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Forschungsprojekt Proposal<br />

Störung des Schlafs und der Leistungsfähigkeit<br />

von LKW- Fahrern durch Störgeräusche und<br />

nächtlichen Verkehrslärm<br />

- Folgestudie zur Effektivität der nächtlichen<br />

Schalldämmung in der Actros-Fahrerkabine<br />

Juli 2008<br />

<strong>ABSCHLUSSBERICHT</strong><br />

Popp R, Maier S, Zulley J, Hajak G<br />

Universität Regensburg<br />

Schlafmedizinisches Zentrum<br />

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie,<br />

Psychosomatik und Psychotherapie der<br />

Universität am Bezirksklinikum Regensburg<br />

Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums / Forschung:<br />

Prof. J. Zulley & Prof. G. Hajak<br />

Studienprojekt für die Daimler AG<br />

Projekt Konditionsmanager 07/08<br />

S. Rothe<br />

Projektleiter und Ansprechpartner<br />

Dr. Roland F.J. Popp<br />

Schlafmedizinisches Zentrum Regensburg<br />

Universität Regensburg Phone: +49 941 941 2068<br />

Universitätsstrasse 84 Fax: +49 941 941 1505<br />

D-93042 Regensburg Email: roland.popp@klinik.uni-regensburg.de


Störung des Schlafs und der Leistungsfähigkeit<br />

von LKW- Fahrern durch Störgeräusche und<br />

nächtlichen Verkehrslärm<br />

Synopsis - Überblick<br />

Zusammenfassung<br />

Wird die Kontinuität des Nachtschlafs durch lauten Lärm gestört, hat dies meist erhebliche<br />

negative Auswirkungen auf die Erholsamkeit des Schlafs und die Tagesverfassung (condition).<br />

LKW-Fernfahrer sind berufsbedingt bei Übernachtungen an belebten Raststätten besonders<br />

starkem Verkehrslärm ausgesetzt.<br />

Vorliegendes Forschungsprojekt simulierte unter möglichst realistischen Bedingungen eine 6-<br />

Tage-Arbeitswoche, bei der 10 LKW-Fahrer drei Nächte lang Autobahnlärm ausgesetzt waren.<br />

Die Studie wies nach, dass Verkehrslärm sowohl die Schlafqualität von LKW-Fahrern<br />

beeinträchtigt als auch zu einer vermehrten physiologischen Schläfrigkeit sowie einer<br />

eingeschränkten Leistungsfähigkeit im Tagesverlauf führt:<br />

� Objektive Schlafqualität: Unter der Lärmbedingung ließ sich eine signifikante Erhöhung<br />

des Anteils von Schlafstadium 1 (Leichtschlaf) im Vergleich zur Kontrollbedingung<br />

nachweisen. Ebenso war die Anzahl von Weck-Reaktionen (Arousals) in den Lärmnächten<br />

deutlich erhöht und führte zu einer stärkeren Fragmentierung der Schlafkontinuität.<br />

� Subjektive Schlafqualität: Auch subjektiv wurde der Schlaf unter Verkehrslärmbedingungen<br />

als qualitativ schlechter und weniger erholsamer beurteilt.<br />

� Physiologische Schläfrigkeit: Während der Fahrzeiten im LKW wurde im Wach-EEG ein<br />

reduzierter Wachheitsgrad - gemessen an einem höheren Müdigkeitsquotienten - nach<br />

Lärmnächten in Vergleich zu Kontrollnächten registriert.<br />

� Leistungsfähigkeit: Bei einem monotonen Daueraufmerksamkeitstest wurde eine<br />

Zunahme von Auslassungsfehlern, die ein sensitives Maß für Schläfrigkeitseffekte<br />

darstellen, nach den Lärmnächten festgestellt. Ebenso kam es nur nach Lärmnächten zu<br />

einer Zunahme von Fehlreaktionen bei einem komplexen Mehrfachreiz-<br />

Mehrfachreaktionstest, sobald eine Stresssituation induziert wurde. Außerdem konnte mit<br />

Hilfe eines portablen Reaktionstest bei Fahrtbeginn eine Verlangsamung des<br />

Reaktionsvermögens nach den Lärmnächten beobachtet werden.<br />

Selbst unter den gut standardisierten und „fahrerfreundlichen“ Arbeitsbedingungen“ unserer Studie<br />

reichten drei aufeinander folgende Lärmnächten aus, um objektive Leistungseinbußen bei<br />

Fahrtbeginn sowie unter Monotonie und Stress hervorzurufen. Subjektiv wurden diese Defizite<br />

oder Anzeichen einer erhöhten physiologischen Schläfrigkeit nicht wahrgenommen. Hier besteht<br />

die Gefahr einer Selbstüberschätzung oder Fehlbeurteilung des Wachheitsgrades auf Seiten<br />

der LKW-Fahrer, was zu einem deutlich erhöhten Unfallrisiko beiträgt.<br />

Insgesamt erfüllt die bisherige Schalldämmung der Actros-Kabine die Richtlinien für nächtliche<br />

Lärmbelastung bei weitem nicht. Daher sollte durch eine bessere Schallisolierung angestrebt<br />

werden, im Innenraum des Actros Lautstärkepegel von 30-35 dB(A) zu erreichen – diese<br />

Normpegelwerte werden für Schlafräume in Mischgebieten empfohlen. Dadurch soll den LKW-<br />

Fahrern ein erholsamer Schlaf ermöglicht werden, wenn sie an einer Raststätte übernachten<br />

müssen.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 2


Methodisches<br />

Vorgehen<br />

Für die Studie verbrachten zehn LKW-Berufsfernfahrer, die alle mit<br />

Übernachtungen an Raststätten vertraut waren, jeweils sechs aufeinander<br />

folgende Nächte in einer LKW-Schlafkabine. Als „Schlaflabor auf Rädern“<br />

diente das untere Bett eines Mercedes-Benz LKW Actros II, Typ 1860 MS,<br />

in der akustische Original-Aufzeichnungen von Autobahngeräuschen eingespielt<br />

wurden.<br />

Jeder LKW-Fahrer durchlief drei Kontrollnächte ohne Verkehrslärm und<br />

drei Lärmnächte mit der Einspielung der Verkehrsgeräusche. Die<br />

Reihenfolge der beiden Experimentalbedingungen (laut vs. leise) erfolgte<br />

dabei nach dem Zufallsprinzip.<br />

In allen sechs Nächten fand eine Schlafaufzeichnung mittels einer<br />

Polysomnographie statt, um die objektive Schlafqualität anhand von<br />

etablierten Schlafparametern (z.B. Tiefschlafanteil, Schlafeffizienz, Anzahl<br />

der Weckreakionen etc.) zu erfassen. Am Morgen wurde jeweils die<br />

subjektive Schlafqualität eingeschätzt. Anschließend wurde mittels<br />

Reaktions- und Daueraufmerksamkeitstests sowie einer Fahrdatenaufzeichnung<br />

das Fahr- und Leistungsvermögen der Probanden im<br />

Tagesverlauf ermittelt. Parallel dazu wurde die Tagesbefindlichkeit und<br />

die subjektive Schläfrigkeit erfasst. Physiologische Komponenten der<br />

Schläfrigkeit wurden mittels einer Pupillographie am Morgen und am<br />

Mittag sowie mit Hilfe eines ca. 14-stündigen Wach-EEGs erhoben.<br />

Um die ausgewählten Parameter in einem möglichst naturalistischen und<br />

gleichzeitig standardisierten Setting erheben zu können, wurde eine<br />

typische Arbeitswoche eines LKW-Fahrers nach gesetzlichen Lenk- und<br />

Ruhezeiten simuliert. Dazu mussten die Probanden sechs Tage lang<br />

vorgegebene Fahrrouten mit einem Actros II 1840 samt Auflieger<br />

(Gesamtgewicht 40 t) absolvieren. Besonderes Augenmerk der Studie lag<br />

auf kumulativen Schläfrigkeitseffekten über einen ganzen Tag hinweg bzw.<br />

nach mehreren Nächten mit Lärmbelastung im Vergleich zu mehreren<br />

ruhigen Nächten. Die Messungen wurden gemäß eines Within-Subject-<br />

Designs über sechs Tage und Nächte hinweg durchgeführt:<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 3


Einbindung<br />

der Studie<br />

� Hintergrund dieser Studie bildet das Modul „Schlafqualitätsfördernde<br />

Maßnahmen“ innerhalb eines umfassenden Konditions-Managements<br />

(KOMA) für den einzelnen LKW-Fahrer: Durch Verbesserung der<br />

Schlafumgebung und Reduzierung schlafstörender Umwelteinflüsse soll<br />

eine angemessene Schlafqualität in der Nacht ermöglicht werden, um<br />

somit am Tag ein entsprechendes Leistungsvermögen zu gewährleisten.<br />

� Das geplante Forschungsprogramm stellt eine Anschlussuntersuchung<br />

einer vorangegangenen Pilotstudie dar:<br />

>>Störung des Nachtschlafs und der vigilanzbedingten Leistungs-<br />

fähigkeit von LKW- Fahrern durch gedämpften Verkehrslärm?


Schlussfolgerungen<br />

Auf den ersten Blick scheinen Berufsfernfahrer an den Geräuschpegel von<br />

Raststätten relativ gut gewöhnt und robust gegenüber Verkehrslärm zu<br />

sein: So geben sie allgemein eine geringe Lärmsensitivität im Arbeits-<br />

und Schlafbereich an. Genauere Analysen der Schlafarchitektur zeigen<br />

jedoch, dass es unter Lärm zu vermehrten Schlafunterbrechungen<br />

(Arousals) kommt und die Schlafqualität objektiv und subjektiv<br />

beeinträchtigt ist.<br />

Selbst unter den gut standardisierten und „fahrerfreundlichen“ Arbeitsbedingungen“<br />

unserer Studie reichten drei aufeinander folgenden<br />

Lärmnächte aus, um Leistungseinbußen bei Monotonie, am frühen<br />

Morgen und unter Stress hervorzurufen. Subjektiv wurden diese<br />

Beeinträchtigungen jedoch nicht wahrgenommen. Auf physiologischer<br />

Ebene ließen sich im Wach-EEG nach Lärmnächten ebenfalls Anzeichen<br />

einer erhöhten Müdigkeit bei den LKW-Fahrten erkennen, die nicht mit<br />

einem verstärkten Müdigkeitsempfinden einhergingen. Hier besteht die<br />

Gefahr einer Selbstüberschätzung oder Fehlbeurteilung des Wachheitsgrades<br />

auf Seiten der LKW-Fahrer. Damit steigt auch das Risiko, einen<br />

schläfrigkeitsbedingten Unfall zu verursachen.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 5


Inhaltsverzeichnis<br />

Synopsis - Überblick 2<br />

1. Theoretischer Hintergrund 8<br />

1.1 Erholsamer Schlaf und Verkehrssicherheit 8<br />

1.2 Nicht-erholsamer Schlaf und Verkehrslärm 9<br />

2. Methodisches Vorgehen 11<br />

2.1 Probanden 11<br />

2.1.1 Einschlusskriterien für die Teilnehmer 11<br />

2.1.2 Ausschlusskriterien für die Teilnehmer 11<br />

2.1.3 Beschreibung der Probandengruppe 12<br />

2.2 Testmaterial & verwendete Verfahren 17<br />

2.2.1 Fragebögen und Testverfahren 17<br />

2.2.2 Nächtliche Polysomnographie (PSG) 18<br />

2.3 Ablauf der Studie 19<br />

2.3.1 Versuchsdesign 19<br />

2.3.2 Rahmenbedingungen 20<br />

2.3.3 Technischer Versuchsaufbau 20<br />

2.3.4 Versuchsdurchführung 23<br />

2.4 Methoden der Datenanalyse 27<br />

3. Ergebnisse 29<br />

3.1 NACHTSCHLAF: Schlafqualität 29<br />

3.1.1 Physiologische Schlafqualität 29<br />

3.1.2 Subjektive Schlafqualität 36<br />

3.2 MORGENTESTUNG: Schläfrigkeit 37<br />

3.2.1 Physiologische Schläfrigkeit: Pupillographie 37<br />

3.2.2 Subjektive Schläfrigkeit: Selbstbeurteilungsfragebögen 37<br />

3.3 MITTAGSTESTUNG: Schläfrigkeit und Aufmerksamkeitsleistung 39<br />

3.3.1 Physiologische Schläfrigkeit: Pupillographie 39<br />

3.3.2 Objektive aufmerksamkeitsbedingte Leistungsfähigkeit 40<br />

3.2.2 Subjektive Schläfrigkeit: Selbstbeurteilungsfragebögen 47<br />

3.4 TAGESVERLAUF: Schläfrigkeit sowie Aufmerksamkeits- und Fahrleistung 52<br />

3.4.1 Physiologische Schläfrigkeit: Wach-EEG 52<br />

3.4.2 Vigilanzbedingte Leistungsfähigkeit 53<br />

3.4.3 Fahrleistung 56<br />

3.4.4 Subjektive Schläfrigkeit: Selbstbeurteilungsfragebogen 56<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 6


4. Diskussion 60<br />

4.1 Bewertung der Studie allgemein 60<br />

4.2 Zusammenfassung der Studienergebnisse 60<br />

4.3 Bewertung der Studienergebnisse 61<br />

4.4 Zusammenfassende Diskussion 62<br />

5. Ausblick 65<br />

6. Literatur 66<br />

7. Anhang 68<br />

Anhang I Information für Studienteilnehmer 68<br />

Anhang II Einverständniserklärung 70<br />

Anhang III Beschreibung der verwendeten Testverfahren 71<br />

Anhang IV Informationsmaterial für die LKW-Fahrer 76<br />

Anhang V Routenpläne 78<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 7


1. Theoretischer Hintergrund<br />

1.1 Erholsamer Schlaf und Verkehrssicherheit<br />

Bei gesunden Personen ist der Schlaf die Grundlage für Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit.<br />

Ungenügender oder fehlender Nachtschlaf beeinträchtigt die Konzentrations- und<br />

Leistungsfähigkeit am Tage. Eine stark erhöhte Schläfrigkeit – oft auch bedingt durch eine<br />

zugrunde liegende Schlafstörung oder Schlaffragmentierung – ist nachweislich mit einem erhöhten<br />

Unfallrisiko im Straßenverkehr sowie am Arbeitsplatz verbunden. Vor allem schwere<br />

Verkehrsunfälle auf Autobahnen werden oft durch Einschlafen am Steuer verursacht. (ZULLEY et<br />

al., 1995; MASA et al., 2000; MELAMED et al., 2002; LINDBERG et al., 2001; CONNOR et al.,<br />

2001). So ist z. B. die Unfallhäufigkeit von Patienten mit Schlafapnoe, die aufgrund einer<br />

Fragmentierung ihres Schlafs unter einem chronischen Mangel an erholsamem Schlaf leiden, ca.<br />

2,0 bis 6,3-mal höher als die der Allgemeinbevölkerung (GEORGE et al., 1987; FINDLEY et al.,<br />

1988; WU & YAN-GO, 1996; YOUNG et al., 1997; TERAN-SANTOS et al., 1999; HORSTMANN et<br />

al., 2000; LLOBERES et al., 2000). Patienten mit einer obstruktiven Schlafapnoe schneiden auch<br />

in Fahrsimulatoruntersuchungen deutlich schlechter als Kontrollpersonen ab (GEORGE et al.,<br />

1996; JUNIPER et al., 2000; RISSER et al., 2000).<br />

Die Häufigkeit schläfrigkeitsbedingter Unfälle wurde nicht nur für diese besonders gefährdeten<br />

Patientengruppen, sondern auch in der Allgemeinbevölkerung und für Berufskraftfahrer untersucht:<br />

In einer retrospektiven Analyse über einen Zeitraum von 6 Jahren wurde der Anteil von<br />

schläfrigkeitsbedingten Unfällen auf 16 % geschätzt (zitiert in MACLEAN et al., 2003). Eine<br />

prospektive Studie brachte 23 % aller Unfälle mit Schläfrigkeit am Steuer in Verbindung, wobei<br />

beinahe 25 % dieser Verkehrsunfälle zu schwerwiegenden Verletzungen des Fahrers führten<br />

(HORNE & REYNER, 1995). Bei einer britischen Studie, in der 4621 männliche Lkw- und Pkw-<br />

Fahrer befragt wurden, gaben 29 % der Fahrer an, im Laufe des letzten Jahres am Steuer beinahe<br />

eingeschlafen zu sein (MAYCOCK, 1997). Die britischen Forscher HORNE und REYNER (1995)<br />

berichteten, dass 20 – 25 % der Unfälle auf Einschlafen während des Autofahrens zurückzuführen<br />

seien. Eine andere Forschergruppe schätzte den Anteil von Unfällen, bei denen Einschlafen am<br />

Steuer oder eine erhöhte Schläfrigkeit eine Rolle spielt, auf 21,9 % (GARBARINO et al., 2001).<br />

Eine Studie des Schlafmedizinischen Zentrums Regensburg, die in Kooperation mit dem<br />

ehemaligen HUK-Verband durchgeführt wurde, ergab, dass im Jahr 1991 ein Viertel aller<br />

Verkehrstoten auf bayerischen Autobahnen bei Unfällen starben, die auf Einschlafen des Fahrers<br />

zurückzuführen waren (ZULLEY et al., 1995).<br />

Diese Studien verdeutlichen auch, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen nichterholsamem<br />

Schlaf und eingeschränkter Leistungsfähigkeit bzw. Fahrtauglichkeit gibt.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 8


1.2 Nicht-erholsamer Schlaf und Verkehrslärm<br />

Nicht-erholsamer Schlaf kann aus schlafmedizinischer Sicht auch durch exogene Faktoren wie<br />

etwa Lärm bedingt sein, da es aufgrund der akustischen Reize zu vermehrten Weckreaktionen<br />

kommen kann. Der negative Effekt von Automobil-, Bahn- und Flugzeuglärm auf den Nachtschlaf<br />

sowie auf die Befindlichkeit ist in zahlreichen aktuellen Studien gut belegt (ISING & KRUPPA,<br />

2004; KAWADA, 1995; RASCHKE, 2004; STANSFELD & MATHESON, 2003).<br />

Im Gegensatz dazu ist die Wirksamkeit schallisolierender Maßnahmen unter Realbedingungen<br />

meist nur unter physikalischen Aspekten (Verringerung der dB-Stärken) untersucht und beruht<br />

weniger auf physiologisch-psychologischen Untersuchungen.<br />

Eine Ausnahme stellt die schwedische Studie von KECKLUND und ÅKERSTEDT (1997) dar. Die<br />

Forscher beschäftigten sich ebenfalls mit der Frage, welche Auswirkungen der Schlaf in einem<br />

LKW-Bett an einem befahrenen Rasthof auf die Schlafqualität hat.<br />

Zur Beantwortung dieser Fragestellung ließen sie 6 Versuchspersonen in der Schlafkoje eines<br />

LKWs übernachten: Eine Nacht, die sog. „Geräuschnacht“, verbrachten die Probanden an einem<br />

gut besuchten Rasthof, eine zweite Nacht schliefen sie in einem ruhigen, geräuscharmen Park in<br />

der Nähe des Forschungsinstituts. Die Schlafqualität in beiden Nächten wurde sowohl objektiv<br />

mittels Polysomnographie, als auch subjektiv mittels Fragebögen zur Schlafqualität und zur<br />

Schläfrigkeit am folgenden Tag gemessen. Alle sechs Versuchspersonen gaben an, dass die<br />

Geräusche am Rasthof ihren Schlaf gestört hatten. Die Auswertungen der Polysomnographie<br />

ergaben jedoch trotz der hohen Lautstärkepegel während der Nacht am Rasthof keine<br />

signifikanten Unterschiede zwischen ruhiger und lauter Nacht. Hinsichtlich der Einschätzung der<br />

subjektiven Schlafqualität mittels eines standardisierten Fragebogens konnte ein signifikanter<br />

Unterschied gefunden werden: Die Probanden schätzten ihren Schlaf nach der Nacht am Rasthof<br />

als weniger erfrischend ein als nach der ruhigen Nacht.<br />

Zwar gibt o. g. Studie Hinweise darauf, dass keine gravierenden Unterschiede zwischen einer<br />

Nacht an einem Rasthof und in ruhiger Umgebung bestehen, doch dürfen hier einige wichtige<br />

Aspekte nicht außer Acht gelassen werden: Zunächst wurde nur eine sehr kleine Anzahl an<br />

Versuchspersonen getestet. Außerdem durchliefen die Probanden vor den beiden Nächten, die in<br />

die Auswertung mit einbezogen wurden, keine Adaptationsnacht. Aus diesem Grund könnten die<br />

Ergebnisse durch den sog. „first-night-effect“, also eine Verschlechterung der Schlafqualität<br />

aufgrund der ungewohnten Schlafumgebung, verfälscht worden sein. Des Weiteren waren die<br />

teilnehmenden Probanden keine LKW-Fahrer und waren folglich das Schlafen in einem LKW-Bett<br />

und die Geräuschkulisse nicht gewohnt.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 9


Unser Forschungsprojekt strebte daher gezielt an, 10 LKW-Fernfahrer, die alle mit<br />

Übernachtungen an belebten Rasstätten vertraut waren, während 6 Nächten und einer simulierten<br />

Arbeitswoche zu untersuchen. Für die Untersuchung wurde eigens ein Actros II so umgerüstet,<br />

dass es als ein vollwertiges „Schlaflabor auf Rädern“ diente (Abbildung 1.1). Am Tag legten die<br />

Fahrer mit einem weiteren Actros II (Typ 1848 LS, Powershift 16) samt Auflieger (Gesamtgewicht<br />

40 t, siehe Abbildung 1.2). zwei vorgegebene Rundstrecken zurück und mussten morgens und<br />

mittags auf dem Klinikgelände umfangreiche Schläfrigkeits-Assessments absolvieren.<br />

Abbildung.1.1 Actros II als „Schlaflabor auf Rädern“ zur Aufzeichnung von Schlafdaten<br />

(Polysomnographien mit Video)<br />

Im Technikraum:<br />

- Aufzeichnung des Schlafs<br />

(Polysomnographie mit EOG, EMG,<br />

EEG und Video)<br />

- Einspielen der Verkehrsgeräusche<br />

>> „Schlaflabor auf Rädern“<br />

EOG<br />

EMG (Elektromyogram<br />

EEG<br />

TECHNIKRAUM<br />

Abbildung. 1.2 Actros II mit Auflieger als Testfahrzeug am Tag<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 10


2. Methodisches Vorgehen<br />

2.1 Probanden<br />

Bei der Rekrutierung der Versuchsteilnehmer wurde größtenteils auf die Probanden der<br />

Vorgängerstudie zurückgegriffen. Neue Probanden konnten durch persönliche Kontakte der<br />

LKW- Fahrer gewonnen werden.<br />

Alle Probanden nahmen freiwillig an der Untersuchung teil, nachdem sie über Ziel, Zweck und<br />

Ablauf der Studie aufgeklärt worden waren (vgl. Anhang I) und eine Einverständniserklärung (vgl.<br />

Anhang II) zu dieser Studie unterschrieben hatten.<br />

Für die Studie lag ein positives Votum (Nr. 06/209) der Ethikkommission der Medizinischen<br />

Fakultät der Universität Regensburg vor. Als Aufwandsentschädigung erhielt jeder Proband nach<br />

erfolgreichem Durchlaufen der Untersuchung 1000.- Euro.<br />

2.1.1 Einschlusskriterien für die Teilnehmer<br />

Um an der Studie teilzunehmen, mussten die Probanden folgende Kriterien erfüllen:<br />

