs und der vigilanzbedingten Leistungs-<br />
fähigkeit von LKW- Fahrern durch gedämpften Verkehrslärm?
Schlussfolgerungen<br />
Auf den ersten Blick scheinen Berufsfernfahrer an den Geräuschpegel von<br />
Raststätten relativ gut gewöhnt und robust gegenüber Verkehrslärm zu<br />
sein: So geben sie allgemein eine geringe Lärmsensitivität im Arbeits-<br />
und Schlafbereich an. Genauere Analysen der Schlafarchitektur zeigen<br />
jedoch, dass es unter Lärm zu vermehrten Schlafunterbrechungen<br />
(Arousals) kommt und die Schlafqualität objektiv und subjektiv<br />
beeinträchtigt ist.<br />
Selbst unter den gut standardisierten und „fahrerfreundlichen“ Arbeitsbedingungen“<br />
unserer Studie reichten drei aufeinander folgenden<br />
Lärmnächte aus, um Leistungseinbußen bei Monotonie, am frühen<br />
Morgen und unter Stress hervorzurufen. Subjektiv wurden diese<br />
Beeinträchtigungen jedoch nicht wahrgenommen. Auf physiologischer<br />
Ebene ließen sich im Wach-EEG nach Lärmnächten ebenfalls Anzeichen<br />
einer erhöhten Müdigkeit bei den LKW-Fahrten erkennen, die nicht mit<br />
einem verstärkten Müdigkeitsempfinden einhergingen. Hier besteht die<br />
Gefahr einer Selbstüberschätzung oder Fehlbeurteilung des Wachheitsgrades<br />
auf Seiten der LKW-Fahrer. Damit steigt auch das Risiko, einen<br />
schläfrigkeitsbedingten Unfall zu verursachen.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 5
Inhaltsverzeichnis<br />
Synopsis - Überblick 2<br />
1. Theoretischer Hintergrund 8<br />
1.1 Erholsamer Schlaf und Verkehrssicherheit 8<br />
1.2 Nicht-erholsamer Schlaf und Verkehrslärm 9<br />
2. Methodisches Vorgehen 11<br />
2.1 Probanden 11<br />
2.1.1 Einschlusskriterien für die Teilnehmer 11<br />
2.1.2 Ausschlusskriterien für die Teilnehmer 11<br />
2.1.3 Beschreibung der Probandengruppe 12<br />
2.2 Testmaterial & verwendete Verfahren 17<br />
2.2.1 Fragebögen und Testverfahren 17<br />
2.2.2 Nächtliche Polysomnographie (PSG) 18<br />
2.3 Ablauf der Studie 19<br />
2.3.1 Versuchsdesign 19<br />
2.3.2 Rahmenbedingungen 20<br />
2.3.3 Technischer Versuchsaufbau 20<br />
2.3.4 Versuchsdurchführung 23<br />
2.4 Methoden der Datenanalyse 27<br />
3. Ergebnisse 29<br />
3.1 NACHTSCHLAF: Schlafqualität 29<br />
3.1.1 Physiologische Schlafqualität 29<br />
3.1.2 Subjektive Schlafqualität 36<br />
3.2 MORGENTESTUNG: Schläfrigkeit 37<br />
3.2.1 Physiologische Schläfrigkeit: Pupillographie 37<br />
3.2.2 Subjektive Schläfrigkeit: Selbstbeurteilungsfragebögen 37<br />
3.3 MITTAGSTESTUNG: Schläfrigkeit und Aufmerksamkeitsleistung 39<br />
3.3.1 Physiologische Schläfrigkeit: Pupillographie 39<br />
3.3.2 Objektive aufmerksamkeitsbedingte Leistungsfähigkeit 40<br />
3.2.2 Subjektive Schläfrigkeit: Selbstbeurteilungsfragebögen 47<br />
3.4 TAGESVERLAUF: Schläfrigkeit sowie Aufmerksamkeits- und Fahrleistung 52<br />
3.4.1 Physiologische Schläfrigkeit: Wach-EEG 52<br />
3.4.2 Vigilanzbedingte Leistungsfähigkeit 53<br />
3.4.3 Fahrleistung 56<br />
3.4.4 Subjektive Schläfrigkeit: Selbstbeurteilungsfragebogen 56<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 6
4. Diskussion 60<br />
4.1 Bewertung der Studie allgemein 60<br />
4.2 Zusammenfassung der Studienergebnisse 60<br />
4.3 Bewertung der Studienergebnisse 61<br />
4.4 Zusammenfassende Diskussion 62<br />
5. Ausblick 65<br />
6. Literatur 66<br />
7. Anhang 68<br />
Anhang I Information für Studienteilnehmer 68<br />
Anhang II Einverständniserklärung 70<br />
Anhang III Beschreibung der verwendeten Testverfahren 71<br />
Anhang IV Informationsmaterial für die LKW-Fahrer 76<br />
Anhang V Routenpläne 78<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 7
1. Theoretischer Hintergrund<br />
1.1 Erholsamer Schlaf und Verkehrssicherheit<br />
Bei gesunden Personen ist der Schlaf die Grundlage für Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit.<br />
Ungenügender oder fehlender Nachtschlaf beeinträchtigt die Konzentrations- und<br />
Leistungsfähigkeit am Tage. Eine stark erhöhte Schläfrigkeit – oft auch bedingt durch eine<br />
zugrunde liegende Schlafstörung oder Schlaffragmentierung – ist nachweislich mit einem erhöhten<br />
Unfallrisiko im Straßenverkehr sowie am Arbeitsplatz verbunden. Vor allem schwere<br />
Verkehrsunfälle auf Autobahnen werden oft durch Einschlafen am Steuer verursacht. (ZULLEY et<br />
al., 1995; MASA et al., 2000; MELAMED et al., 2002; LINDBERG et al., 2001; CONNOR et al.,<br />
2001). So ist z. B. die Unfallhäufigkeit von Patienten mit Schlafapnoe, die aufgrund einer<br />
Fragmentierung ihres Schlafs unter einem chronischen Mangel an erholsamem Schlaf leiden, ca.<br />
2,0 bis 6,3-mal höher als die der Allgemeinbevölkerung (GEORGE et al., 1987; FINDLEY et al.,<br />
1988; WU & YAN-GO, 1996; YOUNG et al., 1997; TERAN-SANTOS et al., 1999; HORSTMANN et<br />
al., 2000; LLOBERES et al., 2000). Patienten mit einer obstruktiven Schlafapnoe schneiden auch<br />
in Fahrsimulatoruntersuchungen deutlich schlechter als Kontrollpersonen ab (GEORGE et al.,<br />
1996; JUNIPER et al., 2000; RISSER et al., 2000).<br />
Die Häufigkeit schläfrigkeitsbedingter Unfälle wurde nicht nur für diese besonders gefährdeten<br />
Patientengruppen, sondern auch in der Allgemeinbevölkerung und für Berufskraftfahrer untersucht:<br />
In einer retrospektiven Analyse über einen Zeitraum von 6 Jahren wurde der Anteil von<br />
schläfrigkeitsbedingten Unfällen auf 16 % geschätzt (zitiert in MACLEAN et al., 2003). Eine<br />
prospektive Studie brachte 23 % aller Unfälle mit Schläfrigkeit am Steuer in Verbindung, wobei<br />
beinahe 25 % dieser Verkehrsunfälle zu schwerwiegenden Verletzungen des Fahrers führten<br />
(HORNE & REYNER, 1995). Bei einer britischen Studie, in der 4621 männliche Lkw- und Pkw-<br />
Fahrer befragt wurden, gaben 29 % der Fahrer an, im Laufe des letzten Jahres am Steuer beinahe<br />
eingeschlafen zu sein (MAYCOCK, 1997). Die britischen Forscher HORNE und REYNER (1995)<br />
berichteten, dass 20 – 25 % der Unfälle auf Einschlafen während des Autofahrens zurückzuführen<br />
seien. Eine andere Forschergruppe schätzte den Anteil von Unfällen, bei denen Einschlafen am<br />
Steuer oder eine erhöhte Schläfrigkeit eine Rolle spielt, auf 21,9 % (GARBARINO et al., 2001).<br />
Eine Studie des Schlafmedizinischen Zentrums Regensburg, die in Kooperation mit dem<br />
ehemaligen HUK-Verband durchgeführt wurde, ergab, dass im Jahr 1991 ein Viertel aller<br />
Verkehrstoten auf bayerischen Autobahnen bei Unfällen starben, die auf Einschlafen des Fahrers<br />
zurückzuführen waren (ZULLEY et al., 1995).<br />
Diese Studien verdeutlichen auch, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen nichterholsamem<br />
Schlaf und eingeschränkter Leistungsfähigkeit bzw. Fahrtauglichkeit gibt.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 8
1.2 Nicht-erholsamer Schlaf und Verkehrslärm<br />
Nicht-erholsamer Schlaf kann aus schlafmedizinischer Sicht auch durch exogene Faktoren wie<br />
etwa Lärm bedingt sein, da es aufgrund der akustischen Reize zu vermehrten Weckreaktionen<br />
kommen kann. Der negative Effekt von Automobil-, Bahn- und Flugzeuglärm auf den Nachtschlaf<br />
sowie auf die Befindlichkeit ist in zahlreichen aktuellen Studien gut belegt (ISING & KRUPPA,<br />
2004; KAWADA, 1995; RASCHKE, 2004; STANSFELD & MATHESON, 2003).<br />
Im Gegensatz dazu ist die Wirksamkeit schallisolierender Maßnahmen unter Realbedingungen<br />
meist nur unter physikalischen Aspekten (Verringerung der dB-Stärken) untersucht und beruht<br />
weniger auf physiologisch-psychologischen Untersuchungen.<br />
Eine Ausnahme stellt die schwedische Studie von KECKLUND und ÅKERSTEDT (1997) dar. Die<br />
Forscher beschäftigten sich ebenfalls mit der Frage, welche Auswirkungen der Schlaf in einem<br />
LKW-Bett an einem befahrenen Rasthof auf die Schlafqualität hat.<br />
Zur Beantwortung dieser Fragestellung ließen sie 6 Versuchspersonen in der Schlafkoje eines<br />
LKWs übernachten: Eine Nacht, die sog. „Geräuschnacht“, verbrachten die Probanden an einem<br />
gut besuchten Rasthof, eine zweite Nacht schliefen sie in einem ruhigen, geräuscharmen Park in<br />
der Nähe des Forschungsinstituts. Die Schlafqualität in beiden Nächten wurde sowohl objektiv<br />
mittels Polysomnographie, als auch subjektiv mittels Fragebögen zur Schlafqualität und zur<br />
Schläfrigkeit am folgenden Tag gemessen. Alle sechs Versuchspersonen gaben an, dass die<br />
Geräusche am Rasthof ihren Schlaf gestört hatten. Die Auswertungen der Polysomnographie<br />
ergaben jedoch trotz der hohen Lautstärkepegel während der Nacht am Rasthof keine<br />
signifikanten Unterschiede zwischen ruhiger und lauter Nacht. Hinsichtlich der Einschätzung der<br />
subjektiven Schlafqualität mittels eines standardisierten Fragebogens konnte ein signifikanter<br />
Unterschied gefunden werden: Die Probanden schätzten ihren Schlaf nach der Nacht am Rasthof<br />
als weniger erfrischend ein als nach der ruhigen Nacht.<br />
Zwar gibt o. g. Studie Hinweise darauf, dass keine gravierenden Unterschiede zwischen einer<br />
Nacht an einem Rasthof und in ruhiger Umgebung bestehen, doch dürfen hier einige wichtige<br />
Aspekte nicht außer Acht gelassen werden: Zunächst wurde nur eine sehr kleine Anzahl an<br />
Versuchspersonen getestet. Außerdem durchliefen die Probanden vor den beiden Nächten, die in<br />
die Auswertung mit einbezogen wurden, keine Adaptationsnacht. Aus diesem Grund könnten die<br />
Ergebnisse durch den sog. „first-night-effect“, also eine Verschlechterung der Schlafqualität<br />
aufgrund der ungewohnten Schlafumgebung, verfälscht worden sein. Des Weiteren waren die<br />
teilnehmenden Probanden keine LKW-Fahrer und waren folglich das Schlafen in einem LKW-Bett<br />
und die Geräuschkulisse nicht gewohnt.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 9
Unser Forschungsprojekt strebte daher gezielt an, 10 LKW-Fernfahrer, die alle mit<br />
Übernachtungen an belebten Rasstätten vertraut waren, während 6 Nächten und einer simulierten<br />
Arbeitswoche zu untersuchen. Für die Untersuchung wurde eigens ein Actros II so umgerüstet,<br />
dass es als ein vollwertiges „Schlaflabor auf Rädern“ diente (Abbildung 1.1). Am Tag legten die<br />
Fahrer mit einem weiteren Actros II (Typ 1848 LS, Powershift 16) samt Auflieger (Gesamtgewicht<br />
40 t, siehe Abbildung 1.2). zwei vorgegebene Rundstrecken zurück und mussten morgens und<br />
mittags auf dem Klinikgelände umfangreiche Schläfrigkeits-Assessments absolvieren.<br />
Abbildung.1.1 Actros II als „Schlaflabor auf Rädern“ zur Aufzeichnung von Schlafdaten<br />
(Polysomnographien mit Video)<br />
Im Technikraum:<br />
- Aufzeichnung des Schlafs<br />
(Polysomnographie mit EOG, EMG,<br />
EEG und Video)<br />
- Einspielen der Verkehrsgeräusche<br />
>> „Schlaflabor auf Rädern“<br />
EOG<br />
EMG (Elektromyogram<br />
EEG<br />
TECHNIKRAUM<br />
Abbildung. 1.2 Actros II mit Auflieger als Testfahrzeug am Tag<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 10
2. Methodisches Vorgehen<br />
2.1 Probanden<br />
Bei der Rekrutierung der Versuchsteilnehmer wurde größtenteils auf die Probanden der<br />
Vorgängerstudie zurückgegriffen. Neue Probanden konnten durch persönliche Kontakte der<br />
LKW- Fahrer gewonnen werden.<br />
Alle Probanden nahmen freiwillig an der Untersuchung teil, nachdem sie über Ziel, Zweck und<br />
Ablauf der Studie aufgeklärt worden waren (vgl. Anhang I) und eine Einverständniserklärung (vgl.<br />
Anhang II) zu dieser Studie unterschrieben hatten.<br />
Für die Studie lag ein positives Votum (Nr. 06/209) der Ethikkommission der Medizinischen<br />
Fakultät der Universität Regensburg vor. Als Aufwandsentschädigung erhielt jeder Proband nach<br />
erfolgreichem Durchlaufen der Untersuchung 1000.- Euro.<br />
2.1.1 Einschlusskriterien für die Teilnehmer<br />
Um an der Studie teilzunehmen, mussten die Probanden folgende Kriterien erfüllen:<br />
1. Männliche LKW-Berufsfernfahrer mit Übernachtungserfahrung an Raststätten.<br />
2. Der Proband ist im Alter von 25-50 Jahren.<br />
3. Regelmäßige Bettzeiten während der Freizeit (in der Regel zwischen 21:00 und 24:00 Uhr)<br />
4. Der Proband ist in der Lage, Ziel und Zweck der Studie sowie die Probandeninformation zu<br />
verstehen. Er ist kognitiv und sprachlich fähig, die Fragebögen und Testaufgaben zu<br />
bewältigen.<br />
5. Der Proband zeigt Compliance und ist bereit, sich an das Studienprotokoll zu halten.<br />
6. Vorliegen einer schriftlichen Einverständniserklärung zu dieser Studie.<br />
2.1.2 Ausschlusskriterien für die Teilnehmer<br />
Trafen auf den Pobanden eines oder mehrere der nachfolgenden Kriterien zu, wurde er von der<br />
Studie ausgeschlossen:<br />
1. Vorliegen einer Schlafstörungen nach ICSD- Kriterien (International Classification of Sleep<br />
Disorders), wie z.B. Restless-Legs-Syndrom (RLS), Narkolepsie, Schlafapnoe-Syndrom<br />
(AHI > 10), PLMS (PLMS-Arousal Index >15/h )<br />
2. Übermäßiger Zigarettenkonsum (> 20 Zigaretten/ Tag)<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 11
3. Übermäßiger Koffeinkonsum (über 5 Tassen Kaffee/ Tag)<br />
4. Gebrauch von psychoaktiven Wirkstoffen innerhalb der letzten Woche, die den Schlaf oder<br />
den Grad der Wachheit beeinflussen können (z.B. Amphetamine, Mentylxanthine, Sedativa,<br />
Hypnotika, Antidepressiva, Antihistaminika, Neuroleptika, Beta-Blocker)<br />
5. Vorgeschichte, aktueller Missbrauch oder Abhängigkeit von Suchtsubstanzen nach DSM-<br />
IV-TR TM Kriterien. Dazu gehören Alkohol, Hypnotika oder andere Suchtmittel. Nikotin ist<br />
ausgenommen.<br />
6. Jede internistische, neurologische oder psychiatrische Begleiterkrankung bzw.<br />
Symptomatik, die nach Einschätzung des Untersuchers eine klinisch signifikante Wirkung<br />
auf den Schlaf oder den Wachheitszustand haben kann.<br />
7. Auffällige Werte in den Skalen von ZUNG für Depression und Angst<br />
(SDS > 40 bzw. SAS >36)<br />
8. Schwere Augenerkrankungen (z.B. Iridozyklitis)<br />
9. Relevante Schwerhörigkeit<br />
2.1.3 Beschreibung der Probandengruppe<br />
Allgemeine Angaben<br />
Das Durchschnittsalter der 10 ausschließlich männlichen Versuchsteilnehmer lag bei 36.3<br />
Jahren (SE = 7.3; Min = 25; Max = 46). Deren Body-Maß-Index (BMI) wies einen<br />
durchschnittlichen Wert von 25.2 kg/m2 (SE = .82; Min = 21.7; Max = 30.0) auf.<br />
Alle Probanden waren LKW-Fahrer, die hauptsächlich im Fernverkehr tätig waren. Ihre<br />
durchschnittliche Berufserfahrung lag bei 10.4 Jahren (SE = 2.1; Min = 2; Max = 23). 5 bis 6<br />
Tage (M = 5.5; SD = .70) dauerte eine typische Wochentour. Im Jahr legten sie durchschnittlich<br />
133 600 km zurück. Die gesamte Ausbildungsdauer der Studienteilnehmer (Schulzeit und<br />
Berufsausbildung zusammen) betrug im Mittel 12.4 Jahre (SE = .16).<br />
Lebensstil und Gewohnheiten<br />
Alle zehn Probanden berichteten, regelmäßig koffeinhaltige Getränke zu sich zu nehmen. Der<br />
durchschnittliche tägliche Koffeinkonsum lag bei 2.6 Tassen (SE = .16; Min = 2; Max = 3). Als<br />
regelmäßige Raucher bezeichneten sich 90 % der 10 Versuchsteilnehmer. Diese rauchten im<br />
Durchschnitt etwa 12 Zigaretten an einem Tag (M = 12.3; SE = 2.09). Darüber hinaus gaben die<br />
Fahrer an, wie viele Stunden Schlaf sie für nötig hielten, um sich ausgeruht zu fühlen. Diese<br />
Schätzung lag bei durchschnittlich 7.1 Stunden (SD = 1.30; Min = 5; Max = 9). Tatsächlich<br />
schliefen die Probanden in einer gewöhnlichen Arbeitswoche allerdings nur mittlere 6.1 Stunden<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 12
(SD = .73; Min = 5; Max = 7). Von den 10 teilnehmenden LKW-Fahrern gaben 50 % an,<br />
regelmäßig Sport zu treiben. Durchschnittlich waren diese fünf Probanden 4.5 Stunden (SD =<br />
1.73; Min = 2; Max = 6) in der Woche sportlich aktiv. Ein großer Anteil der 10 Probanden stimmte<br />
„völlig“ (20 %), „überwiegend“ (20 %) und „teilweise“ (40 %) zu, sich gesünder ernähren zu<br />
müssen. Während sich 70 % „teilweise“ um eine gesunde Ernährung mit Obst und Gemüse<br />
bemühten, traf dies bei zwei der LKW-Fahrer „völlig“ und bei einem „überwiegend“ zu. 50 % der<br />
Fahrer stimmten „überwiegend“ (40 %) bzw. „völlig“ (10 %) zu, dass sie bei ihren Touren häufig<br />
gezwungen sind, in Schnellrestaurants zu essen. Bei zwei Versuchsteilnehmern war dies jedoch<br />
„wenig“ (20 %) und bei den drei Weiteren „gar nicht“ (30 %) der Fall. Die Hälfte der 10 Probanden<br />
gab an, mit ihrer Arbeit im Allgemeinen zufrieden zu sein, während dies bei 20 % lediglich „eher“,<br />
bei 30 % dagegen „eher nicht“ zutraf.<br />
Personen-Eigenschaften (traits)<br />
Die generelle Lärmempfindlichkeit der LKW-Fahrer wurde anhand des Selbstbeurteilungsbogen<br />
NoiSeQ (Noise Sensitivity Questionnaire; SCHÜTTE & MARKS, 2005) ermittelt. Die Ergebnisse<br />
sind in Tabelle 2.1 dargestellt.<br />
Tabelle 2.1: Lärmempfindlichkeit der Probanden erfasst durch den Selbstbeurteilungsbogen<br />
NoiSeQ (Noise Sensitivity Questionnaire)<br />
NoiSeQ<br />
Gesamt<br />
Schlaf<br />
Kommuni-<br />
kation<br />
Subskalen<br />
Wohnumgebung<br />
Arbeit Freizeit<br />
M 1.82 1.92 1.79 1.90 1.84 1.70<br />
SE .119 .160 .138 .286 .125 .139<br />
Min 1.26 .86 1.14 1.00 1.29 0.86<br />
Max 2.43 2.43 2.71 2.57 2.29 2.43<br />
Hohe Werte (max. 3) entsprechen einer geringen Lärmempfindlichkeit. niedrige Werte<br />
(min. 0) einer hohen Lärmempfindlichkeit (max. 3)<br />
Insgesamt zeigte sich in allen Bereichen eine gering ausgeprägte Lärmempfindlichkeit, vor allem in<br />
den Dimensionen „Schlaf“ und „Wohnumgebung“<br />
Bei allen Probanden lag keine relevante Schlaf-Wach-Störung vor:<br />
� kein Restless-Legs-Syndrom (RLS)<br />
Hierzu wurden die vier charakteristischen Kriterien der International Restless Legs Study<br />
Group (IRLSSG, 2003) für ein Restless-Legs-Syndrom (RLS) abgefragt, um gegebenenfalls<br />
betroffene Probanden zu erkennen und auszuschließen (vgl. Anhang III). Durchschnittlich<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 13
gaben die Probanden 0.60 „Ja-Antworten“ (SE = .22; Min = 0; Max = 2). Da auf keinen<br />
Studienteilnehmer mehr als zwei Kriterien zutrafen, konnte ein RLS bei allen<br />
Versuchspersonen ausgeschlossen werden.<br />
� keine primäre Schlafstörung nach ICSD-Kriterien<br />
Die erste Adaptionsnacht diente dazu, Schlafstörungen wie ein Schlaf-Apnoe-Syndrom oder<br />
periodische Beinbewegungen im Schlaf mit Arousals zu detektieren. Dazu wurde eine<br />
polysomnographische und kardio-respiratorische Ganznachtaufzeichnung durchgeführt. Es<br />
ergab sich insgesamt kein Hinweis auf eine klinisch relevante Schlafstörung wie etwa ein<br />
Schlaf-Apnoe-Syndrom (vgl. Ausschlusskriterium (1)).<br />
In der Adaptionsnacht betrug der durchschnittliche Apnoe-Hypopnoe-Index 6.6 /h (SE = 2.1)<br />
und der Apnoe-Index 0.9 /h (SE = 0.2). Der Entsättigungs-Index für relevante arterielle<br />
Sauerstoffabfälle belief sich im Mittel auf 3.6 /h (SE = 0.8).<br />
� keine Störung der Schlafqualität<br />
Mit Hilfe des Pittsburgh Schlafqualitätsindex (PSQI; BUYSSE et al., 1989), der die subjektive<br />
Schlafqualität retrospektiv während der letzten vier Wochen erfasst, wurde das<br />
Ausschlusskriterium „Störung der Schlafqualität“ überprüft (vgl. Anhang III). Der<br />
durchschnittliche Gesamtwert des PSQI lag bei 4.10 (SE = .640). In Tabelle 2.2 sind die<br />
Ergebnisse der einzelnen Komponenten des Fragebogens zusammenfassend dargestellt.<br />
Tabelle 2.1: Subjektive Schlafqualität der Probanden erfasst anhand des Pittsburgh<br />
Schlafqualitätsindex (PSQI)<br />
PSQI Komponenten SE Minimum Maximum<br />
Schlafqualität .80 .133 0 1<br />
Schlafdauer .80 .200 0 2<br />
Schlafeffizienz .20 .133 0 1<br />
Schlafstörungen .90 .100 0 1<br />
Schlafmittelkonsum .10 .100 0 1<br />
Tagesmüdigkeit .50 .224 0 2<br />
Gesamtwert PSQI 4.10 .640 0 7<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 14
Zwei der insgesamt 10 Probanden überschritten den Cut-Off-Wert von 5. Mit diesen beiden<br />
Probanden wurde ein weiterführendes anamnestisches Gespräch geführt, in dem abgeklärt<br />
werden konnte, dass dennoch keine klinisch relevante Beeinträchtigung der Schlafqualität oder<br />
eine Schlafstörung vorhanden waren. Die PSQI Werte aller Subskalen lagen im unteren<br />
Bereich zwischen 1 und 2, woraus sich schließen lässt, dass bei den Probanden im letzten<br />
Monat auf subjektiver Ebene keine klinisch bedeutsame Störung der Schlafqualität vorlag.<br />
� keine erhöhte Tagesschläfrigkeit<br />
Zum Ausschluss einer klinisch erhöhten Tagesschläfrigkeit bei den Probanden wurde im<br />
Screening die Epworth Sleepiness Scale (ESS; JOHNS, 1991) angewandt (vgl. Anhang III).<br />
Der durchschnittliche ESS- Score der LKW-Fahrer betrug 6.8 (SE = .93; Min = 1; Max = 11).<br />
Somit erreichte keiner der Studienteilnehmer den kritischen Cut-Off-Wert von 12.<br />
� keine extreme Nachtverschiebung des circadianen Schlaf-Wach-Rhythmus<br />
Für jeden der Probanden wurde mit Hilfe des standardisierten Fragebogens zum<br />
Chronotypen/D-MEQ (GRIEFAHN et al., 2001) der circadiane Schlaf-Wach-Rhythmus<br />
erhoben, um Morgen- vs. Abendtypen zu identifizieren. Extreme Abendtypen wurden nicht in<br />
die vorliegende Studie mit aufgenommen. Der durchschnittliche Gesamtscore des D-MEQ lag<br />
bei 53.9 (SE = 3.07; Min = 36; Max = 70). Sieben der zehn Versuchteilnehmer stuften sich als<br />
„Neutraltyp“ (N = 7) ein. Die drei weiteren Probanden fielen in die Kategorien „definitiver<br />
Morgentyp“ (N = 1), „moderater Morgentyp“ (N = 1) sowie „moderater Abendtyp“ (N = 1).<br />
Keiner der Teilnehmer war als „definitiver Abendtyp“ einzuordnen.<br />
Ebenfalls konnte kein Hinweis auf das Vorliegen einer Depression oder Angststörung gefunden<br />
werden:<br />
� Um eine depressive Symptomatik auszuschließen wurde die Self-Rating-Depression<br />
Scale (SDS; ZUNG, 1965) verwendet (vgl. Anhang III). Der Cut-Off-Wert bei diesem<br />
Selbstbeurteilungs-Fragebogen liegt bei 36. Mit einem Mittelwert von 25.7 und einem<br />
Maximum von 34 (SE = 1.28; Min = 21) lagen alle Probanden innerhalb dieser Grenze.<br />
� Zur Erfassung einer klinisch relevanten Angstsymptomatik wurde die Self-Rating-Anxiety<br />
Scale (SAS; ZUNG, 1971) herangezogen (vgl. Anhang III). Während der durchschnittliche<br />
SAS-Score 25.9 betrug (SE = 1.26; Min = 20), lag der Maximalwert bei 20. Somit erreichte<br />
keiner der Probanden den Cut-Off-Wert von 40.<br />
Mittels einer Tonaudiometrie wurden die Hörschwellen für die Frequenzen im Bereich von 250-<br />
8000 Hz bei den Probanden bestimmt, um eine relevante Schwerhörigkeit auszuschließen (vgl.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 15
Anhang III). Die Hörschwellen der Probanden lagen bei allen erhobenen Frequenzen unter dem<br />
Cut-Off-Wert von 35dB, was auf ein intaktes Hörvermögen schließen lässt.<br />
In Tabelle 2.3 sind die Ergebnisse der einzelnen Screening-Verfahren zusammenfassend<br />
dargestellt.<br />
Tabelle 2.3: Zusammenfassung der Ergebnisse des Screenings<br />
Schlaf-Wach-Störungen<br />
M SE Min Max<br />
Cut-Off<br />
Bereich<br />
Epworth Sleepiness Scale (ESS) 6.8 .929 1 11 > 11<br />
RLS-Screening 0.6 .221 0 2 = 4<br />
Pittsburgher Schlafqualitätsindex<br />
(PSQI)<br />
4.1 .640 0 7 > 5<br />
Fragebogen zum Chronotyp/D-MEQ 53.9 3.1 36 70 /<br />
Psychiatrische Auffälligkeiten<br />
Self-Rating Depression Scale (SDS) 25.7 1.3 21 34 > 36<br />
Self-Rating Anxiety Scale (SAS) 25.9 1.3 20 33 > 40<br />
Lärmempfindlichkeit<br />
Noise Sensitivity Questionnaire<br />
(NoiSeQ)<br />
Relevante Schwerhörigkeit<br />
1.8 0.2 1.26 2.43 /<br />
Tonaudiometrie Hörschwellen (250-8000Hz) > 35 dB<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 16
2.2 Testmaterial & verwendete Verfahren<br />
2.2.1 Fragebögen und Testverfahren<br />
Tabelle 2.4 gibt einen Überblick über die in den Testungen verwendeten Verfahren.<br />
Tabelle 2.4: Übersicht über die in der Studie verwendeten Verfahren<br />
Testverfahren Autor Testgegenstand<br />
Erfassung von Schlaf-Wach-<br />
Störungen<br />
Fragebogen zum Restless-<br />
RLS<br />
Legs-Syndrom<br />
PSQI Pittsburgh<br />
Schlafqualitätsindex<br />
IRLSSG (2003) Restless-Legs-Syndrom<br />
BUYSSE et al. (1989) Schlafqualität während der<br />
letzten 4 Wochen<br />
Chronotyp<br />
ESS Epworth Schläfrigkeitsskala JOHNS (1991) Tagesschläfrigkeit<br />
GRIEFAHN et al.( 2001)<br />
D-MEQ Fragebogen zum Chronotyp<br />
Erfassung von psychiatrischen<br />
Auffälligkeiten / Lärmsensitivität<br />
SDS<br />
Self-Rating Depression<br />
Scale<br />
(Morgentyp vs.<br />
Abendtyp)<br />
ZUNG (1965) Depressive Symptomatik<br />
SAS Self-Rating Anxiety Scale ZUNG (1971) Angstsymptomatik<br />
NoiSeQ<br />
Noise Sensitivity<br />
Questionnaire<br />
SCHÜTTE & MARKS<br />
(2004)<br />
Lärmempfindlichkeit<br />
AUDIO Diagnostische Audimetrie MIDIMATE 622D Hörvermögen<br />
Erfassung akuter subjektiver<br />
Schläfrigkeit und Stimmung<br />
SSS Stanford Sleepiness Scale HODDES et al., (1972) momentane Schläfrigkeit<br />
TSS Tiredness Symptoms Scale SCHULZ et al., (1991)<br />
KSS Karolinska Sleepiness Scale<br />
Erfassung der subjektiven<br />
Schlafbewertung<br />
Selbstbeurteilungsbogen für<br />
SSA<br />
Schlaf- und Aufwachqualität<br />
Erfassung physiologischer<br />
Parameter der Schläfrigkeit<br />
Pupillographischer<br />
PST<br />
Schläfrigkeitstest<br />
AKERSTEDT &<br />
GILLBERG, (1990)<br />
Auftreten von typischen<br />
Müdigkeitssymptomen<br />
momentane Schläfrigkeit<br />
SALETU et al., (1987) empfundene Schlafqualität<br />
WILHELM et. al.,<br />
(1998)<br />
Auftreten von fatigue waves<br />
EEG Wach-EEG VARIOPORT ® Vigilanzschwankungen<br />
Standardisierte Leistungstests<br />
Palm-PVT Palm-Pychomotorischer<br />
Vigilanztest<br />
VIGIL<br />
Vigilanztest nach<br />
Quatember und Maly<br />
THORNE et. al.,<br />
(2005)<br />
NACHREINER &<br />
HÄNECKE, (1992)<br />
sustained attention für<br />
optische Reize<br />
Daueraufmerksamkeit in<br />
monotoner Situation<br />
DT Determinationstest WIENER TESTSYSTEM Ablenkbarkeit,<br />
Reaktionsvermögen<br />
Screening<br />
Subjektive<br />
Schläfrigkeit<br />
&<br />
Tages-<br />
befindlichkeit<br />
Subjektive<br />
Schlafqualität<br />
Objektive<br />
Schläfrigkeit<br />
&<br />
Leistungs-<br />
vermögen<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 17
Erfassung objektiven<br />
Schlafparameter<br />
PSG Polysomnographie<br />
RECHTSCHAFFEN &<br />
KALES, (1968)<br />
definierte Schlafparameter<br />
(z.B. Schlafstadienanteile)<br />
Die einzelnen Testverfahren sind im Anhang III ausführlich beschrieben.<br />
2.2.2 Nächtliche Polysomnographie (PSG)<br />
Objektive<br />
Schlafqualität<br />
Als objektives, physiologisches Verfahren wurde in allen sechs Experimentalnächten eine<br />
Polysomnographie-Aufzeichnung nach schlafmedizinisch standardisierten Methoden<br />
(RECHTSCHAFFEN & KALES, 1968) durchgeführt. Unter Verwendung des digitalen<br />
Polysomnographiegerät PTMS1 der Firma Schwarzer, München, und dem zugehörigen<br />
Aufnahmeprogramm von Comlab ® wurden Gehirnströme, Augenbewegungen, Muskelspannung<br />
und die Herzfrequenz über die ganze Nacht hinweg aufgezeichnet:<br />
Die Kanalbelegung umfasste konkret:<br />
- Elektrookulogramm (EOG)<br />
4 Kanäle zur Aufzeichnung der horizontalen und vertikalen Augenbewegungen<br />
- Elektromyogramm (EMG)<br />
1 Kanal zur Registrierung der Muskelspannung am Kinn<br />
2 Kanäle zur Registrierung von Beinbewegungen<br />
- Elektroencephalogramm (EEG)<br />
6-Kanäle [C3. C4; O1. O2; A1. A2]<br />
- Elektrokardiogramm (EKG)<br />
1 Kanal diente zur Registrierung der Herzfrequenz<br />
Zusätzlich wurde den Probanden ein Schnarchmikrophon, ein Thermistor zur Registrierung des<br />
nasalen Atemflusses, ein Brust- und ein Bauchgurt mit Sensoren für die thorakale und abdominelle<br />
Atembewegungen sowie ein Sauerstoff-Clip (Pulsoximetrie) zur Bestimmung der arteriellen<br />
Sauerstoffsättigung angelegt.<br />
Die EEG-Elektroden wurden gemäß den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für<br />
Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM-Kompendium der Schlafmedizin, HÖLLER, 1997) nach<br />
dem 10:20-System platziert. Die EEG-, EOG-, und EMG-Elektroden wurden mit einer<br />
wasserlöslichen, gut haftenden Leit-/Klebepaste (Grass-Paste ® ) auf der Kopfhaut befestigt. Für<br />
alle Aufzeichnungskanäle wurden die für eine Polysomnographie üblichen Filter, Frequenzen und<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 18
Sampling-Rates herangezogen. Die ganze Nacht hindurch wurde der Schlaf der Probanden<br />
videometrisch in Bild und Ton aufgezeichnet und in Form von mpeg-Dateien gespeichert. Der<br />
Schallpegel im inneren der Schlafkabine wurde mit einem Schallpegelmesser der Serie CR:800A<br />
(Cirrus Research, Lärm-Messtechnik) gemessen und als separater Kanal synchron zu den<br />
physiologischen Schlafparametern aufgezeichnet. Unter Verwendung der Software „Harmony“<br />
können konkrete Zusammenhänge zwischen einzelnen Schlafunterbrechungen und bestimmten<br />
Schallereignissen festgestellt werden.<br />
Die polysomnographische Aufzeichnung begann jeden Abend gegen 23:15 Uhr und dauerte<br />
maximal 7 Stunden. Am Morgen wurde der Proband um ca. 06:15 Uhr geweckt.<br />
2.3 Ablauf der Studie<br />
2.3.1 Versuchsdesign<br />
Mit Versuchteilnehmern, die nicht an der Vorgängerstudie teilgenommen hatten, wurde eine<br />
Adaptionsnacht zur diagnostischen Abklärung von Schlafstörungen sowie zur Gewöhnung an die<br />
fremde Schlafumgebung und an die Messfühler der Polysomnographie durchgeführt. Bei den<br />
Teilnehmern aus der letzten Studie war keine Eingewöhnungsnacht vorgesehen. Alle Probanden<br />
absolvierten sechs Experimentalnächte mit Tagestestungen. Gemäß eines „Within-Subject-<br />
Designs“ durchliefen die Studienteilnehmer jeweils drei aneinander gereihte Kontrollnächte und<br />
drei aufeinander folgende Lärmnächte. Zur Vermeidung von Abfolge-Effekten wurden zwei<br />
Testserien nach einem „Cross-Over-Design“ konzipiert, denen die Probanden nach Zufallsprinzip<br />
zugeteilt wurden. Während Testserie I mit den drei Lärmächten begann, fanden in Testserie II<br />
zuerst die drei Kontrollnächte statt. Durch die drei leisen Nächte wurde eine Übernachtung an<br />
einem ruhigen, abgelegenen Autohof simuliert. Bei den drei lauten Experimentalnächten wurden<br />
über die ganze Nacht hinweg Autobahngeräusche in die Schlafkabine eingespielt, wodurch das<br />
Übernachten an einer belebten Raststätte nachgestellt wurde. In Abbildung 2.1 ist das<br />
Studiendesign schematisch dargestellt.<br />
Testserie I (5 LKW-Fahrer)<br />
Testserie II (5 LKW-Fahrer)<br />
Abbildung 2.1: Schematisches Studiendesign („Cross-Over“)<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 19
Die unabhängige Variable war die „Nächtliche Lautstärke“ mit den beiden Ausprägungen „Leise<br />
Kontrollnacht ohne Lärmbeeinflussung“ und „Laute Lärmnacht mit Verkehrslärmeinspielung“.<br />
Abhängige Variablen waren die physiologischen, objektiven und subjektiven Messungen der<br />
nächtlichen Schlafqualität, der Schläfrigkeit sowie des Fahr- und Leistungsvermögens im<br />
Tagesverlauf.<br />
2.3.2 Rahmenbedingungen<br />
Die Studie „Störung des Schlafes und der Leistungsfähigkeit von LKW-Fahrern durch nächtlichen<br />
Verkehrslärm unter naturalistischen Bedingungen“ – Folgestudie zur Effektivität der nächtlichen<br />
Schalldämmung in der Actros- Fahrerkabine – wurde von Februar bis April 2007 am Bezirksklinikum<br />
Regensburg durchgeführt. Die Tagestestungen fanden in den Forschungsräumlichkeiten<br />
des schlafmedizinischen Zentrums Regensburg im Haus 18 statt.<br />
2.3.3 Technischer Versuchsaufbau<br />
Ausstattung des Actros-Schlaflabors<br />
Für die Studie wurde von DaimlerChrysler ein Mercedes Benz LKW Actros II, Typ 1860 MS, zur<br />
Verfügung gestellt, in dessen Kabine die Probanden während der Studie schliefen. Dieser LKW<br />
befand sich während des gesamten Testungszeitraums am Institutsgelände des Bezirksklinikums<br />
Regensburg direkt neben Haus 18. Somit konnten störende Außengeräusche weitgehend<br />
vermieden und gleichzeitig ruhige Schlafbedingungen gewährleistet werden.<br />
Die Probanden verbrachten insgesamt sechs aufeinanderfolgende Nächte in der serienmäßig<br />
ausgestatteten Schlafkoje des Actros II (unteres Bett), um die gewöhnliche Schlafumgebung eines<br />
LKW-Fahrers während einer Arbeitwoche naturgetreu zu simulieren. Die LKW-Kabine, ein Mega-<br />
Space-Modell, bot genügend Raum, um darin ein „Schlaflabor auf Rädern“ einzurichten und eine<br />
komplette polysomnographische Aufzeichnung nach schlafmedizinischem Standard durchzuführen<br />
(siehe Abb. 2.2).<br />
Dazu war im Inneren der LKW- Schlafkoje eine Infrarot-Überwachungskamera installiert, die den<br />
Schlaf der Probanden videometrisch in Bild und Ton aufzeichnete. Eine Wechselsprechanlage<br />
ermöglichte ständigen Informationsaustausch zwischen Proband und dem Schlaflabormitarbeiter,<br />
der im angrenzenden Büro die polysomnographische Ableitung überwachte. Zur optimalen<br />
Sicherheit der Probanden wurde ein Rauchmelder im Fahrzeug eingebaut. Raumtemperatur und<br />
Luftfeuchtigkeit konnten mit Hilfe eines Klimaloggers (TFA, Dostmann GmbH + CoKG,<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 20
Deutschland) kontrolliert werden. Zum Heizen der Schlafkoje wurde beim Fahrersitz ein lautloser<br />
Ölradiator (HZ-470E, Honeywell ® Wickede) eingebaut, der zusätzlich mit einem Schutzgitter<br />
versehen wurde. Im Inneren der Schlafkoje wurde eine Temperatur von 17°C angestrebt. Der<br />
tatsächliche Temperaturbereich lag stets im vergleichbaren Bereich zwischen 16°C und 19°C.<br />
Jede Nacht wurde der Schlafplatz durch Zuziehen der lichtundurchlässigen Kojenvorhänge<br />
komplett verdunkelt. Falls der Proband es wünschte, blieb die blaue „Notbeleuchtung“ an. Die<br />
Dachluke durfte bei Bedarf geöffnet werden.<br />
Abbildung 2.2: Actros 1860 als „Schlaflabor auf Rädern“ mit Innenraumausstattung<br />
Zur Aufzeichnung der Polysomnographie diente das digitale Polysomnographiegerät PTMS1 der<br />
Firma Schwarzer, München, und das Aufnahmeprogramm von Comlab ® . Die Messsignale des<br />
Nacht-EEGs wurden mittels eines LWL-Interface-Kabel (Lichtwellenleiter) zum angrenzenden Büro<br />
übertragen, von wo aus die Polysomnographie überwacht wurde. Anhand des Schallpegelmesser<br />
CR:800A (Cirrus Research plc, Lärm-Messtechnik) wurden die Geräuschpegel im Inneren der<br />
Schlafkabine registriert und als eigener Kanal synchron zu den physiologischen Schlafparametern<br />
der Polysomnographie aufgezeichnet. Mit Hilfe der ereigniskorrelierten Auswertesoftware<br />
„Harmony“ (Schwarzer, München), kann so der Anteil lärmbedingter Weckreaktionen und<br />
Schlafunterbrechungen, als akute EEG-Veränderungen auf ein konkretes Schallereignis hin,<br />
bestimmt werden.<br />
Einspielung der Verkehrsgeräusche<br />
Zur Einspielung des Verkehrslärms wurde eine kontinuierliche, etwa 8.5-stündige<br />
Originalaufzeichnung von Autobahngeräuschen verwendet, die vom 15.11-16.11.06 von 21:35 Uhr<br />
bis ca. 6:00 Uhr in der Fahrerkabine eines LKW der Actros-Serie an der Raststätte Denkendorf<br />
aufgenommen worden war (Aufnahmegerät: Sony ® -Tonbandgerätes SIR-1000, High Speed Digital<br />
Data Recorder; SCX-32). Dabei war das Schiebe-Hebedach geöffnet gewesen, wodurch der<br />
Schallpegel im Vergleich zur Vorgängerstudie angehoben wurde. In den Lärmnächten wurde der<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 21
Autobahn-Soundtrack vom gegenüberliegenden Büro aus mittels des oben beschriebenen Sony ® -<br />
Tonbandgeräts in die Fahrerkabine eingespielt. Dort konnte über einen hochwertigen Studio-<br />
Lautsprecher die Lautstärke des präsentierten Verkehrslärms geregelt werden. Die Anpassung<br />
und Aussteuerung des Lautstärkepegels erfolgte über ein Kalibriersignal von 94 dB. So entstand<br />
ein mit den Realbedingungen an belebten Raststätten vergleichbarer Höreindruck. In jeder<br />
Akustiknacht wurde der Autobahnlärm genau zum Zeitpunkt des Lichtausschaltens um ca. 23:15<br />
Uhr vom Büro aus gestartet, wodurch ein zeitsynchrones Abspielen in allen Lärmnächten<br />
ermöglicht wurde. Die Schallpegel der Geräuscheinspielungen betrugen im Mittel 44,7 dB(A). Im<br />
Vergleich dazu betrug der gemessene Schallpegel in den Kontrollnächten im Mittel 32,1 dB(A).<br />
Technische Ausstattung und Unterhalt des Testfahrzeuges<br />
Zur Erhebung der Fahrleistung der LKW-Fahrer am Tage stellte DaimlerChrysler einen weiteren<br />
Mercedes Benz LKW Actros II, Typ 1848 LS, Powershift 16, zur Verfügung. In dem Testfahrzeug<br />
ist serienmäßig ein digitales Kontrollgerät zum Lesen der Fahrerkarte und zur Speicherung der<br />
Fahrzeiten sowie ein Spurassistent integriert. Auf der Ablagefläche hinter den Sitzen wurde ein<br />
Notebook aufgebaut, auf dem das von DaimlerChrysler entwickelte Programm zur<br />
Fahrdatenaufzeichnung installiert war (vgl. Abb. 2.3). Zudem wurden zwei Videokameras in die<br />
Fahrerkabine eingebaut, um sowohl den LKW-Fahrer wie auch den vorausfahrenden<br />
Straßenverkehr während der Fahrt digital aufzeichnen zu können.<br />
Abbildung 2.3.: Actros II, Typ 1848 LS mit aktiviertem Fahrdatenprogramm<br />
Der LKW-Anhänger wurde von der Firma Pema Truck-Trailer Vermietung zur Verfügung gestellt<br />
und mit Altpapier beladen (Gesamtgewicht des Fahrzeuges insg.: 40 t), um die Fahrtbedingungen<br />
einer gewöhnlichen LKW-Tour realistisch nachzustellen.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 22
Um die Probanden während der Testfahrten zu versichern, war bei der Allianz Versicherungs- AG<br />
eine Wege-Unfallversicherung (Nr. 10/0523/3118997/110) abgeschlossen worden. Für das<br />
Testfahrzeug bestand eine vom Sponsor DaimlerChrysler eingerichtete Haftpflicht- und<br />
Vollkaskoversicherung<br />
2.3.4 Versuchsdurchführung<br />
Screening, Probandenaufklärung und Adaptionsnacht<br />
Anfangs wurden die Probanden vom Versuchsleiter telefonischen über Ablauf und Zweck der<br />
erweiterten Folgestudie zur Schlafqualität von LKW-Fahrern informiert.<br />
Beim ersten persönlichen Kontakt unterschrieb der Proband die Studieninformation (siehe Anhang<br />
I) mit der Einverständniserklärung (siehe Anhang II). Im Anschluss erfolgte unter Verwendung der<br />
bereits ausführlich beschriebenen Materialien (vgl. Anhang III) das Screening, um ungeeignete<br />
Probanden auszuschließen. Lagen bei einem Probanden keine klinisch relevanten Störungen vor<br />
und waren gleichzeitig die Einschlusskriterien erfüllt, wurde der Proband bereits bei diesem ersten<br />
Treffen mit dem genauen Studienablauf sowie den verwendeten Testverfahren vertraut gemacht,<br />
um eine überfordernde Informationsflut am ersten Testtag zu vermeiden. Dazu wurde ein weiteres<br />
Informationsblatt (siehe Anhang IV) ausgehändigt, in dem sowohl der Zeitpunkt als auch die<br />
Lokalitäten der Testdurchführungen punktgenau beschrieben waren. Gleichzeitig war in diesem<br />
Informationsblatt aufgeführt, was die Probanden während der gesamten Testwoche zu beachten<br />
hatten. So war es nicht gestattet, Alkohol und koffeinhaltige Getränke zu konsumieren oder<br />
Medikamente einzunehmen, welche die Wachheit beeinflussen. Zudem war es untersagt, 15<br />
Minuten vor wie auch während den einzelnen Testungen zu rauchen. Tagsüber durften keine<br />
Nickerchen und auch kein Mittagsschlaf gemacht werden. Durch diese Vorkehrungen wurden<br />
Störvariablen, welche die Wachheit oder die Leistungsfähigkeit zusätzlich beeinflussen<br />
weitestgehend vermieden.<br />
Ablauf und Organisation einer Testwoche im Überblick<br />
Die Testwoche begann Sonntags Abend um 21:30 Uhr und endete Samstags Abend um ca. 19:00<br />
Uhr. Um eine bestmögliche Standardisierung zu gewährleisten, war der zeitliche und inhaltliche<br />
Ablauf der insgesamt zehn Testwochen mit den jeweils sechs Testtagen identisch. Zudem wurde<br />
der gesamte Tagesablauf der Probanden durch das Studienprotokoll genau festgelegt und<br />
kontrolliert. Eine Überblick über die in der Studie verwendeten Test- und Registrierverfahren gibt<br />
Abbildung 2.4.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 23
Abbildung 2.4: Übersicht über die Testungen und Datenaufzeichnungen im Tagesverlauf<br />
Organisatorisches. Während des gesamten Testzeitraums waren die LKW-Fahrer offiziell als<br />
„Studienpatienten“ auf der Station 21 B des Schlafmedizinischen Zentrums des Bezirksklinikums<br />
aufgenommen, wodurch sie für die Aufenthaltszeit am Gelände versichert waren. Zudem erhielten<br />
sie während der ganzen Testwoche auf Station 21B Frühstück, Mittag und Abendessen bzw. ein<br />
„Lunch-Paket“. Im Haus 18 des Bezirksklinikums stand den Probanden, neben den sanitären<br />
Einrichtungen zur Erledigung der Morgen- und Abendtoilette, ein abschließbarer Schrank zur<br />
Aufbewahrung persönlicher Gegenstände zur Verfügung.<br />
Testfahrten. Am Tage hatten die LKW-Fahrer unter Einhaltung der gesetzlichen Lenk- und<br />
Ruhezeiten eine 3.5-stündige Vormittagstour und eine 4-stündige Nachmittagstour mit dem<br />
Testfahrzeug zurückzulegen. Dabei wurde mittels einer digitalisierten Fahrdatenaufzeichnung am<br />
Computer die Fahrleistung erhoben und mit den physiologischen Daten des Wach-EEGs<br />
synchronisiert (vgl. Anhang III). Der Großteil dieser Fahrtstrecke verlief auf Autobahnen. Um die<br />
Fahrtbedingungen vergleichen zu können, waren die Routen und Pausen beider Fahrten<br />
genauestens festgelegt worden und für alle Testfahrer sowie in allen sechs Studientagen identisch<br />
(siehe Anhang V). Der Spurassistent musste die ganze Strecke über ausgeschaltet bleiben. In<br />
einer separaten Einverständniserklärung verpflichteten sich die Versuchsteilnehmer, die<br />
Verkehrsregeln einhalten und eigenverantwortlich eine Pause einzulegen, wenn sie sich zu<br />
schläfrig fühlten, um das Fahrzeug sicher lenken zu können. Aus Sicherheits- und<br />
Organisationsgründen waren die Fahrer stets durch ein im Testfahrzeug integriertes Handy mit<br />
Freisprechanlage erreichbar. Umgekehrt konnten die Probanden damit auch den Versuchsleiter zu<br />
jeder Zeit bei Unstimmigkeiten oder Problemen während der Tour anrufen.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 24
Zwischentestungen. Im den Tagesverlauf der Schläfrigkeit und das Reaktionsvermögen<br />