1. Männliche LKW-Berufsfernfahrer mit Übernachtungserfahrung an Raststätten.<br />

2. Der Proband ist im Alter von 25-50 Jahren.<br />

3. Regelmäßige Bettzeiten während der Freizeit (in der Regel zwischen 21:00 und 24:00 Uhr)<br />

4. Der Proband ist in der Lage, Ziel und Zweck der Studie sowie die Probandeninformation zu<br />

verstehen. Er ist kognitiv und sprachlich fähig, die Fragebögen und Testaufgaben zu<br />

bewältigen.<br />

5. Der Proband zeigt Compliance und ist bereit, sich an das Studienprotokoll zu halten.<br />

6. Vorliegen einer schriftlichen Einverständniserklärung zu dieser Studie.<br />

2.1.2 Ausschlusskriterien für die Teilnehmer<br />

Trafen auf den Pobanden eines oder mehrere der nachfolgenden Kriterien zu, wurde er von der<br />

Studie ausgeschlossen:<br />

1. Vorliegen einer Schlafstörungen nach ICSD- Kriterien (International Classification of Sleep<br />

Disorders), wie z.B. Restless-Legs-Syndrom (RLS), Narkolepsie, Schlafapnoe-Syndrom<br />

(AHI > 10), PLMS (PLMS-Arousal Index >15/h )<br />

2. Übermäßiger Zigarettenkonsum (> 20 Zigaretten/ Tag)<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 11


3. Übermäßiger Koffeinkonsum (über 5 Tassen Kaffee/ Tag)<br />

4. Gebrauch von psychoaktiven Wirkstoffen innerhalb der letzten Woche, die den Schlaf oder<br />

den Grad der Wachheit beeinflussen können (z.B. Amphetamine, Mentylxanthine, Sedativa,<br />

Hypnotika, Antidepressiva, Antihistaminika, Neuroleptika, Beta-Blocker)<br />

5. Vorgeschichte, aktueller Missbrauch oder Abhängigkeit von Suchtsubstanzen nach DSM-<br />

IV-TR TM Kriterien. Dazu gehören Alkohol, Hypnotika oder andere Suchtmittel. Nikotin ist<br />

ausgenommen.<br />

6. Jede internistische, neurologische oder psychiatrische Begleiterkrankung bzw.<br />

Symptomatik, die nach Einschätzung des Untersuchers eine klinisch signifikante Wirkung<br />

auf den Schlaf oder den Wachheitszustand haben kann.<br />

7. Auffällige Werte in den Skalen von ZUNG für Depression und Angst<br />

(SDS > 40 bzw. SAS >36)<br />

8. Schwere Augenerkrankungen (z.B. Iridozyklitis)<br />

9. Relevante Schwerhörigkeit<br />

2.1.3 Beschreibung der Probandengruppe<br />

Allgemeine Angaben<br />

Das Durchschnittsalter der 10 ausschließlich männlichen Versuchsteilnehmer lag bei 36.3<br />

Jahren (SE = 7.3; Min = 25; Max = 46). Deren Body-Maß-Index (BMI) wies einen<br />

durchschnittlichen Wert von 25.2 kg/m2 (SE = .82; Min = 21.7; Max = 30.0) auf.<br />

Alle Probanden waren LKW-Fahrer, die hauptsächlich im Fernverkehr tätig waren. Ihre<br />

durchschnittliche Berufserfahrung lag bei 10.4 Jahren (SE = 2.1; Min = 2; Max = 23). 5 bis 6<br />

Tage (M = 5.5; SD = .70) dauerte eine typische Wochentour. Im Jahr legten sie durchschnittlich<br />

133 600 km zurück. Die gesamte Ausbildungsdauer der Studienteilnehmer (Schulzeit und<br />

Berufsausbildung zusammen) betrug im Mittel 12.4 Jahre (SE = .16).<br />

Lebensstil und Gewohnheiten<br />

Alle zehn Probanden berichteten, regelmäßig koffeinhaltige Getränke zu sich zu nehmen. Der<br />

durchschnittliche tägliche Koffeinkonsum lag bei 2.6 Tassen (SE = .16; Min = 2; Max = 3). Als<br />

regelmäßige Raucher bezeichneten sich 90 % der 10 Versuchsteilnehmer. Diese rauchten im<br />

Durchschnitt etwa 12 Zigaretten an einem Tag (M = 12.3; SE = 2.09). Darüber hinaus gaben die<br />

Fahrer an, wie viele Stunden Schlaf sie für nötig hielten, um sich ausgeruht zu fühlen. Diese<br />

Schätzung lag bei durchschnittlich 7.1 Stunden (SD = 1.30; Min = 5; Max = 9). Tatsächlich<br />

schliefen die Probanden in einer gewöhnlichen Arbeitswoche allerdings nur mittlere 6.1 Stunden<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 12


(SD = .73; Min = 5; Max = 7). Von den 10 teilnehmenden LKW-Fahrern gaben 50 % an,<br />

regelmäßig Sport zu treiben. Durchschnittlich waren diese fünf Probanden 4.5 Stunden (SD =<br />

1.73; Min = 2; Max = 6) in der Woche sportlich aktiv. Ein großer Anteil der 10 Probanden stimmte<br />

„völlig“ (20 %), „überwiegend“ (20 %) und „teilweise“ (40 %) zu, sich gesünder ernähren zu<br />

müssen. Während sich 70 % „teilweise“ um eine gesunde Ernährung mit Obst und Gemüse<br />

bemühten, traf dies bei zwei der LKW-Fahrer „völlig“ und bei einem „überwiegend“ zu. 50 % der<br />

Fahrer stimmten „überwiegend“ (40 %) bzw. „völlig“ (10 %) zu, dass sie bei ihren Touren häufig<br />

gezwungen sind, in Schnellrestaurants zu essen. Bei zwei Versuchsteilnehmern war dies jedoch<br />

„wenig“ (20 %) und bei den drei Weiteren „gar nicht“ (30 %) der Fall. Die Hälfte der 10 Probanden<br />

gab an, mit ihrer Arbeit im Allgemeinen zufrieden zu sein, während dies bei 20 % lediglich „eher“,<br />

bei 30 % dagegen „eher nicht“ zutraf.<br />

Personen-Eigenschaften (traits)<br />

Die generelle Lärmempfindlichkeit der LKW-Fahrer wurde anhand des Selbstbeurteilungsbogen<br />

NoiSeQ (Noise Sensitivity Questionnaire; SCHÜTTE & MARKS, 2005) ermittelt. Die Ergebnisse<br />

sind in Tabelle 2.1 dargestellt.<br />

Tabelle 2.1: Lärmempfindlichkeit der Probanden erfasst durch den Selbstbeurteilungsbogen<br />

NoiSeQ (Noise Sensitivity Questionnaire)<br />

NoiSeQ<br />

Gesamt<br />

Schlaf<br />

Kommuni-<br />

kation<br />

Subskalen<br />

Wohnumgebung<br />

Arbeit Freizeit<br />

M 1.82 1.92 1.79 1.90 1.84 1.70<br />

SE .119 .160 .138 .286 .125 .139<br />

Min 1.26 .86 1.14 1.00 1.29 0.86<br />

Max 2.43 2.43 2.71 2.57 2.29 2.43<br />

Hohe Werte (max. 3) entsprechen einer geringen Lärmempfindlichkeit. niedrige Werte<br />

(min. 0) einer hohen Lärmempfindlichkeit (max. 3)<br />

Insgesamt zeigte sich in allen Bereichen eine gering ausgeprägte Lärmempfindlichkeit, vor allem in<br />

den Dimensionen „Schlaf“ und „Wohnumgebung“<br />

Bei allen Probanden lag keine relevante Schlaf-Wach-Störung vor:<br />

� kein Restless-Legs-Syndrom (RLS)<br />

Hierzu wurden die vier charakteristischen Kriterien der International Restless Legs Study<br />

Group (IRLSSG, 2003) für ein Restless-Legs-Syndrom (RLS) abgefragt, um gegebenenfalls<br />

betroffene Probanden zu erkennen und auszuschließen (vgl. Anhang III). Durchschnittlich<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 13


gaben die Probanden 0.60 „Ja-Antworten“ (SE = .22; Min = 0; Max = 2). Da auf keinen<br />

Studienteilnehmer mehr als zwei Kriterien zutrafen, konnte ein RLS bei allen<br />

Versuchspersonen ausgeschlossen werden.<br />

� keine primäre Schlafstörung nach ICSD-Kriterien<br />

Die erste Adaptionsnacht diente dazu, Schlafstörungen wie ein Schlaf-Apnoe-Syndrom oder<br />

periodische Beinbewegungen im Schlaf mit Arousals zu detektieren. Dazu wurde eine<br />

polysomnographische und kardio-respiratorische Ganznachtaufzeichnung durchgeführt. Es<br />

ergab sich insgesamt kein Hinweis auf eine klinisch relevante Schlafstörung wie etwa ein<br />

Schlaf-Apnoe-Syndrom (vgl. Ausschlusskriterium (1)).<br />

In der Adaptionsnacht betrug der durchschnittliche Apnoe-Hypopnoe-Index 6.6 /h (SE = 2.1)<br />

und der Apnoe-Index 0.9 /h (SE = 0.2). Der Entsättigungs-Index für relevante arterielle<br />

Sauerstoffabfälle belief sich im Mittel auf 3.6 /h (SE = 0.8).<br />

� keine Störung der Schlafqualität<br />

Mit Hilfe des Pittsburgh Schlafqualitätsindex (PSQI; BUYSSE et al., 1989), der die subjektive<br />

Schlafqualität retrospektiv während der letzten vier Wochen erfasst, wurde das<br />

Ausschlusskriterium „Störung der Schlafqualität“ überprüft (vgl. Anhang III). Der<br />

durchschnittliche Gesamtwert des PSQI lag bei 4.10 (SE = .640). In Tabelle 2.2 sind die<br />

Ergebnisse der einzelnen Komponenten des Fragebogens zusammenfassend dargestellt.<br />

Tabelle 2.1: Subjektive Schlafqualität der Probanden erfasst anhand des Pittsburgh<br />

Schlafqualitätsindex (PSQI)<br />

PSQI Komponenten SE Minimum Maximum<br />

Schlafqualität .80 .133 0 1<br />

Schlafdauer .80 .200 0 2<br />

Schlafeffizienz .20 .133 0 1<br />

Schlafstörungen .90 .100 0 1<br />

Schlafmittelkonsum .10 .100 0 1<br />

Tagesmüdigkeit .50 .224 0 2<br />

Gesamtwert PSQI 4.10 .640 0 7<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 14


Zwei der insgesamt 10 Probanden überschritten den Cut-Off-Wert von 5. Mit diesen beiden<br />

Probanden wurde ein weiterführendes anamnestisches Gespräch geführt, in dem abgeklärt<br />

werden konnte, dass dennoch keine klinisch relevante Beeinträchtigung der Schlafqualität oder<br />

eine Schlafstörung vorhanden waren. Die PSQI Werte aller Subskalen lagen im unteren<br />

Bereich zwischen 1 und 2, woraus sich schließen lässt, dass bei den Probanden im letzten<br />

Monat auf subjektiver Ebene keine klinisch bedeutsame Störung der Schlafqualität vorlag.<br />

� keine erhöhte Tagesschläfrigkeit<br />

Zum Ausschluss einer klinisch erhöhten Tagesschläfrigkeit bei den Probanden wurde im<br />

Screening die Epworth Sleepiness Scale (ESS; JOHNS, 1991) angewandt (vgl. Anhang III).<br />

Der durchschnittliche ESS- Score der LKW-Fahrer betrug 6.8 (SE = .93; Min = 1; Max = 11).<br />

Somit erreichte keiner der Studienteilnehmer den kritischen Cut-Off-Wert von 12.<br />

� keine extreme Nachtverschiebung des circadianen Schlaf-Wach-Rhythmus<br />

Für jeden der Probanden wurde mit Hilfe des standardisierten Fragebogens zum<br />

Chronotypen/D-MEQ (GRIEFAHN et al., 2001) der circadiane Schlaf-Wach-Rhythmus<br />

erhoben, um Morgen- vs. Abendtypen zu identifizieren. Extreme Abendtypen wurden nicht in<br />

die vorliegende Studie mit aufgenommen. Der durchschnittliche Gesamtscore des D-MEQ lag<br />

bei 53.9 (SE = 3.07; Min = 36; Max = 70). Sieben der zehn Versuchteilnehmer stuften sich als<br />

„Neutraltyp“ (N = 7) ein. Die drei weiteren Probanden fielen in die Kategorien „definitiver<br />

Morgentyp“ (N = 1), „moderater Morgentyp“ (N = 1) sowie „moderater Abendtyp“ (N = 1).<br />

Keiner der Teilnehmer war als „definitiver Abendtyp“ einzuordnen.<br />

Ebenfalls konnte kein Hinweis auf das Vorliegen einer Depression oder Angststörung gefunden<br />

werden:<br />

� Um eine depressive Symptomatik auszuschließen wurde die Self-Rating-Depression<br />

Scale (SDS; ZUNG, 1965) verwendet (vgl. Anhang III). Der Cut-Off-Wert bei diesem<br />

Selbstbeurteilungs-Fragebogen liegt bei 36. Mit einem Mittelwert von 25.7 und einem<br />

Maximum von 34 (SE = 1.28; Min = 21) lagen alle Probanden innerhalb dieser Grenze.<br />

� Zur Erfassung einer klinisch relevanten Angstsymptomatik wurde die Self-Rating-Anxiety<br />

Scale (SAS; ZUNG, 1971) herangezogen (vgl. Anhang III). Während der durchschnittliche<br />

SAS-Score 25.9 betrug (SE = 1.26; Min = 20), lag der Maximalwert bei 20. Somit erreichte<br />

keiner der Probanden den Cut-Off-Wert von 40.<br />

Mittels einer Tonaudiometrie wurden die Hörschwellen für die Frequenzen im Bereich von 250-<br />

8000 Hz bei den Probanden bestimmt, um eine relevante Schwerhörigkeit auszuschließen (vgl.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 15


Anhang III). Die Hörschwellen der Probanden lagen bei allen erhobenen Frequenzen unter dem<br />

Cut-Off-Wert von 35dB, was auf ein intaktes Hörvermögen schließen lässt.<br />

In Tabelle 2.3 sind die Ergebnisse der einzelnen Screening-Verfahren zusammenfassend<br />

dargestellt.<br />

Tabelle 2.3: Zusammenfassung der Ergebnisse des Screenings<br />

Schlaf-Wach-Störungen<br />

M SE Min Max<br />

Cut-Off<br />

Bereich<br />

Epworth Sleepiness Scale (ESS) 6.8 .929 1 11 > 11<br />

RLS-Screening 0.6 .221 0 2 = 4<br />

Pittsburgher Schlafqualitätsindex<br />

(PSQI)<br />

4.1 .640 0 7 > 5<br />

Fragebogen zum Chronotyp/D-MEQ 53.9 3.1 36 70 /<br />

Psychiatrische Auffälligkeiten<br />

Self-Rating Depression Scale (SDS) 25.7 1.3 21 34 > 36<br />

Self-Rating Anxiety Scale (SAS) 25.9 1.3 20 33 > 40<br />

Lärmempfindlichkeit<br />

Noise Sensitivity Questionnaire<br />

(NoiSeQ)<br />

Relevante Schwerhörigkeit<br />

1.8 0.2 1.26 2.43 /<br />

Tonaudiometrie Hörschwellen (250-8000Hz) > 35 dB<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 16


2.2 Testmaterial & verwendete Verfahren<br />

2.2.1 Fragebögen und Testverfahren<br />

Tabelle 2.4 gibt einen Überblick über die in den Testungen verwendeten Verfahren.<br />

Tabelle 2.4: Übersicht über die in der Studie verwendeten Verfahren<br />

Testverfahren Autor Testgegenstand<br />

Erfassung von Schlaf-Wach-<br />

Störungen<br />

Fragebogen zum Restless-<br />

RLS<br />

Legs-Syndrom<br />

PSQI Pittsburgh<br />

Schlafqualitätsindex<br />

IRLSSG (2003) Restless-Legs-Syndrom<br />

BUYSSE et al. (1989) Schlafqualität während der<br />

letzten 4 Wochen<br />

Chronotyp<br />

ESS Epworth Schläfrigkeitsskala JOHNS (1991) Tagesschläfrigkeit<br />

GRIEFAHN et al.( 2001)<br />

D-MEQ Fragebogen zum Chronotyp<br />

Erfassung von psychiatrischen<br />

Auffälligkeiten / Lärmsensitivität<br />

SDS<br />

Self-Rating Depression<br />

Scale<br />

(Morgentyp vs.<br />

Abendtyp)<br />

ZUNG (1965) Depressive Symptomatik<br />

SAS Self-Rating Anxiety Scale ZUNG (1971) Angstsymptomatik<br />

NoiSeQ<br />

Noise Sensitivity<br />

Questionnaire<br />

SCHÜTTE & MARKS<br />

(2004)<br />

Lärmempfindlichkeit<br />

AUDIO Diagnostische Audimetrie MIDIMATE 622D Hörvermögen<br />

Erfassung akuter subjektiver<br />

Schläfrigkeit und Stimmung<br />

SSS Stanford Sleepiness Scale HODDES et al., (1972) momentane Schläfrigkeit<br />

TSS Tiredness Symptoms Scale SCHULZ et al., (1991)<br />

KSS Karolinska Sleepiness Scale<br />

Erfassung der subjektiven<br />

Schlafbewertung<br />

Selbstbeurteilungsbogen für<br />

SSA<br />

Schlaf- und Aufwachqualität<br />

Erfassung physiologischer<br />

Parameter der Schläfrigkeit<br />

Pupillographischer<br />

PST<br />

Schläfrigkeitstest<br />

AKERSTEDT &<br />

GILLBERG, (1990)<br />

Auftreten von typischen<br />

Müdigkeitssymptomen<br />

momentane Schläfrigkeit<br />

SALETU et al., (1987) empfundene Schlafqualität<br />

WILHELM et. al.,<br />

(1998)<br />

Auftreten von fatigue waves<br />

EEG Wach-EEG VARIOPORT ® Vigilanzschwankungen<br />

Standardisierte Leistungstests<br />

Palm-PVT Palm-Pychomotorischer<br />

Vigilanztest<br />

VIGIL<br />

Vigilanztest nach<br />

Quatember und Maly<br />

THORNE et. al.,<br />

(2005)<br />

NACHREINER &<br />

HÄNECKE, (1992)<br />

sustained attention für<br />

optische Reize<br />

Daueraufmerksamkeit in<br />

monotoner Situation<br />

DT Determinationstest WIENER TESTSYSTEM Ablenkbarkeit,<br />

Reaktionsvermögen<br />

Screening<br />

Subjektive<br />

Schläfrigkeit<br />

&<br />

Tages-<br />

befindlichkeit<br />

Subjektive<br />

Schlafqualität<br />

Objektive<br />

Schläfrigkeit<br />

&<br />

Leistungs-<br />

vermögen<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 17


Erfassung objektiven<br />

Schlafparameter<br />

PSG Polysomnographie<br />

RECHTSCHAFFEN &<br />

KALES, (1968)<br />

definierte Schlafparameter<br />

(z.B. Schlafstadienanteile)<br />

Die einzelnen Testverfahren sind im Anhang III ausführlich beschrieben.<br />

2.2.2 Nächtliche Polysomnographie (PSG)<br />

Objektive<br />

Schlafqualität<br />

Als objektives, physiologisches Verfahren wurde in allen sechs Experimentalnächten eine<br />

Polysomnographie-Aufzeichnung nach schlafmedizinisch standardisierten Methoden<br />

(RECHTSCHAFFEN & KALES, 1968) durchgeführt. Unter Verwendung des digitalen<br />

Polysomnographiegerät PTMS1 der Firma Schwarzer, München, und dem zugehörigen<br />

Aufnahmeprogramm von Comlab ® wurden Gehirnströme, Augenbewegungen, Muskelspannung<br />

und die Herzfrequenz über die ganze Nacht hinweg aufgezeichnet:<br />

Die Kanalbelegung umfasste konkret:<br />

- Elektrookulogramm (EOG)<br />

4 Kanäle zur Aufzeichnung der horizontalen und vertikalen Augenbewegungen<br />

- Elektromyogramm (EMG)<br />

1 Kanal zur Registrierung der Muskelspannung am Kinn<br />

2 Kanäle zur Registrierung von Beinbewegungen<br />

- Elektroencephalogramm (EEG)<br />

6-Kanäle [C3. C4; O1. O2; A1. A2]<br />

- Elektrokardiogramm (EKG)<br />

1 Kanal diente zur Registrierung der Herzfrequenz<br />

Zusätzlich wurde den Probanden ein Schnarchmikrophon, ein Thermistor zur Registrierung des<br />

nasalen Atemflusses, ein Brust- und ein Bauchgurt mit Sensoren für die thorakale und abdominelle<br />

Atembewegungen sowie ein Sauerstoff-Clip (Pulsoximetrie) zur Bestimmung der arteriellen<br />

Sauerstoffsättigung angelegt.<br />

Die EEG-Elektroden wurden gemäß den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für<br />

Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM-Kompendium der Schlafmedizin, HÖLLER, 1997) nach<br />

dem 10:20-System platziert. Die EEG-, EOG-, und EMG-Elektroden wurden mit einer<br />

wasserlöslichen, gut haftenden Leit-/Klebepaste (Grass-Paste ® ) auf der Kopfhaut befestigt. Für<br />

alle Aufzeichnungskanäle wurden die für eine Polysomnographie üblichen Filter, Frequenzen und<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 18


Sampling-Rates herangezogen. Die ganze Nacht hindurch wurde der Schlaf der Probanden<br />

videometrisch in Bild und Ton aufgezeichnet und in Form von mpeg-Dateien gespeichert. Der<br />

Schallpegel im inneren der Schlafkabine wurde mit einem Schallpegelmesser der Serie CR:800A<br />

(Cirrus Research, Lärm-Messtechnik) gemessen und als separater Kanal synchron zu den<br />

physiologischen Schlafparametern aufgezeichnet. Unter Verwendung der Software „Harmony“<br />

können konkrete Zusammenhänge zwischen einzelnen Schlafunterbrechungen und bestimmten<br />

Schallereignissen festgestellt werden.<br />

Die polysomnographische Aufzeichnung begann jeden Abend gegen 23:15 Uhr und dauerte<br />

maximal 7 Stunden. Am Morgen wurde der Proband um ca. 06:15 Uhr geweckt.<br />

2.3 Ablauf der Studie<br />

2.3.1 Versuchsdesign<br />

Mit Versuchteilnehmern, die nicht an der Vorgängerstudie teilgenommen hatten, wurde eine<br />

Adaptionsnacht zur diagnostischen Abklärung von Schlafstörungen sowie zur Gewöhnung an die<br />

fremde Schlafumgebung und an die Messfühler der Polysomnographie durchgeführt. Bei den<br />

Teilnehmern aus der letzten Studie war keine Eingewöhnungsnacht vorgesehen. Alle Probanden<br />

absolvierten sechs Experimentalnächte mit Tagestestungen. Gemäß eines „Within-Subject-<br />

Designs“ durchliefen die Studienteilnehmer jeweils drei aneinander gereihte Kontrollnächte und<br />

drei aufeinander folgende Lärmnächte. Zur Vermeidung von Abfolge-Effekten wurden zwei<br />

Testserien nach einem „Cross-Over-Design“ konzipiert, denen die Probanden nach Zufallsprinzip<br />

zugeteilt wurden. Während Testserie I mit den drei Lärmächten begann, fanden in Testserie II<br />

zuerst die drei Kontrollnächte statt. Durch die drei leisen Nächte wurde eine Übernachtung an<br />

einem ruhigen, abgelegenen Autohof simuliert. Bei den drei lauten Experimentalnächten wurden<br />

über die ganze Nacht hinweg Autobahngeräusche in die Schlafkabine eingespielt, wodurch das<br />

Übernachten an einer belebten Raststätte nachgestellt wurde. In Abbildung 2.1 ist das<br />

Studiendesign schematisch dargestellt.<br />

Testserie I (5 LKW-Fahrer)<br />

Testserie II (5 LKW-Fahrer)<br />

Abbildung 2.1: Schematisches Studiendesign („Cross-Over“)<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 19


Die unabhängige Variable war die „Nächtliche Lautstärke“ mit den beiden Ausprägungen „Leise<br />

Kontrollnacht ohne Lärmbeeinflussung“ und „Laute Lärmnacht mit Verkehrslärmeinspielung“.<br />

Abhängige Variablen waren die physiologischen, objektiven und subjektiven Messungen der<br />

nächtlichen Schlafqualität, der Schläfrigkeit sowie des Fahr- und Leistungsvermögens im<br />

Tagesverlauf.<br />

2.3.2 Rahmenbedingungen<br />

Die Studie „Störung des Schlafes und der Leistungsfähigkeit von LKW-Fahrern durch nächtlichen<br />

Verkehrslärm unter naturalistischen Bedingungen“ – Folgestudie zur Effektivität der nächtlichen<br />

Schalldämmung in der Actros- Fahrerkabine – wurde von Februar bis April 2007 am Bezirksklinikum<br />

Regensburg durchgeführt. Die Tagestestungen fanden in den Forschungsräumlichkeiten<br />

des schlafmedizinischen Zentrums Regensburg im Haus 18 statt.<br />

2.3.3 Technischer Versuchsaufbau<br />

Ausstattung des Actros-Schlaflabors<br />

Für die Studie wurde von DaimlerChrysler ein Mercedes Benz LKW Actros II, Typ 1860 MS, zur<br />

Verfügung gestellt, in dessen Kabine die Probanden während der Studie schliefen. Dieser LKW<br />

befand sich während des gesamten Testungszeitraums am Institutsgelände des Bezirksklinikums<br />

Regensburg direkt neben Haus 18. Somit konnten störende Außengeräusche weitgehend<br />

vermieden und gleichzeitig ruhige Schlafbedingungen gewährleistet werden.<br />

Die Probanden verbrachten insgesamt sechs aufeinanderfolgende Nächte in der serienmäßig<br />

ausgestatteten Schlafkoje des Actros II (unteres Bett), um die gewöhnliche Schlafumgebung eines<br />

LKW-Fahrers während einer Arbeitwoche naturgetreu zu simulieren. Die LKW-Kabine, ein Mega-<br />

Space-Modell, bot genügend Raum, um darin ein „Schlaflabor auf Rädern“ einzurichten und eine<br />

komplette polysomnographische Aufzeichnung nach schlafmedizinischem Standard durchzuführen<br />

(siehe Abb. 2.2).<br />

Dazu war im Inneren der LKW- Schlafkoje eine Infrarot-Überwachungskamera installiert, die den<br />

Schlaf der Probanden videometrisch in Bild und Ton aufzeichnete. Eine Wechselsprechanlage<br />

ermöglichte ständigen Informationsaustausch zwischen Proband und dem Schlaflabormitarbeiter,<br />

der im angrenzenden Büro die polysomnographische Ableitung überwachte. Zur optimalen<br />

Sicherheit der Probanden wurde ein Rauchmelder im Fahrzeug eingebaut. Raumtemperatur und<br />

Luftfeuchtigkeit konnten mit Hilfe eines Klimaloggers (TFA, Dostmann GmbH + CoKG,<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 20


Deutschland) kontrolliert werden. Zum Heizen der Schlafkoje wurde beim Fahrersitz ein lautloser<br />

Ölradiator (HZ-470E, Honeywell ® Wickede) eingebaut, der zusätzlich mit einem Schutzgitter<br />

versehen wurde. Im Inneren der Schlafkoje wurde eine Temperatur von 17°C angestrebt. Der<br />

tatsächliche Temperaturbereich lag stets im vergleichbaren Bereich zwischen 16°C und 19°C.<br />

Jede Nacht wurde der Schlafplatz durch Zuziehen der lichtundurchlässigen Kojenvorhänge<br />

komplett verdunkelt. Falls der Proband es wünschte, blieb die blaue „Notbeleuchtung“ an. Die<br />

Dachluke durfte bei Bedarf geöffnet werden.<br />

Abbildung 2.2: Actros 1860 als „Schlaflabor auf Rädern“ mit Innenraumausstattung<br />

Zur Aufzeichnung der Polysomnographie diente das digitale Polysomnographiegerät PTMS1 der<br />

Firma Schwarzer, München, und das Aufnahmeprogramm von Comlab ® . Die Messsignale des<br />

Nacht-EEGs wurden mittels eines LWL-Interface-Kabel (Lichtwellenleiter) zum angrenzenden Büro<br />

übertragen, von wo aus die Polysomnographie überwacht wurde. Anhand des Schallpegelmesser<br />

CR:800A (Cirrus Research plc, Lärm-Messtechnik) wurden die Geräuschpegel im Inneren der<br />

Schlafkabine registriert und als eigener Kanal synchron zu den physiologischen Schlafparametern<br />

der Polysomnographie aufgezeichnet. Mit Hilfe der ereigniskorrelierten Auswertesoftware<br />

„Harmony“ (Schwarzer, München), kann so der Anteil lärmbedingter Weckreaktionen und<br />

Schlafunterbrechungen, als akute EEG-Veränderungen auf ein konkretes Schallereignis hin,<br />

bestimmt werden.<br />

Einspielung der Verkehrsgeräusche<br />

Zur Einspielung des Verkehrslärms wurde eine kontinuierliche, etwa 8.5-stündige<br />

Originalaufzeichnung von Autobahngeräuschen verwendet, die vom 15.11-16.11.06 von 21:35 Uhr<br />

bis ca. 6:00 Uhr in der Fahrerkabine eines LKW der Actros-Serie an der Raststätte Denkendorf<br />

aufgenommen worden war (Aufnahmegerät: Sony ® -Tonbandgerätes SIR-1000, High Speed Digital<br />

Data Recorder; SCX-32). Dabei war das Schiebe-Hebedach geöffnet gewesen, wodurch der<br />

Schallpegel im Vergleich zur Vorgängerstudie angehoben wurde. In den Lärmnächten wurde der<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 21


Autobahn-Soundtrack vom gegenüberliegenden Büro aus mittels des oben beschriebenen Sony ® -<br />

Tonbandgeräts in die Fahrerkabine eingespielt. Dort konnte über einen hochwertigen Studio-<br />

Lautsprecher die Lautstärke des präsentierten Verkehrslärms geregelt werden. Die Anpassung<br />

und Aussteuerung des Lautstärkepegels erfolgte über ein Kalibriersignal von 94 dB. So entstand<br />

ein mit den Realbedingungen an belebten Raststätten vergleichbarer Höreindruck. In jeder<br />

Akustiknacht wurde der Autobahnlärm genau zum Zeitpunkt des Lichtausschaltens um ca. 23:15<br />

Uhr vom Büro aus gestartet, wodurch ein zeitsynchrones Abspielen in allen Lärmnächten<br />

ermöglicht wurde. Die Schallpegel der Geräuscheinspielungen betrugen im Mittel 44,7 dB(A). Im<br />

Vergleich dazu betrug der gemessene Schallpegel in den Kontrollnächten im Mittel 32,1 dB(A).<br />

Technische Ausstattung und Unterhalt des Testfahrzeuges<br />

Zur Erhebung der Fahrleistung der LKW-Fahrer am Tage stellte DaimlerChrysler einen weiteren<br />

Mercedes Benz LKW Actros II, Typ 1848 LS, Powershift 16, zur Verfügung. In dem Testfahrzeug<br />

ist serienmäßig ein digitales Kontrollgerät zum Lesen der Fahrerkarte und zur Speicherung der<br />

Fahrzeiten sowie ein Spurassistent integriert. Auf der Ablagefläche hinter den Sitzen wurde ein<br />

Notebook aufgebaut, auf dem das von DaimlerChrysler entwickelte Programm zur<br />

Fahrdatenaufzeichnung installiert war (vgl. Abb. 2.3). Zudem wurden zwei Videokameras in die<br />

Fahrerkabine eingebaut, um sowohl den LKW-Fahrer wie auch den vorausfahrenden<br />

Straßenverkehr während der Fahrt digital aufzeichnen zu können.<br />

Abbildung 2.3.: Actros II, Typ 1848 LS mit aktiviertem Fahrdatenprogramm<br />

Der LKW-Anhänger wurde von der Firma Pema Truck-Trailer Vermietung zur Verfügung gestellt<br />

und mit Altpapier beladen (Gesamtgewicht des Fahrzeuges insg.: 40 t), um die Fahrtbedingungen<br />

einer gewöhnlichen LKW-Tour realistisch nachzustellen.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 22


Um die Probanden während der Testfahrten zu versichern, war bei der Allianz Versicherungs- AG<br />

eine Wege-Unfallversicherung (Nr. 10/0523/3118997/110) abgeschlossen worden. Für das<br />

Testfahrzeug bestand eine vom Sponsor DaimlerChrysler eingerichtete Haftpflicht- und<br />

Vollkaskoversicherung<br />

2.3.4 Versuchsdurchführung<br />

Screening, Probandenaufklärung und Adaptionsnacht<br />

Anfangs wurden die Probanden vom Versuchsleiter telefonischen über Ablauf und Zweck der<br />

erweiterten Folgestudie zur Schlafqualität von LKW-Fahrern informiert.<br />

Beim ersten persönlichen Kontakt unterschrieb der Proband die Studieninformation (siehe Anhang<br />

I) mit der Einverständniserklärung (siehe Anhang II). Im Anschluss erfolgte unter Verwendung der<br />

bereits ausführlich beschriebenen Materialien (vgl. Anhang III) das Screening, um ungeeignete<br />

Probanden auszuschließen. Lagen bei einem Probanden keine klinisch relevanten Störungen vor<br />

und waren gleichzeitig die Einschlusskriterien erfüllt, wurde der Proband bereits bei diesem ersten<br />

Treffen mit dem genauen Studienablauf sowie den verwendeten Testverfahren vertraut gemacht,<br />

um eine überfordernde Informationsflut am ersten Testtag zu vermeiden. Dazu wurde ein weiteres<br />

Informationsblatt (siehe Anhang IV) ausgehändigt, in dem sowohl der Zeitpunkt als auch die<br />

Lokalitäten der Testdurchführungen punktgenau beschrieben waren. Gleichzeitig war in diesem<br />

Informationsblatt aufgeführt, was die Probanden während der gesamten Testwoche zu beachten<br />

hatten. So war es nicht gestattet, Alkohol und koffeinhaltige Getränke zu konsumieren oder<br />

Medikamente einzunehmen, welche die Wachheit beeinflussen. Zudem war es untersagt, 15<br />

Minuten vor wie auch während den einzelnen Testungen zu rauchen. Tagsüber durften keine<br />

Nickerchen und auch kein Mittagsschlaf gemacht werden. Durch diese Vorkehrungen wurden<br />

Störvariablen, welche die Wachheit oder die Leistungsfähigkeit zusätzlich beeinflussen<br />

weitestgehend vermieden.<br />

Ablauf und Organisation einer Testwoche im Überblick<br />

Die Testwoche begann Sonntags Abend um 21:30 Uhr und endete Samstags Abend um ca. 19:00<br />

Uhr. Um eine bestmögliche Standardisierung zu gewährleisten, war der zeitliche und inhaltliche<br />

Ablauf der insgesamt zehn Testwochen mit den jeweils sechs Testtagen identisch. Zudem wurde<br />

der gesamte Tagesablauf der Probanden durch das Studienprotokoll genau festgelegt und<br />

kontrolliert. Eine Überblick über die in der Studie verwendeten Test- und Registrierverfahren gibt<br />

Abbildung 2.4.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 23


Abbildung 2.4: Übersicht über die Testungen und Datenaufzeichnungen im Tagesverlauf<br />

Organisatorisches. Während des gesamten Testzeitraums waren die LKW-Fahrer offiziell als<br />

„Studienpatienten“ auf der Station 21 B des Schlafmedizinischen Zentrums des Bezirksklinikums<br />

aufgenommen, wodurch sie für die Aufenthaltszeit am Gelände versichert waren. Zudem erhielten<br />

sie während der ganzen Testwoche auf Station 21B Frühstück, Mittag und Abendessen bzw. ein<br />

„Lunch-Paket“. Im Haus 18 des Bezirksklinikums stand den Probanden, neben den sanitären<br />

Einrichtungen zur Erledigung der Morgen- und Abendtoilette, ein abschließbarer Schrank zur<br />

Aufbewahrung persönlicher Gegenstände zur Verfügung.<br />

Testfahrten. Am Tage hatten die LKW-Fahrer unter Einhaltung der gesetzlichen Lenk- und<br />

Ruhezeiten eine 3.5-stündige Vormittagstour und eine 4-stündige Nachmittagstour mit dem<br />

Testfahrzeug zurückzulegen. Dabei wurde mittels einer digitalisierten Fahrdatenaufzeichnung am<br />

Computer die Fahrleistung erhoben und mit den physiologischen Daten des Wach-EEGs<br />

synchronisiert (vgl. Anhang III). Der Großteil dieser Fahrtstrecke verlief auf Autobahnen. Um die<br />

Fahrtbedingungen vergleichen zu können, waren die Routen und Pausen beider Fahrten<br />

genauestens festgelegt worden und für alle Testfahrer sowie in allen sechs Studientagen identisch<br />

(siehe Anhang V). Der Spurassistent musste die ganze Strecke über ausgeschaltet bleiben. In<br />

einer separaten Einverständniserklärung verpflichteten sich die Versuchsteilnehmer, die<br />

Verkehrsregeln einhalten und eigenverantwortlich eine Pause einzulegen, wenn sie sich zu<br />

schläfrig fühlten, um das Fahrzeug sicher lenken zu können. Aus Sicherheits- und<br />

Organisationsgründen waren die Fahrer stets durch ein im Testfahrzeug integriertes Handy mit<br />

Freisprechanlage erreichbar. Umgekehrt konnten die Probanden damit auch den Versuchsleiter zu<br />

jeder Zeit bei Unstimmigkeiten oder Problemen während der Tour anrufen.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 24


Zwischentestungen. Im den Tagesverlauf der Schläfrigkeit und das Reaktionsvermögen<br />

ganzheitlich zu erfassen, waren an jedem Testtag rund um die Uhr im Intervall von etwa zwei<br />

Stunden acht identische, standardisierte „Kurztests“ vorgesehen, die von den Probanden in<br />

Eigenregie durchgeführt werden mussten. Bei jedem dieser kurzen Zwischentestungen hatte der<br />

LKW-Fahrer zunächst anhand der Karolinska Sleepiness Scale (KSS) subjektiv seine momentane<br />

Müdigkeit bzw. Wachheit einschätzen (siehe Anhang III). Im Anschluss erfolgte ein 5-minütiger<br />

Reaktionstest, der Palm-PVT, zur objektiven Erfassung der aufmerksamkeitsbezogenen<br />

Leistungsfähigkeit (siehe Anhang III). Die Bearbeitungszeit dieser beiden Verfahren lag bei ca. 6<br />

Minuten.<br />

Um die terminliche Einhaltung dieser „Kurztests“ zu erleichtern, wurde der Proband durch<br />

Warnsignale, die an einem Handy vorprogrammiert waren, an die genauen Uhrzeiten erinnert. Des<br />

Weiteren hatte der Studienteilnehmer an jedem einzelnen Testtag ein Ringbuch bei sich, in dem<br />

sich unter anderem eine genaue Auflistung der Termine für die „Zwischentests“, eine Erklärung zur<br />

Handhabung des Palm-PVT, Fragen zu den Fahrtbedingungen sowie die täglich auszufüllenden<br />

KSS-Fragebögen befanden.<br />

Detaillierter Ablauf eines Testtages<br />

EEG-Montage und Aufzeichnung des Nachtschlafes. Vor jeder Tagestestung wurde um 22:30<br />

Uhr von einem Mitarbeiter des Schlaflabors eine vollständige Polysomnographie-Montage beim<br />

LKW-Fahrer angelegt. Um 23:15 Uhr hieß es in der Schlafkoje des LKWs „Licht aus“ und es<br />

erfolgte über 7 Stunden eine polysomnographische Aufzeichnung des Schlafes des Probanden.<br />

Um 6:15 Uhr wurde die Testperson vom Nachtableiter geweckt. Nach Abnahme des Nacht- EEGs<br />

bekamen die Probanden um 7:00 Uhr vom schlafmedizinischen Mitarbeiter das Wach-EEG<br />

montiert, das über den ganzen Tag hinweg bis ca. 22:00 Uhr deren Schläfrigkeit physiologisch<br />

aufzeichnete.<br />

Morgentestung. Die Testbatterie am Morgen begann täglich zur selben Zeit um 8:00 Uhr,<br />

wodurch zirkadiane Einflüsse auf die Schläfrigkeit und das Leistungsvermögen kontrolliert wurden<br />

(ZULLEY& HAJAK, 2005). Bei der Morgentestung mussten die Probanden mittels der oben<br />

beschriebenen subjektiven Fragebögen die nächtliche Schlaf- und Aufwachqualität, sowie die<br />

momentane Schläfrigkeit einschätzen. Um die Einschlafneigung der Probanden auf<br />

physiologischer Ebene zu bestimmen, wurde eine Pupillographie durchgeführt, Die<br />

Bearbeitungszeit der Testverfahren am Morgen betrug etwa 20 Minuten.<br />

Vormittagstour. Nach der Morgentestung begab sich der Proband zum Testfahrzeug, das<br />

während der Testreihe am Gelände des Bezirksklinikums geparkt war. Um etwa 08:30 Uhr wurden<br />

gemäß der ersten standardisierten Zwischentestung die subjektive Müdigkeit anhand der KSS<br />

sowie das Reaktionsvermögen am Palm-PVT vor Ort im Testfahrzeug erhoben. Um 08:45 Uhr<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 25


egann schließlich die Vormittagstour. Während der Fahrt musste um ca. 10:15 Uhr an einem<br />

definierten Rastplatz eine Pause eingelegt werden, um dort den zweiten standardisierten<br />

„Kurztest“ durchzuführen. Mittags um etwa 12:00 Uhr kam der Proband wieder am BZK an, wo er<br />

zum dritten Mal seine Schläfrigkeit einzuschätzen und seine Reaktionsfähigkeit mittels des Palm-<br />

PVTs zu erheben hatte.<br />

Mittagstestung. Nach dem Mittagessen um 12:45 Uhr erfolgte die zweite umfangreiche<br />

Tagestestung. Die Schläfrigkeit der Probanden wurde erneut auf physiologischer und subjektiver<br />

Ebene erfasst. Im Vergleich zur Morgentestung wurde das Test-Assessment am Mittag um zwei<br />

computerunterstützte Tests zur Erfassung der Aufmerksamkeitsleistung erweitert. Die Bearbeitung<br />

der Mittagstestbatterie dauerte ca. 90 Minuten.<br />

Nachmittagstour. Nach der Mittagstestung begab sich der Studienteilnehmer wiederum zum<br />

Testfahrzeug, wo er um ca. 14:00 Uhr die vierte Kurztestung durchzuführen hatte. Um 14:15 Uhr<br />

begann die zweite definierte Tour. Nachmittags um ca. 16:15 Uhr musste ein Autohof angefahren<br />

werden, um dort die subjektive Schläfrigkeit und das Reaktionsvermögen im Rahmen der fünften<br />

Zwischentestung zu erfassen. Um etwa halb sieben kamen die Probanden wieder am Parkplatz<br />

des BZKs an, wo die sechste standardisierte „Kurztestung“ durchgeführt wurde. Zudem mussten<br />

die LKW-Fahrer nach der Ankunft ihre Befindlichkeit anhand eines Selbstbeurteilungsfragebogens<br />

einschätzen. Im Anschluss hatten sie Fragen zu den klimatischen und verkehrstechnischen<br />

Begebenheiten während der Fahrt zu beantworten, um umweltbedingte Störvariablen, wie widrige<br />

Wetterverhältnisse, ausschließen zu können. Vor Verlassen des Test-LKWs wurde das<br />

Fahrdatenprogramm vom Studienteilnehmer selbstständig beendet und der Computer<br />

heruntergefahren.<br />

Freie Zeit am Abend. Die Zeit von ca. 19:00 Uhr bis 22:00 Uhr konnten die Probanden frei<br />

gestalten, wobei auch am späten Abend um 20:15 Uhr und 21:45 Uhr zwei „Kurztests“ zur<br />

Erfassung der subjektiven Müdigkeit und des Reaktionsvermögens angesetzt waren.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 26


2.4 Methoden der Datenanalyse<br />

Die erhobenen Daten wurden unter Verwendung des Statistikprogramms „SPSS für Windows,<br />

Version 15.0“ statistisch ausgewertet. Für die inferenzielle Statistik wurde ein Signifikanzniveau<br />

von .05 festgelegt. Des Weiteren wurden Ergebnisse, die zwischen .05 und .10 lagen, als<br />

tendenziell signifikant eingeordnet. Zudem wurde bei tendenziell signifikanten Ergebnissen<br />

Effektstärken berechnet, wobei nach Cohen (1988) gilt:<br />

δ < 0.20 vernachlässigbarer Effekt<br />

0.20 ≤ δ < 0.50 kleiner Effekt<br />

0.50 ≤ δ < 0.80 mittlerer Effekt<br />

0.80 ≤ δ großer Effekt<br />

Zur Berechnung diente die Formel nach Effektstärken für verbundene Stichproben (nach Bortz &<br />

Döring, 2002)<br />

xA<br />

− x<br />

δ =<br />

ˆ σ<br />

mit der gemeinsamen Standardabweichung:<br />

Da die Studie nach einem „Within-Subject-Design“ konzipiert wurde, durchlief jeder Teilnehmer<br />

sowohl die Kontroll- als auch die Lärmbedingung. Im Anbetracht der Fragestellung wurde für die<br />

einzelnen Parameter ein statistischer Vergleich der beiden Experimentalbedingungen, Kontrolle<br />

und Lärm, durchgeführt. Rechnerisch wurde für jede ausgewählte, abhängige Variable ein<br />

Mittelwert über die auswertbaren Nächte bzw. Testtage einer experimentellen Bedingung hinweg<br />

gebildet und anhand eines Verfahrens für verbundene Stichproben verglichen.<br />

Da wider Erwarten auch bei den LKW-Fahrern, die bereits an der ersten Studie im teilgenommen<br />

hatten und bei denen auf eine Adaptionsnacht verzichtet worden war, ein first-night-Effekt<br />

beobachtet werden konnte, wurde die erste Experimentalnacht und der damit verbundene erste<br />

Testtag in diesem Mittelungsvorgang nicht berücksichtigt. Dementsprechend wurden bei Testserie<br />

I, die mit den Lärmnächten begann, die über 2 Lärmnächte- bzw. Tage hinweg gemittelten Werte<br />

den Durchschnittswerten aus 3 Kontrollnächten bzw. -tagen gegenübergestellt. Bei Testserie II<br />

dagegen, die mit den Kontrollnächten startete, wurden die zu vergleichenden Mittelwerte aus 2<br />

Kontrollnächten bzw. -tagen und 3 Lärmnächten bzw. -tagen gebildet. Da jeder Testserie gleich<br />

viele Probanden zugeordnet worden waren, bleibt die Anzahl der auswertbaren Ergebnisse beider<br />