ganzheitlich zu erfassen, waren an jedem Testtag rund um die Uhr im Intervall von etwa zwei<br />
Stunden acht identische, standardisierte „Kurztests“ vorgesehen, die von den Probanden in<br />
Eigenregie durchgeführt werden mussten. Bei jedem dieser kurzen Zwischentestungen hatte der<br />
LKW-Fahrer zunächst anhand der Karolinska Sleepiness Scale (KSS) subjektiv seine momentane<br />
Müdigkeit bzw. Wachheit einschätzen (siehe Anhang III). Im Anschluss erfolgte ein 5-minütiger<br />
Reaktionstest, der Palm-PVT, zur objektiven Erfassung der aufmerksamkeitsbezogenen<br />
Leistungsfähigkeit (siehe Anhang III). Die Bearbeitungszeit dieser beiden Verfahren lag bei ca. 6<br />
Minuten.<br />
Um die terminliche Einhaltung dieser „Kurztests“ zu erleichtern, wurde der Proband durch<br />
Warnsignale, die an einem Handy vorprogrammiert waren, an die genauen Uhrzeiten erinnert. Des<br />
Weiteren hatte der Studienteilnehmer an jedem einzelnen Testtag ein Ringbuch bei sich, in dem<br />
sich unter anderem eine genaue Auflistung der Termine für die „Zwischentests“, eine Erklärung zur<br />
Handhabung des Palm-PVT, Fragen zu den Fahrtbedingungen sowie die täglich auszufüllenden<br />
KSS-Fragebögen befanden.<br />
Detaillierter Ablauf eines Testtages<br />
EEG-Montage und Aufzeichnung des Nachtschlafes. Vor jeder Tagestestung wurde um 22:30<br />
Uhr von einem Mitarbeiter des Schlaflabors eine vollständige Polysomnographie-Montage beim<br />
LKW-Fahrer angelegt. Um 23:15 Uhr hieß es in der Schlafkoje des LKWs „Licht aus“ und es<br />
erfolgte über 7 Stunden eine polysomnographische Aufzeichnung des Schlafes des Probanden.<br />
Um 6:15 Uhr wurde die Testperson vom Nachtableiter geweckt. Nach Abnahme des Nacht- EEGs<br />
bekamen die Probanden um 7:00 Uhr vom schlafmedizinischen Mitarbeiter das Wach-EEG<br />
montiert, das über den ganzen Tag hinweg bis ca. 22:00 Uhr deren Schläfrigkeit physiologisch<br />
aufzeichnete.<br />
Morgentestung. Die Testbatterie am Morgen begann täglich zur selben Zeit um 8:00 Uhr,<br />
wodurch zirkadiane Einflüsse auf die Schläfrigkeit und das Leistungsvermögen kontrolliert wurden<br />
(ZULLEY& HAJAK, 2005). Bei der Morgentestung mussten die Probanden mittels der oben<br />
beschriebenen subjektiven Fragebögen die nächtliche Schlaf- und Aufwachqualität, sowie die<br />
momentane Schläfrigkeit einschätzen. Um die Einschlafneigung der Probanden auf<br />
physiologischer Ebene zu bestimmen, wurde eine Pupillographie durchgeführt, Die<br />
Bearbeitungszeit der Testverfahren am Morgen betrug etwa 20 Minuten.<br />
Vormittagstour. Nach der Morgentestung begab sich der Proband zum Testfahrzeug, das<br />
während der Testreihe am Gelände des Bezirksklinikums geparkt war. Um etwa 08:30 Uhr wurden<br />
gemäß der ersten standardisierten Zwischentestung die subjektive Müdigkeit anhand der KSS<br />
sowie das Reaktionsvermögen am Palm-PVT vor Ort im Testfahrzeug erhoben. Um 08:45 Uhr<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 25
egann schließlich die Vormittagstour. Während der Fahrt musste um ca. 10:15 Uhr an einem<br />
definierten Rastplatz eine Pause eingelegt werden, um dort den zweiten standardisierten<br />
„Kurztest“ durchzuführen. Mittags um etwa 12:00 Uhr kam der Proband wieder am BZK an, wo er<br />
zum dritten Mal seine Schläfrigkeit einzuschätzen und seine Reaktionsfähigkeit mittels des Palm-<br />
PVTs zu erheben hatte.<br />
Mittagstestung. Nach dem Mittagessen um 12:45 Uhr erfolgte die zweite umfangreiche<br />
Tagestestung. Die Schläfrigkeit der Probanden wurde erneut auf physiologischer und subjektiver<br />
Ebene erfasst. Im Vergleich zur Morgentestung wurde das Test-Assessment am Mittag um zwei<br />
computerunterstützte Tests zur Erfassung der Aufmerksamkeitsleistung erweitert. Die Bearbeitung<br />
der Mittagstestbatterie dauerte ca. 90 Minuten.<br />
Nachmittagstour. Nach der Mittagstestung begab sich der Studienteilnehmer wiederum zum<br />
Testfahrzeug, wo er um ca. 14:00 Uhr die vierte Kurztestung durchzuführen hatte. Um 14:15 Uhr<br />
begann die zweite definierte Tour. Nachmittags um ca. 16:15 Uhr musste ein Autohof angefahren<br />
werden, um dort die subjektive Schläfrigkeit und das Reaktionsvermögen im Rahmen der fünften<br />
Zwischentestung zu erfassen. Um etwa halb sieben kamen die Probanden wieder am Parkplatz<br />
des BZKs an, wo die sechste standardisierte „Kurztestung“ durchgeführt wurde. Zudem mussten<br />
die LKW-Fahrer nach der Ankunft ihre Befindlichkeit anhand eines Selbstbeurteilungsfragebogens<br />
einschätzen. Im Anschluss hatten sie Fragen zu den klimatischen und verkehrstechnischen<br />
Begebenheiten während der Fahrt zu beantworten, um umweltbedingte Störvariablen, wie widrige<br />
Wetterverhältnisse, ausschließen zu können. Vor Verlassen des Test-LKWs wurde das<br />
Fahrdatenprogramm vom Studienteilnehmer selbstständig beendet und der Computer<br />
heruntergefahren.<br />
Freie Zeit am Abend. Die Zeit von ca. 19:00 Uhr bis 22:00 Uhr konnten die Probanden frei<br />
gestalten, wobei auch am späten Abend um 20:15 Uhr und 21:45 Uhr zwei „Kurztests“ zur<br />
Erfassung der subjektiven Müdigkeit und des Reaktionsvermögens angesetzt waren.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 26
2.4 Methoden der Datenanalyse<br />
Die erhobenen Daten wurden unter Verwendung des Statistikprogramms „SPSS für Windows,<br />
Version 15.0“ statistisch ausgewertet. Für die inferenzielle Statistik wurde ein Signifikanzniveau<br />
von .05 festgelegt. Des Weiteren wurden Ergebnisse, die zwischen .05 und .10 lagen, als<br />
tendenziell signifikant eingeordnet. Zudem wurde bei tendenziell signifikanten Ergebnissen<br />
Effektstärken berechnet, wobei nach Cohen (1988) gilt:<br />
δ < 0.20 vernachlässigbarer Effekt<br />
0.20 ≤ δ < 0.50 kleiner Effekt<br />
0.50 ≤ δ < 0.80 mittlerer Effekt<br />
0.80 ≤ δ großer Effekt<br />
Zur Berechnung diente die Formel nach Effektstärken für verbundene Stichproben (nach Bortz &<br />
Döring, 2002)<br />
xA<br />
− x<br />
δ =<br />
ˆ σ<br />
mit der gemeinsamen Standardabweichung:<br />
Da die Studie nach einem „Within-Subject-Design“ konzipiert wurde, durchlief jeder Teilnehmer<br />
sowohl die Kontroll- als auch die Lärmbedingung. Im Anbetracht der Fragestellung wurde für die<br />
einzelnen Parameter ein statistischer Vergleich der beiden Experimentalbedingungen, Kontrolle<br />
und Lärm, durchgeführt. Rechnerisch wurde für jede ausgewählte, abhängige Variable ein<br />
Mittelwert über die auswertbaren Nächte bzw. Testtage einer experimentellen Bedingung hinweg<br />
gebildet und anhand eines Verfahrens für verbundene Stichproben verglichen.<br />
Da wider Erwarten auch bei den LKW-Fahrern, die bereits an der ersten Studie im teilgenommen<br />
hatten und bei denen auf eine Adaptionsnacht verzichtet worden war, ein first-night-Effekt<br />
beobachtet werden konnte, wurde die erste Experimentalnacht und der damit verbundene erste<br />
Testtag in diesem Mittelungsvorgang nicht berücksichtigt. Dementsprechend wurden bei Testserie<br />
I, die mit den Lärmnächten begann, die über 2 Lärmnächte- bzw. Tage hinweg gemittelten Werte<br />
den Durchschnittswerten aus 3 Kontrollnächten bzw. -tagen gegenübergestellt. Bei Testserie II<br />
dagegen, die mit den Kontrollnächten startete, wurden die zu vergleichenden Mittelwerte aus 2<br />
Kontrollnächten bzw. -tagen und 3 Lärmnächten bzw. -tagen gebildet. Da jeder Testserie gleich<br />
viele Probanden zugeordnet worden waren, bleibt die Anzahl der auswertbaren Ergebnisse beider<br />
Experimentalbedingungen identisch.<br />
B<br />
ˆ σ =<br />
ˆ σ ˆ 2 ˆ ˆ<br />
•<br />
2<br />
2 2<br />
A + σ B − rσ Aσ<br />
B<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 27
Physiologische und objektive Parameter. Für die bereits beschriebenen Parameter zur<br />
Erfassung der Schlafqualität und physiologischen Schläfrigkeit (PSG, PST, Wach-EEG) sowie des<br />
aufmerksamkeitsbedingten Leistungsvermögens (VIGIL nach Quatember & Maly,<br />
Determinationstest, Palm-PVT, Fahrdaten) wurde Intervallskalenniveau vorrausgesetzt. Da bei der<br />
geringen Stichprobengröße (N = 10) keine Normalverteilung angenommen werden konnte, wurden<br />
die Mittelwerte der Experimentalbedingungen unter Verwendung des nonparametrischen<br />
Wilcoxon-Rangsummentests für zwei verbundene Stichproben verglichen.<br />
Subjektive Parameter. Während anhand des subjektiven Fragebogens (SSA) die Schlafqualität<br />
erhoben wurde, stuften die Probanden unter Verwendung subjektiver Selbstbeurteilungsskalen<br />
(SSS, TSS, KSS, Befindlichkeitsfragebogen) ihre Schläfrigkeit und Befindlichkeit ein. Für diese<br />
Verfahren wurde Ordinalskalenniveau festgelegt. Demnach wurden auch die gemittelten Werte der<br />
subjektiven Parameter anhand des Wilcoxon-Rangsummentests für zwei verbundene Stichproben<br />
nonparametrisch verglichen.<br />
Mittelwert der Nächte<br />
Abbildung 2.5: Auswertungsschema unter Berücksichtigung des „First-Night-Effekts“<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 28
3. Ergebnisse<br />
3.1 NACHTSCHLAF: Schlafqualität<br />
3.1.1 Physiologische Schlafqualität: Polysomnographie<br />
Um die Schlafqualität der Probanden zwischen den Kontroll- und Lärmnächten auf physiologischer<br />
Ebene objektiv zu vergleichen, wurden die nach RECHTSCHAFFEN & KALES (1968) definierten,<br />
standardisierten Kriterien zur Auswertung einer Polysomnographie-Aufzeichnung herangezogen.<br />
Tabelle 3.1: Bedingungsvergleich der objektiven Schlafqualität anhand von Standard-<br />
Polysomnographie-Parametern<br />
Globale Schlafparameter<br />
Kontrollnächte Lärmnächte<br />
p-Wert<br />
TST (in min) 382.03 16.385 371.97 21.581 -1.172 .241<br />
TRT (in min) 414.44 8.289 417.04 13.118 -.051 .959<br />
Schlafeffizienz (in %) 92.15 3.501 89.32 5.697 -1.274 .203<br />
Schaflatenzen (in min)<br />
Einschlaflatenz 7.63 7.058 7.54 6.615 -.153 .878<br />
REM-Schlaflatenz 69.37 16.229 89.84 31.549 -1.784 º.074<br />
Schlafstadienanteile (in %)<br />
Schlafstadium 1 11.24 4.443 13.72 5.532 -1.886 º.059<br />
Schlafstadium 2 52.06 4.947 49.82 6.188 -.866 .386<br />
Schlafstadium 3 10.12 3.837 10.96 3.792 -1.172 .241<br />
Schlafstadium 4 3.81 4.530 3.81 3.765 -.420 .674<br />
REM-Schlaf 22.76 3.701 21.69 5.224 -.968 .333<br />
Schlafunterbrechungen<br />
Arousal- Index (pro h) 14.33 5.733 16.20 4.879 -1.478 .139<br />
WASO (in min) 23.82 11.402 32.43 25.730 -.153 .878<br />
Schlafstadienwechsel 7.78 2.424 9.02 4.337 -.663 .507<br />
TST = Total Sleep Time; TRT = Total Record Time; WASO = Waketime after Sleep Onset<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 29
Globale Schlafparameter<br />
Zu den globalen Schlafparametern, die den Nachtschlaf im Allgemeinen beschreiben, zählen die<br />
Gesamtschlafzeit (Total Sleep Time = TST), die Aufzeichnungszeit (Total Record Time = TRT) und<br />
die Schlafeffizienz. Bei keinem dieser drei Parameter traten statistisch signifikante Unterschiede<br />
zwischen Kontroll- und Lärmbedingung auf. Die gesamte Schlafdauer war in den Kontrollnächten<br />
mit 382.0 min (SD = 16.3) im Durchschnitt etwas länger als in den Lärmnächten, wo sie 372.0<br />
Minuten (SD = 21.6 min) betrug. Im statistischen Vergleich zeigte sich allerdings kein signifikanter<br />
Unterschied zwischen den Gesamtschlafzeiten beider experimenteller Bedingungen (Z = -1.172; p<br />
= .241). Dementsprechend war die mittlere Schlafeffizienz mit 92.2 % (SD = 3.5 %) in den<br />
Kontrollnächten etwas höher als in den Lärmnächten (M = 89.3 %; SD = 5.69 %). Dennoch trat<br />
auch bezüglich der Schlafeffizienz mit einem Z-Wert von -1.274 und einem p-Wert von .203 kein<br />
statistisch nachweisbarer Bedingungsunterschied auf. Die Aufzeichnungszeiten (TRT) wichen,<br />
dem Versuchsdesign entsprechend, mit einem Z-Wert von -.51 und einem p-Wert von .959 nicht<br />
signifikant voneinander ab (vgl. Tabelle 3.1).<br />
Schlaflatenzen<br />
Die Einschlaflatenz beschreibt die Dauer vom Lichtausschalten („Licht aus“) bis zum ersten<br />
Auftreten des Schlafstadiums 1. Während die Probanden in den Kontrollnächten im Durchschnitt<br />
nach 7.6 Minuten (SD = 7.1 min) das Schlafstadium 1 erreichten, befanden sie sich in den<br />
Lärmnächten nach mittleren 7.5 Minuten (SD = 6.6) im Leichtschlaf. Damit konnte beim<br />
statistischen Vergleich der Einschlaflatenzen kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden<br />
Experimentalbedingungen ermittelt werden (Z = -.153, p = .878). Für die Zeitspanne bis zum<br />
ersten Auftreten von REM-Schlaf ließ sich dagegen ein tendenziell signifikanter<br />
Bedingungsunterschied nachweisen (Z = -1.784; p = .074). So war in den Kontrollnächten (M =<br />
69.3 min; SD = 16.2 min) auf einem α-Niveau von 0.1 eine signifikante Verkürzung der REM-<br />
Schlaflatenz verglichen mit den Lärmnächten (M = 89.8 min; SD = 31.5 min) festzustellen.<br />
In Abbildung 3.1 ist der Unterschied zwischen den Kontrollnächten (grau) und den Lärmnächten<br />
(blau) graphisch dargestellt.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 30
Mittlere REM-Schlaflatenz in min (±SE)<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
Schlafstadienanteile<br />
1. Tag 2. Tag 3. Tag Mittelwert der<br />
Testtage<br />
Abbildung 3.1: Bedingungsvergleich der REM-Schlaflatenz<br />
p= .074<br />
3 Tage<br />
Beim Mittelwertevergleich des prozentualen Anteils des ersten Schlafstadiums konnte ein<br />
tendenziell signifikanter Unterschied zwischen den beiden experimentellen Bedingungen<br />
festgestellt werden (Z = -1.886, p = 0.59). So hatten die Probanden während der Nächte mit<br />
Lärmeinspielung mit 13.7 % (SD = 5,53 %) auf einem Signifikanzniveau von 0.10 signifikant<br />
weniger minder konsolidierten Leichtschlaf als in den in den leisen Kontrollnächten mit 11.2 % (SD<br />
= 4,44 %) In Abbildung 3.2 sind die Bedingungsunterschiede der drei zeitlich zusammengefassten<br />
Testtage sowie der gesamten Testwoche dargestellt.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 31
Mittlere Anteile in Prozent (±SE)<br />
18<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
p= .059<br />
1. Tag 2. Tag 3. Tag Mittelwert der<br />
Testtage<br />
3 Tage<br />
Abbildung 3.2: Bedingungsvergleich des Schlafstadiums 1<br />
Der in den Lärmnächten leicht erhöhte Anteil des Schlafstadiums 1 ging mit einer Reduktion des<br />
prozentualen Anteils des zweiten Schlafstadiums einher. Während die Probanden in den<br />
Kontrollnächten im Mittel 52.1 % (SD = 4.95 %) gut konsolidierten Schlaf im Schlafstadium 2<br />
verzeichnen konnten, war der durchschnittliche Anteil während der Nächte mit Autobahnlärm<br />
etwas geringer (M = 49.8 %; SD = 6.19 %). Statistisch zeigte sich allerdings kein signifikanter<br />
Effekt des eingespielten Lärms auf den Anteil des zweiten Schlafstadiums (Z = -.866; p = .386).<br />
Während den leisen Nächten befanden sich die Probanden mittlere 10.1 % (SD = 3.84 %) in der<br />
ersten Tiefschlafphase 3. Damit war der Anteil etwas geringer als in den lauten Akustiknächten (M<br />
= 11.0 %; SD = 3.79 %). Im statistischen Mittelwertevergleich zeigte sich jedoch kein signifikanter<br />
Unterschied zwischen Kontroll- und Lärmbedingung (Z = -1.172; p = .241). Der Anteil des<br />
Schlafstadions 4 lag in den Kontrollnächten im Durchschnitt bei 3.8 % (SD = 4.5 %). In den<br />
Nächten mit Autobahnlärm verbrachten die Probanden einen nahezu identischen Zeitanteil in der<br />
Tiefschlafphase 4 (M = 3.8 %; SD = 3.77 %). Dementsprechend konnten in der statistischen<br />
Vergleichanalyse keine signifikanten Effekte der experimentellen Lärmeinspielung auf den Anteil<br />
des Schlafstadiums 4 nachgewiesen werden (Z = -.420; p = .674). Der REM-Schlaf-Anteil fiel in<br />
den geräuschlosen Nächten (M = 22.8 %; SD = 3.70 %) etwas höher aus als in den Lärmnächten<br />
(M = 21.7 %; SD = 5.22 %). Dieser experimentelle Unterschied erreichte allerdings keine<br />
statistische Signifikanz (Z = -.968; p = .333). In Abbildung 3.3 findet sich ein Bedingungsvergleich<br />
der Gesamtmittelwerte aller erhobenen Schafstadienanteile. Während bei Schlafstadium 1 und 2<br />
tendenzielle Unterschiede zu erkennen sind, liegen die gemittelten Werte der Tiefschlafstadien 3<br />
und 4 sowie des REM- Schlafanteils beider Experimentalbedingungen nahe beieinander.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 32
Mittlere Anteile in Prozent (±SE)<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
p= .059<br />
p= .386<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
Schlafstadium 1 Schlafstadium 2 Schlafstadium 3 Schlafstadium 4 REM-Schlaf<br />
Abbildung 3.3: Bedingungsvergleich der Gesamtmittelwerte aller Schlafstadienanteile<br />
Schlafunterbrechungen<br />
Mittels des Arousal-Index, den Wachzeiten nach Schlafbeginn („Wake after Sleep Onset“ =<br />
WASO) und der Anzahl der Schlafstadienwechsel wurden sämtliche Schlafunterbrechungen<br />
aufgezeichnet. In den Kontrollnächten lag der durchschnittliche Arousal-Index bei 14.3 / h (SD =<br />
5.73 / h). Unter Lärmeinspielung wurden pro Stunde Schlaf im Durchschnitt 16.2 Arousals (SD =<br />
4.88 / h) aufgezeichnet. Obwohl die gemittelte stündliche Arousal-Rate in den Nächten mit<br />
Autobahngeräuschen durchaus höher war, ließ sich mit einem Z-Wert von -1.478 und einem p-<br />
Wert von .139 statistisch kein signifikanter Effekt der experimentellen Manipulation nachweisen.<br />
Abbildung 3.4 gibt den Wochenverlauf der mittleren Arousal-Indices bedingungsvergleichend<br />
wieder. Der Vollständigkeit halber wurde in diese Verlaufsdarstellung auch der erste, inferenziell<br />
nicht ausgewertete, Testtag mit aufgenommen. Mit Ausnahme des Mittwochs ist in den<br />
Lärmnächten an allen Testtagen ein Trend zu erhöhten Arousal-Frequenzen pro Stunde im<br />
Vergleich zu den Kontrollnächte zu erkennen (vgl. Abbildung 3.4).<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 33
Mittlerer Arousal-Index / h (±SE)<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Wochentag<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
SO MO DI MI DO FR<br />
Abbildung 3.4: Wochenverlauf der Arousal-Indices / h<br />
Dementsprechend ließ sich statistisch eine mittlere Effektstärke von 0.72 (p = .14) nachweisen.<br />
Bezieht man die erste, nicht ausgewertete Nacht am Sonntag in die statistische Vergleichsanalyse<br />
mit ein, ließe sich mit einem Z-Wert von -1.988 und einem p-Wert von .047 ein statistisch<br />
signifikanter Bedingungsunterschied demonstrieren. Das heißt: unter Einschluss der ersten<br />
vorgesehenen Experimentalnacht kam es in den Nächten mit Lärmeinspielung zu signifikant mehr<br />
Arousals als in den Kontrollnächten. Auch in der grafischen Darstellung der<br />
Bedingungsunterschiede an den einzelnen Testtagen und über alle auswertbaren Testtage hinweg<br />
(siehe Beschreibung von Abbildung 3.1) wird deutlich, dass in den Lärmnächten eine Tendenz zu<br />
erhöhten Arousal-Indices verglichen mit den Kontrollnächten vorliegt (vgl. Abbildung 3.5).<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 34
Mittlerer Arousal-Index / h (±SE)<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
1. Tag 2. Tag 3. Tag Mittelwert der<br />
Testtage<br />
3 Tage<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 35<br />
p= .139<br />
Abbildung 3.5: Bedingungsvergleich der Arousal- Indices / h<br />
Beim statistischen Bedingungsvergleich der beiden weiteren Parameter zur Erfassung von<br />
Schlafunterbrechungen konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. So kam es<br />
weder bei den Wachzeiten nach Schlafbeginn (WASO; Z = -.153; p = .878) noch bei der Anzahl<br />
von Schlafstadienwechsel (Z = -.663; p = .507) zu deutlichen Abweichungen zwischen Kontrollund<br />
Lärmnächten (vgl. Tabelle 3.1).<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die globale Schlafqualität, die mittels<br />
schlafmedizinischer Standardparameter erhoben wurde, in den Lärmnächten nicht deutlich<br />
schlechter ausfiel als in den Kontrollnächten. Ein Blick auf die Einschlaflatenzen zeigt, dass<br />
der Autobahnlärm zu keinen erheblichen Einschlafstörungen führte. Der erste REM-Schlaf<br />
wurde dagegen unter Lärmeinspielung tendenziell signifikant später erreicht. Der<br />
Leichtschlafanteil in Schlafstadium 1 war in den lauten Nächten auf einem α-Niveau von<br />
0.10 signifikant höher als in den geräuschlosen Nächten. Dagegen waren bei den<br />
prozentualen Anteilen der Tiefschlafstadien 3 und 4 sowie der REM-Schlafphase keine<br />
signifikanten Unterschiede zwischen der Kontroll- und Lärmbedingung zu verzeichnen. Die<br />
statistische Vergleichbarkeit der Gesamtschlafzeit, der Schlafeffizienz, der Wachzeiten<br />
nach Schlafbeginn (WASO) und der Häufigkeit der Schlafstadienwechsel weist darauf hin,<br />
dass die experimentelle Lärmeinspielung keine benennbaren Durchschlafstörungen zur<br />
Folge hatte. Bei den Mittelwerten des Arousal-Index – als Maß für eine<br />
Schlaffragmentierung – ließen sich jedoch Bedingungsunterschiede mit mittlerer<br />
Effektstärke feststellen. Unter Einbeziehung der ersten Testnacht war der Arousal-Index in<br />
den lauten Nächten mit Autobahngeräuschen sogar signifikant höher als in den leisen<br />
Kontrollnächten.