Experimentalbedingungen identisch.<br />

B<br />

ˆ σ =<br />

ˆ σ ˆ 2 ˆ ˆ<br />

•<br />

2<br />

2 2<br />

A + σ B − rσ Aσ<br />

B<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 27


Physiologische und objektive Parameter. Für die bereits beschriebenen Parameter zur<br />

Erfassung der Schlafqualität und physiologischen Schläfrigkeit (PSG, PST, Wach-EEG) sowie des<br />

aufmerksamkeitsbedingten Leistungsvermögens (VIGIL nach Quatember & Maly,<br />

Determinationstest, Palm-PVT, Fahrdaten) wurde Intervallskalenniveau vorrausgesetzt. Da bei der<br />

geringen Stichprobengröße (N = 10) keine Normalverteilung angenommen werden konnte, wurden<br />

die Mittelwerte der Experimentalbedingungen unter Verwendung des nonparametrischen<br />

Wilcoxon-Rangsummentests für zwei verbundene Stichproben verglichen.<br />

Subjektive Parameter. Während anhand des subjektiven Fragebogens (SSA) die Schlafqualität<br />

erhoben wurde, stuften die Probanden unter Verwendung subjektiver Selbstbeurteilungsskalen<br />

(SSS, TSS, KSS, Befindlichkeitsfragebogen) ihre Schläfrigkeit und Befindlichkeit ein. Für diese<br />

Verfahren wurde Ordinalskalenniveau festgelegt. Demnach wurden auch die gemittelten Werte der<br />

subjektiven Parameter anhand des Wilcoxon-Rangsummentests für zwei verbundene Stichproben<br />

nonparametrisch verglichen.<br />

Mittelwert der Nächte<br />

Abbildung 2.5: Auswertungsschema unter Berücksichtigung des „First-Night-Effekts“<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 28


3. Ergebnisse<br />

3.1 NACHTSCHLAF: Schlafqualität<br />

3.1.1 Physiologische Schlafqualität: Polysomnographie<br />

Um die Schlafqualität der Probanden zwischen den Kontroll- und Lärmnächten auf physiologischer<br />

Ebene objektiv zu vergleichen, wurden die nach RECHTSCHAFFEN & KALES (1968) definierten,<br />

standardisierten Kriterien zur Auswertung einer Polysomnographie-Aufzeichnung herangezogen.<br />

Tabelle 3.1: Bedingungsvergleich der objektiven Schlafqualität anhand von Standard-<br />

Polysomnographie-Parametern<br />

Globale Schlafparameter<br />

Kontrollnächte Lärmnächte<br />

p-Wert<br />

TST (in min) 382.03 16.385 371.97 21.581 -1.172 .241<br />

TRT (in min) 414.44 8.289 417.04 13.118 -.051 .959<br />

Schlafeffizienz (in %) 92.15 3.501 89.32 5.697 -1.274 .203<br />

Schaflatenzen (in min)<br />

Einschlaflatenz 7.63 7.058 7.54 6.615 -.153 .878<br />

REM-Schlaflatenz 69.37 16.229 89.84 31.549 -1.784 º.074<br />

Schlafstadienanteile (in %)<br />

Schlafstadium 1 11.24 4.443 13.72 5.532 -1.886 º.059<br />

Schlafstadium 2 52.06 4.947 49.82 6.188 -.866 .386<br />

Schlafstadium 3 10.12 3.837 10.96 3.792 -1.172 .241<br />

Schlafstadium 4 3.81 4.530 3.81 3.765 -.420 .674<br />

REM-Schlaf 22.76 3.701 21.69 5.224 -.968 .333<br />

Schlafunterbrechungen<br />

Arousal- Index (pro h) 14.33 5.733 16.20 4.879 -1.478 .139<br />

WASO (in min) 23.82 11.402 32.43 25.730 -.153 .878<br />

Schlafstadienwechsel 7.78 2.424 9.02 4.337 -.663 .507<br />

TST = Total Sleep Time; TRT = Total Record Time; WASO = Waketime after Sleep Onset<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 29


Globale Schlafparameter<br />

Zu den globalen Schlafparametern, die den Nachtschlaf im Allgemeinen beschreiben, zählen die<br />

Gesamtschlafzeit (Total Sleep Time = TST), die Aufzeichnungszeit (Total Record Time = TRT) und<br />

die Schlafeffizienz. Bei keinem dieser drei Parameter traten statistisch signifikante Unterschiede<br />

zwischen Kontroll- und Lärmbedingung auf. Die gesamte Schlafdauer war in den Kontrollnächten<br />

mit 382.0 min (SD = 16.3) im Durchschnitt etwas länger als in den Lärmnächten, wo sie 372.0<br />

Minuten (SD = 21.6 min) betrug. Im statistischen Vergleich zeigte sich allerdings kein signifikanter<br />

Unterschied zwischen den Gesamtschlafzeiten beider experimenteller Bedingungen (Z = -1.172; p<br />

= .241). Dementsprechend war die mittlere Schlafeffizienz mit 92.2 % (SD = 3.5 %) in den<br />

Kontrollnächten etwas höher als in den Lärmnächten (M = 89.3 %; SD = 5.69 %). Dennoch trat<br />

auch bezüglich der Schlafeffizienz mit einem Z-Wert von -1.274 und einem p-Wert von .203 kein<br />

statistisch nachweisbarer Bedingungsunterschied auf. Die Aufzeichnungszeiten (TRT) wichen,<br />

dem Versuchsdesign entsprechend, mit einem Z-Wert von -.51 und einem p-Wert von .959 nicht<br />

signifikant voneinander ab (vgl. Tabelle 3.1).<br />

Schlaflatenzen<br />

Die Einschlaflatenz beschreibt die Dauer vom Lichtausschalten („Licht aus“) bis zum ersten<br />

Auftreten des Schlafstadiums 1. Während die Probanden in den Kontrollnächten im Durchschnitt<br />

nach 7.6 Minuten (SD = 7.1 min) das Schlafstadium 1 erreichten, befanden sie sich in den<br />

Lärmnächten nach mittleren 7.5 Minuten (SD = 6.6) im Leichtschlaf. Damit konnte beim<br />

statistischen Vergleich der Einschlaflatenzen kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden<br />

Experimentalbedingungen ermittelt werden (Z = -.153, p = .878). Für die Zeitspanne bis zum<br />

ersten Auftreten von REM-Schlaf ließ sich dagegen ein tendenziell signifikanter<br />

Bedingungsunterschied nachweisen (Z = -1.784; p = .074). So war in den Kontrollnächten (M =<br />

69.3 min; SD = 16.2 min) auf einem α-Niveau von 0.1 eine signifikante Verkürzung der REM-<br />

Schlaflatenz verglichen mit den Lärmnächten (M = 89.8 min; SD = 31.5 min) festzustellen.<br />

In Abbildung 3.1 ist der Unterschied zwischen den Kontrollnächten (grau) und den Lärmnächten<br />

(blau) graphisch dargestellt.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 30


Mittlere REM-Schlaflatenz in min (±SE)<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

Schlafstadienanteile<br />

1. Tag 2. Tag 3. Tag Mittelwert der<br />

Testtage<br />

Abbildung 3.1: Bedingungsvergleich der REM-Schlaflatenz<br />

p= .074<br />

3 Tage<br />

Beim Mittelwertevergleich des prozentualen Anteils des ersten Schlafstadiums konnte ein<br />

tendenziell signifikanter Unterschied zwischen den beiden experimentellen Bedingungen<br />

festgestellt werden (Z = -1.886, p = 0.59). So hatten die Probanden während der Nächte mit<br />

Lärmeinspielung mit 13.7 % (SD = 5,53 %) auf einem Signifikanzniveau von 0.10 signifikant<br />

weniger minder konsolidierten Leichtschlaf als in den in den leisen Kontrollnächten mit 11.2 % (SD<br />

= 4,44 %) In Abbildung 3.2 sind die Bedingungsunterschiede der drei zeitlich zusammengefassten<br />

Testtage sowie der gesamten Testwoche dargestellt.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 31


Mittlere Anteile in Prozent (±SE)<br />

18<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

p= .059<br />

1. Tag 2. Tag 3. Tag Mittelwert der<br />

Testtage<br />

3 Tage<br />

Abbildung 3.2: Bedingungsvergleich des Schlafstadiums 1<br />

Der in den Lärmnächten leicht erhöhte Anteil des Schlafstadiums 1 ging mit einer Reduktion des<br />

prozentualen Anteils des zweiten Schlafstadiums einher. Während die Probanden in den<br />

Kontrollnächten im Mittel 52.1 % (SD = 4.95 %) gut konsolidierten Schlaf im Schlafstadium 2<br />

verzeichnen konnten, war der durchschnittliche Anteil während der Nächte mit Autobahnlärm<br />

etwas geringer (M = 49.8 %; SD = 6.19 %). Statistisch zeigte sich allerdings kein signifikanter<br />

Effekt des eingespielten Lärms auf den Anteil des zweiten Schlafstadiums (Z = -.866; p = .386).<br />

Während den leisen Nächten befanden sich die Probanden mittlere 10.1 % (SD = 3.84 %) in der<br />

ersten Tiefschlafphase 3. Damit war der Anteil etwas geringer als in den lauten Akustiknächten (M<br />

= 11.0 %; SD = 3.79 %). Im statistischen Mittelwertevergleich zeigte sich jedoch kein signifikanter<br />

Unterschied zwischen Kontroll- und Lärmbedingung (Z = -1.172; p = .241). Der Anteil des<br />

Schlafstadions 4 lag in den Kontrollnächten im Durchschnitt bei 3.8 % (SD = 4.5 %). In den<br />

Nächten mit Autobahnlärm verbrachten die Probanden einen nahezu identischen Zeitanteil in der<br />

Tiefschlafphase 4 (M = 3.8 %; SD = 3.77 %). Dementsprechend konnten in der statistischen<br />

Vergleichanalyse keine signifikanten Effekte der experimentellen Lärmeinspielung auf den Anteil<br />

des Schlafstadiums 4 nachgewiesen werden (Z = -.420; p = .674). Der REM-Schlaf-Anteil fiel in<br />

den geräuschlosen Nächten (M = 22.8 %; SD = 3.70 %) etwas höher aus als in den Lärmnächten<br />

(M = 21.7 %; SD = 5.22 %). Dieser experimentelle Unterschied erreichte allerdings keine<br />

statistische Signifikanz (Z = -.968; p = .333). In Abbildung 3.3 findet sich ein Bedingungsvergleich<br />

der Gesamtmittelwerte aller erhobenen Schafstadienanteile. Während bei Schlafstadium 1 und 2<br />

tendenzielle Unterschiede zu erkennen sind, liegen die gemittelten Werte der Tiefschlafstadien 3<br />

und 4 sowie des REM- Schlafanteils beider Experimentalbedingungen nahe beieinander.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 32


Mittlere Anteile in Prozent (±SE)<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

p= .059<br />

p= .386<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

Schlafstadium 1 Schlafstadium 2 Schlafstadium 3 Schlafstadium 4 REM-Schlaf<br />

Abbildung 3.3: Bedingungsvergleich der Gesamtmittelwerte aller Schlafstadienanteile<br />

Schlafunterbrechungen<br />

Mittels des Arousal-Index, den Wachzeiten nach Schlafbeginn („Wake after Sleep Onset“ =<br />

WASO) und der Anzahl der Schlafstadienwechsel wurden sämtliche Schlafunterbrechungen<br />

aufgezeichnet. In den Kontrollnächten lag der durchschnittliche Arousal-Index bei 14.3 / h (SD =<br />

5.73 / h). Unter Lärmeinspielung wurden pro Stunde Schlaf im Durchschnitt 16.2 Arousals (SD =<br />

4.88 / h) aufgezeichnet. Obwohl die gemittelte stündliche Arousal-Rate in den Nächten mit<br />

Autobahngeräuschen durchaus höher war, ließ sich mit einem Z-Wert von -1.478 und einem p-<br />

Wert von .139 statistisch kein signifikanter Effekt der experimentellen Manipulation nachweisen.<br />

Abbildung 3.4 gibt den Wochenverlauf der mittleren Arousal-Indices bedingungsvergleichend<br />

wieder. Der Vollständigkeit halber wurde in diese Verlaufsdarstellung auch der erste, inferenziell<br />

nicht ausgewertete, Testtag mit aufgenommen. Mit Ausnahme des Mittwochs ist in den<br />

Lärmnächten an allen Testtagen ein Trend zu erhöhten Arousal-Frequenzen pro Stunde im<br />

Vergleich zu den Kontrollnächte zu erkennen (vgl. Abbildung 3.4).<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 33


Mittlerer Arousal-Index / h (±SE)<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Wochentag<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

SO MO DI MI DO FR<br />

Abbildung 3.4: Wochenverlauf der Arousal-Indices / h<br />

Dementsprechend ließ sich statistisch eine mittlere Effektstärke von 0.72 (p = .14) nachweisen.<br />

Bezieht man die erste, nicht ausgewertete Nacht am Sonntag in die statistische Vergleichsanalyse<br />

mit ein, ließe sich mit einem Z-Wert von -1.988 und einem p-Wert von .047 ein statistisch<br />

signifikanter Bedingungsunterschied demonstrieren. Das heißt: unter Einschluss der ersten<br />

vorgesehenen Experimentalnacht kam es in den Nächten mit Lärmeinspielung zu signifikant mehr<br />

Arousals als in den Kontrollnächten. Auch in der grafischen Darstellung der<br />

Bedingungsunterschiede an den einzelnen Testtagen und über alle auswertbaren Testtage hinweg<br />

(siehe Beschreibung von Abbildung 3.1) wird deutlich, dass in den Lärmnächten eine Tendenz zu<br />

erhöhten Arousal-Indices verglichen mit den Kontrollnächten vorliegt (vgl. Abbildung 3.5).<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 34


Mittlerer Arousal-Index / h (±SE)<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

1. Tag 2. Tag 3. Tag Mittelwert der<br />

Testtage<br />

3 Tage<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 35<br />

p= .139<br />

Abbildung 3.5: Bedingungsvergleich der Arousal- Indices / h<br />

Beim statistischen Bedingungsvergleich der beiden weiteren Parameter zur Erfassung von<br />

Schlafunterbrechungen konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. So kam es<br />

weder bei den Wachzeiten nach Schlafbeginn (WASO; Z = -.153; p = .878) noch bei der Anzahl<br />

von Schlafstadienwechsel (Z = -.663; p = .507) zu deutlichen Abweichungen zwischen Kontrollund<br />

Lärmnächten (vgl. Tabelle 3.1).<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die globale Schlafqualität, die mittels<br />

schlafmedizinischer Standardparameter erhoben wurde, in den Lärmnächten nicht deutlich<br />

schlechter ausfiel als in den Kontrollnächten. Ein Blick auf die Einschlaflatenzen zeigt, dass<br />

der Autobahnlärm zu keinen erheblichen Einschlafstörungen führte. Der erste REM-Schlaf<br />

wurde dagegen unter Lärmeinspielung tendenziell signifikant später erreicht. Der<br />

Leichtschlafanteil in Schlafstadium 1 war in den lauten Nächten auf einem α-Niveau von<br />

0.10 signifikant höher als in den geräuschlosen Nächten. Dagegen waren bei den<br />

prozentualen Anteilen der Tiefschlafstadien 3 und 4 sowie der REM-Schlafphase keine<br />

signifikanten Unterschiede zwischen der Kontroll- und Lärmbedingung zu verzeichnen. Die<br />

statistische Vergleichbarkeit der Gesamtschlafzeit, der Schlafeffizienz, der Wachzeiten<br />

nach Schlafbeginn (WASO) und der Häufigkeit der Schlafstadienwechsel weist darauf hin,<br />

dass die experimentelle Lärmeinspielung keine benennbaren Durchschlafstörungen zur<br />

Folge hatte. Bei den Mittelwerten des Arousal-Index – als Maß für eine<br />

Schlaffragmentierung – ließen sich jedoch Bedingungsunterschiede mit mittlerer<br />

Effektstärke feststellen. Unter Einbeziehung der ersten Testnacht war der Arousal-Index in<br />

den lauten Nächten mit Autobahngeräuschen sogar signifikant höher als in den leisen<br />

Kontrollnächten.


3.1.2 Subjektive Schlafqualität<br />

Während die nächtliche Schlafqualität der LKW-Fahrer mit Hilfe einer polysomnographischen<br />

Aufzeichnung auf objektiver, physiologischer Ebene erfasst wurde, diente der<br />

Selbstbeurteilungsfragebogen zur Schlaf- und Aufwachqualität (SSA; SALETU et al., 1987),<br />

der etwa eine Stunde nach dem Aufstehen ausgefüllt wurde, zur Bestimmung der subjektiv<br />

empfundenen Schlafqualität.<br />

In diesem Selbstbeurteilungsverfahren wird die subjektive Schlafqualität in drei Dimensionen<br />

gemessen. Die Schlaf- und Aufwachqualität aber auch körperliche Beschwerden werden separat<br />

erfasst. Zur Auswertung wurde der Gesamtscore (von 20 bis 80) verwendet, der sich durch<br />

Summation der Einzelwerte der drei Bereiche errechnen lässt. Ein hoher Gesamtwert entspricht<br />

einer geringen, ein niedriger Gesamtwert dagegen einer hohen subjektiven Schlafqualität.<br />

Mittlerer SSA-Gesamtscore (±SE)<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

p= .092<br />

1. Tag 2. Tag 3. Tag Mittelwert der<br />

Testtage<br />

3 Tage<br />

Abbildung 3.6: Bedingungsvergleich der subjektiven Schlafqualität erhoben anhand des<br />

Selbstbeurteilungsbogen der Schlaf- und Aufwachqualität (SSA)<br />

Nach den leisen Nächten bewerteten die LKW-Fahrer ihre Schlafqualität mit durchschnittlichen<br />

28.1 (SD = 3.70) Punkten tendenziell positiver als nach den Lärmnächten (M = 30.3; SD = 6.24). In<br />

einer statistischen Vergleichsanalyse konnte auf einem Signifikanzniveau von 0.10 ein signifikanter<br />

Unterschied bezüglich der subjektiven Schlafqualität zwischen den Experimentalbedingungen<br />

nachgewiesen werden (Z = -1.686; p = .092). In Abbildung 3.6 wird dieser Bedingungsunterschied<br />

nach dem Schema von Abbildung 3.1 (Beschreibung siehe oben) vergleichend dargestellt.<br />

Insgesamt zeigt sich, dass die Güte des Schlafes in allen Kontrollnächten von den<br />

Studienteilnehmern positiver eingeschätzt wurde als in den Lärmnächten.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 36


3.2. MORGENTESTUNG: Schläfrigkeit<br />

Im Rahmen der Morgentestung wurde die Schläfrigkeit der Probanden auf objektiver und<br />

subjektiver Ebene erhoben. Dazu wurde der Pupillographische Schläfrigkeitstest (PST) als<br />

objektives, physiologisches Verfahren eingesetzt. Mittels zweier Selbstbeurteilungsfragebögen<br />

wurde die subjektiv empfundene Schläfrigkeit bestimmt.<br />

3.2.1 Physiologische Schläfrigkeit: Pupillographie<br />

Bei dem Pupillographischen Schläfrigkeitstests (PST) werden die spontanen die<br />

Pupillenoszillationen unter Dunkelbedingungen aufgezeichnet und der so genannte<br />

Pupillenunruheindex (PUI) ermittelt, der als objektives Maß zur Erfassung von Schläfrigkeit gilt.<br />

Ein hoher Pupillenschwankungsindex weist auf erhöhte physiologische Schläfrigkeit hin (vgl.<br />

Anhang III). Am Morgen nach den Kontrollnächten lag der mittlere Pupillenschwankungsindex bei<br />

4.9 mm/min (SD = 1.35 mm/min). Nach den Nächten mit Autobahngeräuschen wurde ebenfalls ein<br />

durchschnittlicher PUI von 4.9 mm/min (SD = 1.50 mm/min) gemessen. Beim statistischen<br />

Vergleich von Kontroll- und Lärmbedingung war kein signifikanter Unterschied bezüglich der<br />

müdigkeitsbedingten Oszillationen der Pupille festzustellen (Z = -.255; p = .799)<br />

Im Pupillographischen Schläfrigkeitstest ließen sich am Morgen keine signifikanten<br />

Unterschiede zwischen Lärm- und Kontrollbedingung feststellen.<br />

3.2.2 Subjektive Schläfrigkeit: Selbstbeurteilungsfragebögen<br />

Um die morgendliche Schläfrigkeit subjektiv zu erfassen, wurden zwei<br />

Selbstbeurteilungsfragebögen herangezogen: Die Stanford Sleepiness Scale (SSS) und die<br />

Tiredness Symptoms Scale (TSS).<br />

Stanford Sleepiness Scale (SSS)<br />

Bei der SSS wird die subjektiv empfundene, momentane Müdigkeit auf einer sieben-stufigen Skala<br />

eingeschätzt. Je niedriger der angegebene Wert ist, desto geringer wird die eigene Müdigkeit<br />

wahrgenommen (vgl. Anhang III). Nach den leisen Nächten wurde die Schläfrigkeit mit<br />

durchschnittlichen 1.7 Punkten (SD = .79) eingeschätzt. Nach den Lärmnächten lag der<br />

durchschnittliche SSS-Score bei 1.8 Punkten (SD = .79). Im statistischen Vergleich dieser<br />

Mittelwerte zeigte sich kein signifikanter Unterschied der morgendlichen subjektiven Müdigkeit<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 37


zwischen den experimentellen Bedingungen (Z = -.085; p = .932 ). Bedenkt man, dass bei der<br />

Stanford Schläfrigkeitsskala ein Maximalwert von sieben Punkten angegeben werden kann, wird<br />

deutlich, dass die Probanden ihre Müdigkeit auch unabhängig von der experimentellen Bedingung<br />

(M = 1.7; SD = 0.78; Min = 1; Max = 4) äußerst niedrig einstuften. In Abbildung 3.7 werden die<br />

geringen Unterschiede der subjektiven Müdigkeit zwischen Kontroll- und Lärmbedingung<br />

veranschaulicht.<br />

Mittlerer SSS-Score (±SE)<br />

7.0<br />

6.0<br />

5.0<br />

4.0<br />

3.0<br />

2.0<br />

1.0<br />

0.0<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

1. Tag 2. Tag 3. Tag Mittelwert der<br />

Testtage<br />

3 Tage<br />

Abbildung 3.7: Bedingungsvergleich der subjektiven Müdigkeit am Morgen erhoben<br />

durch die Stanford Sleepiness Scale (SSS)<br />

Tiredness Symptoms Scale (TSS)<br />

In der Tiredness Symtom Scale (TSS) werden 14 klassische physische und psychische<br />

Müdigkeitssymptome abgefragt. Der TSS-Gesamtscore leitet sich aus der Anzahl von<br />

Zustimmungen ab, wobei eine hohe Gesamtsumme auf eine hohe subjektive Müdigkeit schließen<br />

lässt (vgl. Anhang III). Nach den leisen Nächten traten bei den LKW-Fahrern im Mittel .7 (SD = 1.2)<br />

Müdigkeitsanzeichen auf. Unter Akustikeinspielung lag der durchschnittliche TSS-Gesamtscore bei<br />

.95 Punkten (SD = 1.8). Ein statistischer Vergleich der Mittelwerte erbrachte keine signifikanten<br />

Bedingungsunterschiede bei der Anzahl der am Morgen auftretenden Müdigkeitssymptome (Z = -<br />

1.084; p = .279). Entsprechend der allgemein niedrigen Müdigkeitseinschätzung mit der Stanford<br />

Schläfrigkeitsskala, waren bei den Probanden am Morgen bedingungsunabhängig nur .8 (SD =<br />

1.5; Min = 0; Max = 5) von maximal 14 Müdigkeitsanzeichen vorhanden.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 38