3.1.2 Subjektive Schlafqualität<br />
Während die nächtliche Schlafqualität der LKW-Fahrer mit Hilfe einer polysomnographischen<br />
Aufzeichnung auf objektiver, physiologischer Ebene erfasst wurde, diente der<br />
Selbstbeurteilungsfragebogen zur Schlaf- und Aufwachqualität (SSA; SALETU et al., 1987),<br />
der etwa eine Stunde nach dem Aufstehen ausgefüllt wurde, zur Bestimmung der subjektiv<br />
empfundenen Schlafqualität.<br />
In diesem Selbstbeurteilungsverfahren wird die subjektive Schlafqualität in drei Dimensionen<br />
gemessen. Die Schlaf- und Aufwachqualität aber auch körperliche Beschwerden werden separat<br />
erfasst. Zur Auswertung wurde der Gesamtscore (von 20 bis 80) verwendet, der sich durch<br />
Summation der Einzelwerte der drei Bereiche errechnen lässt. Ein hoher Gesamtwert entspricht<br />
einer geringen, ein niedriger Gesamtwert dagegen einer hohen subjektiven Schlafqualität.<br />
Mittlerer SSA-Gesamtscore (±SE)<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
p= .092<br />
1. Tag 2. Tag 3. Tag Mittelwert der<br />
Testtage<br />
3 Tage<br />
Abbildung 3.6: Bedingungsvergleich der subjektiven Schlafqualität erhoben anhand des<br />
Selbstbeurteilungsbogen der Schlaf- und Aufwachqualität (SSA)<br />
Nach den leisen Nächten bewerteten die LKW-Fahrer ihre Schlafqualität mit durchschnittlichen<br />
28.1 (SD = 3.70) Punkten tendenziell positiver als nach den Lärmnächten (M = 30.3; SD = 6.24). In<br />
einer statistischen Vergleichsanalyse konnte auf einem Signifikanzniveau von 0.10 ein signifikanter<br />
Unterschied bezüglich der subjektiven Schlafqualität zwischen den Experimentalbedingungen<br />
nachgewiesen werden (Z = -1.686; p = .092). In Abbildung 3.6 wird dieser Bedingungsunterschied<br />
nach dem Schema von Abbildung 3.1 (Beschreibung siehe oben) vergleichend dargestellt.<br />
Insgesamt zeigt sich, dass die Güte des Schlafes in allen Kontrollnächten von den<br />
Studienteilnehmern positiver eingeschätzt wurde als in den Lärmnächten.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 36
3.2. MORGENTESTUNG: Schläfrigkeit<br />
Im Rahmen der Morgentestung wurde die Schläfrigkeit der Probanden auf objektiver und<br />
subjektiver Ebene erhoben. Dazu wurde der Pupillographische Schläfrigkeitstest (PST) als<br />
objektives, physiologisches Verfahren eingesetzt. Mittels zweier Selbstbeurteilungsfragebögen<br />
wurde die subjektiv empfundene Schläfrigkeit bestimmt.<br />
3.2.1 Physiologische Schläfrigkeit: Pupillographie<br />
Bei dem Pupillographischen Schläfrigkeitstests (PST) werden die spontanen die<br />
Pupillenoszillationen unter Dunkelbedingungen aufgezeichnet und der so genannte<br />
Pupillenunruheindex (PUI) ermittelt, der als objektives Maß zur Erfassung von Schläfrigkeit gilt.<br />
Ein hoher Pupillenschwankungsindex weist auf erhöhte physiologische Schläfrigkeit hin (vgl.<br />
Anhang III). Am Morgen nach den Kontrollnächten lag der mittlere Pupillenschwankungsindex bei<br />
4.9 mm/min (SD = 1.35 mm/min). Nach den Nächten mit Autobahngeräuschen wurde ebenfalls ein<br />
durchschnittlicher PUI von 4.9 mm/min (SD = 1.50 mm/min) gemessen. Beim statistischen<br />
Vergleich von Kontroll- und Lärmbedingung war kein signifikanter Unterschied bezüglich der<br />
müdigkeitsbedingten Oszillationen der Pupille festzustellen (Z = -.255; p = .799)<br />
Im Pupillographischen Schläfrigkeitstest ließen sich am Morgen keine signifikanten<br />
Unterschiede zwischen Lärm- und Kontrollbedingung feststellen.<br />
3.2.2 Subjektive Schläfrigkeit: Selbstbeurteilungsfragebögen<br />
Um die morgendliche Schläfrigkeit subjektiv zu erfassen, wurden zwei<br />
Selbstbeurteilungsfragebögen herangezogen: Die Stanford Sleepiness Scale (SSS) und die<br />
Tiredness Symptoms Scale (TSS).<br />
Stanford Sleepiness Scale (SSS)<br />
Bei der SSS wird die subjektiv empfundene, momentane Müdigkeit auf einer sieben-stufigen Skala<br />
eingeschätzt. Je niedriger der angegebene Wert ist, desto geringer wird die eigene Müdigkeit<br />
wahrgenommen (vgl. Anhang III). Nach den leisen Nächten wurde die Schläfrigkeit mit<br />
durchschnittlichen 1.7 Punkten (SD = .79) eingeschätzt. Nach den Lärmnächten lag der<br />
durchschnittliche SSS-Score bei 1.8 Punkten (SD = .79). Im statistischen Vergleich dieser<br />
Mittelwerte zeigte sich kein signifikanter Unterschied der morgendlichen subjektiven Müdigkeit<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 37
zwischen den experimentellen Bedingungen (Z = -.085; p = .932 ). Bedenkt man, dass bei der<br />
Stanford Schläfrigkeitsskala ein Maximalwert von sieben Punkten angegeben werden kann, wird<br />
deutlich, dass die Probanden ihre Müdigkeit auch unabhängig von der experimentellen Bedingung<br />
(M = 1.7; SD = 0.78; Min = 1; Max = 4) äußerst niedrig einstuften. In Abbildung 3.7 werden die<br />
geringen Unterschiede der subjektiven Müdigkeit zwischen Kontroll- und Lärmbedingung<br />
veranschaulicht.<br />
Mittlerer SSS-Score (±SE)<br />
7.0<br />
6.0<br />
5.0<br />
4.0<br />
3.0<br />
2.0<br />
1.0<br />
0.0<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
1. Tag 2. Tag 3. Tag Mittelwert der<br />
Testtage<br />
3 Tage<br />
Abbildung 3.7: Bedingungsvergleich der subjektiven Müdigkeit am Morgen erhoben<br />
durch die Stanford Sleepiness Scale (SSS)<br />
Tiredness Symptoms Scale (TSS)<br />
In der Tiredness Symtom Scale (TSS) werden 14 klassische physische und psychische<br />
Müdigkeitssymptome abgefragt. Der TSS-Gesamtscore leitet sich aus der Anzahl von<br />
Zustimmungen ab, wobei eine hohe Gesamtsumme auf eine hohe subjektive Müdigkeit schließen<br />
lässt (vgl. Anhang III). Nach den leisen Nächten traten bei den LKW-Fahrern im Mittel .7 (SD = 1.2)<br />
Müdigkeitsanzeichen auf. Unter Akustikeinspielung lag der durchschnittliche TSS-Gesamtscore bei<br />
.95 Punkten (SD = 1.8). Ein statistischer Vergleich der Mittelwerte erbrachte keine signifikanten<br />
Bedingungsunterschiede bei der Anzahl der am Morgen auftretenden Müdigkeitssymptome (Z = -<br />
1.084; p = .279). Entsprechend der allgemein niedrigen Müdigkeitseinschätzung mit der Stanford<br />
Schläfrigkeitsskala, waren bei den Probanden am Morgen bedingungsunabhängig nur .8 (SD =<br />
1.5; Min = 0; Max = 5) von maximal 14 Müdigkeitsanzeichen vorhanden.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 38
Am Morgen bewerteten die LKW-Fahrer ihre subjektive Schläfrigkeit in zwei<br />
unterschiedlichen Messverfahren (SSS und TSS) als sehr gering, unabhängig davon, ob<br />
sie ruhige oder laute Nächte hinter sich hatten.<br />
3.3. MITTAGSTESTUNG: Schläfrigkeit und<br />
Aufmerksamkeitsleistung<br />
Bei der großen Testbatterie am Mittag wurde ein zweites Mal die physiologische Schläfrigkeit der<br />
Versuchsteilnehmer mittels einer Pupillographie aufgezeichnet. Neben der subjektiven Müdigkeit,<br />
die anhand zweier Selbstbeurteilungsfragebögen erhoben wurde, wurde auch das<br />
aufmerksamkeitsassoziierte Leistungsvermögen der LKW-Fahrer in Form zweier Reaktionstests<br />
gemessen. Um das Auftreten eines Mittagstiefs zu überprüfen, wurden sowohl bei den<br />
physiologischen Müdigkeitskorrelaten der Pupillographie als auch bei den subjektiven<br />
Müdigkeitseinschätzungen eventuelle Unterschiede zwischen Morgen- und Mittagstestung<br />
bestimmt.<br />
3.3.1 Physiologische Schläfrigkeit: Pupillographie<br />
Analog zur Morgentestung diente der mittlere Pupillenunruhe-Index (PUI) des<br />
Pupillographischen Schläfrigkeitstests (PST) auch in der großen Mittagstestbatterie als<br />
objektives Maß zur Bestimmung der Schläfrigkeit der Probanden. Ein hoher Schwankungswert<br />
deutet auf erhöhte physiologische Einschlafneigung hin (vgl. Anhang III). Nach den leisen Nächten<br />
war der Index der müdigkeitsbedingten Pupillenschwankungen am Mittag mit einem<br />
durchschnittlichen Wert von 6.2 mm/min (SD = 2.56 mm/min) etwas höher als nach den Nächten<br />
mit Autobahngeräuschen (M = 6.0 mm/min; SD = 1.88 mm/min). Ein statistischer Vergleich der<br />
durchschnittlichen Pupillenschwankungen am Mittag ergab jedoch keinen signifikanten<br />
Unterschied zwischen Kontroll- und Lärmbedingung (Z = -.051; p = .959).<br />
Um festzustellen, ob ein Mittagstief vorlag, wurden innerhalb beider Bedingungen die PUI-<br />
Mittelwerte der Morgen- und der Mittagstestung verglichen. Nach den leisen Kontrollnächten war<br />
der durchschnittliche PUI am Morgen (M = 4.9 mm/min; SD = 1.39 mm/min) signifikant (Z = -<br />
2.191; p = .028) niedriger als in der Mittagstestung (M = 6.2 mm/min; SD = 2.55 mm/min). Auch in<br />
der Lärmbedingung war der morgendliche PUI (M = 5.0 mm/min; SD = 1.50 mm/min) im Mittel<br />
signifikant geringer als der gemittelte PUI der Testbatterie am Mittag (Z = -2.395; p = .017). In<br />
Abbildung 3.8 sind die Gesamtmittelwerte der Pupilenunruhe-Indices (PUI) beider Testbatterien<br />
nochmals bedingungsvergleichend gegenübergestellt. Das Mittagstief sowie die fehlenden<br />
Bedingungsunterschiede sind deutlich zu erkennen.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 39
Mittlerer PUI in mm/min (±SE)<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
p= .028<br />
p= .017<br />
Morgentestung Mittagstestung<br />
Abbildung 3.8: Vergleich der mittleren Pupillenunruheindices (PUIs) zwischen den<br />
Experimentalbedingungen sowie zwischen Morgen- und Mittagstestung<br />
Insgesamt traten in der Mittagstestung signifikant stärkere schläfrigkeitsbedingte<br />
Pupillenschwankungen als in der Morgentestung auf. Auf physiologischer Ebene lässt sich<br />
also statistisch ein Mittagstief nachweisen, das allerdings unabhängig von der<br />
Experimentalbedingung in der Kontroll- und Lärmbedingung in gleicher Weise auftrat.<br />
3.3.2 Objektive aufmerksamkeitsbedingte Leistungsfähigkeit<br />
In der großen Testbatterie am Mittag wurde neben der physiologischen und der subjektiven<br />
Schläfrigkeit das aufmerksamkeitsbedingte Leistungsvermögen objektiv anhand zweier<br />
Reaktionstests erhoben. Während ein Vigilanztest zur Erfassung der<br />
Daueraufmerksamkeitsleistung unter monotonen Bedingungen diente, wurden mittels eines<br />
Mehrfachreiz-Mehrfachreaktionstests die reaktive Belastbarkeit und die geteilte Aufmerksamkeit<br />
getestet.<br />
Vigilanztest nach Quatember & Maly<br />
Der Vigilanztest nach Quatember & Maly stellt ein computergestütztes Verfahren dar, das die<br />
Daueraufmerksamkeitsleistung unter monotonen Bedingungen mit moderater Reizdichte erfasst<br />
(vgl. Anhang III). Um Kontroll- und Lärmbedingung statistisch zu vergleichen, wurden drei<br />
Testparameter ausgewählt: die Reaktionszeit, die Anzahl der Auslassungen und die Anzahl der<br />
falsch positiven Reaktionen. In Tabelle 3.2 sind die Ergebnisse des statistischen<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 40
Mittewertevergleichs der Reaktionszeiten und der beiden möglichen Fehlreaktionen zunächst im<br />
Überblick dargestellt.<br />
Tabelle 3.2: Bedingungsvergleich der Testparameter des Vigilanztests nach Quatember & Maly<br />
Mittlere Reaktionszeit. Die Reaktionszeiten auf den kritischen Stimulus waren zwischen<br />
Kontrollbedingung (M = .47 sec; SD= .06 sec) und Lärmbedingung (M = .47 sec; SD= .07 sec)<br />
nahezu identisch. So wurden auch beim statistischen Vergleichstest keine signifikanten<br />
Abweichungen zwischen den experimentellen Bedingungen festgestellt (Z = .000; p = 1.000).<br />
Mittlere Anzahl der falsch positiven Reaktionen. Drückt ein Proband die Reaktionstaste bei<br />
nicht vorhandenem kritischen Reiz, wird eine falsch positive Reaktion registriert. Während in der<br />
Kontrollbedingung durchschnittlich 2.5 (SD = 2.12) falsch positive Reaktionen verzeichnet wurden,<br />
ließen sich nach den Nächten mit Autobahngeräuschen im Mittel 2.4 (SD = 2.2) falsche<br />
Reaktionen feststellen. Mit einem Z-Wert von -0.613 und einem p-Wert von 0.540 ließ sich kein<br />
statistisch signifikanter experimenteller Unterschied nachweisen.<br />
Mittlere Anzahl der Auslassungen (±SE)<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
VIGIL<br />
Kontrollbedingung<br />
M SD<br />
Lärmbedingung<br />
M SD<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
MO DI MI DO FR SA<br />
Wochentag<br />
Abbildung 3.9: Anzahl der Auslassungen beim Vigilanztest im Wochenverlauf<br />
p-Wert<br />
Reaktionszeiten (in sec) .47 .06 .47 .07 .000 1.000<br />
Auslassungen 2.28 2.21 3.60 5.45 -.975 .330<br />
Falsch positive<br />
Reaktionen<br />
2.53 2.12 2.35 2.20 -.613 .540<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 41
Mittlere Anzahl der Auslassungen. Die Anzahl ausgelassener Reize beim VIGIL nach<br />
Quatember & Maly dient laut Popp & Geisler (2004) als sensitives Maß für schläfrigkeitsbedingte<br />
Leistungsminderungen. Nach den Kontrollnächten wurden bei den Probanden mit einem<br />
Mittelwert von 2.3 (SD = 2.2) weniger Auslassungsfehler verzeichnet als nach den Nächten mit<br />
Geräuscheinspielung (M = 3.6; SD= 5.5). Eine Vergleichsanalyse ergab zwar keinen statistisch<br />
signifikanten Bedingungsunterschied (Z = -0.975; p= 0.330), allerdings ließ sich eine mittlere<br />
Effektgröße von .5 berechnen. In Abbildung 3. 9 ist der Wochenverlauf der Anzahl der Auslassungen<br />
dargestellt.<br />
In Abbildung 3.10 findet sich ein Bedingungsvergleich der Anzahl beider Fehlreaktionen, die beim<br />
Vigilanztest nach Quatember & Maly auftreten können: Auslassungen und falsch positive<br />
Reaktionen.<br />
Mittlere Anzahl der Fehlreaktionen (±SE)<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
.5 Effektfgröße<br />
Auslassungen Falsch positive Reaktionen<br />
Abbildung 3.11: Bedingungsvergleich der Gesamtmittelwerte der Anzahl der Auslassungen<br />
und Fehlreaktionen beim Vigilanztest nach Quatember & Maly (Mackworth-Clock)<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die LKW-Fahrer nach Lärmnächten mehr<br />
Auslassungsfehler in einem monotonen Daueraufmerksamkeitstest während der Mittagszeit<br />
machten als nach ruhigen Nächten, wobei vor allem Auslassungen (lapses) als ein<br />
sensitives Maß für schläfrigkeitsbedingte Leistungseinbußen gelten.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 42
Determinationstests (DT)<br />
Um die reaktive Belastbarkeit und die geteilte Aufmerksamkeit zu testen, wurde die Hannoversche<br />
Version des Determinationstests (DT) durchgeführt. Bei diesem 10-minütigen Mehrfachreiz-<br />
Mehrfachreaktionsversuch erscheinen in hoher Reizdichte verschiedene akustische und visuelle<br />
Stimuli, auf die mit unterschiedlichen motorischen Antworten reagiert werden muss. Die<br />
verwendete Hannoversche Form des Determinationstests besteht aus den zwei Durchgängen,<br />
Modus Actio und Modus Reactio, die sich in der Art der Reizabfolge unterscheiden (vgl. Anhang<br />
III).<br />
Modus Actio<br />
Beim „freien“ Modus Actio bestimmt der Proband die Erscheinungsgeschwindigkeit der einzelnen<br />
Stimuli. Zur Auswertung wurden die drei Testparameter, Reaktionszeit, die Anzahl richtiger<br />
Reaktionen und die Anzahl der Fehlreaktionen herangezogen. In Tabelle 3.3 findet sich eine<br />
Übersicht der statistischen Vergleichsanalyse der ausgewählten Testparameter des Modus Actio.<br />
Tabelle 3.3: Bedingungsvergleich der Testparameter des Modus Actio der Hannoverschen<br />
Version des Determinationstests<br />
Determinationstest:<br />
Modus Actio<br />
Kontrollbedingung<br />
p-Wert<br />
Reaktionszeiten (in sec) .83 .13 .86 .24 -.204 .838<br />
Fehlreaktionen 12.5 14.2 14.2 16.6 -1.682 .093<br />
Richtige Reaktionen 350.1 50.6 357.8 41.1 -.561 .575<br />
Mittlere Reaktionszeit. Nach den leisen Kontrollnächten betrug die Reaktionszeit der LKW-Fahrer<br />
im Mittel 0.83 sec (SD = 0.13 sec). Durchschnittliche 0.86 sec (SD = 0.24 sec) wurden nach den<br />
Lärmnächten gemessen. Beim statistischen Vergleich dieser Mittelwerte konnte kein signifikanter<br />
Unterschied zwischen den experimentellen Bedingungen festgestellt werden (Z = -.204; p =<br />
0.838).<br />
Mittlere Anzahl der Fehlreaktionen. Bei der Anzahl der falschen Reaktionen im Modus Actio<br />
konnte auf einem α-Niveau von .01 ein signifikanter Effekt des Lärms nachgewiesen werden (Z = -<br />
1.682; p = .093). Nach den Kontrollnächten unterliefen den Probanden bei einem Mittelwert von<br />
12.5 (SD = 14.2) weniger Fehler als nach den Nächten mit Geräuscheinspielung 14.2 (SD = 16.6).<br />
In Abbildung 3.12 ist ein Bedingungsvergleich nach dem Schema von Abbildung 3.1 dargestellt,<br />
worin die experimentellen Unterschiede deutlich sichtbar sind. Da in die Mittelwerte des ersten<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 43
Testtages nur jeweils die Hälfte der Daten mit eingehen, fällt die hohe Anzahl von Fehlreaktionen<br />
in der Kontrollbedingung statistisch nicht stark ins Gewicht.<br />
Mittlere Anzahl der Fehlreaktionen (±SE)<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
p = .098<br />
1. Tag 2. Tag 3. Tag Mittelwert der<br />
Testtage<br />
3 Tage<br />
Abbildung 3.12: Bedingungsvergleich der Fehlreaktionen beim Modus Actio<br />
des Determinationstests (DT)<br />
Mittlere Anzahl der richtigen Reaktionen. Während die Probanden in der Kontrollbedingung<br />
durchschnittlich 350.1 richtige Reaktionen (SD = 50.6) verzeichnen konnten, wurde in der<br />
Lärmbedingung im Mittel 357.8 (SD = 41.10) mal korrekt reagiert. Mit einem Z-Wert von -.561 und<br />
einem p-Wert von .575 zeigten sich keine deutlichen experimentellen Abweichungen.<br />
Modus Reactio<br />
Beim Modus Reactio des Determinationstests erfolgt die Präsentationsgeschwindigkeit der Reize<br />
unabhängig von der Schnelligkeit des Versuchsteilnehmers, weswegen bei dieser Testvariante<br />
weitere Parameter aufgezeichnet werden können. Neben der Reaktionszeit, der Anzahl der<br />
richtigen Reaktionen und der Fehlreaktionen werden beim Modus Reactio auch die Anzahl der<br />
verspäteten und zeitgerechten Reaktionen sowie der Auslassungen erhoben und in die<br />
Auswertung mit einbezogen. Tabelle 3.4 bietet einen Überblick der Ergebnisse des statistischen<br />
Mittelwertevergleichs der Testparameter des Modus Reactio.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 44
Tabelle 3.4: Bedingungsvergleich der Testparameter des Modus Reactio vom Determinationstest<br />
Determinationstest:<br />
Modus Actio<br />
Kontrollbedingung<br />
M SD<br />
Lärmbedingung<br />
M SD<br />
Z-Werte<br />
p-Wert<br />
Reaktionszeiten (in sec) .83 .13 .86 .24 -.204 .838<br />
Fehlreaktionen 12.5 14.2 14.3 16.6 -1.682 .093<br />
Richtige Reaktionen 350.1 50.6 357.8 41.1 -.561 .575<br />
Mittlere Reaktionszeit. Die Reaktionszeiten beim Modus Reactio des Determinationstests<br />
unterschieden sich kaum zwischen Kontrollbedingung (M = .66 sec; SD = .13 sec) und<br />
Lärmbedingung (M = .66 sec; SD = .1 sec). Auch eine statistische Vergleichsanalyse ergab keinen<br />
nennenswerten Bedingungsunterschied (Z = -.102; p = .919).<br />
Mittlere Anzahl der Auslassungen. Nach den Kontrollnächten wurden durchschnittlich 26.4 (SD<br />
= 37.1) ausgelassene Reaktionen aufgezeichnet. Nach den Nächten mit Autobahngeräuschen<br />
unterliefen den Versuchsteilnehmern im Durchschnitt 26.4 Auslassungsfehler (SD = 25.4).<br />
Beim statistischen Vergleich zeigte sich kein signifikanter Effekt der experimentellen Manipulation<br />
(Z = -.051; p = .959).<br />
Mittlere Anzahl der verspäteten Reaktionen. Bei der Anzahl der verspäteten Reaktionen konnte<br />
keine statistisch signifikante Abweichung der Mittelwerte von Kontroll- und Lärmbedingung<br />