Am Morgen bewerteten die LKW-Fahrer ihre subjektive Schläfrigkeit in zwei<br />

unterschiedlichen Messverfahren (SSS und TSS) als sehr gering, unabhängig davon, ob<br />

sie ruhige oder laute Nächte hinter sich hatten.<br />

3.3. MITTAGSTESTUNG: Schläfrigkeit und<br />

Aufmerksamkeitsleistung<br />

Bei der großen Testbatterie am Mittag wurde ein zweites Mal die physiologische Schläfrigkeit der<br />

Versuchsteilnehmer mittels einer Pupillographie aufgezeichnet. Neben der subjektiven Müdigkeit,<br />

die anhand zweier Selbstbeurteilungsfragebögen erhoben wurde, wurde auch das<br />

aufmerksamkeitsassoziierte Leistungsvermögen der LKW-Fahrer in Form zweier Reaktionstests<br />

gemessen. Um das Auftreten eines Mittagstiefs zu überprüfen, wurden sowohl bei den<br />

physiologischen Müdigkeitskorrelaten der Pupillographie als auch bei den subjektiven<br />

Müdigkeitseinschätzungen eventuelle Unterschiede zwischen Morgen- und Mittagstestung<br />

bestimmt.<br />

3.3.1 Physiologische Schläfrigkeit: Pupillographie<br />

Analog zur Morgentestung diente der mittlere Pupillenunruhe-Index (PUI) des<br />

Pupillographischen Schläfrigkeitstests (PST) auch in der großen Mittagstestbatterie als<br />

objektives Maß zur Bestimmung der Schläfrigkeit der Probanden. Ein hoher Schwankungswert<br />

deutet auf erhöhte physiologische Einschlafneigung hin (vgl. Anhang III). Nach den leisen Nächten<br />

war der Index der müdigkeitsbedingten Pupillenschwankungen am Mittag mit einem<br />

durchschnittlichen Wert von 6.2 mm/min (SD = 2.56 mm/min) etwas höher als nach den Nächten<br />

mit Autobahngeräuschen (M = 6.0 mm/min; SD = 1.88 mm/min). Ein statistischer Vergleich der<br />

durchschnittlichen Pupillenschwankungen am Mittag ergab jedoch keinen signifikanten<br />

Unterschied zwischen Kontroll- und Lärmbedingung (Z = -.051; p = .959).<br />

Um festzustellen, ob ein Mittagstief vorlag, wurden innerhalb beider Bedingungen die PUI-<br />

Mittelwerte der Morgen- und der Mittagstestung verglichen. Nach den leisen Kontrollnächten war<br />

der durchschnittliche PUI am Morgen (M = 4.9 mm/min; SD = 1.39 mm/min) signifikant (Z = -<br />

2.191; p = .028) niedriger als in der Mittagstestung (M = 6.2 mm/min; SD = 2.55 mm/min). Auch in<br />

der Lärmbedingung war der morgendliche PUI (M = 5.0 mm/min; SD = 1.50 mm/min) im Mittel<br />

signifikant geringer als der gemittelte PUI der Testbatterie am Mittag (Z = -2.395; p = .017). In<br />

Abbildung 3.8 sind die Gesamtmittelwerte der Pupilenunruhe-Indices (PUI) beider Testbatterien<br />

nochmals bedingungsvergleichend gegenübergestellt. Das Mittagstief sowie die fehlenden<br />

Bedingungsunterschiede sind deutlich zu erkennen.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 39


Mittlerer PUI in mm/min (±SE)<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

p= .028<br />

p= .017<br />

Morgentestung Mittagstestung<br />

Abbildung 3.8: Vergleich der mittleren Pupillenunruheindices (PUIs) zwischen den<br />

Experimentalbedingungen sowie zwischen Morgen- und Mittagstestung<br />

Insgesamt traten in der Mittagstestung signifikant stärkere schläfrigkeitsbedingte<br />

Pupillenschwankungen als in der Morgentestung auf. Auf physiologischer Ebene lässt sich<br />

also statistisch ein Mittagstief nachweisen, das allerdings unabhängig von der<br />

Experimentalbedingung in der Kontroll- und Lärmbedingung in gleicher Weise auftrat.<br />

3.3.2 Objektive aufmerksamkeitsbedingte Leistungsfähigkeit<br />

In der großen Testbatterie am Mittag wurde neben der physiologischen und der subjektiven<br />

Schläfrigkeit das aufmerksamkeitsbedingte Leistungsvermögen objektiv anhand zweier<br />

Reaktionstests erhoben. Während ein Vigilanztest zur Erfassung der<br />

Daueraufmerksamkeitsleistung unter monotonen Bedingungen diente, wurden mittels eines<br />

Mehrfachreiz-Mehrfachreaktionstests die reaktive Belastbarkeit und die geteilte Aufmerksamkeit<br />

getestet.<br />

Vigilanztest nach Quatember & Maly<br />

Der Vigilanztest nach Quatember & Maly stellt ein computergestütztes Verfahren dar, das die<br />

Daueraufmerksamkeitsleistung unter monotonen Bedingungen mit moderater Reizdichte erfasst<br />

(vgl. Anhang III). Um Kontroll- und Lärmbedingung statistisch zu vergleichen, wurden drei<br />

Testparameter ausgewählt: die Reaktionszeit, die Anzahl der Auslassungen und die Anzahl der<br />

falsch positiven Reaktionen. In Tabelle 3.2 sind die Ergebnisse des statistischen<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 40


Mittewertevergleichs der Reaktionszeiten und der beiden möglichen Fehlreaktionen zunächst im<br />

Überblick dargestellt.<br />

Tabelle 3.2: Bedingungsvergleich der Testparameter des Vigilanztests nach Quatember & Maly<br />

Mittlere Reaktionszeit. Die Reaktionszeiten auf den kritischen Stimulus waren zwischen<br />

Kontrollbedingung (M = .47 sec; SD= .06 sec) und Lärmbedingung (M = .47 sec; SD= .07 sec)<br />

nahezu identisch. So wurden auch beim statistischen Vergleichstest keine signifikanten<br />

Abweichungen zwischen den experimentellen Bedingungen festgestellt (Z = .000; p = 1.000).<br />

Mittlere Anzahl der falsch positiven Reaktionen. Drückt ein Proband die Reaktionstaste bei<br />

nicht vorhandenem kritischen Reiz, wird eine falsch positive Reaktion registriert. Während in der<br />

Kontrollbedingung durchschnittlich 2.5 (SD = 2.12) falsch positive Reaktionen verzeichnet wurden,<br />

ließen sich nach den Nächten mit Autobahngeräuschen im Mittel 2.4 (SD = 2.2) falsche<br />

Reaktionen feststellen. Mit einem Z-Wert von -0.613 und einem p-Wert von 0.540 ließ sich kein<br />

statistisch signifikanter experimenteller Unterschied nachweisen.<br />

Mittlere Anzahl der Auslassungen (±SE)<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

VIGIL<br />

Kontrollbedingung<br />

M SD<br />

Lärmbedingung<br />

M SD<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

MO DI MI DO FR SA<br />

Wochentag<br />

Abbildung 3.9: Anzahl der Auslassungen beim Vigilanztest im Wochenverlauf<br />

p-Wert<br />

Reaktionszeiten (in sec) .47 .06 .47 .07 .000 1.000<br />

Auslassungen 2.28 2.21 3.60 5.45 -.975 .330<br />

Falsch positive<br />

Reaktionen<br />

2.53 2.12 2.35 2.20 -.613 .540<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 41


Mittlere Anzahl der Auslassungen. Die Anzahl ausgelassener Reize beim VIGIL nach<br />

Quatember & Maly dient laut Popp & Geisler (2004) als sensitives Maß für schläfrigkeitsbedingte<br />

Leistungsminderungen. Nach den Kontrollnächten wurden bei den Probanden mit einem<br />

Mittelwert von 2.3 (SD = 2.2) weniger Auslassungsfehler verzeichnet als nach den Nächten mit<br />

Geräuscheinspielung (M = 3.6; SD= 5.5). Eine Vergleichsanalyse ergab zwar keinen statistisch<br />

signifikanten Bedingungsunterschied (Z = -0.975; p= 0.330), allerdings ließ sich eine mittlere<br />

Effektgröße von .5 berechnen. In Abbildung 3. 9 ist der Wochenverlauf der Anzahl der Auslassungen<br />

dargestellt.<br />

In Abbildung 3.10 findet sich ein Bedingungsvergleich der Anzahl beider Fehlreaktionen, die beim<br />

Vigilanztest nach Quatember & Maly auftreten können: Auslassungen und falsch positive<br />

Reaktionen.<br />

Mittlere Anzahl der Fehlreaktionen (±SE)<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

.5 Effektfgröße<br />

Auslassungen Falsch positive Reaktionen<br />

Abbildung 3.11: Bedingungsvergleich der Gesamtmittelwerte der Anzahl der Auslassungen<br />

und Fehlreaktionen beim Vigilanztest nach Quatember & Maly (Mackworth-Clock)<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die LKW-Fahrer nach Lärmnächten mehr<br />

Auslassungsfehler in einem monotonen Daueraufmerksamkeitstest während der Mittagszeit<br />

machten als nach ruhigen Nächten, wobei vor allem Auslassungen (lapses) als ein<br />

sensitives Maß für schläfrigkeitsbedingte Leistungseinbußen gelten.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 42


Determinationstests (DT)<br />

Um die reaktive Belastbarkeit und die geteilte Aufmerksamkeit zu testen, wurde die Hannoversche<br />

Version des Determinationstests (DT) durchgeführt. Bei diesem 10-minütigen Mehrfachreiz-<br />

Mehrfachreaktionsversuch erscheinen in hoher Reizdichte verschiedene akustische und visuelle<br />

Stimuli, auf die mit unterschiedlichen motorischen Antworten reagiert werden muss. Die<br />

verwendete Hannoversche Form des Determinationstests besteht aus den zwei Durchgängen,<br />

Modus Actio und Modus Reactio, die sich in der Art der Reizabfolge unterscheiden (vgl. Anhang<br />

III).<br />

Modus Actio<br />

Beim „freien“ Modus Actio bestimmt der Proband die Erscheinungsgeschwindigkeit der einzelnen<br />

Stimuli. Zur Auswertung wurden die drei Testparameter, Reaktionszeit, die Anzahl richtiger<br />

Reaktionen und die Anzahl der Fehlreaktionen herangezogen. In Tabelle 3.3 findet sich eine<br />

Übersicht der statistischen Vergleichsanalyse der ausgewählten Testparameter des Modus Actio.<br />

Tabelle 3.3: Bedingungsvergleich der Testparameter des Modus Actio der Hannoverschen<br />

Version des Determinationstests<br />

Determinationstest:<br />

Modus Actio<br />

Kontrollbedingung<br />

p-Wert<br />

Reaktionszeiten (in sec) .83 .13 .86 .24 -.204 .838<br />

Fehlreaktionen 12.5 14.2 14.2 16.6 -1.682 .093<br />

Richtige Reaktionen 350.1 50.6 357.8 41.1 -.561 .575<br />

Mittlere Reaktionszeit. Nach den leisen Kontrollnächten betrug die Reaktionszeit der LKW-Fahrer<br />

im Mittel 0.83 sec (SD = 0.13 sec). Durchschnittliche 0.86 sec (SD = 0.24 sec) wurden nach den<br />

Lärmnächten gemessen. Beim statistischen Vergleich dieser Mittelwerte konnte kein signifikanter<br />

Unterschied zwischen den experimentellen Bedingungen festgestellt werden (Z = -.204; p =<br />

0.838).<br />

Mittlere Anzahl der Fehlreaktionen. Bei der Anzahl der falschen Reaktionen im Modus Actio<br />

konnte auf einem α-Niveau von .01 ein signifikanter Effekt des Lärms nachgewiesen werden (Z = -<br />

1.682; p = .093). Nach den Kontrollnächten unterliefen den Probanden bei einem Mittelwert von<br />

12.5 (SD = 14.2) weniger Fehler als nach den Nächten mit Geräuscheinspielung 14.2 (SD = 16.6).<br />

In Abbildung 3.12 ist ein Bedingungsvergleich nach dem Schema von Abbildung 3.1 dargestellt,<br />

worin die experimentellen Unterschiede deutlich sichtbar sind. Da in die Mittelwerte des ersten<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 43


Testtages nur jeweils die Hälfte der Daten mit eingehen, fällt die hohe Anzahl von Fehlreaktionen<br />

in der Kontrollbedingung statistisch nicht stark ins Gewicht.<br />

Mittlere Anzahl der Fehlreaktionen (±SE)<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

p = .098<br />

1. Tag 2. Tag 3. Tag Mittelwert der<br />

Testtage<br />

3 Tage<br />

Abbildung 3.12: Bedingungsvergleich der Fehlreaktionen beim Modus Actio<br />

des Determinationstests (DT)<br />

Mittlere Anzahl der richtigen Reaktionen. Während die Probanden in der Kontrollbedingung<br />

durchschnittlich 350.1 richtige Reaktionen (SD = 50.6) verzeichnen konnten, wurde in der<br />

Lärmbedingung im Mittel 357.8 (SD = 41.10) mal korrekt reagiert. Mit einem Z-Wert von -.561 und<br />

einem p-Wert von .575 zeigten sich keine deutlichen experimentellen Abweichungen.<br />

Modus Reactio<br />

Beim Modus Reactio des Determinationstests erfolgt die Präsentationsgeschwindigkeit der Reize<br />

unabhängig von der Schnelligkeit des Versuchsteilnehmers, weswegen bei dieser Testvariante<br />

weitere Parameter aufgezeichnet werden können. Neben der Reaktionszeit, der Anzahl der<br />

richtigen Reaktionen und der Fehlreaktionen werden beim Modus Reactio auch die Anzahl der<br />

verspäteten und zeitgerechten Reaktionen sowie der Auslassungen erhoben und in die<br />

Auswertung mit einbezogen. Tabelle 3.4 bietet einen Überblick der Ergebnisse des statistischen<br />

Mittelwertevergleichs der Testparameter des Modus Reactio.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 44


Tabelle 3.4: Bedingungsvergleich der Testparameter des Modus Reactio vom Determinationstest<br />

Determinationstest:<br />

Modus Actio<br />

Kontrollbedingung<br />

M SD<br />

Lärmbedingung<br />

M SD<br />

Z-Werte<br />

p-Wert<br />

Reaktionszeiten (in sec) .83 .13 .86 .24 -.204 .838<br />

Fehlreaktionen 12.5 14.2 14.3 16.6 -1.682 .093<br />

Richtige Reaktionen 350.1 50.6 357.8 41.1 -.561 .575<br />

Mittlere Reaktionszeit. Die Reaktionszeiten beim Modus Reactio des Determinationstests<br />

unterschieden sich kaum zwischen Kontrollbedingung (M = .66 sec; SD = .13 sec) und<br />

Lärmbedingung (M = .66 sec; SD = .1 sec). Auch eine statistische Vergleichsanalyse ergab keinen<br />

nennenswerten Bedingungsunterschied (Z = -.102; p = .919).<br />

Mittlere Anzahl der Auslassungen. Nach den Kontrollnächten wurden durchschnittlich 26.4 (SD<br />

= 37.1) ausgelassene Reaktionen aufgezeichnet. Nach den Nächten mit Autobahngeräuschen<br />

unterliefen den Versuchsteilnehmern im Durchschnitt 26.4 Auslassungsfehler (SD = 25.4).<br />

Beim statistischen Vergleich zeigte sich kein signifikanter Effekt der experimentellen Manipulation<br />

(Z = -.051; p = .959).<br />

Mittlere Anzahl der verspäteten Reaktionen. Bei der Anzahl der verspäteten Reaktionen konnte<br />

keine statistisch signifikante Abweichung der Mittelwerte von Kontroll- und Lärmbedingung<br />

festgestellt werden (Z = -0.255, p = 0.799). Während die Probanden nach den Kontrollnächten im<br />

Mittel 37.1 (SD = 29.0) mal zu spät reagierten, wurden nach den lauten Nächten mit<br />

Geräuscheinspielung durchschnittlich 34.6 (SD = 21.7) verspätete Reaktionen aufgezeichnet.<br />

Mittlere Anzahl der Fehlreaktionen. In der Kontrollbedingung unterliefen den LKW-Fahrern im<br />

Durchschnitt 15.5 (SD = 15.2) Fehler. Nach den Lärmnächten waren mittlere 17.8 (SD = 17.0)<br />

Fehlreaktionen zu verzeichnen. Ein statistischer Vergleich der Anzahl der falschen Reaktionen<br />

erbrachte keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Bedingungen (Z = -0.415; p =<br />

.678).<br />

In Abbildung 3.13 sind die Mittelwerte aller Testparameter, die eine falsche Reizantwort darstellen,<br />

zusammenfassend im Bedingungsvergleich dargestellt.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 45


Mittlere Fehleranzahl (±SE)<br />

50<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

Ausgelassene Reaktionen Verspätete Reaktionen Fehlreaktionen<br />

Abbildung 3.13: Bedingungsvergleich der Auslassungen, verspäteten Reaktionen und<br />

Fehlreaktionen im Modus Reactio des Determinationsstest (DT)<br />

Mittlere Anzahl der zeitgerechten Reaktionen. Bei den zeitgerechten Reaktionen wurde in der<br />

Kontrollbedingung ein Durchschnittswert von 171.5 (SD = 52.3) registriert. Nach den<br />

Nächten mit Autobahngeräuschen reagierten die Probanden im Mittel 173.6 (SD = 43.8) mal<br />

rechtzeitig. Mit einem Z-Wert von -0.255 und einem p-Wert von .799 ergab sich beim statistischen<br />

Test kein signifikanter Unterschied zwischen Kontroll- und Lärmbedingung.<br />

Mittlere Anzahl der richtigen Reaktionen. Nach den Kontrollnächten wurden im Mittel 212.0 (SD<br />

= 41.3) richtige Reaktionen gemessen. Nach den Lärmnächten lag deren Durchschnittswert bei<br />

208.2 (SD = 28.8). Statistisch zeigte sich allerdings kein Effekt des Lärms auf die Anzahl der<br />

richtigen Reaktionen (Z = -0.357; SD = 0.721). Abbildung 3.14 zeigt einen<br />

bedingungsvergleichenden Überblick der Gesamtmittelwerte korrekter Reaktionen beim<br />

Determinationstest.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 46


Mittlere Anzahl korrekter Reaktionen (±SE)<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

Zeitgerechte Reaktionen Richtige Reaktionen<br />

Abbildung 3.14: Bedingungsvergleich der zeitgerechten und richtigen Reaktionen im<br />

Modus Reactio des Determinationstests (DT)<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bei einem Großteil der Testparameter des<br />

Determinationstests, bei dem die reaktive Belastbarkeit und die geteilte Aufmerksamkeit<br />

unter hoher Reizdichte geprüft wird, keine statistisch signifikanten Abweichungen zwischen<br />

den experimentellen Bedingungen auftraten. Lediglich im Modus Actio konnte nach den<br />

Lärmnächten eine signifikante Erhöhung der Anzahl von falschen Reaktionen verglichen<br />

mit den Kontrollnächten beobachtet werden.<br />

3.3.3 Subjektive Schläfrigkeit: Selbstbeurteilungsfragebögen<br />

Wie schon in der Morgentestung wurden die Probanden auch mittags gebeten, ihre momentane<br />

Müdigkeit mittels der zwei Selbstbeurteilungsfragebögen, Stanford Sleepiness Scale (SSS) und die<br />

Tiredness Symptoms Scale (TSS), einzuschätzen (vgl. Anhang III). Um zu bestimmen, ob es im<br />

Laufe des 90-minütigen Testprocedere zu intraindividuellen Veränderungen, wie z.B. einer<br />

Ermüdung kommt, wurden beide Fragebögen sowohl am Anfang als auch am Ende der großen<br />

Mittagstestbatterie eingesetzt. Darüber hinaus wurden beide Schläfrigkeitseinschätzungen am<br />

Mittag mit den in der Morgentestung erhobenen Werten verglichen, um Veränderungen im<br />

Testverlauf bzw. ein Mittagstief auf subjektiver Ebene feststellen zu können.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 47


Stanford Sleepiness Scale (SSS)<br />

Anhand dieser 7-stufigen Skala hatten die Probanden zu Beginn der Mittagstestung, ihre montane<br />

Müdigkeit zu bestimmen (vgl. Anhang III). So wurde nach den Kontrollnächten anfangs ein<br />

durchschnittlicher SSS-Score von 1.4 (SD = .47) angegeben. Nach den Nächten mit<br />

Autobahngeräuschen schätzten die LKW-Fahrer ihre eigene Schläfrigkeit zu Testungsbeginn im<br />

Durchschnitt mit einem Wert von 1.5 (SD = .65) ein. Im statistischen Vergleich konnten keine<br />

deutlichen Unterschiede zwischen den Mittelwerten beider experimenteller Bedingungen<br />

nachgewiesen werden (Z = -.595; p = .552). Am Ende des mittäglichen Testprocedere lagen die in<br />

der Schläfrigkeitsskala angegebenen durchschnittlichen Gesamtwerte in der Kontrollbedingung bei<br />

1.7 (SD = .53). Nach den Nächten mit Lärmeinspielung wurde die eigene Müdigkeit mit einem<br />

mittleren Wert von 1.7 (SD = .41) eingestuft. Bei der statistischen Vergleichsanalyse ergab sich<br />

kein signifikanter Bedingungsunterschied bei der subjektiven Müdigkeit am Ende der<br />

Mittagstestung (Z = -.420; p = .674).<br />

Um festzustellen, ob während der Mittagstestbatterie intraindividuelle Veränderungen auftraten,<br />

wurden für beide Bedingungen die gemittelten Werte der SSS-Werte am Anfang und am Ende<br />

statistisch verglichen. Bei diesem Vergleich konnte innerhalb der Kontrollbedingung ein<br />

signifikanter Unterschied zwischen den Erhebungszeitpunkten beobachtet werden (Z = -2.03; p =<br />

.042). So schätzten sich die Probanden zu Beginn der Mittagstestung deutlich weniger müde ein<br />

(M = 1.4; SD = .47) als am Ende dieser großen Testbatterie (M = 1.7; SD = .53). Nach den<br />

Lärmnächten fiel die Differenz der durchschnittlichen SSS-Scores zwischen den Testzeitpunkten<br />

am Anfang (M = 1.5; SD = .65) und am Ende (M = 1.7; SD = 1.5) wesentlich geringer aus. Auch im<br />

statischen Mittelwertsvergleich konnten keine signifikanten Unterschiede der subjektiven<br />

Müdigkeitseinschätzungen zwischen den Erhebungszeitpunkten verzeichnet werden (Z = -.962; p<br />

= .336).<br />

Des Weiteren wurden nun in beiden Bedingungen die durchschnittlichen SSS-Scores der<br />

Morgentestung mit denen zu Beginn und auch am Ende der Mittagstestung verglichen, um<br />

festzustellen, ob ein Mittagstief bei der subjektiven Einschätzung der Müdigkeit vorliegt. Zunächst<br />

wurde für die Kontrollbedingung der mittlere Gesamtscore der Morgentestung (M = 1.7; SD = .80)<br />

mit den beiden Scores der Mittagstestung verglichen. Hier traten weder beim Vergleich mit dem<br />

Durchschnittsscore zu Beginn der Mittagstestung (M = 1.4; SD = .47; Z = -1.378; p= .168), noch<br />

beim Vergleich mit dem SSS-Wert am Ende (M = 1.7; SD = .53; Z = -.987; p = .323) signifikante<br />

Unterschiede zwischen den Erhebungszeitpunkten auf. Auch nach den Nächten mit<br />

Lärmeinspielung unterschied sich der durchschnittliche SSS-Score am Morgen (M = 1.8; p = .790)<br />

nicht signifikant von dem am Anfang der Mittagstestung erhobenen Wert (M = 1.5; SD = .65; Z = -<br />

1.476; p= .140). Beim statistischen Vergleich der subjektiven Müdigkeit am Morgen (M = 1.8; p =<br />

.790) und am Ende der mittäglichen Testung (M = 1.7; SD = 1.5) konnten ebenfalls keine<br />

signifikanten Unterschiede nachgewiesen werden (Z = -.511, p = .610). Insgesamt war die<br />

subjektive Einschätzung der eigenen Schläfrigkeit zu den drei verschiedenen<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 48


Erhebungszeitpunkten sowohl in der Kontroll- als auch in der Lärmbedingung vergleichbar, obwohl<br />

auf physiologischer Ebene in beiden experimentellen Bedingungen signifikante Unterschiede<br />

zwischen Morgen- und Mittagstestung auftraten. Allerdings wurde die subjektive Müdigkeit anhand<br />

der SSS auch in der Mittagstestung im Anbetracht der 7 zur Auswahl stehenden Stufen mit den<br />

bedingungsunabhängigen Gesamtscores von 1.4 (SD = .55) zu Beginn und 1.7 (SD = .46) am<br />

Ende sehr niedrig eingeschätzt. In Abbildung 3.14 sind die Mittelwerte der SSS an sämtlichen<br />

Testzeitpunkten nochmals im Bedingungsvergleich gegenübergestellt.<br />

Mittlerer SSS-Score (±SE)<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Morgentestung Mittagstestung<br />

Testungsbeginn Testungsbeginn Testungsende<br />

Testzeitpunkt<br />

p= .042<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

Abbildung 3. 14: Vergleich der Bedingungen und Testzeitpunkte der durchschnittlichen SSS-<br />

Scores der Morgentestung und zu Beginn und am Ende der Mittagstestung<br />

Tiredness Symptoms Scale (TSS)<br />

Mittels der Tiredness Symptoms Scale (TSS) wurde das Auftreten von 14 ausgewählten<br />

Müdigkeitssymptomen bei den Probanden abgefragt (vgl. Anhang III). Nach den leisen Nächten<br />

trafen bei den LKW-Fahrern am Anfang der Mittagstestung im Durchschnitt .1 (SD = .2) der 14<br />

Schläfrigkeitsanzeichen zu. In der Lärmbedingung lag der mittlere TSS-Wert bei .4 (SD = .5). Ein<br />

statistischer Vergleich dieser Mittewerte ergab keinen wesentlichen Unterschied zwischen den<br />

beiden experimentellen Bedingungen (Z = -.946; p = .344). Nach dem Testprocedere am Mittag<br />

betrug der durchschnittliche TSS-Score in der Kontrollbedingung .6 (SD = .7). Nach den lauten<br />

Nächten mit Autobahngeräuschen traten bei den Versuchsteilnehmern am Testungsende im Mittel<br />

.6 (SD = .8) Müdigkeitssymptome auf. Mit einem Z-Wert von -.135 und einem p-Wert von .893<br />

konnte auch am Ende der Mittagstestung keine signifikante Abweichung des TSS-Scores aufgrund<br />

der experimentellen Manipulation festgestellt werden.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 49


Darüber hinaus wurden nun für jede Bedingung die Mittelwertwerte der Müdigkeitsskala zu Beginn<br />

und am Ende der Mittagstestung statistisch gegenübergestellt. Innerhalb der Kontrollbedingung<br />

wurde die eigene, momentane Schläfrigkeit am Ende mit einem Durchschnitts-Score von .6 (SD =<br />

.7) etwas höher eingeschätzt als zu Beginn der Mittagstestung (M = .1; SD = .2). So konnte mittels<br />

einer statistischen Vergleichsanalyse nach den Kontrollnächten, analog zu den erhobenen SSS-<br />

Werten, auch bei den subjektiven Müdigkeitseinschätzungen anhand der TSS ein signifikanter<br />

Unterschied zwischen den Erhebungszeitpunkten nachgewiesen werden (Z = -2.032; p = .042).<br />

Nach den Nächten mit Lärmeinspielung zeigten sich dagegen keine signifikanten Abweichungen<br />

der mittleren TSS-Werte an den beiden Durchführungszeitpunkten (Z = -1.105; p = .269). Die<br />

durchschnittliche Anzahl der Müdigkeitssymptome zu Beginn (M = .4; SD = .5) und am Ende (M =<br />

.6; SD = .8) der Testbatterie am Mittag war innerhalb der Lärmbedingung durchaus vergleichbar.<br />

Daraufhin wurde der mittlere TSS-Score der morgendlichen Testung den beiden Werten am<br />

Anfang als auch am Ende der Mittagstestung gegenübergestellt. So war in der Kontrollbedingung<br />

die durchschnittliche Anzahl der Müdigkeitssymptome am Morgen (M = .7; SD = 1.2) nicht<br />

signifikant von der zu Beginn der Mittagstestung angegebenen Anzahl (M = .1; SD = .2) zu<br />

unterscheiden (Z = -1.518; p = .129). Der durchschnittliche TSS-Wert zur subjektive<br />

Müdigkeitseinschätzung am Ende der Mittagstestung war niedriger und lag bei .6 (SD = .7). Somit<br />

waren auch hier im statistischen Vergleich keine deutlichen Abweichungen zwischen den<br />

Testzeitpunkten am Morgen und am Mittag innerhalb der Kontrollbedingung fest zustellen (Z = -<br />

.405; p = .686). In der Lärmbedingung unterschieden sich ebenfalls weder der mittlere TSS-Score<br />

zu Beginn (M = .4; SD = .5) noch am Ende (M = .6; SD = .8) signifikant von dem während der<br />

Morgentestung erhobenen Wert (M = .7; SD= 1.2) (Vergleich mit Testungsbeginn: Z = -1.095; p =<br />

.273; Vergleich mit Testungsende: Z =-.736; p = .461). Dennoch sollte auch bei der Betrachtung<br />

der Ergebnisse der Anzahl der Müdigkeitssymptome darauf hingewiesen werden, dass die<br />

Probanden unabhängig von Kontroll- oder Lärmbedingung im Gesamtdurchschnitt nur .3 (SD = .4)<br />

zu Beginn und .6 (SD = .8) am Ende von insgesamt 14 zur Auswahl stehenden<br />

Schläfrigkeitssymptomen angaben. In Abbildung 3.15 ist -analog zur Abbildung 3.14- ein Überblick<br />

über alle gemittelten TSS-Scores zu sehen, wobei gleichzeitig die experimentellen Bedingungen<br />

verglichen werden.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 50


Mittlerer TSS-Score (±SE)<br />

5,0<br />

4,5<br />

4,0<br />

3,5<br />

3,0<br />

2,5<br />

2,0<br />

1,5<br />

1,0<br />

0,5<br />

0,0<br />

Morgentestun Mittagstestung<br />

Testungsbeginn Testungsbeginn Testungsende<br />

Testzeitpunkt<br />

p = .042<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

Abbildung 3.15: Vergleich der Bedingungen und Testzeitpunkte der durchschnittlichen TSS-<br />

Scores der Morgentestung, sowie zu Beginn und am Ende der Mittagstestung<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, das die LKW-Fahrer ihre subjektive Schläfrigkeit<br />

am Mittag insgesamt als sehr gering einstuften. Die zeigte sich in zwei verschiedenen<br />

Messverfahren (SSS und TSS). Allerdings ließ sich am Ende der ca. 1 stündigen<br />

Testbatterie eine moderate, aber signifikante Zunahme der Schläfrigkeit in beiden<br />

Testverfahren feststellen. Die experimentelle Bedingung (Lärm- vs. Kontrollnächte) hatte<br />

keine signifikante Auswirkung auf den Grad der subjektiv empfundenen Schläfrigkeit.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 51


3.4. TAGESVERLAUF: Schläfrigkeit sowie<br />

Aufmerksamkeits- und Fahrleistung<br />

Als Erweiterung zur Vorgängerstudie wurden bei diesem Projekt die Schläfrigkeit, die Befindlichkeit<br />

und auch das Leistungsvermögen der LKW-Fahrer über den ganzen Tag hinweg überwacht. Dazu<br />

wurde zum einem die physiologische Schläfrigkeit ganztags mit einem Wach-EEG erfasst. Zum<br />

anderen wurden während den beiden Touren am Vormittag und am Nachmittag Fahrdaten zur<br />

Messung der Fahrleistung aufgezeichnet. Des Weiteren wurden etwa alle zwei Stunden von den<br />

Fahrern in Eigenregie „Kurztests“ zur Erfassung des objektiven Leistungsvermögens anhand eines<br />

Reaktionstests und zur Einschätzung der subjektiven Schläfrigkeit mittels eines Selbstbeurteilungsbogens,<br />

durchgeführt.<br />

3.4.1 Physiologische Schläfrigkeit: Wach-EEG<br />

Zur Auswertung des Wach EEGs wurde der durchschnittliche Müdigkeitsquotient während der<br />

Fahrtzeiten für jeden LKW-Fahrer herangezogen (Berechnung vgl. Anhang III). In Abbildung 3.16<br />

(linke Seite) wird exemplarisch dargestellt, wie anhand der Verlaufsgrafik der Müdigkeitsindices<br />

einer Testfahrt von einer Versuchsperson die kritischen Müdigkeitsindices ermittelt wurden, die in<br />

die Berechnung des Müdigkeitsquotienten mit eingehen.<br />

Mittlerer Mittlere Müdigkeitsquotient (± SE)<br />

1,40<br />

1,20<br />

1,00<br />

0,80<br />

0,60<br />

0,40<br />

0,20<br />

0,00<br />

Müdigkeitsquotienten<br />

Kontrollbedingung<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

p = .14 / ES =.3<br />

1. Tag 2. Tag 3. Tag Mittelwert der<br />

Testtage<br />

3 Tage<br />

Abbildung 3.16: Exemplarische Berechnung des Wach-EEG-Müdigkeitsquotienten für eine Fahrt<br />

(linke Seite) und Vergleich der Bedingungen für die gemittelten 3 Tage<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 52


Auf der rechten Seite der Grafik sind die Mittelwertsunterschiede der Müdigkeitsquotienten grafisch<br />

veranschaulicht. Nach den Kontrollnächten war der durchschnittliche Müdigkeitsindex mit einem<br />

Wert von .69 (SD = .65) etwas geringer als nach den Nächten mit Lärmeinspielung (M =. 82; SD =<br />

.37). Im statistischen Vergleich zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den<br />

Experimentalbedingungen (Z = -1.481; p =. 139). Insgesamt lässt sich allerdings eine kleine<br />

Effektstärke (.30) statistisch nachweisen.<br />

3.4.2 Vigilanzbedingte Leistungsfähigkeit<br />

Palm-Psychomotorischer Vigilanztest (Palm-PVT)<br />

Im Rahmen von kurzen Zwischentestungen wurde mittels des Palm-PVT das<br />

aufmerksamkeitsbedingte Reaktionsvermögen der LKW-Fahrer auf objektiver Ebene getestet. Um<br />

Tagesschwankungen aufzudecken, wurde dieser tragbare Reaktionstest zu acht Zeitpunkten im<br />

Intervall von etwa zwei Stunden durchgeführt. Als aussagekräftiger Testparameter wurde die<br />

mittlere Reaktionszeit verwendet. In Tabelle 3.5 sind die gemittelten Werte der Reaktionszeiten<br />

sowie die Ergebnisse des Vergleichs zwischen Kontroll- und Lärmbedingung für jede der acht<br />

Zwischentestungen im Überblick dargestellt.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 53


Tabelle 3.5: Vergleich der mittleren Reaktionszeiten des Palm-PVT zwischen Kontroll- und<br />

Lärmbedingung<br />

Testung: 8:30 Uhr<br />

Kontrollbedingung<br />

M SD<br />

Lärmbedingung<br />

M SD<br />

Z-Wert p-Wert<br />

Palm-PVT: Reaktionszeit (in ms) 206.1 24.36 228.6 65.87 -.866 .386<br />

Testung: 10:15 Uhr<br />

Palm-PVT: Reaktionszeit (in ms) 205.7 23.56 206.5 34.24 -.051 .959<br />

Testung: 12:00 Uhr<br />

Palm-PVT: Reaktionszeit (in ms) 205.2 26.65 204.3 32.24 -.255 .799<br />

Testung: 14:15 Uhr<br />

Palm-PVT: Reaktionszeit (in ms) 214.1 33.40 212.1 34.21 -.561 .575<br />

Testung: 16:15 Uhr<br />

Palm-PVT: Reaktionszeit (in ms) 199.7 28.45 208.4 31.48 -.968 .333<br />

Testung: 18:00 Uhr<br />

Palm-PVT: Reaktionszeit (in ms) 205.6 29.38 201.1 30.96 -1.753 .080<br />

Testung: 20:15 Uhr<br />

Palm-PVT: Reaktionszeit (in ms) 212.5 37.23 205.7 30.13 -.561 .575<br />

Testung: 21:45 Uhr<br />

Palm-PVT: Reaktionszeit (in ms) 223.1 43.33 216.8 50.46 -1.172 .241<br />

Abbildung 3.17 stellt den Tagesverlauf der durchschnittlichen Arbeitsgeschwindigkeiten am Palm-<br />

PVT grafisch dar. Am frühen Morgen um 8:30 Uhr vor Beginn der Vormittagsfahrt wurde das<br />

Rektionsvermögen der Probanden zum ersten mal überprüft. Bei dieser Testung konnten bei<br />

einem Z-Wert von -.866 und einem p-Wert von .386 keine statistisch signifikanten Unterschiede<br />

zwischen den Mittelwerten der Kontrollbedingung (M = 206.1 ms; SD = 24.3 ms6) und der<br />

Lärmbedingung (M = 228.6 ms; SD = 65.87 ms) festgestellt werden. Auch bei der zweiten<br />

Zwischentestung, die um etwa 10:15 Uhr während einer Fahrpause an einer Raststätte<br />

durchgeführt wurde, traten beim statistischen Vergleich keine signifikanten<br />

Bedingungsunterschiede auf (Z = -.051; p = .959). Die mittleren Reaktionszeiten nach den<br />

Kontrollnächten (M = 205.74 ms; SD = 23.56 ms) waren durchaus mit der Arbeitsgeschwindigkeit,<br />

die nach den Lärmnächten gemessen wurden (M = 206.5 ms; SD = 34.24 ms), vergleichbar. Bei<br />

der dritten Erhebung des Leistungsvermögens, die vor dem Mittagsessen um ca. 12:00 Uhr statt<br />

fand, waren ebenfalls keine deutlichen Abweichungen zwischen den beiden experimentellen<br />

Bedingungen zu verzeichnen (Z = -.255; p = .799). Hier lag die mittlere Reaktionszeit innerhalb der<br />

Kontrollbedingung bei 205.2 ms (SD = 26.64 ms). Nach den lauten Nächten mit<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 54


Geräuscheinspielung wurden mittags nach der Vormittagstour im Durchschnitt 204.3 ms (SD =<br />

32.24 ms) gemessen. Vor Beginn der Nachmittagsfahrt um etwa 14:15 Uhr betrug die<br />

durchschnittliche Reaktionsgeschwindigkeit nach den Kontrollnächten 214.1 ms (SD = 33.40 ms).<br />

Bei mittleren 212.10 ms (SD = 34.21 ms) lagen die gemittelten Reaktionszeiten in der<br />

Lärmbedingung. Ein statistischer Vergleich der Mittelwerte der Reaktionszeiten um 14.15 Uhr<br />

erbrachte keine signifikanten Unterschiede zwischen Kontroll- und Lärmbedingung (Z = -.561; p =<br />

.575). Um ca. 16:15 Uhr wurde wiederum eine Fahrpause an einer Raststätte eingelegt, wo der<br />

fünfte Durchgang des Palm-PVTs erfolgte. Während hier in der Kontrollbedingung eine mittlere<br />

Reaktionszeit von 199.7 ms (SD = 28.45 ms) gemessen wurde, lag die Arbeitsgeschwindigkeit in<br />

der Lärmbedingung bei durchschnittlichen 208.4 ms (SD = 31.48 ms). Statistisch gab es keine<br />

signifikanten Abweichungen zwischen den gemittelten Werten beider experimenteller Bedingungen<br />

(Z = -.968; p = .333).<br />

Mittlere Reaktionszeit (in ms)<br />

230<br />

225<br />

220<br />

215<br />

210<br />

205<br />

200<br />

195<br />

190<br />

185<br />

180<br />

Effektgröße<br />

.5<br />

p= .074<br />

p = .013<br />

p = .037<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

8:30 10:15 12:00 14:15 16:15 18:00 20:15 21:45<br />

Erhebungszeiten<br />

Abbildung 3.17: Vergleich des Tagesverlaufs der mittleren Reaktionszeiten des Palm-PVT<br />

zwischen Kontroll- und Lärmbedingung<br />

Am Fahrtende um ca. 18.00Uhr konnte dagegen auf einem Signifikanzniveau von .10 eine<br />

deutlicher Unterschied zwischen den Bedingungen festgestellt werden (Z = -1.753; p = .080). So<br />

reagierten die Probanden nach den Lärmnächten (M = 201.1 ms; SD = 30.96 ms) am Ende der<br />

Nachmittagsfahrt tendenziell signifikant schneller als nach den leisen Nächten zur experimentellen<br />

Kontrolle (M = 205.56 ms; SD = 29.378 ms). Abends um 20:15 Uhr lagen die gemittelten<br />

Reaktionszeiten in der Kontrollbedingung bei 212.49 ms (SD = 37.230 ms) und in der<br />

Lärmbedingung bei 205.7 ms (SD = 30.13 ms). Beim Mittelwertsvergleich zeigten sich keine<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 55


signifikanten Bedingungsunterschiede (Z = -.561; p = .575). Am späten Abend um 21:45 Uhr fand<br />

der achte und letzte Durchgang des Palm-PVTs statt. Auch dabei ließen sich keine signifikanten<br />

Abweichungen zwischen Kontroll- und Lärmbedingung feststellen (Z = -1.172; p = .241). Während<br />

die durchschnittliche Reaktionsgeschwindigkeit nach den Kontrollnächten bei 223.1 ms (SD =<br />

43.33 ms) lag, wurde nach den Nächten mit Lärmeinspielung ein mittlerer Wert von 216.8 ms (SD<br />

= 50.46 ms) gemessen.<br />

Bei Betrachtung der graphischen Darstellung des durchschnittlichen Tagesverlaufs sieht man zum<br />

einen die geringen Abweichungen der Mittelwerte von Kontroll- und Lärmbedingung, zum anderen<br />

lässt sich bedingungsunabhängig ein leichtes Mittagstief um 14:15 Uhr erkennen, dass teilweise<br />

statistisch bestätigt werden kann.<br />

Nach den Kontrollnächten reagierten die LKW-Fahrer beim Palm-PVT um 12:00 Uhr (M = 205.74<br />

ms; SD = 23.564 ms) etwas schneller als um 14:15 Uhr. In einer statistischen Vergleichsanalyse<br />

zeigte sich jedoch kein signifikanter Unterschied, sprich kein deutliches Tief, bei der Testung um<br />

14:15 Uhr (Z = -1.070; p = .285). Beim Vergleich der Testung um 14:15 Uhr (M = 214.14 ms; SD =<br />

33.404 ms) mit dem Durchgang um 16:15 Uhr (M = 199.67 ms; SD = 28.447 ms) war dagegen ein<br />

signifikanter Unterschied zwischen den Erhebungszeitpunkten nachzuweisen (Z = -2.497; p =<br />

.013). So konnten innerhalb der Kontrollbedingung beim Palm-PVT 16:15 Uhr im Durchschnitt<br />

deutlich schnellere Reaktionen im Vergleich zur Testung um 14:15 Uhr beobachtet werden, was<br />

durchaus auf ein Mittagstief hindeutet (siehe auch Abbildung 3.16). Die Arbeitsgeschwindigkeiten<br />

bei den Testdurchgängen um 16:15 Uhr (M = 199.67 ms; SD = 28.447 ms) und um 18:00 Uhr(M =<br />

205.56 ms; SD = 29.378 ms) wiesen nach den Kontrollnächten keinen statistischen Unterschied<br />

auf (Z = -.764; p = .445).<br />

Innerhalb der Lärmbedingung fiel der mittägliche Einbruch etwas geringer aus. So reagierten die<br />

Probanden beim Kurztest um 12:00 Uhr (M = 204.3 ms; SD = 32.24 ms) etwas schneller als in der<br />

Testung um 14:15 Uhr (M = 212.1 ms; SD = 34.21 ms), wobei auf einem Signifikanzniveau von<br />

0.10 durchaus ein statistischer Unterschied festgestellt werden konnte (Z = -1.784; p = .074).<br />

Demnach trat um 14:15 Uhr verglichen mit dem Palm-PVT-Durchgang um 12:00 Uhr eine<br />

Verlangsamung der Arbeitsgeschwindigkeit auf. Entsprechend der Kontrollbedingung war auch<br />

nach den Lärmnächten von 14:15 Uhr (212.1 ms; SD = 34.21 ms) bis 16:15 Uhr (M = 208.4 ms;<br />

SD = 31.48 ms) ein Anstieg der Reaktionszeiten beim Palm-PVT zu beobachten, der allerdings<br />

keine statistische Signifikanz erreichte (Z =-.663; p = .508). Erst um 18:00 Uhr reagierten die<br />

Probanden wieder schneller, wobei für den Unterschied der Arbeitsgeschwindigkeiten zwischen<br />

16:15 Uhr (M = 208.4; SD = 31,48) und 18:00 Uhr (M = 201.1 ms; SD = 30.96 ms) keine<br />

statistische Signifikanz festzustellen war (Z = -1.274; p = .203).<br />

Im Zeitintervall von 18:00 bis 20:15 Uhr konnte bei beiden Experimentalbedingungen ein<br />

vergleichbarer Abfall der Reaktionsgeschwindigkeit beim Palm-PVT beobachtet werden, der<br />

allerdings weder in der Kontrollbedingung (Z = -.968; p = .333) noch in der Lärmbedingung (Z = -<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 56


.866; p= .386) statistisch nachweisbar war. In der Kontrollbedingung konnte am späten Abend eine<br />

signifikante Verlangsamung der Reaktionsgeschwindigkeit von 20:15 Uhr (M = 212.5 ms; SD =<br />

37.23 ms) bis 21:45 Uhr (M = 223.1 ms; SD = 43.33 ms) demonstriert werden (Z = -2.090; p =<br />

.037). Auch nach den Lärmnächten wurden um 21:45 Uhr (M = 216.8 ms; SD = 50.46 ms) deutlich<br />

langsamere Reaktionszeiten als in der Palm-PVT-Testung um 20:15 Uhr (M = 205.7 ms; SD =<br />

30.13 ms) gemessen. Allerdings erreichte der nächtliche Abfall des Reaktionsvermögens in der<br />

Lärmbedingung (Z = -.663; p = .508) keine statistische Signifikanz.<br />

Zusammenfassend lässt sich ein typischer Verlauf der Reaktionsfähigkeit über den<br />

Tagesverlauf feststellen: mit einer Verlangsamung der Reaktionszeiten gegen Abend und<br />

einem moderaten Einbruch der Leistungsfähigkeit während des circadianen Mittagstiefs.<br />

Die Verläufe der Reaktionszeiten sind in den beiden experimentellen Bedingungen (laute<br />

vs. leise Nächte) sehr ähnlich, eine Ausnahme bildet jedoch die Messung am Morgen: Hier<br />

ist die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit nach den Lärmnächten im Vergleich zur<br />