festgestellt werden (Z = -0.255, p = 0.799). Während die Probanden nach den Kontrollnächten im<br />
Mittel 37.1 (SD = 29.0) mal zu spät reagierten, wurden nach den lauten Nächten mit<br />
Geräuscheinspielung durchschnittlich 34.6 (SD = 21.7) verspätete Reaktionen aufgezeichnet.<br />
Mittlere Anzahl der Fehlreaktionen. In der Kontrollbedingung unterliefen den LKW-Fahrern im<br />
Durchschnitt 15.5 (SD = 15.2) Fehler. Nach den Lärmnächten waren mittlere 17.8 (SD = 17.0)<br />
Fehlreaktionen zu verzeichnen. Ein statistischer Vergleich der Anzahl der falschen Reaktionen<br />
erbrachte keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Bedingungen (Z = -0.415; p =<br />
.678).<br />
In Abbildung 3.13 sind die Mittelwerte aller Testparameter, die eine falsche Reizantwort darstellen,<br />
zusammenfassend im Bedingungsvergleich dargestellt.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 45
Mittlere Fehleranzahl (±SE)<br />
50<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
Ausgelassene Reaktionen Verspätete Reaktionen Fehlreaktionen<br />
Abbildung 3.13: Bedingungsvergleich der Auslassungen, verspäteten Reaktionen und<br />
Fehlreaktionen im Modus Reactio des Determinationsstest (DT)<br />
Mittlere Anzahl der zeitgerechten Reaktionen. Bei den zeitgerechten Reaktionen wurde in der<br />
Kontrollbedingung ein Durchschnittswert von 171.5 (SD = 52.3) registriert. Nach den<br />
Nächten mit Autobahngeräuschen reagierten die Probanden im Mittel 173.6 (SD = 43.8) mal<br />
rechtzeitig. Mit einem Z-Wert von -0.255 und einem p-Wert von .799 ergab sich beim statistischen<br />
Test kein signifikanter Unterschied zwischen Kontroll- und Lärmbedingung.<br />
Mittlere Anzahl der richtigen Reaktionen. Nach den Kontrollnächten wurden im Mittel 212.0 (SD<br />
= 41.3) richtige Reaktionen gemessen. Nach den Lärmnächten lag deren Durchschnittswert bei<br />
208.2 (SD = 28.8). Statistisch zeigte sich allerdings kein Effekt des Lärms auf die Anzahl der<br />
richtigen Reaktionen (Z = -0.357; SD = 0.721). Abbildung 3.14 zeigt einen<br />
bedingungsvergleichenden Überblick der Gesamtmittelwerte korrekter Reaktionen beim<br />
Determinationstest.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 46
Mittlere Anzahl korrekter Reaktionen (±SE)<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
Zeitgerechte Reaktionen Richtige Reaktionen<br />
Abbildung 3.14: Bedingungsvergleich der zeitgerechten und richtigen Reaktionen im<br />
Modus Reactio des Determinationstests (DT)<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bei einem Großteil der Testparameter des<br />
Determinationstests, bei dem die reaktive Belastbarkeit und die geteilte Aufmerksamkeit<br />
unter hoher Reizdichte geprüft wird, keine statistisch signifikanten Abweichungen zwischen<br />
den experimentellen Bedingungen auftraten. Lediglich im Modus Actio konnte nach den<br />
Lärmnächten eine signifikante Erhöhung der Anzahl von falschen Reaktionen verglichen<br />
mit den Kontrollnächten beobachtet werden.<br />
3.3.3 Subjektive Schläfrigkeit: Selbstbeurteilungsfragebögen<br />
Wie schon in der Morgentestung wurden die Probanden auch mittags gebeten, ihre momentane<br />
Müdigkeit mittels der zwei Selbstbeurteilungsfragebögen, Stanford Sleepiness Scale (SSS) und die<br />
Tiredness Symptoms Scale (TSS), einzuschätzen (vgl. Anhang III). Um zu bestimmen, ob es im<br />
Laufe des 90-minütigen Testprocedere zu intraindividuellen Veränderungen, wie z.B. einer<br />
Ermüdung kommt, wurden beide Fragebögen sowohl am Anfang als auch am Ende der großen<br />
Mittagstestbatterie eingesetzt. Darüber hinaus wurden beide Schläfrigkeitseinschätzungen am<br />
Mittag mit den in der Morgentestung erhobenen Werten verglichen, um Veränderungen im<br />
Testverlauf bzw. ein Mittagstief auf subjektiver Ebene feststellen zu können.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 47
Stanford Sleepiness Scale (SSS)<br />
Anhand dieser 7-stufigen Skala hatten die Probanden zu Beginn der Mittagstestung, ihre montane<br />
Müdigkeit zu bestimmen (vgl. Anhang III). So wurde nach den Kontrollnächten anfangs ein<br />
durchschnittlicher SSS-Score von 1.4 (SD = .47) angegeben. Nach den Nächten mit<br />
Autobahngeräuschen schätzten die LKW-Fahrer ihre eigene Schläfrigkeit zu Testungsbeginn im<br />
Durchschnitt mit einem Wert von 1.5 (SD = .65) ein. Im statistischen Vergleich konnten keine<br />
deutlichen Unterschiede zwischen den Mittelwerten beider experimenteller Bedingungen<br />
nachgewiesen werden (Z = -.595; p = .552). Am Ende des mittäglichen Testprocedere lagen die in<br />
der Schläfrigkeitsskala angegebenen durchschnittlichen Gesamtwerte in der Kontrollbedingung bei<br />
1.7 (SD = .53). Nach den Nächten mit Lärmeinspielung wurde die eigene Müdigkeit mit einem<br />
mittleren Wert von 1.7 (SD = .41) eingestuft. Bei der statistischen Vergleichsanalyse ergab sich<br />
kein signifikanter Bedingungsunterschied bei der subjektiven Müdigkeit am Ende der<br />
Mittagstestung (Z = -.420; p = .674).<br />
Um festzustellen, ob während der Mittagstestbatterie intraindividuelle Veränderungen auftraten,<br />
wurden für beide Bedingungen die gemittelten Werte der SSS-Werte am Anfang und am Ende<br />
statistisch verglichen. Bei diesem Vergleich konnte innerhalb der Kontrollbedingung ein<br />
signifikanter Unterschied zwischen den Erhebungszeitpunkten beobachtet werden (Z = -2.03; p =<br />
.042). So schätzten sich die Probanden zu Beginn der Mittagstestung deutlich weniger müde ein<br />
(M = 1.4; SD = .47) als am Ende dieser großen Testbatterie (M = 1.7; SD = .53). Nach den<br />
Lärmnächten fiel die Differenz der durchschnittlichen SSS-Scores zwischen den Testzeitpunkten<br />
am Anfang (M = 1.5; SD = .65) und am Ende (M = 1.7; SD = 1.5) wesentlich geringer aus. Auch im<br />
statischen Mittelwertsvergleich konnten keine signifikanten Unterschiede der subjektiven<br />
Müdigkeitseinschätzungen zwischen den Erhebungszeitpunkten verzeichnet werden (Z = -.962; p<br />
= .336).<br />
Des Weiteren wurden nun in beiden Bedingungen die durchschnittlichen SSS-Scores der<br />
Morgentestung mit denen zu Beginn und auch am Ende der Mittagstestung verglichen, um<br />
festzustellen, ob ein Mittagstief bei der subjektiven Einschätzung der Müdigkeit vorliegt. Zunächst<br />
wurde für die Kontrollbedingung der mittlere Gesamtscore der Morgentestung (M = 1.7; SD = .80)<br />
mit den beiden Scores der Mittagstestung verglichen. Hier traten weder beim Vergleich mit dem<br />
Durchschnittsscore zu Beginn der Mittagstestung (M = 1.4; SD = .47; Z = -1.378; p= .168), noch<br />
beim Vergleich mit dem SSS-Wert am Ende (M = 1.7; SD = .53; Z = -.987; p = .323) signifikante<br />
Unterschiede zwischen den Erhebungszeitpunkten auf. Auch nach den Nächten mit<br />
Lärmeinspielung unterschied sich der durchschnittliche SSS-Score am Morgen (M = 1.8; p = .790)<br />
nicht signifikant von dem am Anfang der Mittagstestung erhobenen Wert (M = 1.5; SD = .65; Z = -<br />
1.476; p= .140). Beim statistischen Vergleich der subjektiven Müdigkeit am Morgen (M = 1.8; p =<br />
.790) und am Ende der mittäglichen Testung (M = 1.7; SD = 1.5) konnten ebenfalls keine<br />
signifikanten Unterschiede nachgewiesen werden (Z = -.511, p = .610). Insgesamt war die<br />
subjektive Einschätzung der eigenen Schläfrigkeit zu den drei verschiedenen<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 48
Erhebungszeitpunkten sowohl in der Kontroll- als auch in der Lärmbedingung vergleichbar, obwohl<br />
auf physiologischer Ebene in beiden experimentellen Bedingungen signifikante Unterschiede<br />
zwischen Morgen- und Mittagstestung auftraten. Allerdings wurde die subjektive Müdigkeit anhand<br />
der SSS auch in der Mittagstestung im Anbetracht der 7 zur Auswahl stehenden Stufen mit den<br />
bedingungsunabhängigen Gesamtscores von 1.4 (SD = .55) zu Beginn und 1.7 (SD = .46) am<br />
Ende sehr niedrig eingeschätzt. In Abbildung 3.14 sind die Mittelwerte der SSS an sämtlichen<br />
Testzeitpunkten nochmals im Bedingungsvergleich gegenübergestellt.<br />
Mittlerer SSS-Score (±SE)<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Morgentestung Mittagstestung<br />
Testungsbeginn Testungsbeginn Testungsende<br />
Testzeitpunkt<br />
p= .042<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
Abbildung 3. 14: Vergleich der Bedingungen und Testzeitpunkte der durchschnittlichen SSS-<br />
Scores der Morgentestung und zu Beginn und am Ende der Mittagstestung<br />
Tiredness Symptoms Scale (TSS)<br />
Mittels der Tiredness Symptoms Scale (TSS) wurde das Auftreten von 14 ausgewählten<br />
Müdigkeitssymptomen bei den Probanden abgefragt (vgl. Anhang III). Nach den leisen Nächten<br />
trafen bei den LKW-Fahrern am Anfang der Mittagstestung im Durchschnitt .1 (SD = .2) der 14<br />
Schläfrigkeitsanzeichen zu. In der Lärmbedingung lag der mittlere TSS-Wert bei .4 (SD = .5). Ein<br />
statistischer Vergleich dieser Mittewerte ergab keinen wesentlichen Unterschied zwischen den<br />
beiden experimentellen Bedingungen (Z = -.946; p = .344). Nach dem Testprocedere am Mittag<br />
betrug der durchschnittliche TSS-Score in der Kontrollbedingung .6 (SD = .7). Nach den lauten<br />
Nächten mit Autobahngeräuschen traten bei den Versuchsteilnehmern am Testungsende im Mittel<br />
.6 (SD = .8) Müdigkeitssymptome auf. Mit einem Z-Wert von -.135 und einem p-Wert von .893<br />
konnte auch am Ende der Mittagstestung keine signifikante Abweichung des TSS-Scores aufgrund<br />
der experimentellen Manipulation festgestellt werden.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 49
Darüber hinaus wurden nun für jede Bedingung die Mittelwertwerte der Müdigkeitsskala zu Beginn<br />
und am Ende der Mittagstestung statistisch gegenübergestellt. Innerhalb der Kontrollbedingung<br />
wurde die eigene, momentane Schläfrigkeit am Ende mit einem Durchschnitts-Score von .6 (SD =<br />
.7) etwas höher eingeschätzt als zu Beginn der Mittagstestung (M = .1; SD = .2). So konnte mittels<br />
einer statistischen Vergleichsanalyse nach den Kontrollnächten, analog zu den erhobenen SSS-<br />
Werten, auch bei den subjektiven Müdigkeitseinschätzungen anhand der TSS ein signifikanter<br />
Unterschied zwischen den Erhebungszeitpunkten nachgewiesen werden (Z = -2.032; p = .042).<br />
Nach den Nächten mit Lärmeinspielung zeigten sich dagegen keine signifikanten Abweichungen<br />
der mittleren TSS-Werte an den beiden Durchführungszeitpunkten (Z = -1.105; p = .269). Die<br />
durchschnittliche Anzahl der Müdigkeitssymptome zu Beginn (M = .4; SD = .5) und am Ende (M =<br />
.6; SD = .8) der Testbatterie am Mittag war innerhalb der Lärmbedingung durchaus vergleichbar.<br />
Daraufhin wurde der mittlere TSS-Score der morgendlichen Testung den beiden Werten am<br />
Anfang als auch am Ende der Mittagstestung gegenübergestellt. So war in der Kontrollbedingung<br />
die durchschnittliche Anzahl der Müdigkeitssymptome am Morgen (M = .7; SD = 1.2) nicht<br />
signifikant von der zu Beginn der Mittagstestung angegebenen Anzahl (M = .1; SD = .2) zu<br />
unterscheiden (Z = -1.518; p = .129). Der durchschnittliche TSS-Wert zur subjektive<br />
Müdigkeitseinschätzung am Ende der Mittagstestung war niedriger und lag bei .6 (SD = .7). Somit<br />
waren auch hier im statistischen Vergleich keine deutlichen Abweichungen zwischen den<br />
Testzeitpunkten am Morgen und am Mittag innerhalb der Kontrollbedingung fest zustellen (Z = -<br />
.405; p = .686). In der Lärmbedingung unterschieden sich ebenfalls weder der mittlere TSS-Score<br />
zu Beginn (M = .4; SD = .5) noch am Ende (M = .6; SD = .8) signifikant von dem während der<br />
Morgentestung erhobenen Wert (M = .7; SD= 1.2) (Vergleich mit Testungsbeginn: Z = -1.095; p =<br />
.273; Vergleich mit Testungsende: Z =-.736; p = .461). Dennoch sollte auch bei der Betrachtung<br />
der Ergebnisse der Anzahl der Müdigkeitssymptome darauf hingewiesen werden, dass die<br />
Probanden unabhängig von Kontroll- oder Lärmbedingung im Gesamtdurchschnitt nur .3 (SD = .4)<br />
zu Beginn und .6 (SD = .8) am Ende von insgesamt 14 zur Auswahl stehenden<br />
Schläfrigkeitssymptomen angaben. In Abbildung 3.15 ist -analog zur Abbildung 3.14- ein Überblick<br />
über alle gemittelten TSS-Scores zu sehen, wobei gleichzeitig die experimentellen Bedingungen<br />
verglichen werden.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 50
Mittlerer TSS-Score (±SE)<br />
5,0<br />
4,5<br />
4,0<br />
3,5<br />
3,0<br />
2,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
0,0<br />
Morgentestun Mittagstestung<br />
Testungsbeginn Testungsbeginn Testungsende<br />
Testzeitpunkt<br />
p = .042<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
Abbildung 3.15: Vergleich der Bedingungen und Testzeitpunkte der durchschnittlichen TSS-<br />
Scores der Morgentestung, sowie zu Beginn und am Ende der Mittagstestung<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen, das die LKW-Fahrer ihre subjektive Schläfrigkeit<br />
am Mittag insgesamt als sehr gering einstuften. Die zeigte sich in zwei verschiedenen<br />
Messverfahren (SSS und TSS). Allerdings ließ sich am Ende der ca. 1 stündigen<br />
Testbatterie eine moderate, aber signifikante Zunahme der Schläfrigkeit in beiden<br />
Testverfahren feststellen. Die experimentelle Bedingung (Lärm- vs. Kontrollnächte) hatte<br />
keine signifikante Auswirkung auf den Grad der subjektiv empfundenen Schläfrigkeit.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 51
3.4. TAGESVERLAUF: Schläfrigkeit sowie<br />
Aufmerksamkeits- und Fahrleistung<br />
Als Erweiterung zur Vorgängerstudie wurden bei diesem Projekt die Schläfrigkeit, die Befindlichkeit<br />
und auch das Leistungsvermögen der LKW-Fahrer über den ganzen Tag hinweg überwacht. Dazu<br />
wurde zum einem die physiologische Schläfrigkeit ganztags mit einem Wach-EEG erfasst. Zum<br />
anderen wurden während den beiden Touren am Vormittag und am Nachmittag Fahrdaten zur<br />
Messung der Fahrleistung aufgezeichnet. Des Weiteren wurden etwa alle zwei Stunden von den<br />
Fahrern in Eigenregie „Kurztests“ zur Erfassung des objektiven Leistungsvermögens anhand eines<br />
Reaktionstests und zur Einschätzung der subjektiven Schläfrigkeit mittels eines Selbstbeurteilungsbogens,<br />
durchgeführt.<br />
3.4.1 Physiologische Schläfrigkeit: Wach-EEG<br />
Zur Auswertung des Wach EEGs wurde der durchschnittliche Müdigkeitsquotient während der<br />
Fahrtzeiten für jeden LKW-Fahrer herangezogen (Berechnung vgl. Anhang III). In Abbildung 3.16<br />
(linke Seite) wird exemplarisch dargestellt, wie anhand der Verlaufsgrafik der Müdigkeitsindices<br />
einer Testfahrt von einer Versuchsperson die kritischen Müdigkeitsindices ermittelt wurden, die in<br />
die Berechnung des Müdigkeitsquotienten mit eingehen.<br />
Mittlerer Mittlere Müdigkeitsquotient (± SE)<br />
1,40<br />
1,20<br />
1,00<br />
0,80<br />
0,60<br />
0,40<br />
0,20<br />
0,00<br />
Müdigkeitsquotienten<br />
Kontrollbedingung<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
p = .14 / ES =.3<br />
1. Tag 2. Tag 3. Tag Mittelwert der<br />
Testtage<br />
3 Tage<br />
Abbildung 3.16: Exemplarische Berechnung des Wach-EEG-Müdigkeitsquotienten für eine Fahrt<br />
(linke Seite) und Vergleich der Bedingungen für die gemittelten 3 Tage<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 52
Auf der rechten Seite der Grafik sind die Mittelwertsunterschiede der Müdigkeitsquotienten grafisch<br />
veranschaulicht. Nach den Kontrollnächten war der durchschnittliche Müdigkeitsindex mit einem<br />
Wert von .69 (SD = .65) etwas geringer als nach den Nächten mit Lärmeinspielung (M =. 82; SD =<br />
.37). Im statistischen Vergleich zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den<br />
Experimentalbedingungen (Z = -1.481; p =. 139). Insgesamt lässt sich allerdings eine kleine<br />
Effektstärke (.30) statistisch nachweisen.<br />
3.4.2 Vigilanzbedingte Leistungsfähigkeit<br />
Palm-Psychomotorischer Vigilanztest (Palm-PVT)<br />
Im Rahmen von kurzen Zwischentestungen wurde mittels des Palm-PVT das<br />
aufmerksamkeitsbedingte Reaktionsvermögen der LKW-Fahrer auf objektiver Ebene getestet. Um<br />
Tagesschwankungen aufzudecken, wurde dieser tragbare Reaktionstest zu acht Zeitpunkten im<br />
Intervall von etwa zwei Stunden durchgeführt. Als aussagekräftiger Testparameter wurde die<br />
mittlere Reaktionszeit verwendet. In Tabelle 3.5 sind die gemittelten Werte der Reaktionszeiten<br />
sowie die Ergebnisse des Vergleichs zwischen Kontroll- und Lärmbedingung für jede der acht<br />
Zwischentestungen im Überblick dargestellt.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 53
Tabelle 3.5: Vergleich der mittleren Reaktionszeiten des Palm-PVT zwischen Kontroll- und<br />
Lärmbedingung<br />
Testung: 8:30 Uhr<br />
Kontrollbedingung<br />
M SD<br />
Lärmbedingung<br />
M SD<br />
Z-Wert p-Wert<br />
Palm-PVT: Reaktionszeit (in ms) 206.1 24.36 228.6 65.87 -.866 .386<br />
Testung: 10:15 Uhr<br />
Palm-PVT: Reaktionszeit (in ms) 205.7 23.56 206.5 34.24 -.051 .959<br />
Testung: 12:00 Uhr<br />
Palm-PVT: Reaktionszeit (in ms) 205.2 26.65 204.3 32.24 -.255 .799<br />
Testung: 14:15 Uhr<br />
Palm-PVT: Reaktionszeit (in ms) 214.1 33.40 212.1 34.21 -.561 .575<br />
Testung: 16:15 Uhr<br />
Palm-PVT: Reaktionszeit (in ms) 199.7 28.45 208.4 31.48 -.968 .333<br />
Testung: 18:00 Uhr<br />
Palm-PVT: Reaktionszeit (in ms) 205.6 29.38 201.1 30.96 -1.753 .080<br />
Testung: 20:15 Uhr<br />
Palm-PVT: Reaktionszeit (in ms) 212.5 37.23 205.7 30.13 -.561 .575<br />
Testung: 21:45 Uhr<br />
Palm-PVT: Reaktionszeit (in ms) 223.1 43.33 216.8 50.46 -1.172 .241<br />
Abbildung 3.17 stellt den Tagesverlauf der durchschnittlichen Arbeitsgeschwindigkeiten am Palm-<br />
PVT grafisch dar. Am frühen Morgen um 8:30 Uhr vor Beginn der Vormittagsfahrt wurde das<br />
Rektionsvermögen der Probanden zum ersten mal überprüft. Bei dieser Testung konnten bei<br />
einem Z-Wert von -.866 und einem p-Wert von .386 keine statistisch signifikanten Unterschiede<br />
zwischen den Mittelwerten der Kontrollbedingung (M = 206.1 ms; SD = 24.3 ms6) und der<br />
Lärmbedingung (M = 228.6 ms; SD = 65.87 ms) festgestellt werden. Auch bei der zweiten<br />
Zwischentestung, die um etwa 10:15 Uhr während einer Fahrpause an einer Raststätte<br />
durchgeführt wurde, traten beim statistischen Vergleich keine signifikanten<br />
Bedingungsunterschiede auf (Z = -.051; p = .959). Die mittleren Reaktionszeiten nach den<br />
Kontrollnächten (M = 205.74 ms; SD = 23.56 ms) waren durchaus mit der Arbeitsgeschwindigkeit,<br />
die nach den Lärmnächten gemessen wurden (M = 206.5 ms; SD = 34.24 ms), vergleichbar. Bei<br />
der dritten Erhebung des Leistungsvermögens, die vor dem Mittagsessen um ca. 12:00 Uhr statt<br />
fand, waren ebenfalls keine deutlichen Abweichungen zwischen den beiden experimentellen<br />
Bedingungen zu verzeichnen (Z = -.255; p = .799). Hier lag die mittlere Reaktionszeit innerhalb der<br />
Kontrollbedingung bei 205.2 ms (SD = 26.64 ms). Nach den lauten Nächten mit<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 54
Geräuscheinspielung wurden mittags nach der Vormittagstour im Durchschnitt 204.3 ms (SD =<br />
32.24 ms) gemessen. Vor Beginn der Nachmittagsfahrt um etwa 14:15 Uhr betrug die<br />
durchschnittliche Reaktionsgeschwindigkeit nach den Kontrollnächten 214.1 ms (SD = 33.40 ms).<br />
Bei mittleren 212.10 ms (SD = 34.21 ms) lagen die gemittelten Reaktionszeiten in der<br />
Lärmbedingung. Ein statistischer Vergleich der Mittelwerte der Reaktionszeiten um 14.15 Uhr<br />