Kontrollbedingung erkennbar verlangsamt.<br />

3.4.3 Fahrleistung<br />

Aufgrund technischer und terminliche Probleme wurden die Daten von der Daimler AG bislang<br />

nicht ausgewertet.<br />

3.4.4 Subjektive Schläfrigkeit und Befindlichkeit<br />

Subjektive Schläfrigkeit: Karolinska Sleepiness Scale (KSS)<br />

Um festzustellen, wie müde sich die Probanden tagsüber fühlten und ob Schwankungen im Laufe<br />

des Tages auftraten, wurde neben dem Reaktionsvermögen auch die subjektive Müdigkeit mittels<br />

der Karolinska Sleepiness Scale (KSS) acht mal etwa alle zwei Stunden erhoben (vgl. Anhang III).<br />

In Abbildung 3. 18 sind die Bedingungsunterschiede sowie die Tageszeiteffekte der gemittelten<br />

subjektiven Müdigkeitseinschätzungen als Verlaufsgrafik über den Tag hinweg veranschaulicht.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 57


Mittlerer KSS-Score<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

p = .040<br />

Kontrollbedingung<br />

Lärmbedingung<br />

p = .018<br />

p = .018<br />

p = .024<br />

p = .010<br />

8:30 10:15 12:00 14:15 16:15 18:00 20:15 21:45<br />

Erhebungszeiten<br />

Abbildung 3.18: Vergleich des Tagesverlaufs der mittleren KSS-Scores zwischen Kontroll-<br />

und Lärmbedingung<br />

Am Morgen um 8:30 Uhr vor Beginn der ersten Fahrt schätzten sich die Probanden nach den<br />

Kontrollnächten mit einem durchschnittlichen KSS-Wert von 2.0 (SD = .49) signifikant weniger<br />

müde ein als nach den Lärmnächten, wo der mittlere Wert bei 2.4 (SD = .64) lag (Z = -2.056; p =<br />

.040). Während der Fahrpause um 10:15 Uhr betrug der mittlere KSS-Score in der<br />

Kontrollbedingung 2.2 (SD = .53), in der Lärmbedingung 2.1 (SD = .54). Ein statistischer Test<br />

erbrachte keinen signifikanten Unterschied zwischen den Experimentalbedingungen (Z = -.632; p =<br />

.527). Auch bei der dritten subjektiven Müdigkeitserhebung um 12:00 Uhr mittags wichen die KSS-<br />

Mittelwerte nach den Kontrollnächten (M = 2.2; SD = .43) und nach den Lärmnächten (M = 2.3; SD<br />

=.67) nicht deutlich voneinander ab (Z = -.954; p = .340). Im Anschluss an die Mittagstestung um<br />

14:15 Uhr schätzten die Probanden ihre Müdigkeit innerhalb der Kontrollbedingung im<br />

Durchschnitt mit einem KSS-Wert von 2.1 (SD = .37) ein. Nach den Nächten mit Lärmeinspielung<br />

lag der mittlere KSS-Score um 14:00 Uhr bei 2.3 Punkten (SD = .71). In einer statistischen<br />

Vergleichsanalyse zeigten sich keine deutlichen Bedingungsunterschiede der subjektiven<br />

Müdigkeit am späten Mittag (Z = -1.266; p = .205). Während einer weiteren Fahrpause um ca.<br />

16:15 Uhr fand die fünfte Erhebung der subjektiven Müdigkeit statt. Auch hier unterschieden sich<br />

die mittleren KSS-Werte nach den Kontrollnächten (M = 2.6; SD = .63) und nach den Nächten mit<br />

Autobahngeräuschen (M = 2.7; SD = .79) nicht wesentlich voneinander (Z = -.946; p =.44). Am<br />

Ende der Fahrt um ungefähr 18:00 Uhr betrug der durchschnittliche KSS-Score in der<br />

Kontrollbedingung 3.1 (SD = 1.52). Nach den lauten Lärmnächten schätzten die LKW-Fahrer ihre<br />

Schläfrigkeit im Durchschnitt mit einem KSS-Wert von 3.3 (SD = 1.72) ein. Ein statistischer<br />

Vergleich dieser Mittelwerte ergab keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 58


Bedingungen (Z = -1.084; p = .279). Abends um 20:15 Uhr wurde nach den Kontrollnächten bei<br />

der KSS im Durchschnitt ein Wert von 3.2 (SD = 1.40) angegeben. Nach den Nächten mit<br />

Geräuscheinspielung betrug dieser Wert 3.2 (SD = 1.60). Statistisch konnten keine signifikanten<br />

Unterschiede der subjektiven Müdigkeit am Abend zwischen Kontroll- und Lärmbedingung<br />

nachgewiesen werden (Z = -.184; p = .854). Bei der letzten subjektiven Einstufung der eigenen<br />

Müdigkeit um etwa 21:45 Uhr gaben die Probanden in der Kontrollbedingung in der KSS im Mittel<br />

einen Wert von 3.8 (SD = 1.55) an. Nach den Lärmnächten lag der durchschnittliche KSS-Sore bei<br />

4.0 (SD = 1.77). Im Mittelwertevergleich traten keine statistisch signifikanten Unterschiede<br />

zwischen den experimentellen Bedingungen bei der Müdigkeit am späten Abend auf (Z = -1.190; p<br />

= .234).<br />

Entsprechend der Reaktionszeiten des Palm-PVT wurden die Schwankungen der subjektiven<br />

Müdigkeitseinschätzung über den Tag hinweg statistisch überprüft. Im Gegensatz zum<br />

Leistungsabfall des Reaktionsvermögens um 14:15 Uhr, konnte auf Wahrnehmungsebene weder<br />

in der Kontrollbedingung (Z = -.272; p = .785) noch in der Lärmbedingung (Z = -.408 p = .683) ein<br />

signifikante Erhöhung der Müdigkeit zwischen 12:00 und 14:15 Uhr verzeichnet werden. Allerdings<br />

ist im Laufe des Tages ab 14:15 Uhr ein Anstieg der subjektiven Müdigkeit zu beobachten (vgl.<br />

Abbildung 3.18). So wird die eigene Schläfrigkeit sowohl nach den Kontrollnächten (Z = -2.375; p =<br />

.018) als auch nach den Nächten mit Lärmeinspielung (Z = –2.375; p = .018) um 16:15 Uhr<br />

signifikant höher eingeschätzt, als um 14:15 Uhr. Auch im Zeitintervall von 16:15 bis 18:00 Uhr<br />

stieg die Schläfrigkeit nach subjektiver Einschätzung an, wobei diese Zunahme weder in der<br />

Kontrollbedingung (Z = -1.625; p = .104) noch in der Lärmbedingung statistische Signifikanz<br />

erreichte (Z = -1.490; p = .136). In der freien Zeit am Abend zwischen 18:00 Uhr und 20:15 Uhr<br />

blieb eine Zunahme der subjektiven Müdigkeit bei beiden Experimentalbedingungen aus<br />

(Kontrollbedingung: Z = -1.367; p = .172; Lärmbedingung: Z = -.408; p = .683). Dagegen konnte<br />

am späten Abend von 20:15 Uhr bis 21:45 Uhr ein signifikanter Anstieg der subjektiven Müdigkeit<br />

verzeichnet werden, der nach den Kontrollnächten (Z = -2.588; p = .010) und nach den lauten<br />

Lärmnächten (Z = -2.264; p = .024) etwa gleich stark ausgeprägt war.<br />

Zusammenfassend lässt sich ein typischer Verlauf der subjektiven Schläfrigkeit über den<br />

Tagesverlauf feststellen, mit einem Anstieg der Müdigkeit am Abend. Ein Mittagstief mit<br />

vermehrter Müdigkeit beschreiben die LKW-Fahrer nicht. Bei Fahrtbeginn wird die<br />

subjektive Schläfrigkeit nach Verkehrslärmnächten signifikant höher eingestuft als nach<br />

ruhigen Nächten (vgl. parallelen Effekt bei der Reaktionszeitmessung mit dem Palm-PVT).<br />

Im Tagesverlauf verliert sich dieser Unterschied in den Bedingungen aber wieder.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 59


4. Diskussion<br />

4.1 Bewertung der Studie allgemein<br />

Unser Forschungsprojekt stellt die erste wissenschaftliche Studie dar, die bei Berufsfernfahrern<br />

unter den naturalistischen Bedingungen einer simulierten Arbeitswoche die Auswirkung von<br />

Verkehrslärm an Raststätten auf die Schlafqualität und Leistungsfähigkeit untersucht hat.<br />

Bislang gibt es nur eine einzige vergleichbare publizierte Studie aus Schweden, bei der 6<br />

Testschläfer zwei Nächte in der Schlafkoje eines Volvo FH 16 mit Globetrotter-Kabine (215 cm x<br />

72 cm groß) verbrachten: einmal war der LKW auf dem Institutsgelände abgestellt, das andere Mal<br />

wurde der Truck auf einem LKW-Rasthof geparkt. Allerdings waren die teilnehmenden Probanden<br />

keine LKW-Fahrer und somit nicht an den typischen Verkehrslärm gewohnt.<br />

Auch beschränkte sich unsere Untersuchung nicht allein auf die Schlafqualität, sondern die<br />

Fragestellung wurde um die Leistungsfähigkeit am Tage sowie um die subjektive und objektive<br />

Tagesschläfrigkeit erweitert. Darüber hinaus prüfte die Studie einen mögliche kumulative Effekt<br />

von mehreren Lärmnächten hintereinander.<br />

Insgesamt wurde also mit dieser anwendungsbezogenen Grundlagenuntersuchung (d.h. eine<br />

konkrete, praxisrelevante Fragestellung wurde mit experimentellen, standardisierten<br />

Untersuchungsmethoden direkt geprüft) wissenschaftliches Neuland betreten.<br />

4.2 Zusammenfassung der Studienergebnisse<br />

Zusammenfassend zeigte sich in der Studie:<br />

(1) Die LKW-Fahrer bewerteten die subjektive Schlafqualität in den Nächten mit<br />

Verkehrslärm konsistent schlechter als ruhige Kontrollnächte.<br />

(2) Dieser subjektive Unterschied in der Schlafqualität lässt sich statistisch anhand weniger<br />

Standardparameter der durchgeführten Polysomnographie objektiv nachweisen: Die<br />

meisten globalen Polysomnographie-Parameter zur Beurteilung der objektiven Schlaf-<br />

qualität lieferten keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden<br />

Untersuchungsbedingungen.<br />

(3) In der Lärmbedingung ließ sich eine signifikante Verlängerung der REM-Schlaflatenz<br />

sowie eine signifikante Erhöhung des Anteils von Schlafstadium 1 (Leichtschlaf) im<br />

Vergleich zur Kontrollbedingung nachweisen.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 60


(4) Die Anzahl von Weck-Reaktionen (Arousals) in den Lärmnächten war erkennbar erhöht<br />

und führte zu einer stärkeren Fragmentierung der Schlafkontinuität.<br />

(5) Bei der Einschätzung der subjektiven Schläfrigkeit am Morgen zeigt sich insgesamt,<br />

dass die LKW-Fahrer über fast keine Müdigkeitssymptome klagten und sich allgemein als<br />

alert und wach einstuften, unabhängig von den beiden Experimentalbedingungen<br />

(Kontroll- vs. Lärmnächte)<br />

(6) Bei der physiologischen Schläfrigkeitsmessung mittels der Pupillographie zeigten<br />

sich bei den beiden Messungen am Morgen bzw. am Mittag keine signifikanten<br />

Unterschiede zwischen Lärm- und Kontrollbedingung.<br />

(7) Im Wach-EEG gab es während der Fahrzeiten Hinweise auf einen leicht reduzierten<br />

Wachheitsgrad nach Lärmnächten (gemessen an einem höheren Müdigkeitsquotienten)<br />

im Vergleich zu Kontrollnächten.<br />

(8) Während der Vigilanztestung im Mittagstief kam es bei dem komplexen Mehrfachreiz-<br />

Mehrfachreaktionstest (Determinationstest), der zahlreiche Leistungsparametern erhebt,<br />

unter der Stressbedingung „Modus Actio“ zu einem Anstieg von Fehlreaktionen.<br />

(9) Bei dem monotonen Daueraufmerksamkeitstest (Mackworth-Clock), ließ sich eine<br />

Zunahme von Auslassungsfehlern, die ein sensitives Maß für Schläfrigkeitseffekte<br />

darstellen, nach den Lärmnächten feststellen (mittlere Effektgröße: .5).<br />

(10) Im Tagesverlauf konnte bei einem einfachen portablen Reaktionstest (Palm-PVT) ein<br />

Verlangsamung des Reaktionsvermögens in den Abendstunden sowie ein Leistungstief<br />

gegen Mittag (ca. 14:00 Uhr) beobachtet werden. Bei Fahrtbeginn waren die Probanden<br />

nach den Lärmnächten erkennbar langsamer als nach den Kontrollnächten.<br />

(11) Die subjektive Schläfrigkeit nahm ebenfalls im Tagesverlauf während den<br />

Abendstunden zu, ein „Mittagstief ließ sich jedoch nicht erkennen. Bei Fahrtbeginn ließ<br />

sich parallel zum Reaktionsvermögen eine leicht erhöhte Schläfrigkeit nach den<br />

Lärmnächten feststellen.<br />

4.3 Bewertung der Studienergebnisse<br />

Auf den ersten Blick scheinen Berufsfernfahrer an den Geräuschpegel von Raststätten relativ gut<br />

gewöhnt und robust gegenüber Verkehrslärm zu sein: So schlafen sie trotz des Geräuschpegels<br />

schnell ein und geben auch allgemein eine geringe Lärmsensitivität im Arbeits- und<br />

Schlafbereich an. Genauere Analysen der Schlafarchitektur zeigen jedoch, dass es unter Lärm zu<br />

vermehrten Schlafunterbrechungen (Arousals) kommt und die Schlafqualität objektiv und<br />

subjektiv beeinträchtigt ist.<br />

Selbst unter den gut standardisierten und „fahrerfreundlichen“ Arbeitsbedingungen“ unserer Studie<br />

reichten 3 aufeinander folgende Lärmnächten aus, um Leistungseinbußen bei Monotonie am<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 61


frühen Morgen und unter Stress hervorzurufen. Subjektiv wurden diese Defizite jedoch nicht<br />

wahrgenommen. Auf physiologischer Ebene ließen sich im Wach-EEG ebenfalls erhöhte<br />

Müdigkeitswerte bei den LKW-Fahrten erkennen, die nicht mit einem verstärkten<br />

Müdigkeitsempfindungen einhergingen. Hier besteht die Gefahr einer Selbstüberschätzung oder<br />

Fehlbeurteilung des Wachheitsgrades auf Seiten der LKW-Fahrer.<br />

Auch wenn die Schlafqualität und das Leistungsvermögen in der vorliegenden Studie durch den<br />

Lärm insgesamt nur moderat beeinträchtigt wurden, kann ein durch Verkehrslärm gestörter<br />

Nachtschlaf in Kombination mit anderen situativen Faktoren (z.B. weniger Schlaf, mehr Stress,<br />

mehr Monotonie, Nachtfahrten) zu einem potentiellen Sicherheitsrisiko für den Fahrer führen: Die<br />

Gefahr steigt, einen schläfrigkeitsbedingten Unfall zu verursachen.<br />

4.3 Zusammenfassende Diskussion<br />

Dieses Forschungsprojekt untersuchte die Schlafqualität von LKW-Fahrern unter den gewohnten<br />

Schlafbedingungen mit und ohne Verkehrslärmeinwirkung. Im Rahmen mehrerer Feldstudien ließ<br />

sich auch bei adaptierten Probanden nach langjähriger nächtlicher Lärmexposition eine Störung<br />

des Nachtschlafes sowie eine bei Fahrtbeginn erhöhte Müdigkeit am Tage nachweisen, die<br />

teilweise mit Leistungsdefizite verbunden war. In diesem Zusammenhang rückte die Güte des<br />

Schlafes von LKW-Fahrern, die während ihren wöchentlichen Touren häufig an lärmbelasteten<br />

Raststätten in engen Schlafkabinen übernachten müssen, in den Mittelpunkt des<br />

Forschungsinteresses, zumal eine erhöhte Tagesmüdigkeit mit einer Minderung der Fahrleistung<br />

und einem erhöhten Unfallrisiko einhergeht. Neben der nächtlichen Einwirkung von Verkehrslärm<br />

sind LKW-Fahrer zahlreichen weiteren schläfrigkeitsfördernden (Risiko)-Faktoren ausgesetzt.<br />

Fahr- und Arbeitszeiten<br />

In einem Konsens über Müdigkeit im Transportsystem weist ÅKERSTEDT (2000) zusammen mit<br />

führenden Forschern auf die hohen Anforderungen der Transportindustrie hin, die „rund um die<br />

Uhr“ eine zuverlässige Leistung von Fernfahrern fordert, was der biologischen 24-Stunden Uhr<br />

widerspricht. Demnach ist der Berufsalltag eines LKW- häufig mit einem chronischen Schlafdefizit<br />

und unerholsamem Schlaf, mit prolongierten Wach- und Arbeitszeiten sowie mit nächtlichen<br />

Transportoperationen verbunden, die der inneren circadianen Rhythmik entgegenlaufen<br />

(ÅKERSTEDT, 2000; GEORGE, 2004).<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 62


Nicht-erholsamer Schlaf<br />

Darüber hinaus liegt bei Fernfahrern nicht zuletzt aufgrund des berufsbedingt ungesunden<br />

Lebensstils eine hohe Prävalenz von Schlafapnoe vor, die meist mit nicht-erholsamen Schlaf und<br />

pathologisch erhöhter Tagesmüdigkeit verbunden ist (HÄKKÄNEN & SUMMALA, 2000a;<br />

HOWARD et al., 2004; STOOHS et al., 1995). Im Anbetracht dieser interagierender<br />

schläfrigkeitsfördernder Faktoren stellen Berufskraftfahrer eine Risikogruppe für Müdigkeit am<br />

Steuer dar (GEORGE, 2004). Angesichts der Häufigkeit und Schwere von müdigkeitsbedingten<br />

Unfällen (ÅKERSTEDT, 2000; Horne & Reyner,1996;Pack et al., 1995; Philip et al., 2001;<br />

Sagberg, 1990) liegt es im Interesse der allgemeinen Verkehrsicherheit, LKW-Fahrern während<br />

der Arbeitswoche einen erholsamen Schlaf zu gewähren, wozu auch die Reduktion von<br />

schlafstörendem Verkehrslärm beträgt.<br />

Belastungen und Stress<br />

Die in der vorliegenden Studie beobachteten moderaten Lärmauswirkungen auf die Schläfrigkeit<br />

und die Leistungsfähigkeit dürfen nicht vorschnell abgetan werden. Zwar wurde eine Dienstwoche<br />

nach naturalistischen und zugleich standardisierten Schlaf- und Arbeitsbedingungen erfolgreich<br />

simuliert, dennoch war die Beanspruchung der Fahrer insgesamt geringer als in einer typischen<br />

Wochentour. Dadurch konnten eventuell die auftretenden lärmbedingten Schlaffragmentierungs-<br />

effekte kompensiert werden. In diesem Zusammenhang wäre es von großem wissenschaftlichen<br />

Interesse, die Auswirkungen von nächtlichem Verkehrslärm in Kombination mit Termindruck, sowie<br />

mit prolongierten Wach- und Arbeitszeiten, wie sie auch im Alltag auftreten, zu untersuchen.<br />

Lärmsensitivität<br />

Auch die geringe Lärmsensitivität der LKW-Fahrer in unserer Studie (vgl. Ergebnisse des NoiSeQ-<br />

Fragebogens Kap. 2.1.3.) kann ein Grund sein, dass die Stöungen des Nachtschlafs eher moderat<br />

auftraten. Das zeigt wie entscheidend die Reaktionsbereitschaft auf nächtlichen Lärm durch<br />

Persönlichkeitsmerkmale, wie die Geräuschempfindlichkeit, beeinflusst wird (ÖHRSTRÖM, 1990,<br />

1995, 2004; ÖHRSTRÖM & BJÖRKMANN, 1988; ÖHRSTRÖM & RYLANDER, 1990;<br />

ÖHRSTRÖM et al., 1988). Gleichzeitig wird die Notwendigkeit der Erhebung der Variable<br />

Lärmempfindlichkeit im Zusammenhang mit Untersuchung zu lärmbedingten Schlafstörungen, der<br />

insbesondere in aktuelleren Forschungsarbeiten große Bedeutung zugeschrieben wird<br />

(BELOJEVIĆ et al., 1997; JAKOVLJEVIĆ et al., 2006; LANGDON & BULLER, 1977; MARKS &<br />

GRIEFAHN, 2007). So können laut SANDROCK et al. (2007) die hohen intraindividuellen<br />

Unterschiede der Störanfälligkeit durch Umweltlärm anhand der fünf Dimensionen des NoiSeQs<br />

erklärt werden.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 63


Gewöhnungseffekte und Habituation<br />

Auch die Habituation der Berufskraftfahrer an nächtliche Verkehrlärmbelastung scheint den<br />

Einfluss der nächtlich eingespielten Autobahngeräusche auf den Nachtschlaf zu schmälern.<br />

Insofern wäre die Aufzeichnung von autonomen Reaktionen, wie der lärmbedingten akuten<br />

Erhöhung der Herzschlagrate, was in einer aktuellen Studie von GRIEFAHN et al. (2008)<br />

untersucht wurde, aufschlussreich, da bei autonomen Reaktionen im Schlaf keinerlei<br />

Gewöhnungsprozesse an nächtliche Lärmeinwirkung zu beobachten sind (vgl. GRIEFAHN, 2000;<br />

GRIEFAHN et al.,2008; HARALABIDIS et al., 2008).<br />

Insgesamt besteht also ein erhöhtes Gefährdungspotential für Unfälle - aber auch eine Reduktion<br />

der Fahrgüte - wenn neben der verkehrslärmbedingten Beeinträchtigungen der Nachtschlafqualität<br />

die oben angeführte situative und personenbezogene Riskofaktoren noch zusätzlich<br />

hinzukommen und zu einer erhöhten Schläfrigkeit mit reduziertem Leistungsvermögen führen.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 64


5. Ausblick<br />

Berücksichtigt man die zahlreichen interagierenden schläfrigkeitsfördernden Faktoren, wie etwa<br />

chronisches Schlafdefizit, mögliche Schlafstörungen oder prolongierte und unregelmäßige Fahr-<br />

und Wachzeiten, ist es von großer Bedeutung, Berufskraftfahrern einen erholsamen Schlaf zu<br />

gewährleisten, wenn diese beruflich unterwegs sind. Angesicht der hohen schläfrigkeitsbedingten<br />

Unfallwahrscheinlichkeit dieser Risikogruppe ist die Schlafqualität von Berufskraftfahrern auch von<br />

gesellschaftlichem Interesse. In nur sehr wenigen Studien (vgl. KECKLUND & ÅKERSTEDT,<br />

1997) lag das Augenmerk auf der Erholsamkeit des Schlafes in einer LKW-Fahrerkabine unter<br />

realen Verkehrslärmbedingungen.<br />

Für die schlafmedizinische Forschung bedeutet dies, dass es hier einen gewaltigen<br />

Nachholbedarf für Untersuchungen gibt, welche die Auswirkungen von Lärm unter „Real Life“<br />

Bedingungen überprüfen. Zudem bedarf es einer wissenschaftlich exakten Bestimmung des<br />

Ausmaßes, inwieweit Lärmeffekte den Nachtschlaf negativ beeinflussen und zu extrinsische<br />

Schlafstörungen führen (vgl. SAMEL & BASNER, 2005).<br />

Für die Produktenwicklung der Fahrzeugindustrie machte die Studie deutlich: Störungen der<br />