erbrachte keine signifikanten Unterschiede zwischen Kontroll- und Lärmbedingung (Z = -.561; p =<br />
.575). Um ca. 16:15 Uhr wurde wiederum eine Fahrpause an einer Raststätte eingelegt, wo der<br />
fünfte Durchgang des Palm-PVTs erfolgte. Während hier in der Kontrollbedingung eine mittlere<br />
Reaktionszeit von 199.7 ms (SD = 28.45 ms) gemessen wurde, lag die Arbeitsgeschwindigkeit in<br />
der Lärmbedingung bei durchschnittlichen 208.4 ms (SD = 31.48 ms). Statistisch gab es keine<br />
signifikanten Abweichungen zwischen den gemittelten Werten beider experimenteller Bedingungen<br />
(Z = -.968; p = .333).<br />
Mittlere Reaktionszeit (in ms)<br />
230<br />
225<br />
220<br />
215<br />
210<br />
205<br />
200<br />
195<br />
190<br />
185<br />
180<br />
Effektgröße<br />
.5<br />
p= .074<br />
p = .013<br />
p = .037<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
8:30 10:15 12:00 14:15 16:15 18:00 20:15 21:45<br />
Erhebungszeiten<br />
Abbildung 3.17: Vergleich des Tagesverlaufs der mittleren Reaktionszeiten des Palm-PVT<br />
zwischen Kontroll- und Lärmbedingung<br />
Am Fahrtende um ca. 18.00Uhr konnte dagegen auf einem Signifikanzniveau von .10 eine<br />
deutlicher Unterschied zwischen den Bedingungen festgestellt werden (Z = -1.753; p = .080). So<br />
reagierten die Probanden nach den Lärmnächten (M = 201.1 ms; SD = 30.96 ms) am Ende der<br />
Nachmittagsfahrt tendenziell signifikant schneller als nach den leisen Nächten zur experimentellen<br />
Kontrolle (M = 205.56 ms; SD = 29.378 ms). Abends um 20:15 Uhr lagen die gemittelten<br />
Reaktionszeiten in der Kontrollbedingung bei 212.49 ms (SD = 37.230 ms) und in der<br />
Lärmbedingung bei 205.7 ms (SD = 30.13 ms). Beim Mittelwertsvergleich zeigten sich keine<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 55
signifikanten Bedingungsunterschiede (Z = -.561; p = .575). Am späten Abend um 21:45 Uhr fand<br />
der achte und letzte Durchgang des Palm-PVTs statt. Auch dabei ließen sich keine signifikanten<br />
Abweichungen zwischen Kontroll- und Lärmbedingung feststellen (Z = -1.172; p = .241). Während<br />
die durchschnittliche Reaktionsgeschwindigkeit nach den Kontrollnächten bei 223.1 ms (SD =<br />
43.33 ms) lag, wurde nach den Nächten mit Lärmeinspielung ein mittlerer Wert von 216.8 ms (SD<br />
= 50.46 ms) gemessen.<br />
Bei Betrachtung der graphischen Darstellung des durchschnittlichen Tagesverlaufs sieht man zum<br />
einen die geringen Abweichungen der Mittelwerte von Kontroll- und Lärmbedingung, zum anderen<br />
lässt sich bedingungsunabhängig ein leichtes Mittagstief um 14:15 Uhr erkennen, dass teilweise<br />
statistisch bestätigt werden kann.<br />
Nach den Kontrollnächten reagierten die LKW-Fahrer beim Palm-PVT um 12:00 Uhr (M = 205.74<br />
ms; SD = 23.564 ms) etwas schneller als um 14:15 Uhr. In einer statistischen Vergleichsanalyse<br />
zeigte sich jedoch kein signifikanter Unterschied, sprich kein deutliches Tief, bei der Testung um<br />
14:15 Uhr (Z = -1.070; p = .285). Beim Vergleich der Testung um 14:15 Uhr (M = 214.14 ms; SD =<br />
33.404 ms) mit dem Durchgang um 16:15 Uhr (M = 199.67 ms; SD = 28.447 ms) war dagegen ein<br />
signifikanter Unterschied zwischen den Erhebungszeitpunkten nachzuweisen (Z = -2.497; p =<br />
.013). So konnten innerhalb der Kontrollbedingung beim Palm-PVT 16:15 Uhr im Durchschnitt<br />
deutlich schnellere Reaktionen im Vergleich zur Testung um 14:15 Uhr beobachtet werden, was<br />
durchaus auf ein Mittagstief hindeutet (siehe auch Abbildung 3.16). Die Arbeitsgeschwindigkeiten<br />
bei den Testdurchgängen um 16:15 Uhr (M = 199.67 ms; SD = 28.447 ms) und um 18:00 Uhr(M =<br />
205.56 ms; SD = 29.378 ms) wiesen nach den Kontrollnächten keinen statistischen Unterschied<br />
auf (Z = -.764; p = .445).<br />
Innerhalb der Lärmbedingung fiel der mittägliche Einbruch etwas geringer aus. So reagierten die<br />
Probanden beim Kurztest um 12:00 Uhr (M = 204.3 ms; SD = 32.24 ms) etwas schneller als in der<br />
Testung um 14:15 Uhr (M = 212.1 ms; SD = 34.21 ms), wobei auf einem Signifikanzniveau von<br />
0.10 durchaus ein statistischer Unterschied festgestellt werden konnte (Z = -1.784; p = .074).<br />
Demnach trat um 14:15 Uhr verglichen mit dem Palm-PVT-Durchgang um 12:00 Uhr eine<br />
Verlangsamung der Arbeitsgeschwindigkeit auf. Entsprechend der Kontrollbedingung war auch<br />
nach den Lärmnächten von 14:15 Uhr (212.1 ms; SD = 34.21 ms) bis 16:15 Uhr (M = 208.4 ms;<br />
SD = 31.48 ms) ein Anstieg der Reaktionszeiten beim Palm-PVT zu beobachten, der allerdings<br />
keine statistische Signifikanz erreichte (Z =-.663; p = .508). Erst um 18:00 Uhr reagierten die<br />
Probanden wieder schneller, wobei für den Unterschied der Arbeitsgeschwindigkeiten zwischen<br />
16:15 Uhr (M = 208.4; SD = 31,48) und 18:00 Uhr (M = 201.1 ms; SD = 30.96 ms) keine<br />
statistische Signifikanz festzustellen war (Z = -1.274; p = .203).<br />
Im Zeitintervall von 18:00 bis 20:15 Uhr konnte bei beiden Experimentalbedingungen ein<br />
vergleichbarer Abfall der Reaktionsgeschwindigkeit beim Palm-PVT beobachtet werden, der<br />
allerdings weder in der Kontrollbedingung (Z = -.968; p = .333) noch in der Lärmbedingung (Z = -<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 56
.866; p= .386) statistisch nachweisbar war. In der Kontrollbedingung konnte am späten Abend eine<br />
signifikante Verlangsamung der Reaktionsgeschwindigkeit von 20:15 Uhr (M = 212.5 ms; SD =<br />
37.23 ms) bis 21:45 Uhr (M = 223.1 ms; SD = 43.33 ms) demonstriert werden (Z = -2.090; p =<br />
.037). Auch nach den Lärmnächten wurden um 21:45 Uhr (M = 216.8 ms; SD = 50.46 ms) deutlich<br />
langsamere Reaktionszeiten als in der Palm-PVT-Testung um 20:15 Uhr (M = 205.7 ms; SD =<br />
30.13 ms) gemessen. Allerdings erreichte der nächtliche Abfall des Reaktionsvermögens in der<br />
Lärmbedingung (Z = -.663; p = .508) keine statistische Signifikanz.<br />
Zusammenfassend lässt sich ein typischer Verlauf der Reaktionsfähigkeit über den<br />
Tagesverlauf feststellen: mit einer Verlangsamung der Reaktionszeiten gegen Abend und<br />
einem moderaten Einbruch der Leistungsfähigkeit während des circadianen Mittagstiefs.<br />
Die Verläufe der Reaktionszeiten sind in den beiden experimentellen Bedingungen (laute<br />
vs. leise Nächte) sehr ähnlich, eine Ausnahme bildet jedoch die Messung am Morgen: Hier<br />
ist die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit nach den Lärmnächten im Vergleich zur<br />
Kontrollbedingung erkennbar verlangsamt.<br />
3.4.3 Fahrleistung<br />
Aufgrund technischer und terminliche Probleme wurden die Daten von der Daimler AG bislang<br />
nicht ausgewertet.<br />
3.4.4 Subjektive Schläfrigkeit und Befindlichkeit<br />
Subjektive Schläfrigkeit: Karolinska Sleepiness Scale (KSS)<br />
Um festzustellen, wie müde sich die Probanden tagsüber fühlten und ob Schwankungen im Laufe<br />
des Tages auftraten, wurde neben dem Reaktionsvermögen auch die subjektive Müdigkeit mittels<br />
der Karolinska Sleepiness Scale (KSS) acht mal etwa alle zwei Stunden erhoben (vgl. Anhang III).<br />
In Abbildung 3. 18 sind die Bedingungsunterschiede sowie die Tageszeiteffekte der gemittelten<br />
subjektiven Müdigkeitseinschätzungen als Verlaufsgrafik über den Tag hinweg veranschaulicht.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 57
Mittlerer KSS-Score<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
p = .040<br />
Kontrollbedingung<br />
Lärmbedingung<br />
p = .018<br />
p = .018<br />
p = .024<br />
p = .010<br />
8:30 10:15 12:00 14:15 16:15 18:00 20:15 21:45<br />
Erhebungszeiten<br />
Abbildung 3.18: Vergleich des Tagesverlaufs der mittleren KSS-Scores zwischen Kontroll-<br />
und Lärmbedingung<br />
Am Morgen um 8:30 Uhr vor Beginn der ersten Fahrt schätzten sich die Probanden nach den<br />
Kontrollnächten mit einem durchschnittlichen KSS-Wert von 2.0 (SD = .49) signifikant weniger<br />
müde ein als nach den Lärmnächten, wo der mittlere Wert bei 2.4 (SD = .64) lag (Z = -2.056; p =<br />
.040). Während der Fahrpause um 10:15 Uhr betrug der mittlere KSS-Score in der<br />
Kontrollbedingung 2.2 (SD = .53), in der Lärmbedingung 2.1 (SD = .54). Ein statistischer Test<br />
erbrachte keinen signifikanten Unterschied zwischen den Experimentalbedingungen (Z = -.632; p =<br />
.527). Auch bei der dritten subjektiven Müdigkeitserhebung um 12:00 Uhr mittags wichen die KSS-<br />
Mittelwerte nach den Kontrollnächten (M = 2.2; SD = .43) und nach den Lärmnächten (M = 2.3; SD<br />
=.67) nicht deutlich voneinander ab (Z = -.954; p = .340). Im Anschluss an die Mittagstestung um<br />
14:15 Uhr schätzten die Probanden ihre Müdigkeit innerhalb der Kontrollbedingung im<br />
Durchschnitt mit einem KSS-Wert von 2.1 (SD = .37) ein. Nach den Nächten mit Lärmeinspielung<br />
lag der mittlere KSS-Score um 14:00 Uhr bei 2.3 Punkten (SD = .71). In einer statistischen<br />
Vergleichsanalyse zeigten sich keine deutlichen Bedingungsunterschiede der subjektiven<br />
Müdigkeit am späten Mittag (Z = -1.266; p = .205). Während einer weiteren Fahrpause um ca.<br />
16:15 Uhr fand die fünfte Erhebung der subjektiven Müdigkeit statt. Auch hier unterschieden sich<br />
die mittleren KSS-Werte nach den Kontrollnächten (M = 2.6; SD = .63) und nach den Nächten mit<br />
Autobahngeräuschen (M = 2.7; SD = .79) nicht wesentlich voneinander (Z = -.946; p =.44). Am<br />
Ende der Fahrt um ungefähr 18:00 Uhr betrug der durchschnittliche KSS-Score in der<br />
Kontrollbedingung 3.1 (SD = 1.52). Nach den lauten Lärmnächten schätzten die LKW-Fahrer ihre<br />
Schläfrigkeit im Durchschnitt mit einem KSS-Wert von 3.3 (SD = 1.72) ein. Ein statistischer<br />
Vergleich dieser Mittelwerte ergab keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 58
Bedingungen (Z = -1.084; p = .279). Abends um 20:15 Uhr wurde nach den Kontrollnächten bei<br />
der KSS im Durchschnitt ein Wert von 3.2 (SD = 1.40) angegeben. Nach den Nächten mit<br />
Geräuscheinspielung betrug dieser Wert 3.2 (SD = 1.60). Statistisch konnten keine signifikanten<br />
Unterschiede der subjektiven Müdigkeit am Abend zwischen Kontroll- und Lärmbedingung<br />
nachgewiesen werden (Z = -.184; p = .854). Bei der letzten subjektiven Einstufung der eigenen<br />
Müdigkeit um etwa 21:45 Uhr gaben die Probanden in der Kontrollbedingung in der KSS im Mittel<br />
einen Wert von 3.8 (SD = 1.55) an. Nach den Lärmnächten lag der durchschnittliche KSS-Sore bei<br />
4.0 (SD = 1.77). Im Mittelwertevergleich traten keine statistisch signifikanten Unterschiede<br />
zwischen den experimentellen Bedingungen bei der Müdigkeit am späten Abend auf (Z = -1.190; p<br />
= .234).<br />
Entsprechend der Reaktionszeiten des Palm-PVT wurden die Schwankungen der subjektiven<br />
Müdigkeitseinschätzung über den Tag hinweg statistisch überprüft. Im Gegensatz zum<br />
Leistungsabfall des Reaktionsvermögens um 14:15 Uhr, konnte auf Wahrnehmungsebene weder<br />
in der Kontrollbedingung (Z = -.272; p = .785) noch in der Lärmbedingung (Z = -.408 p = .683) ein<br />
signifikante Erhöhung der Müdigkeit zwischen 12:00 und 14:15 Uhr verzeichnet werden. Allerdings<br />
ist im Laufe des Tages ab 14:15 Uhr ein Anstieg der subjektiven Müdigkeit zu beobachten (vgl.<br />
Abbildung 3.18). So wird die eigene Schläfrigkeit sowohl nach den Kontrollnächten (Z = -2.375; p =<br />
.018) als auch nach den Nächten mit Lärmeinspielung (Z = –2.375; p = .018) um 16:15 Uhr<br />
signifikant höher eingeschätzt, als um 14:15 Uhr. Auch im Zeitintervall von 16:15 bis 18:00 Uhr<br />
stieg die Schläfrigkeit nach subjektiver Einschätzung an, wobei diese Zunahme weder in der<br />
Kontrollbedingung (Z = -1.625; p = .104) noch in der Lärmbedingung statistische Signifikanz<br />
erreichte (Z = -1.490; p = .136). In der freien Zeit am Abend zwischen 18:00 Uhr und 20:15 Uhr<br />
blieb eine Zunahme der subjektiven Müdigkeit bei beiden Experimentalbedingungen aus<br />
(Kontrollbedingung: Z = -1.367; p = .172; Lärmbedingung: Z = -.408; p = .683). Dagegen konnte<br />
am späten Abend von 20:15 Uhr bis 21:45 Uhr ein signifikanter Anstieg der subjektiven Müdigkeit<br />
verzeichnet werden, der nach den Kontrollnächten (Z = -2.588; p = .010) und nach den lauten<br />
Lärmnächten (Z = -2.264; p = .024) etwa gleich stark ausgeprägt war.<br />
Zusammenfassend lässt sich ein typischer Verlauf der subjektiven Schläfrigkeit über den<br />
Tagesverlauf feststellen, mit einem Anstieg der Müdigkeit am Abend. Ein Mittagstief mit<br />
vermehrter Müdigkeit beschreiben die LKW-Fahrer nicht. Bei Fahrtbeginn wird die<br />
subjektive Schläfrigkeit nach Verkehrslärmnächten signifikant höher eingestuft als nach<br />
ruhigen Nächten (vgl. parallelen Effekt bei der Reaktionszeitmessung mit dem Palm-PVT).<br />
Im Tagesverlauf verliert sich dieser Unterschied in den Bedingungen aber wieder.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 59
4. Diskussion<br />
4.1 Bewertung der Studie allgemein<br />
Unser Forschungsprojekt stellt die erste wissenschaftliche Studie dar, die bei Berufsfernfahrern<br />
unter den naturalistischen Bedingungen einer simulierten Arbeitswoche die Auswirkung von<br />
Verkehrslärm an Raststätten auf die Schlafqualität und Leistungsfähigkeit untersucht hat.<br />
Bislang gibt es nur eine einzige vergleichbare publizierte Studie aus Schweden, bei der 6<br />
Testschläfer zwei Nächte in der Schlafkoje eines Volvo FH 16 mit Globetrotter-Kabine (215 cm x<br />
72 cm groß) verbrachten: einmal war der LKW auf dem Institutsgelände abgestellt, das andere Mal<br />
wurde der Truck auf einem LKW-Rasthof geparkt. Allerdings waren die teilnehmenden Probanden<br />
keine LKW-Fahrer und somit nicht an den typischen Verkehrslärm gewohnt.<br />
Auch beschränkte sich unsere Untersuchung nicht allein auf die Schlafqualität, sondern die<br />
Fragestellung wurde um die Leistungsfähigkeit am Tage sowie um die subjektive und objektive<br />
Tagesschläfrigkeit erweitert. Darüber hinaus prüfte die Studie einen mögliche kumulative Effekt<br />
von mehreren Lärmnächten hintereinander.<br />
Insgesamt wurde also mit dieser anwendungsbezogenen Grundlagenuntersuchung (d.h. eine<br />
konkrete, praxisrelevante Fragestellung wurde mit experimentellen, standardisierten<br />
Untersuchungsmethoden direkt geprüft) wissenschaftliches Neuland betreten.<br />
4.2 Zusammenfassung der Studienergebnisse<br />
Zusammenfassend zeigte sich in der Studie:<br />
(1) Die LKW-Fahrer bewerteten die subjektive Schlafqualität in den Nächten mit<br />
Verkehrslärm konsistent schlechter als ruhige Kontrollnächte.<br />
(2) Dieser subjektive Unterschied in der Schlafqualität lässt sich statistisch anhand weniger<br />
Standardparameter der durchgeführten Polysomnographie objektiv nachweisen: Die<br />
meisten globalen Polysomnographie-Parameter zur Beurteilung der objektiven Schlaf-<br />
qualität lieferten keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden<br />
Untersuchungsbedingungen.<br />
(3) In der Lärmbedingung ließ sich eine signifikante Verlängerung der REM-Schlaflatenz<br />
sowie eine signifikante Erhöhung des Anteils von Schlafstadium 1 (Leichtschlaf) im<br />
Vergleich zur Kontrollbedingung nachweisen.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 60
(4) Die Anzahl von Weck-Reaktionen (Arousals) in den Lärmnächten war erkennbar erhöht<br />
und führte zu einer stärkeren Fragmentierung der Schlafkontinuität.<br />
(5) Bei der Einschätzung der subjektiven Schläfrigkeit am Morgen zeigt sich insgesamt,<br />
dass die LKW-Fahrer über fast keine Müdigkeitssymptome klagten und sich allgemein als<br />
alert und wach einstuften, unabhängig von den beiden Experimentalbedingungen<br />
(Kontroll- vs. Lärmnächte)<br />
(6) Bei der physiologischen Schläfrigkeitsmessung mittels der Pupillographie zeigten<br />
sich bei den beiden Messungen am Morgen bzw. am Mittag keine signifikanten<br />
Unterschiede zwischen Lärm- und Kontrollbedingung.<br />
(7) Im Wach-EEG gab es während der Fahrzeiten Hinweise auf einen leicht reduzierten<br />
Wachheitsgrad nach Lärmnächten (gemessen an einem höheren Müdigkeitsquotienten)<br />
im Vergleich zu Kontrollnächten.<br />
(8) Während der Vigilanztestung im Mittagstief kam es bei dem komplexen Mehrfachreiz-<br />
Mehrfachreaktionstest (Determinationstest), der zahlreiche Leistungsparametern erhebt,<br />
unter der Stressbedingung „Modus Actio“ zu einem Anstieg von Fehlreaktionen.<br />
(9) Bei dem monotonen Daueraufmerksamkeitstest (Mackworth-Clock), ließ sich eine<br />
Zunahme von Auslassungsfehlern, die ein sensitives Maß für Schläfrigkeitseffekte<br />
darstellen, nach den Lärmnächten feststellen (mittlere Effektgröße: .5).<br />
(10) Im Tagesverlauf konnte bei einem einfachen portablen Reaktionstest (Palm-PVT) ein<br />
Verlangsamung des Reaktionsvermögens in den Abendstunden sowie ein Leistungstief<br />
gegen Mittag (ca. 14:00 Uhr) beobachtet werden. Bei Fahrtbeginn waren die Probanden<br />
nach den Lärmnächten erkennbar langsamer als nach den Kontrollnächten.<br />
(11) Die subjektive Schläfrigkeit nahm ebenfalls im Tagesverlauf während den<br />
Abendstunden zu, ein „Mittagstief ließ sich jedoch nicht erkennen. Bei Fahrtbeginn ließ<br />
sich parallel zum Reaktionsvermögen eine leicht erhöhte Schläfrigkeit nach den<br />
Lärmnächten feststellen.<br />
4.3 Bewertung der Studienergebnisse<br />
Auf den ersten Blick scheinen Berufsfernfahrer an den Geräuschpegel von Raststätten relativ gut<br />
gewöhnt und robust gegenüber Verkehrslärm zu sein: So schlafen sie trotz des Geräuschpegels<br />
schnell ein und geben auch allgemein eine geringe Lärmsensitivität im Arbeits- und<br />
Schlafbereich an. Genauere Analysen der Schlafarchitektur zeigen jedoch, dass es unter Lärm zu<br />
vermehrten Schlafunterbrechungen (Arousals) kommt und die Schlafqualität objektiv und<br />
subjektiv beeinträchtigt ist.<br />
Selbst unter den gut standardisierten und „fahrerfreundlichen“ Arbeitsbedingungen“ unserer Studie<br />
reichten 3 aufeinander folgende Lärmnächten aus, um Leistungseinbußen bei Monotonie am<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 61
frühen Morgen und unter Stress hervorzurufen. Subjektiv wurden diese Defizite jedoch nicht<br />
wahrgenommen. Auf physiologischer Ebene ließen sich im Wach-EEG ebenfalls erhöhte<br />
Müdigkeitswerte bei den LKW-Fahrten erkennen, die nicht mit einem verstärkten<br />
Müdigkeitsempfindungen einhergingen. Hier besteht die Gefahr einer Selbstüberschätzung oder<br />
Fehlbeurteilung des Wachheitsgrades auf Seiten der LKW-Fahrer.<br />
Auch wenn die Schlafqualität und das Leistungsvermögen in der vorliegenden Studie durch den<br />
Lärm insgesamt nur moderat beeinträchtigt wurden, kann ein durch Verkehrslärm gestörter<br />
Nachtschlaf in Kombination mit anderen situativen Faktoren (z.B. weniger Schlaf, mehr Stress,<br />
mehr Monotonie, Nachtfahrten) zu einem potentiellen Sicherheitsrisiko für den Fahrer führen: Die<br />
Gefahr steigt, einen schläfrigkeitsbedingten Unfall zu verursachen.<br />
4.3 Zusammenfassende Diskussion<br />
Dieses Forschungsprojekt untersuchte die Schlafqualität von LKW-Fahrern unter den gewohnten<br />
Schlafbedingungen mit und ohne Verkehrslärmeinwirkung. Im Rahmen mehrerer Feldstudien ließ<br />
sich auch bei adaptierten Probanden nach langjähriger nächtlicher Lärmexposition eine Störung<br />
des Nachtschlafes sowie eine bei Fahrtbeginn erhöhte Müdigkeit am Tage nachweisen, die<br />
teilweise mit Leistungsdefizite verbunden war. In diesem Zusammenhang rückte die Güte des<br />
Schlafes von LKW-Fahrern, die während ihren wöchentlichen Touren häufig an lärmbelasteten<br />
Raststätten in engen Schlafkabinen übernachten müssen, in den Mittelpunkt des<br />
Forschungsinteresses, zumal eine erhöhte Tagesmüdigkeit mit einer Minderung der Fahrleistung<br />
und einem erhöhten Unfallrisiko einhergeht. Neben der nächtlichen Einwirkung von Verkehrslärm<br />
sind LKW-Fahrer zahlreichen weiteren schläfrigkeitsfördernden (Risiko)-Faktoren ausgesetzt.<br />
Fahr- und Arbeitszeiten<br />
In einem Konsens über Müdigkeit im Transportsystem weist ÅKERSTEDT (2000) zusammen mit<br />
führenden Forschern auf die hohen Anforderungen der Transportindustrie hin, die „rund um die<br />
Uhr“ eine zuverlässige Leistung von Fernfahrern fordert, was der biologischen 24-Stunden Uhr<br />
widerspricht. Demnach ist der Berufsalltag eines LKW- häufig mit einem chronischen Schlafdefizit<br />
und unerholsamem Schlaf, mit prolongierten Wach- und Arbeitszeiten sowie mit nächtlichen<br />
Transportoperationen verbunden, die der inneren circadianen Rhythmik entgegenlaufen<br />
(ÅKERSTEDT, 2000; GEORGE, 2004).<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 62
Nicht-erholsamer Schlaf<br />
Darüber hinaus liegt bei Fernfahrern nicht zuletzt aufgrund des berufsbedingt ungesunden<br />
Lebensstils eine hohe Prävalenz von Schlafapnoe vor, die meist mit nicht-erholsamen Schlaf und<br />
pathologisch erhöhter Tagesmüdigkeit verbunden ist (HÄKKÄNEN & SUMMALA, 2000a;<br />
HOWARD et al., 2004; STOOHS et al., 1995). Im Anbetracht dieser interagierender<br />
schläfrigkeitsfördernder Faktoren stellen Berufskraftfahrer eine Risikogruppe für Müdigkeit am<br />
Steuer dar (GEORGE, 2004). Angesichts der Häufigkeit und Schwere von müdigkeitsbedingten<br />
Unfällen (ÅKERSTEDT, 2000; Horne & Reyner,1996;Pack et al., 1995; Philip et al., 2001;<br />
Sagberg, 1990) liegt es im Interesse der allgemeinen Verkehrsicherheit, LKW-Fahrern während<br />
der Arbeitswoche einen erholsamen Schlaf zu gewähren, wozu auch die Reduktion von<br />
schlafstörendem Verkehrslärm beträgt.<br />
Belastungen und Stress<br />
Die in der vorliegenden Studie beobachteten moderaten Lärmauswirkungen auf die Schläfrigkeit<br />
und die Leistungsfähigkeit dürfen nicht vorschnell abgetan werden. Zwar wurde eine Dienstwoche<br />
nach naturalistischen und zugleich standardisierten Schlaf- und Arbeitsbedingungen erfolgreich<br />
simuliert, dennoch war die Beanspruchung der Fahrer insgesamt geringer als in einer typischen<br />
Wochentour. Dadurch konnten eventuell die auftretenden lärmbedingten Schlaffragmentierungs-<br />
effekte kompensiert werden. In diesem Zusammenhang wäre es von großem wissenschaftlichen<br />
Interesse, die Auswirkungen von nächtlichem Verkehrslärm in Kombination mit Termindruck, sowie<br />
mit prolongierten Wach- und Arbeitszeiten, wie sie auch im Alltag auftreten, zu untersuchen.<br />
Lärmsensitivität<br />
Auch die geringe Lärmsensitivität der LKW-Fahrer in unserer Studie (vgl. Ergebnisse des NoiSeQ-<br />
Fragebogens Kap. 2.1.3.) kann ein Grund sein, dass die Stöungen des Nachtschlafs eher moderat<br />
auftraten. Das zeigt wie entscheidend die Reaktionsbereitschaft auf nächtlichen Lärm durch<br />
Persönlichkeitsmerkmale, wie die Geräuschempfindlichkeit, beeinflusst wird (ÖHRSTRÖM, 1990,<br />
1995, 2004; ÖHRSTRÖM & BJÖRKMANN, 1988; ÖHRSTRÖM & RYLANDER, 1990;<br />
ÖHRSTRÖM et al., 1988). Gleichzeitig wird die Notwendigkeit der Erhebung der Variable<br />
Lärmempfindlichkeit im Zusammenhang mit Untersuchung zu lärmbedingten Schlafstörungen, der<br />
insbesondere in aktuelleren Forschungsarbeiten große Bedeutung zugeschrieben wird<br />
(BELOJEVIĆ et al., 1997; JAKOVLJEVIĆ et al., 2006; LANGDON & BULLER, 1977; MARKS &<br />
GRIEFAHN, 2007). So können laut SANDROCK et al. (2007) die hohen intraindividuellen<br />
Unterschiede der Störanfälligkeit durch Umweltlärm anhand der fünf Dimensionen des NoiSeQs<br />
erklärt werden.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 63
Gewöhnungseffekte und Habituation<br />
Auch die Habituation der Berufskraftfahrer an nächtliche Verkehrlärmbelastung scheint den<br />
Einfluss der nächtlich eingespielten Autobahngeräusche auf den Nachtschlaf zu schmälern.<br />
Insofern wäre die Aufzeichnung von autonomen Reaktionen, wie der lärmbedingten akuten<br />
Erhöhung der Herzschlagrate, was in einer aktuellen Studie von GRIEFAHN et al. (2008)<br />
untersucht wurde, aufschlussreich, da bei autonomen Reaktionen im Schlaf keinerlei<br />
Gewöhnungsprozesse an nächtliche Lärmeinwirkung zu beobachten sind (vgl. GRIEFAHN, 2000;<br />
GRIEFAHN et al.,2008; HARALABIDIS et al., 2008).<br />
Insgesamt besteht also ein erhöhtes Gefährdungspotential für Unfälle - aber auch eine Reduktion<br />
der Fahrgüte - wenn neben der verkehrslärmbedingten Beeinträchtigungen der Nachtschlafqualität<br />
die oben angeführte situative und personenbezogene Riskofaktoren noch zusätzlich<br />
hinzukommen und zu einer erhöhten Schläfrigkeit mit reduziertem Leistungsvermögen führen.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 64
5. Ausblick<br />
Berücksichtigt man die zahlreichen interagierenden schläfrigkeitsfördernden Faktoren, wie etwa<br />
chronisches Schlafdefizit, mögliche Schlafstörungen oder prolongierte und unregelmäßige Fahr-<br />
und Wachzeiten, ist es von großer Bedeutung, Berufskraftfahrern einen erholsamen Schlaf zu<br />
gewährleisten, wenn diese beruflich unterwegs sind. Angesicht der hohen schläfrigkeitsbedingten<br />
Unfallwahrscheinlichkeit dieser Risikogruppe ist die Schlafqualität von Berufskraftfahrern auch von<br />
gesellschaftlichem Interesse. In nur sehr wenigen Studien (vgl. KECKLUND & ÅKERSTEDT,<br />
1997) lag das Augenmerk auf der Erholsamkeit des Schlafes in einer LKW-Fahrerkabine unter<br />
realen Verkehrslärmbedingungen.<br />
Für die schlafmedizinische Forschung bedeutet dies, dass es hier einen gewaltigen<br />
Nachholbedarf für Untersuchungen gibt, welche die Auswirkungen von Lärm unter „Real Life“<br />
Bedingungen überprüfen. Zudem bedarf es einer wissenschaftlich exakten Bestimmung des<br />
Ausmaßes, inwieweit Lärmeffekte den Nachtschlaf negativ beeinflussen und zu extrinsische<br />
Schlafstörungen führen (vgl. SAMEL & BASNER, 2005).<br />
Für die Produktenwicklung der Fahrzeugindustrie machte die Studie deutlich: Störungen der<br />
Schlafqualität waren nachweisbar und die bisherige Schalldämmung der Actros-Kabine erfüllt bei<br />
weitem nicht die Richtlinien für nächtliche Lärmbelastung (z.B. Normpegelwerte für Schlafräume).<br />
Daher sollte angestrebt werden, Lautstärkepegel von 30-35 dB(A) – diese werden für Schlafräume<br />
in Mischgebieten empfohlen – im Innenraum des Actros zu erreichen, wenn LKW-Fahrer an einer<br />
Raststätte übernachten müssen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass selbstproduzierte<br />
Fahrzeuggeräusche (z.B. Lärm der Standklimaanlage oder Zusatzheizung) nicht lauter als der<br />
Verkehrslärm sein dürfen. Dies macht eine bessere Schallisolierung gegenüber diesen<br />
Lärmquellen notwendig, was sicherlich eine ingenieurtechnische Herausforderung darstellt.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 65
6. Literatur<br />
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Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 66
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Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 67
7. Anhang<br />
Anhang I<br />
____________________________________________________________________________________________________________<br />
Information für Studienteilnehmer<br />
Zum Projekt: Die Schlafqualität von LKW-Fernfahrern und der Einfluss von<br />
Verkehrsgeräuschen auf den Nachtschlaf<br />
Sehr geehrter Studienteilnehmer,<br />
als LKW-Fahrer wissen Sie: Sekundenschlaf am Steuer kann tödlich sein. Zu wenig oder gestörter<br />
Nachtschlaf beeinträchtigt die Wachheit am Tag und führt zu einem erhöhten Unfallrisiko. Auch<br />
äußere Reize wie etwa Verkehrslärm können dazu führen, dass der Schlaf nicht mehr so erholsam<br />
ist.<br />
Was wir untersuchen wollen<br />
Uns interessiert die Schlafqualität von LKW-Fernfahrern, wenn sie ihren LKW an einer<br />
Raststätte abstellen und im Bett ihrer Fahrerkabinen übernachten. Je näher das Fahrzeug an<br />
der Autobahn geparkt ist, umso lauter kann der Verkehrslärm sein. Unklar ist dabei: Stören<br />
gedämpfte Verkehrsgeräusche den Schlaf tatsächlich oder wirken die Geräusche – wie<br />
das Rattern eines Zuges – möglicherweise sogar schlaffördernd?<br />
Dieser Frage möchten wir in dieser Studie nachgehen und freuen uns über Ihr Interesse an<br />
dieser Untersuchung.<br />
Zum Ablauf der Studie<br />
NACHTS: Im Rahmen unserer schlafmedizinischen Untersuchung sollen Sie insgesamt an<br />
drei aufeinanderfolgenden Nächten in der Fahrerkabine unseres LKW-Testfahrzeuges<br />
übernachten. Die erste Nacht dient zur Eingewöhnung, in den beiden folgenden Nächten<br />
wird einmal das Parken an einem ruhigen Rastplatz nachgestellt, das andere mal das<br />
Übernachten an einer lauten Raststätte simuliert. Als Geräuschkulisse dienen<br />
Verkehrsgeräusche, die über Lautsprecher in die Fahrerkabine eingespielt werden.<br />
Um den Schlaf messen zu können, werden an Ihrem Kopf und an Ihrem Körper einige<br />
Messfühler und Sensoren angebracht. Die Messsignale werden in einem benachbarten<br />
Raum des Schlaflabors aufgezeichnet und später ausgewertet. In der Nacht wird Ihr Schlaf<br />
auch mit Hilfe einer Videokamera überwacht. Während der ganzen Aufzeichnungsphase ist<br />
ständig ein Mitarbeiter des Schlaflabors für Sie sofort erreichbar. Nebenwirkungen dieser<br />
Schlafaufzeichnung (Polysomnographie) sind nicht bekannt. Falls Sie an einer<br />
Pflasterallergie leiden, können wir dies berücksichtigen.<br />
AM TAG: Nach allen drei Nächten sollen Sie jeweils am nächsten Morgen Fragen zum<br />
Nachtschlaf und zur aktuellen Stimmung beantworten. Ab 08:00 Uhr erfolgt zudem eine ca.<br />
1,5-stündige Untersuchung der Wachheit (Vigilanz). Diese Untersuchung besteht aus<br />
Reaktionsaufgaben am Computer. Außerdem wird der Grad der Schläfrigkeit mit Hilfe eines<br />
„Pupillographischen Schläfrigkeitstests“ überprüft. Dabei wird 11 Minuten lang die<br />
Pupillenweite Ihrer Augen in einem ruhigen und dunklen Raum mittels einer Kamera<br />
gemessen.<br />
Die Taguntersuchung ist absolut schmerzfrei und für Ihre Gesundheit vollkommen<br />
unbedenklich.<br />
Für die Untersuchung müssen Sie am Abend spätestens um 21:00 Uhr in der Klinik sein.<br />
Spätestens ab 10:00 Uhr können Sie die Klinik jeweils verlassen und haben den Tag dann<br />
zu ihrer freien Verfügung.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 68
Zu beachten<br />
Während der Untersuchungstage dürfen Sie keine koffeinhaltigen Getränke oder Alkohol<br />
konsumieren. Auch Medikamente, die Ihre Wachheit beeinflussen, dürfen Sie nicht<br />
einnehmen. Vor und während der Testung ist das Rauchen nicht gestattet.<br />
Sollte es vorkommen, dass Sie sich nach einer Nacht zu müde oder kaputt fühlen, um sicher<br />
ein Fahrzeug zu steuern, so geben Sie uns bitte Bescheid. Wir sorgen dann für einen<br />
sicheren Nachhauseweg.<br />
Zusicherung<br />
Die gewonnenen Daten werden streng anonym zur wissenschaftlichen Auswertung benützt.<br />
Der Datenschutz bleibt selbstverständlich gewahrt.<br />
Die Teilnahme an der Untersuchung ist völlig freiwillig, Sie können Ihr Einverständnis<br />
jederzeit ohne Angaben von Gründen widerrufen.<br />
Wenn Sie wollen, erhalten Sie am Ende der Untersuchung eine ausführliche<br />
Rückmeldung über Ihren Schlaf und der Schläfrigkeit am Morgen<br />
Nochmals vielen Dank für Ihre Bereitschaft, bei dieser Untersuchung mitzumachen.<br />
Zuständig für die Untersuchung ist:<br />
Diplomandin: Frau Verena Fischer (Tel. 0160 954 386 50)<br />
Verantwortliche Leitung: Dr. Roland Popp<br />
(Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Schlafmedizinischen Zentrums Regensburg)<br />
Telefon: 0941 941 2068<br />
________________________________________________________<br />
Ort, Datum, Unterschrift der Teilnehmerin/ des Teilnehmers<br />
_________________________________________________________<br />
Ort, Datum, Unterschrift der aufklärenden Ärztin/ des aufklärenden Arztes<br />
(Name in Großbuchstaben)<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 69
Anhang II<br />
____________________________________________________________________________________________________________<br />
Einverständniserklärung<br />
zum Projekt:<br />
Die Schlafqualität von LKW-Fernfahrern<br />
und der Einfluss von Verkehrsgeräuschen auf den Nachtschlaf<br />
Ich habe die Probandenaufklärung über die genannte wissenschaftliche Untersuchung<br />
gelesen und verstanden. Mir wurden alle Fragen, die ich zu dieser Untersuchung habe,<br />
beantwortet und ich bin mit der Durchführung der Untersuchung einverstanden.<br />
Die gesetzlichen Datenschutzbestimmungen werden eingehalten.<br />
______________________________________________________<br />
Ort, Datum, Unterschrift der Teilnehmerin/ des Teilnehmers<br />
______________________________________________________<br />
Ort, Datum, Unterschrift der aufklärenden Ärztin/ des aufklärenden Arztes<br />
(Name in Großbuchstaben)<br />
_______________________________________________________<br />
Aufklärende/r Ärztin/ Arzt<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 70
Anhang III<br />
____________________________________________________________________________________________________________<br />
Beschreibung der verwendeten Testverfahren<br />
SCREENING<br />
Restless - Legs - Syndrom (RLS) Screening<br />
Laut der International Restless Legs Study Group (IRLSSG; WALTERS, 1995, 2003) kann anhand<br />
der folgenden vier auf standardisierten Kriterien basierenden Fragen ein Restless - Legs - Syndrom<br />
(RLS) erfragt werden:<br />
Verspüren Sie unangenehme Missempfindungen in den Beinen (z. B. Kribbeln, Ziehen,<br />
Schmerzen, Hitze- oder Kältegefühl), die fast ausschließlich in Ruhe (Sitzen, Liegen) auftreten?<br />
Verspüren Sie einen unangenehmen Bewegungsdrang im Bereich der Beine, wenn Sie sitzen<br />
oder liegen?<br />
Kommt es zu einer deutlichen Besserung der Missempfindungen und des Bewegungsdranges,<br />
wenn Sie sich bewegen oder die Beine massieren, reiben oder kühlen?<br />
Kommt es am Abend zu einer Zunahme der Missempfindungen und / oder des<br />
Bewegungsdrangs?<br />
Werden alle Fragen bejaht, spricht dies für das Vorliegen eines RLS.<br />
Pittsburgh Schlafqualitätsindex (PSQI)<br />
Anhand des Pittsburgh Schlafqualitätsindex (PSQI; BUYSSE et al., 1989) lässt sich die<br />
Schlafqualität während der vergangenen 4 Wochen erfassen. Der PSQI enthält 19 Fragen, die vom<br />
Probanden selbst beantwortet werden sollen, sowie 5 Fragen, die an den Partner/Mitbewohner,<br />
soweit vorhanden, gerichtet sind. In die Auswertung gehen nur die Selbstbeurteilungsfragen ein.<br />
Retrospektiv werden 7 verschiedene Komponenten der Schlafqualität erfragt (Subjektive<br />
Schlafqualität, Schlaflatenz, Schlafdauer, Schlafeffizienz, Schlafstörungen, Schlafmittelkonsum,<br />
Tagesmüdigkeit). Jede Komponente kann einen Wert von 0 = keine Schwierigkeiten bis 3 = große<br />
Schwierigkeiten annehmen. Durch Addition der Punkte der 7 Einzelkomponenten ergibt sich ein<br />
Gesamtsummenscore (Minimum 0 Punkte, Maximum 21 Punkte). Aus der Originalarbeit von<br />
BUYSSE et al. (1989) ergab sich basierend auf einer Klassifikation von Schlafgesunden und Schlafgestörten<br />
ein Cut-off Wert von 5 Punkten, der in einer Studie im deutschsprachigen Raum von<br />
ZEITLHOFER et al. (2000) bestätigt wurde.<br />
Epworth Sleepiness Scale (ESS)<br />
Die Epworth Sleepiness Scale (ESS; JOHNS, 1991) ist ein standardisierter Fragebogen, welcher die<br />
globale subjektive Einschlafneigung (sleep propensity) am Tag quantifiziert. Die<br />
Schläfrigkeitsneigung wird bei diesem Ansatz auf trait - Eigenschaften, also auf<br />
situationsübergreifende, vom momentanen Zustand (state - Eigenschaft) unabhängige<br />
Persönlichkeitsaspekte zurückgeführt. Der Proband soll anhand von vierstufigen Ratingskalen (0 =<br />
niemals, 1 = gering, 2 = mäßig, 3 = hoch) die Wahrscheinlichkeit dafür einschätzen, dass er in acht<br />
verschiedenen Alltagssituationen (z.B. Im Sitzen lesend) einschläft. Die Einzelergebnisse werden zu<br />
einem Gesamtsummenscore addiert (Minimum 0 Punkte, Maximum 24 Punkte). Gesunde<br />
Probanden erreichen durchschnittlich einen Wert von 6 Punkten, als klinisch auffällig gelten Werte<br />
über 10 Punkte (BLOCH, SCHOCH, ZHANG & RUSSI, 1999).<br />
Fragebogen zum Chronotyp (D-MEQ)<br />
Der Fragebogen zum Chronotyp (D-MEQ; GRIEFAHN et al., 2001) ist ein Verfahren, um mittels<br />
Selbstbeurteilung den Chronotyp zu erfassen. Der Proband schätzt anhand von 19 Fragen sein<br />
Leistungsvermögen, sein Schlafverhalten und seine Befindlichkeit innerhalb eines Zeitraums von 24<br />
Stunden ein. Jeder Antwort ist ein Zahlenwert zugeordnet, durch Addition ergibt sich ein<br />
Gesamtsummenscore. Anhand einer fünfstufigen Kategorisierung lassen sich für den<br />
Gesamtsummenscore die folgenden Chronotypen differenzieren: definitiver Abendtyp (14-30<br />
Punkte), moderater Abendtyp (31-41 Punkte), Neutraltyp (42-58 Punkte), moderater Morgentyp (59-<br />
69 Punkte), definitiver Morgentyp (70 bis 86 Punkte).<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 71
Self - Rating Depression Scale (SDS)<br />
Anhand der Self-Rating Depression Scale (SDS; ZUNG, 1965) kann depressive Symptomatik erfasst<br />
werden. Der Fragebogen umfasst 20 Situationen (z.B. „Morgens fühle ich mich am besten.“), für<br />
welche die Häufigkeit ihres Zutreffens während der letzten 7 Tage mittels einer vierstufigen<br />
Ratingskala bewertet werden soll (selten oder nie / manchmal / oft / meistens oder immer). Aus den<br />
Ergebnissen wird ein Gesamtsummenscore gebildet (minimal 20, maximal 80 Punkte), Werte über<br />
40 Punkte gelten als klinisch auffällig.<br />
Self - Rating Anxiety Scale (SAS)<br />
Der Fragebogen Self - Rating Anxiety Scale (SAS; ZUNG, 1971) dient zur Erfassung von<br />
Angstsymptomatik. Es werden 20 Situationen präsentiert, bei denen die Häufigkeit ihres Auftretens<br />
während der letzten 7 Tage mit selten oder nie / manchmal / oft / meistens oder immer bewertet<br />
werden soll. Durch Addition wird ein Gesamtscore (minimal 20, maximal 80) errechnet, Werte über<br />
36 werden als klinisch auffällig gewertet.<br />
Noise Sensitivity Questionnaire (NoiSeQ)<br />
Der Fragebogen von SCHÜTTE et al., (2006) besteht aus 36 Items zum Thema Lärmempfindlichkeit<br />
die 5 Bereiche: Arbeit, Schlaf, Wohnumgebung, Freizeit, Kommunikation. Jede der 5 Subskalen<br />
besteht aus 7 Items. Das Item „Ich bin geräuschempfindlich“ geht nicht in die Auswertung mit ein. Für<br />
jedes Item gibt es 4 Rating-Möglichkeiten: stimmt genau (=0), stimmt eher (=1), stimmt eher nicht (=2)<br />
und stimmt gar nicht (=3). Es lässt sich ein durchschnittlicher Gesamtscore (von 0 bis 3) sowohl für<br />
den Gesamttest als auch für die einzelnen 5 Bereiche berechnen. Dabei entsprechen hohe Werte<br />
(max. 3) einer geringen Lärmempfindlichkeit, niedrige Werte (min. 0) einer hohen<br />
Lärmempfindlichkeit.<br />
Tonaudiometrie<br />
Zur Bestimmung der Hörschwellen wurde eine Tonaudiometrie unter Verwendung des Audiometers<br />
MIDIMATE 622D (Madsen Electronics) Tonaudiometrie durchgeführt. Die Erstellung eines<br />
Audiograms, der sogenannten Hörkurve, dient als wichtiges Diagnoseinstrument, mit dem anhand<br />
Abweichungen von der Normkurve Feststellungen über Art und manchmal auch Ursachen der Störung<br />
des Hörvermögens gemacht werden können (vgl. SCHMIDT et al., 2000). Bei einer Audiometrie wird<br />
für jede bedeutende Frequenz die Hörschwelle so genau wie möglich bestimmt. Üblicherweise wird<br />
die Hörfähigkeit der Frequenzen 250Hz, 500Hz, 1000Hz, 2000Hz, 4000Hz, 5000Hz, 6000Hz und<br />
8000Hz überprüft (vgl. SCHMIDT et al., 2000). Dazu werden dem Probanden in einem schallisolierten<br />
Raum über Kopfhörer einfache oder pulsierende Sinustöne in den entsprechenden Frequenzen mit<br />
ansteigender Lautstärke vorgespielt. Bei 0 dB beginnend, was bei den meisten Menschen außerhalb<br />
des hörbaren Bereichs liegt, wird die Intensität in 5dB-Schritten so oft erhöht, bis der Proband angibt,<br />
den Ton zu hören.<br />
Schlafqualitäts-TESTUNG<br />
Selbstbeurteilungsbogen für Schlaf und Aufwachqualität (SSA)<br />
In dem Fragebogen von SALETU et al. (1987) werden die Schlafqualität (7 Items), die Aufwachqualität<br />
(8 Items) und körperliche Beschwerden (5 Items) ca. 1 Stunde nach dem Aufstehen abgefragt. Daraus<br />
lässt sich sowohl ein Subscore für die Einzelbereiche als auch ein Gesamtscore berechnen. Für jedes<br />
Item gibt es 4 Rating-Möglichkeiten: nein, etwas, mäßig, sehr. Diesen sind jeweils Punktwerte von 1<br />
bis 4 zugeordnet. Es lassen sich ein aufsummierter Gesamtscore (von 20 bis 80 Punkte) sowohl für<br />
den Gesamttest als auch für die einzelnen 3 Bereiche berechnen. Dabei entspricht ein hoher<br />
Gesamtscore (max. 80) einer geringen subjektiven Schlafqualität, ein niedrige Werte (min. 20) einer<br />
hohen Schlafqualität.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 72
Vigilanz-TESTUNG<br />
Stanford Sleepiness Scale (SSS)<br />
Die Stanford Sleepiness Scale (SSS) ist ein Selbstbeurteilungsfragebogen, um den momentanen<br />
Wachheitszustand einzustufen (HODDES et al., 1972). Der Proband wählt eine von sieben<br />
Aktivierungsstufen von 1 = Fühle mich aktiv und vital, vollkommen wach bis 7 = Fast träumend,<br />
schlaf bald ein, kein Bemühen mehr wach zu bleiben aus, die seinen gegenwärtigen Zustand am<br />
besten wiedergibt. Um intraindividuelle Veränderungen im Verlauf der Untersuchung zu erfassen,<br />
wurde die SSS in bestimmten Abständen wiederholt vorgelegt.<br />
Tiredness Symptoms Scale (TSS)<br />
Als ein weiteres Maß für die akute subjektive Schläfrigkeit wurde die Tiredness Symptoms Scale<br />
(TSS; SCHULZ et al., 1991), eine aus 14 Items bestehende Checkliste, eingesetzt. Anhand dieser<br />
Checkliste wird das momentane Auftreten von physischen (z.B. Brennen der Augen) und<br />
psychischen (z.B. Reizbarkeit) Müdigkeitssymptomen abgefragt, wobei die Anwesenheit jedes Item<br />
mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden muss. Der Gesamtsummenscore variiert zwischen 0 (kein<br />
Item bestätigt) und 14 (alle Items bestätigt). Die TSS wurde während der Untersuchung ebenfalls<br />
mehrmals vorgelegt, um intraindividuell verschiedene Verläufe in der Häufigkeit des Auftretens von<br />
Müdigkeitssymptomen zu berücksichtigen.<br />
Pupillographie - Pupillographischer Schläfrigkeitstest (PST)<br />
Der Pupillographische Schläfrigkeitstest (PST; Amtech, D – 69496 Weinheim; WIL-HELM et al.,<br />
1996) erfasst das spontane Pupillenverhalten im Dunkeln über 11 Minuten mit Hilfe einer Infrarot -<br />
Videographie. Im Wachen ist die Pupillenweite unter Ausschluss von Lichteinfluss für lange Zeit<br />
stabil. Dahingegen variiert der Pupillendurchmesser bei erhöhter Schläfrigkeit schon nach wenigen<br />
Minuten deutlich. Die Schwankungen treten aufgrund physiologischer Schläfrigkeit auf vegetativer<br />
Ebene auf und sind von psychologischen Faktoren weitgehend unbeeinflusst. Die fatigue waves als<br />
Maß für die physiologische Schläfrigkeit werden anhand des Pupillenunruheindex (PUI) quantifiziert<br />
(WILHELM et al., 1998; LÜDTKE, WILHELM, ADLER, SCHEFFEL & WILHELM, 1998), der in<br />
mm/min gemessen wird. Der Normbereich des PUIs bei gesunden, nicht schlafdeprivierten<br />
Erwachsenen liegt zwischen 3.5 und 6.6 mm/min, der Durchschnittswert beträgt 4.5mm/min<br />
(WILHELM, KÖRNER et al., 2001). Der PST gibt für jedes von insgesamt 8 Zeitintervallen (je 82s<br />
Länge) einen PUI an. Der durchschnittliche PUI errechnet sich als Mittelwert der PUIs der<br />
auswertbaren, artefaktfreien Intervalle. In der vorliegenden Untersuchung wurde vorausgesetzt, dass<br />
mindestens vier Blöcke auswertbar sein müssen.<br />
Mackworth-Clock - Vigilanztest nach Quatember und Maly (VIGIL)<br />
Dieses computergestützte Verfahren in der Version des Wiener Testsystems 5.10 ®<br />
(Standardtestform VIGIL S, „Quatember Maly“, Version 24.00, Dr. G. Schuhfried G.m.b.H.) basiert<br />
auf dem von Mackworth 1950 zur Vigilanzmessung entwickelten Clocktest (NACHREINER &<br />
HÄNECKE, 1992). Mit Hilfe des Tests soll die Daueraufmerksamkeit in monotonen Situationen<br />
erfasst werden. Auf dem Bildschirm erscheint eine große Kreisbahn, die sich aus vielen kleinen<br />
Kreisen zusammensetzt. Ein aufleuchtender Punkt springt im Uhrzeigersinn von einem Kreis zum<br />
nächsten. In pseudozufälliger Reihenfolge wird hin und wieder ein Kreis übersprungen<br />
(Doppelsprung). Die Aufgabe des Probanden ist es, einen Doppelsprung zu erkennen und möglichst<br />
schnell mit einem Tastendruck zu reagieren. In dem ca. 25 Minuten andauernden Test treten 100<br />
kritische Reize (Doppelsprünge) auf. Die Auswertung wird in einem Ergebnisprotokoll ausgedruckt,<br />
das unter anderem die Anzahl der ausgelassenen und falschen Reaktionen sowie den Mittelwert der<br />
Reaktionszeit beinhaltet.<br />
Determinationstests (DT)<br />
Die Hannoversche Form des Determinationstests (DT) ist ein standardisierter Computertest in<br />
Version 5.10® des Wiener Testsystems der Version (Standardtestform DT, S4, Hannoversche<br />
Form, Version 29.00, Dr. G. Schuhfried GmbH). Der DT ist ein komplexer Mehrfachreiz-<br />
Mehrfachreaktionsversuch, welcher die reaktive Belastbarkeit sowie Störungen der „geteilte<br />
Aufmerksamkeit“ erfasst (WEEß et al., 2000). In der verwendeten Hannoverschen Version des<br />
Determinationstests muss der Probanden auf drei visuelle bzw. akustische Reizkategorien mit drei<br />
verschiedenen motorischen Antworten adäquat reagieren. Dazu erscheint am Computerbildschirm<br />
eine Punktematrix aus 2x5 grauen Punkten, die in fünf verschiedenen Farben in randomisierter<br />
Reihenfolge aufblinken. Das farbige Aufleuchten eines Punktes ist das kritische Ereignis, woraufhin<br />
so schnell wie möglich die zugeordnete Farbtaste gedrückt werden soll. Zudem leuchtet im unteren<br />
Bereich des Computerdisplays in zufälliger Reihenfolge und unterschiedlichen Zeitabständen<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 73
entweder links oder rechts ein Lämpchen auf, woraufhin das entsprechende Fußpedal zu treten ist.<br />
Den dritten kritischen Reiz stellt ein Ton dar, der durch das Drücken einer adäquaten Reaktionstaste<br />
auszuschalten ist. Darüber hinaus gibt es zwei Durchgänge, die sich in der Art der Reizdarbietung<br />
unterscheiden. Bei der freien Variante (Modus Actio) ist die Anzahl der Reize festgelegt. Der<br />
Proband bestimmt die Geschwindigkeit der Reizabfolge. Ausgewertet werden der Median der<br />
Reaktionszeiten, sowie falsche und richtige Reaktionen. Im zweiten Durchgang (Modus Reactio)<br />
sind die Bearbeitungszeit und die Schnelligkeit der Reizabfolge vorgegeben. Es können mehrere<br />
Fehlreaktionen, wie Verspätete, Falsche und Ausgelassene, auftreten. Des Weiteren werden<br />
zeitgerechte und richtige Reaktionen sowie der Median der Reaktionszeiten aufgezeichnet.<br />
Tagesverlauf-TESTUNG<br />
Karolinska Sleepiness Scale (KSS)<br />
Die Karolinska Sleepiness Scale (KSS; AKERSTEDT & GILLBERG, 1990) ist ein subjektiver<br />
Selbstbeurteilungsfragebogen. Die KSS dient der Erfassung der momentanen subjektiven<br />
Schläfrigkeit zu jeder Tag- und Nachtzeit. Diese Skala besteht aus 9 Items, die unterschiedliche<br />
Stufen von extremer Wachheit bis hin zu extremer Schläfrigkeit beschreiben. Hohe Skalenwerte<br />
lassen auf eine hohe Schläfrigkeit schließen, während niedrige Werte auf eine hohe Aktiviertheit<br />
hinweisen. Laut ÅKERSTEDT & GILLBERG (1990) korrelieren hohe KSS-Werte, die einer starken<br />
subjektiv empfundenen Schläfrigkeit entsprechen, deutlich mit physiologischen Müdigkeitsanzeichen<br />
am EEG. GILLBERG et al. (1994) konnten in einem Schlafdeprivationsexperiment zeigen, dass die<br />
subjektiven Bewertungen der Schläfrigkeit mittels der KSS signifikant mit den Leistungen in einem<br />
Vigilanztest sowie einem Reaktionstest korrelieren bzw. letztere vorhersagen.<br />
Palm-Psychomotor Vigilance Task (Palm-PVT)<br />
Das ältere Testsystem „Psychomotor Vigilance Task“ PVT-192 ® (Ambulatory Monitoring Inc., New<br />
York, USA), das in der Vorgängerstudie zur Anwendung kam, wurde an der Universität Pennsylvania<br />
als Forschungsinstrument zur Erfassung des Vigilanzniveaus entwickelt (DINGES & POWELL,<br />
1985). Der Walter Reed Palm-PVT (THORNE et al., 2005; Walter Reed Army Institutes of<br />
Reasearch, Silver Spring, Maryland) ist dagegen ein neuer psychomotorischer Reaktionstest, der<br />
sich sowohl am Modell des PVT-192 als auch am Reaktionstest von WILKINSON & HOUGHTON<br />
(1982) orientiert. Im Vergleich zum PVT-192 wurde die Durchführungsdauer von zehn auf fünf<br />
Minuten verkürzt.<br />
Bei dem Testsystem handelt es sich um eine einfache psychomotorische Reiz-Reaktions-Aufgabe<br />
mit hoher Reizdichte. Es werden wiederholt visuelle Reize präsentiert, woraufhin so schnell wie<br />
möglich eine Reaktionstaste bedient werden muss. Jeder Testdurchgang war zeitlich identisch (300<br />
Sekunden) und wies eine Reizdichte von 100 visuellen Stimuli auf. Im Gegensatz zu den LED-Ziffern<br />
der Version des PVT-192, die gleichzeitig als Feedback über die Reaktionszeiten dienten,<br />
erscheinen beim Palm-PVT auf einem LCD-Bildschirm hochkontrastierte identische Zielscheiben als<br />
visuelle Reize.<br />
Wach-EEG - Varioport ®<br />
Um Vigilanzeinbrüche auf physiologischer Ebene zu erfassen, wurden über den ganzen Testtag<br />
hinweg, ab etwa 7:15 Uhr am Morgen bis etwa 10:15 Uhr spät abends, EEG- EOG und EKG-<br />
Parameter bei den Probanden aufgezeichnet. Dazu wurde das portable Aufzeichnungsgeräts<br />
Varioport ® (Version 4.0) verwendet. Damit lassen sich verschiedene physiologische Parameter wie<br />
Gehirnströme, Augenbewegungen und die Herzfrequenz aufzeichnen:<br />
• Elektrookulogramm (EOG)<br />
3 Kanäle zur Aufzeichnung der horizontalen und vertikalen Augenbewegungen<br />
• Elektroencephalogramm (EEG)<br />
3 Kanäle [Fz, Cz, Pz]<br />
• Elektrokardiogramm (EKG)<br />
3 Elektroden zur Registrierung der Herzfrequenz<br />
Das System bietet die Möglichkeit, rund um die Uhr physiologische Daten aufzuzeichnen und auf<br />
einer „Memorycard“ zu speichern, die mittel eines Auslesegerätes sowie einer am Computer<br />
installierte Software (VARIOGRAF-Software; Version 4.68, Gerhard Mutz, 2003) ausgelesen und<br />
digital gespeichert werden können.<br />
Unter Verwendung eines von DaimlerChrysler entwickelten Auswertungstools lassen sich für die<br />
gesamte Zeit Müdigkeitsindices für jede Minute errechnen und als Verlaufsgraphik darstellen, um<br />
eventuelle Peaks zu erkennen. Im Rahmen dieser Studie war vor allem der Müdigkeitsverlauf<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 74
während der vier Testfahrten von Interesse. Zudem wurde für jede Versuchsperson und für jede<br />
Fahrt ein mittlerer Müdigkeitswert berechnet. Um für jede Versuchsperson eine kritischen<br />
Müdigkeitsindex individuell festzulegen, wurde jeweils der niedrigste Fahrtmittelwert einer Person<br />
ausgewählt und die entsprechende zweifache Standardabweichung hinzuaddiert. Im Anschluss<br />
wurde unter Verwendung der Verlaufsgrafik die Anzahl der Müdigkeitkeitindices pro Minute ermittelt,<br />
die über den kritischen Müdigkeitsindex lagen. Diese Anzahl wurde durch die jeweiligen<br />
Fahrtminuten der einzelnen Fahrt dividiert, wodurch sich für jede Fahrt ein standardisierter<br />
Müdigkeitsquotient ermitteln ließ. Je höher dieser Müdigkeitsquotient ausfiel, ums müder war der<br />
Proband. Für jeden Probanden wurde aus den vier Teilfahrten ein durchschnittlicher<br />
Müdigkeitsquotient pro Tag berechnet.<br />
Fahrdaten<br />
Für die Testfahrten wurde von DaimlerChrysler ein Mercedes Benz LKW Actros II, Typ 1841 LS,<br />
Powershift 16 zur Verfügung gestellt. In diesem Actros II bestand die technische Möglichkeit mittels<br />
eines integrierten Spurassistenten und einem von DaimlerChrysler eigens entwickelten Programm,<br />
die Fahrdaten in Form von CAN-Dateien auf einem vor Ort installierten Notebook zu registrieren<br />
(Autor im Auftrag von DaimlerChrysler: Sven Willmann, TZ Mikroelektronik, 73037 Göppingen). In<br />
der vorliegenden Studie wurden folgende CAN-Dateien aufgezeichnet:<br />
CAN1__IST_AKTUELLER ABSTAND<br />
CAN1__IST_FZG_SPEED<br />
CAN1__IST_LENKRADWINKEL<br />
CAN1__IST_LENKRADUMDREHUNG<br />
CAN1__IST_OUER_BESCHL<br />
Über digitale Triggersysteme konnten die Daten zur Fahrleistung mit den Daten des Wach- EEGs<br />
(siehe oben) synchronisiert werden.<br />
Befindlichkeitsfragebogen (BF)<br />
Vor Fahrtbeginn und nach der Fahrt mussten die Probanden einen umfangreichen Fragebogen zu<br />
ihrer Befindlichkeit bearbeiten. Dieser Bogen zur Selbsteinschätzung wurde vom Customer<br />
Research Center EP/TPC von DaimlerChrysler anlässlich des „LKW-Konditionsmanager“ (KOMA-<br />
Projekt) konzipiert und für diese Studie komplett übernommen. Er besteht aus insgesamt 46 Items in<br />
Form von adjektivischen Begriffen, die sich den vier Komponenten, Psychische Anspannung,<br />
Leistungsfähigkeit, Leistungsmotivation und Ermüdung, zuordnen lassen. Bei jedem dieser Adjektive<br />
soll der Proband auf einer 6-stufigen Skala einschätzen (1 = „kaum“, 2 = „etwas“, 3 =<br />
„einigermaßen“, 4 = „ziemlich“, 5 = „überwiegend“, 6 = „völlig“), wie sehr es auf seinen<br />
augenblicklichen Zustand zutrifft. Mit Begriffen, wie „gereizt“, „nervös“ und „entspannt“ wird die<br />
momentane psychische Anspannung erfasst. Die Leistungsfähigkeit wird durch Adjektive, wie<br />
„kraftvoll“, „konzentrationsfähig“ und „reaktionsschnell“ beschrieben. Auch auf die subjektive<br />
Leistungsmotivation („teilnahmsvoll“, „lustlos“, „anstrengungsbereit“) sowie die subjektive Ermüdung<br />
(„munter“, „matt“, „hellwach“) wird anhand mehrerer Items eingegangen. In jede Dimension gehen<br />
unterschiedlich viele Variablen mit unterschiedlicher Gewichtung ein. DaimlerChrysler stellte dazu<br />
eine eigens entwickelte Auswertungsmatrize zur Verfügung, mit deren Hilfe unter Berücksichtigung<br />
der Gewichtung und der gegenläufig umkodierten Items, Gesamtscores für die vier einzelnen<br />
Dimensionen errechnet werden konnten. Diese vier Gesamtwerte liegen im Bereich von 1 bis 6. Ein<br />
hoher Score bedeutet, dass sich die Probanden in dem durch die Dimension beschriebenen Zustand<br />
befinden, sprich z.B. sehr ermüdet oder sehr leistungsmotiviert sind.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 75
Anhang IV<br />
____________________________________________________________________________________________________________<br />
Informationsmaterial für die LKW-Fahrer<br />
So läuft ein Testtag ab….<br />
Wann? Was ist zu tun?<br />
06:15 Uhr Aufstehen<br />
Wo?<br />
06:20 Uhr Abnahme des Nacht- EEGs<br />
Haus 18<br />
Schlaflabor (im EG)<br />
Morgenprotokoll ausfüllen und Zeit für Haus 18<br />
06:30 Uhr<br />
Morgentoilette<br />
Schlaflabor (im EG)<br />
07:00 Uhr Anlegen des Wach- EEGs<br />
Haus 18<br />
Schlaflabor (im EG)<br />
07:30 Uhr Frühstück Station 21 B<br />
08:00 Uhr 1. Testung<br />
Fragen zur Müdigkeit, Reaktionstest,<br />
08:30 Uhr<br />
Fragen zur Befindlichkeit<br />
08:45 Uhr Abfahrt<br />
Haus 18<br />
Schlaflabor (im EG)<br />
LKW<br />
(am Parkplatz des BZK*)<br />
10:15 Uhr Fragen zur Müdigkeit, Reaktionstest LKW (auf Rastplatz)<br />
12:00 Uhr<br />
12:15 Uhr<br />
Ankunft am BZK: Fragen zur<br />
Müdigkeit, Reaktionstest<br />
Mittagessen (Lunchpaket<br />
mitnehmen!)<br />
12:45 Uhr 2. Testung<br />
14:10 Uhr Fragen zur Müdigkeit, Reaktionstest<br />
14:15 Uhr Abfahrt<br />
LKW<br />
(am Parkplatz des BZK)<br />
Station 21 B<br />
Haus 18<br />
Schlaflabor (im EG)<br />
LKW<br />
(am Parkplatz des BZK)<br />
16:15 Uhr Fragen zur Müdigkeit, Reaktionstest LKW (auf Rastplatz)<br />
Ankunft am BZK: Fragen zur<br />
18:30 Uhr Müdigkeit, Reaktionstest,<br />
Fragen zur Befindlichkeit und zur Fahrt<br />
20:15 Uhr Fragen zur Müdigkeit, Reaktionstest<br />
21:50 Uhr Fragen zur Müdigkeit, Reaktionstest Station 21 B<br />
22:00 Uhr Sie werden vom Nachtdienst abgeholt Station 21 B<br />
LKW<br />
(am Parkplatz des BZK)<br />
22:10 Uhr<br />
Abnahme des Wach- EEGs und Zeit für<br />
Haus 18<br />
Abendtoilette<br />
22:30 Uhr<br />
Anlegen des Nacht- EEGs<br />
(Abendprotokoll ausfüllen!)<br />
Haus 18<br />
Schlaflabor (im EG)<br />
23:15 Uhr „Licht aus“ - Schlafen<br />
*BZK= Bezirksklinikum<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 76
Anhang V<br />
____________________________________________________________________________________________________________<br />
Informationsmaterial für die LKW-Fahrer<br />
Bitte beachten sie…<br />
LKW-Studie II<br />
• Am ersten Abend ab 18:00 Uhr und während der Untersuchungstage<br />
dürfen Sie keine koffeinhaltigen Getränke und keinen Alkohol<br />
konsumieren.<br />
• Auch Medikamente, die Ihre Wachheit beeinflussen, dürfen Sie nicht<br />
einnehmen.<br />
• Unmittelbar (15 min) vor und während den einzelnen Testungen ist das<br />
Rauchen nicht gestattet.<br />
>> Im LKW notfalls nur bei offenen Fenster! Nehmen Sie auf<br />
Testfahrer, die Nichtraucher sind, Rücksicht!<br />
• Schlafen sie tagsüber nicht und machen sie keinen Mittagsschlaf<br />
• Während der LKW-Fahrten müssen Sie sich wie im Berufsalltag an<br />
die gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten sowie Fahrvorschriften<br />
(z.B. Höchstgeschwindigkeit) halten.<br />
• Sollten Sie sich tagsüber zu müde oder kaputt fühlen, um das<br />
Fahrzeug sicher lenken zu können, sind Sie wie im Berufsalltag<br />
eigenverantwortlich verpflichtet, eine Ruhepause einzulegen:<br />
Die Sicherheit im Straßenverkehr hat<br />
immer absoluten Vorrang!<br />
• Wenn es irgendwelche Probleme während der Fahrt gibt, können Sie<br />
uns jederzeit mit dem von uns bereitgestelltem Handy anrufen (in der<br />
Rufliste: Versuchsleiter-Handy).<br />
• Informieren Sie uns bitte auch, falls Sie mittags aus irgendwelchen<br />
Gründen nicht pünktlich (mehr als 15 Minuten vom Zeitplan<br />
abweichend) am Bezirksklinikum eintreffen können.<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 77
Anhang VI<br />
____________________________________________________________________________________________________________<br />
Routenpläne<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 78
Anhang VI<br />
____________________________________________________________________________________________________________<br />
Routenpläne<br />
Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 79