Schlafqualität waren nachweisbar und die bisherige Schalldämmung der Actros-Kabine erfüllt bei<br />

weitem nicht die Richtlinien für nächtliche Lärmbelastung (z.B. Normpegelwerte für Schlafräume).<br />

Daher sollte angestrebt werden, Lautstärkepegel von 30-35 dB(A) – diese werden für Schlafräume<br />

in Mischgebieten empfohlen – im Innenraum des Actros zu erreichen, wenn LKW-Fahrer an einer<br />

Raststätte übernachten müssen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass selbstproduzierte<br />

Fahrzeuggeräusche (z.B. Lärm der Standklimaanlage oder Zusatzheizung) nicht lauter als der<br />

Verkehrslärm sein dürfen. Dies macht eine bessere Schallisolierung gegenüber diesen<br />

Lärmquellen notwendig, was sicherlich eine ingenieurtechnische Herausforderung darstellt.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 65


6. Literatur<br />

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Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 67


7. Anhang<br />

Anhang I<br />

____________________________________________________________________________________________________________<br />

Information für Studienteilnehmer<br />

Zum Projekt: Die Schlafqualität von LKW-Fernfahrern und der Einfluss von<br />

Verkehrsgeräuschen auf den Nachtschlaf<br />

Sehr geehrter Studienteilnehmer,<br />

als LKW-Fahrer wissen Sie: Sekundenschlaf am Steuer kann tödlich sein. Zu wenig oder gestörter<br />

Nachtschlaf beeinträchtigt die Wachheit am Tag und führt zu einem erhöhten Unfallrisiko. Auch<br />

äußere Reize wie etwa Verkehrslärm können dazu führen, dass der Schlaf nicht mehr so erholsam<br />

ist.<br />

Was wir untersuchen wollen<br />

Uns interessiert die Schlafqualität von LKW-Fernfahrern, wenn sie ihren LKW an einer<br />

Raststätte abstellen und im Bett ihrer Fahrerkabinen übernachten. Je näher das Fahrzeug an<br />

der Autobahn geparkt ist, umso lauter kann der Verkehrslärm sein. Unklar ist dabei: Stören<br />

gedämpfte Verkehrsgeräusche den Schlaf tatsächlich oder wirken die Geräusche – wie<br />

das Rattern eines Zuges – möglicherweise sogar schlaffördernd?<br />

Dieser Frage möchten wir in dieser Studie nachgehen und freuen uns über Ihr Interesse an<br />

dieser Untersuchung.<br />

Zum Ablauf der Studie<br />

NACHTS: Im Rahmen unserer schlafmedizinischen Untersuchung sollen Sie insgesamt an<br />

drei aufeinanderfolgenden Nächten in der Fahrerkabine unseres LKW-Testfahrzeuges<br />

übernachten. Die erste Nacht dient zur Eingewöhnung, in den beiden folgenden Nächten<br />

wird einmal das Parken an einem ruhigen Rastplatz nachgestellt, das andere mal das<br />

Übernachten an einer lauten Raststätte simuliert. Als Geräuschkulisse dienen<br />

Verkehrsgeräusche, die über Lautsprecher in die Fahrerkabine eingespielt werden.<br />

Um den Schlaf messen zu können, werden an Ihrem Kopf und an Ihrem Körper einige<br />

Messfühler und Sensoren angebracht. Die Messsignale werden in einem benachbarten<br />

Raum des Schlaflabors aufgezeichnet und später ausgewertet. In der Nacht wird Ihr Schlaf<br />

auch mit Hilfe einer Videokamera überwacht. Während der ganzen Aufzeichnungsphase ist<br />

ständig ein Mitarbeiter des Schlaflabors für Sie sofort erreichbar. Nebenwirkungen dieser<br />

Schlafaufzeichnung (Polysomnographie) sind nicht bekannt. Falls Sie an einer<br />

Pflasterallergie leiden, können wir dies berücksichtigen.<br />

AM TAG: Nach allen drei Nächten sollen Sie jeweils am nächsten Morgen Fragen zum<br />

Nachtschlaf und zur aktuellen Stimmung beantworten. Ab 08:00 Uhr erfolgt zudem eine ca.<br />

1,5-stündige Untersuchung der Wachheit (Vigilanz). Diese Untersuchung besteht aus<br />

Reaktionsaufgaben am Computer. Außerdem wird der Grad der Schläfrigkeit mit Hilfe eines<br />

„Pupillographischen Schläfrigkeitstests“ überprüft. Dabei wird 11 Minuten lang die<br />

Pupillenweite Ihrer Augen in einem ruhigen und dunklen Raum mittels einer Kamera<br />

gemessen.<br />

Die Taguntersuchung ist absolut schmerzfrei und für Ihre Gesundheit vollkommen<br />

unbedenklich.<br />

Für die Untersuchung müssen Sie am Abend spätestens um 21:00 Uhr in der Klinik sein.<br />

Spätestens ab 10:00 Uhr können Sie die Klinik jeweils verlassen und haben den Tag dann<br />

zu ihrer freien Verfügung.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 68


Zu beachten<br />

Während der Untersuchungstage dürfen Sie keine koffeinhaltigen Getränke oder Alkohol<br />

konsumieren. Auch Medikamente, die Ihre Wachheit beeinflussen, dürfen Sie nicht<br />

einnehmen. Vor und während der Testung ist das Rauchen nicht gestattet.<br />

Sollte es vorkommen, dass Sie sich nach einer Nacht zu müde oder kaputt fühlen, um sicher<br />

ein Fahrzeug zu steuern, so geben Sie uns bitte Bescheid. Wir sorgen dann für einen<br />

sicheren Nachhauseweg.<br />

Zusicherung<br />

Die gewonnenen Daten werden streng anonym zur wissenschaftlichen Auswertung benützt.<br />

Der Datenschutz bleibt selbstverständlich gewahrt.<br />

Die Teilnahme an der Untersuchung ist völlig freiwillig, Sie können Ihr Einverständnis<br />

jederzeit ohne Angaben von Gründen widerrufen.<br />

Wenn Sie wollen, erhalten Sie am Ende der Untersuchung eine ausführliche<br />

Rückmeldung über Ihren Schlaf und der Schläfrigkeit am Morgen<br />

Nochmals vielen Dank für Ihre Bereitschaft, bei dieser Untersuchung mitzumachen.<br />

Zuständig für die Untersuchung ist:<br />

Diplomandin: Frau Verena Fischer (Tel. 0160 954 386 50)<br />

Verantwortliche Leitung: Dr. Roland Popp<br />

(Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Schlafmedizinischen Zentrums Regensburg)<br />

Telefon: 0941 941 2068<br />

________________________________________________________<br />

Ort, Datum, Unterschrift der Teilnehmerin/ des Teilnehmers<br />

_________________________________________________________<br />

Ort, Datum, Unterschrift der aufklärenden Ärztin/ des aufklärenden Arztes<br />

(Name in Großbuchstaben)<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 69


Anhang II<br />

____________________________________________________________________________________________________________<br />

Einverständniserklärung<br />

zum Projekt:<br />

Die Schlafqualität von LKW-Fernfahrern<br />

und der Einfluss von Verkehrsgeräuschen auf den Nachtschlaf<br />

Ich habe die Probandenaufklärung über die genannte wissenschaftliche Untersuchung<br />

gelesen und verstanden. Mir wurden alle Fragen, die ich zu dieser Untersuchung habe,<br />

beantwortet und ich bin mit der Durchführung der Untersuchung einverstanden.<br />

Die gesetzlichen Datenschutzbestimmungen werden eingehalten.<br />

______________________________________________________<br />

Ort, Datum, Unterschrift der Teilnehmerin/ des Teilnehmers<br />

______________________________________________________<br />

Ort, Datum, Unterschrift der aufklärenden Ärztin/ des aufklärenden Arztes<br />

(Name in Großbuchstaben)<br />

_______________________________________________________<br />

Aufklärende/r Ärztin/ Arzt<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 70


Anhang III<br />

____________________________________________________________________________________________________________<br />

Beschreibung der verwendeten Testverfahren<br />

SCREENING<br />

Restless - Legs - Syndrom (RLS) Screening<br />

Laut der International Restless Legs Study Group (IRLSSG; WALTERS, 1995, 2003) kann anhand<br />

der folgenden vier auf standardisierten Kriterien basierenden Fragen ein Restless - Legs - Syndrom<br />

(RLS) erfragt werden:<br />

Verspüren Sie unangenehme Missempfindungen in den Beinen (z. B. Kribbeln, Ziehen,<br />

Schmerzen, Hitze- oder Kältegefühl), die fast ausschließlich in Ruhe (Sitzen, Liegen) auftreten?<br />

Verspüren Sie einen unangenehmen Bewegungsdrang im Bereich der Beine, wenn Sie sitzen<br />

oder liegen?<br />

Kommt es zu einer deutlichen Besserung der Missempfindungen und des Bewegungsdranges,<br />

wenn Sie sich bewegen oder die Beine massieren, reiben oder kühlen?<br />

Kommt es am Abend zu einer Zunahme der Missempfindungen und / oder des<br />

Bewegungsdrangs?<br />

Werden alle Fragen bejaht, spricht dies für das Vorliegen eines RLS.<br />

Pittsburgh Schlafqualitätsindex (PSQI)<br />

Anhand des Pittsburgh Schlafqualitätsindex (PSQI; BUYSSE et al., 1989) lässt sich die<br />

Schlafqualität während der vergangenen 4 Wochen erfassen. Der PSQI enthält 19 Fragen, die vom<br />

Probanden selbst beantwortet werden sollen, sowie 5 Fragen, die an den Partner/Mitbewohner,<br />

soweit vorhanden, gerichtet sind. In die Auswertung gehen nur die Selbstbeurteilungsfragen ein.<br />

Retrospektiv werden 7 verschiedene Komponenten der Schlafqualität erfragt (Subjektive<br />

Schlafqualität, Schlaflatenz, Schlafdauer, Schlafeffizienz, Schlafstörungen, Schlafmittelkonsum,<br />

Tagesmüdigkeit). Jede Komponente kann einen Wert von 0 = keine Schwierigkeiten bis 3 = große<br />

Schwierigkeiten annehmen. Durch Addition der Punkte der 7 Einzelkomponenten ergibt sich ein<br />

Gesamtsummenscore (Minimum 0 Punkte, Maximum 21 Punkte). Aus der Originalarbeit von<br />

BUYSSE et al. (1989) ergab sich basierend auf einer Klassifikation von Schlafgesunden und Schlafgestörten<br />

ein Cut-off Wert von 5 Punkten, der in einer Studie im deutschsprachigen Raum von<br />

ZEITLHOFER et al. (2000) bestätigt wurde.<br />

Epworth Sleepiness Scale (ESS)<br />

Die Epworth Sleepiness Scale (ESS; JOHNS, 1991) ist ein standardisierter Fragebogen, welcher die<br />

globale subjektive Einschlafneigung (sleep propensity) am Tag quantifiziert. Die<br />

Schläfrigkeitsneigung wird bei diesem Ansatz auf trait - Eigenschaften, also auf<br />

situationsübergreifende, vom momentanen Zustand (state - Eigenschaft) unabhängige<br />

Persönlichkeitsaspekte zurückgeführt. Der Proband soll anhand von vierstufigen Ratingskalen (0 =<br />

niemals, 1 = gering, 2 = mäßig, 3 = hoch) die Wahrscheinlichkeit dafür einschätzen, dass er in acht<br />

verschiedenen Alltagssituationen (z.B. Im Sitzen lesend) einschläft. Die Einzelergebnisse werden zu<br />

einem Gesamtsummenscore addiert (Minimum 0 Punkte, Maximum 24 Punkte). Gesunde<br />

Probanden erreichen durchschnittlich einen Wert von 6 Punkten, als klinisch auffällig gelten Werte<br />

über 10 Punkte (BLOCH, SCHOCH, ZHANG & RUSSI, 1999).<br />

Fragebogen zum Chronotyp (D-MEQ)<br />

Der Fragebogen zum Chronotyp (D-MEQ; GRIEFAHN et al., 2001) ist ein Verfahren, um mittels<br />

Selbstbeurteilung den Chronotyp zu erfassen. Der Proband schätzt anhand von 19 Fragen sein<br />

Leistungsvermögen, sein Schlafverhalten und seine Befindlichkeit innerhalb eines Zeitraums von 24<br />

Stunden ein. Jeder Antwort ist ein Zahlenwert zugeordnet, durch Addition ergibt sich ein<br />

Gesamtsummenscore. Anhand einer fünfstufigen Kategorisierung lassen sich für den<br />

Gesamtsummenscore die folgenden Chronotypen differenzieren: definitiver Abendtyp (14-30<br />

Punkte), moderater Abendtyp (31-41 Punkte), Neutraltyp (42-58 Punkte), moderater Morgentyp (59-<br />

69 Punkte), definitiver Morgentyp (70 bis 86 Punkte).<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 71


Self - Rating Depression Scale (SDS)<br />

Anhand der Self-Rating Depression Scale (SDS; ZUNG, 1965) kann depressive Symptomatik erfasst<br />

werden. Der Fragebogen umfasst 20 Situationen (z.B. „Morgens fühle ich mich am besten.“), für<br />

welche die Häufigkeit ihres Zutreffens während der letzten 7 Tage mittels einer vierstufigen<br />

Ratingskala bewertet werden soll (selten oder nie / manchmal / oft / meistens oder immer). Aus den<br />

Ergebnissen wird ein Gesamtsummenscore gebildet (minimal 20, maximal 80 Punkte), Werte über<br />

40 Punkte gelten als klinisch auffällig.<br />

Self - Rating Anxiety Scale (SAS)<br />

Der Fragebogen Self - Rating Anxiety Scale (SAS; ZUNG, 1971) dient zur Erfassung von<br />

Angstsymptomatik. Es werden 20 Situationen präsentiert, bei denen die Häufigkeit ihres Auftretens<br />

während der letzten 7 Tage mit selten oder nie / manchmal / oft / meistens oder immer bewertet<br />

werden soll. Durch Addition wird ein Gesamtscore (minimal 20, maximal 80) errechnet, Werte über<br />

36 werden als klinisch auffällig gewertet.<br />

Noise Sensitivity Questionnaire (NoiSeQ)<br />

Der Fragebogen von SCHÜTTE et al., (2006) besteht aus 36 Items zum Thema Lärmempfindlichkeit<br />

die 5 Bereiche: Arbeit, Schlaf, Wohnumgebung, Freizeit, Kommunikation. Jede der 5 Subskalen<br />

besteht aus 7 Items. Das Item „Ich bin geräuschempfindlich“ geht nicht in die Auswertung mit ein. Für<br />

jedes Item gibt es 4 Rating-Möglichkeiten: stimmt genau (=0), stimmt eher (=1), stimmt eher nicht (=2)<br />

und stimmt gar nicht (=3). Es lässt sich ein durchschnittlicher Gesamtscore (von 0 bis 3) sowohl für<br />

den Gesamttest als auch für die einzelnen 5 Bereiche berechnen. Dabei entsprechen hohe Werte<br />

(max. 3) einer geringen Lärmempfindlichkeit, niedrige Werte (min. 0) einer hohen<br />

Lärmempfindlichkeit.<br />

Tonaudiometrie<br />

Zur Bestimmung der Hörschwellen wurde eine Tonaudiometrie unter Verwendung des Audiometers<br />

MIDIMATE 622D (Madsen Electronics) Tonaudiometrie durchgeführt. Die Erstellung eines<br />

Audiograms, der sogenannten Hörkurve, dient als wichtiges Diagnoseinstrument, mit dem anhand<br />

Abweichungen von der Normkurve Feststellungen über Art und manchmal auch Ursachen der Störung<br />

des Hörvermögens gemacht werden können (vgl. SCHMIDT et al., 2000). Bei einer Audiometrie wird<br />

für jede bedeutende Frequenz die Hörschwelle so genau wie möglich bestimmt. Üblicherweise wird<br />

die Hörfähigkeit der Frequenzen 250Hz, 500Hz, 1000Hz, 2000Hz, 4000Hz, 5000Hz, 6000Hz und<br />

8000Hz überprüft (vgl. SCHMIDT et al., 2000). Dazu werden dem Probanden in einem schallisolierten<br />

Raum über Kopfhörer einfache oder pulsierende Sinustöne in den entsprechenden Frequenzen mit<br />

ansteigender Lautstärke vorgespielt. Bei 0 dB beginnend, was bei den meisten Menschen außerhalb<br />

des hörbaren Bereichs liegt, wird die Intensität in 5dB-Schritten so oft erhöht, bis der Proband angibt,<br />

den Ton zu hören.<br />

Schlafqualitäts-TESTUNG<br />

Selbstbeurteilungsbogen für Schlaf und Aufwachqualität (SSA)<br />

In dem Fragebogen von SALETU et al. (1987) werden die Schlafqualität (7 Items), die Aufwachqualität<br />

(8 Items) und körperliche Beschwerden (5 Items) ca. 1 Stunde nach dem Aufstehen abgefragt. Daraus<br />

lässt sich sowohl ein Subscore für die Einzelbereiche als auch ein Gesamtscore berechnen. Für jedes<br />

Item gibt es 4 Rating-Möglichkeiten: nein, etwas, mäßig, sehr. Diesen sind jeweils Punktwerte von 1<br />

bis 4 zugeordnet. Es lassen sich ein aufsummierter Gesamtscore (von 20 bis 80 Punkte) sowohl für<br />

den Gesamttest als auch für die einzelnen 3 Bereiche berechnen. Dabei entspricht ein hoher<br />

Gesamtscore (max. 80) einer geringen subjektiven Schlafqualität, ein niedrige Werte (min. 20) einer<br />

hohen Schlafqualität.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 72


Vigilanz-TESTUNG<br />

Stanford Sleepiness Scale (SSS)<br />

Die Stanford Sleepiness Scale (SSS) ist ein Selbstbeurteilungsfragebogen, um den momentanen<br />

Wachheitszustand einzustufen (HODDES et al., 1972). Der Proband wählt eine von sieben<br />

Aktivierungsstufen von 1 = Fühle mich aktiv und vital, vollkommen wach bis 7 = Fast träumend,<br />

schlaf bald ein, kein Bemühen mehr wach zu bleiben aus, die seinen gegenwärtigen Zustand am<br />

besten wiedergibt. Um intraindividuelle Veränderungen im Verlauf der Untersuchung zu erfassen,<br />

wurde die SSS in bestimmten Abständen wiederholt vorgelegt.<br />

Tiredness Symptoms Scale (TSS)<br />

Als ein weiteres Maß für die akute subjektive Schläfrigkeit wurde die Tiredness Symptoms Scale<br />

(TSS; SCHULZ et al., 1991), eine aus 14 Items bestehende Checkliste, eingesetzt. Anhand dieser<br />

Checkliste wird das momentane Auftreten von physischen (z.B. Brennen der Augen) und<br />

psychischen (z.B. Reizbarkeit) Müdigkeitssymptomen abgefragt, wobei die Anwesenheit jedes Item<br />

mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden muss. Der Gesamtsummenscore variiert zwischen 0 (kein<br />

Item bestätigt) und 14 (alle Items bestätigt). Die TSS wurde während der Untersuchung ebenfalls<br />

mehrmals vorgelegt, um intraindividuell verschiedene Verläufe in der Häufigkeit des Auftretens von<br />

Müdigkeitssymptomen zu berücksichtigen.<br />

Pupillographie - Pupillographischer Schläfrigkeitstest (PST)<br />

Der Pupillographische Schläfrigkeitstest (PST; Amtech, D – 69496 Weinheim; WIL-HELM et al.,<br />

1996) erfasst das spontane Pupillenverhalten im Dunkeln über 11 Minuten mit Hilfe einer Infrarot -<br />

Videographie. Im Wachen ist die Pupillenweite unter Ausschluss von Lichteinfluss für lange Zeit<br />

stabil. Dahingegen variiert der Pupillendurchmesser bei erhöhter Schläfrigkeit schon nach wenigen<br />

Minuten deutlich. Die Schwankungen treten aufgrund physiologischer Schläfrigkeit auf vegetativer<br />

Ebene auf und sind von psychologischen Faktoren weitgehend unbeeinflusst. Die fatigue waves als<br />

Maß für die physiologische Schläfrigkeit werden anhand des Pupillenunruheindex (PUI) quantifiziert<br />

(WILHELM et al., 1998; LÜDTKE, WILHELM, ADLER, SCHEFFEL & WILHELM, 1998), der in<br />

mm/min gemessen wird. Der Normbereich des PUIs bei gesunden, nicht schlafdeprivierten<br />

Erwachsenen liegt zwischen 3.5 und 6.6 mm/min, der Durchschnittswert beträgt 4.5mm/min<br />

(WILHELM, KÖRNER et al., 2001). Der PST gibt für jedes von insgesamt 8 Zeitintervallen (je 82s<br />

Länge) einen PUI an. Der durchschnittliche PUI errechnet sich als Mittelwert der PUIs der<br />

auswertbaren, artefaktfreien Intervalle. In der vorliegenden Untersuchung wurde vorausgesetzt, dass<br />

mindestens vier Blöcke auswertbar sein müssen.<br />

Mackworth-Clock - Vigilanztest nach Quatember und Maly (VIGIL)<br />

Dieses computergestützte Verfahren in der Version des Wiener Testsystems 5.10 ®<br />

(Standardtestform VIGIL S, „Quatember Maly“, Version 24.00, Dr. G. Schuhfried G.m.b.H.) basiert<br />

auf dem von Mackworth 1950 zur Vigilanzmessung entwickelten Clocktest (NACHREINER &<br />

HÄNECKE, 1992). Mit Hilfe des Tests soll die Daueraufmerksamkeit in monotonen Situationen<br />

erfasst werden. Auf dem Bildschirm erscheint eine große Kreisbahn, die sich aus vielen kleinen<br />

Kreisen zusammensetzt. Ein aufleuchtender Punkt springt im Uhrzeigersinn von einem Kreis zum<br />

nächsten. In pseudozufälliger Reihenfolge wird hin und wieder ein Kreis übersprungen<br />

(Doppelsprung). Die Aufgabe des Probanden ist es, einen Doppelsprung zu erkennen und möglichst<br />

schnell mit einem Tastendruck zu reagieren. In dem ca. 25 Minuten andauernden Test treten 100<br />

kritische Reize (Doppelsprünge) auf. Die Auswertung wird in einem Ergebnisprotokoll ausgedruckt,<br />

das unter anderem die Anzahl der ausgelassenen und falschen Reaktionen sowie den Mittelwert der<br />

Reaktionszeit beinhaltet.<br />

Determinationstests (DT)<br />

Die Hannoversche Form des Determinationstests (DT) ist ein standardisierter Computertest in<br />

Version 5.10® des Wiener Testsystems der Version (Standardtestform DT, S4, Hannoversche<br />

Form, Version 29.00, Dr. G. Schuhfried GmbH). Der DT ist ein komplexer Mehrfachreiz-<br />

Mehrfachreaktionsversuch, welcher die reaktive Belastbarkeit sowie Störungen der „geteilte<br />

Aufmerksamkeit“ erfasst (WEEß et al., 2000). In der verwendeten Hannoverschen Version des<br />

Determinationstests muss der Probanden auf drei visuelle bzw. akustische Reizkategorien mit drei<br />

verschiedenen motorischen Antworten adäquat reagieren. Dazu erscheint am Computerbildschirm<br />

eine Punktematrix aus 2x5 grauen Punkten, die in fünf verschiedenen Farben in randomisierter<br />

Reihenfolge aufblinken. Das farbige Aufleuchten eines Punktes ist das kritische Ereignis, woraufhin<br />

so schnell wie möglich die zugeordnete Farbtaste gedrückt werden soll. Zudem leuchtet im unteren<br />

Bereich des Computerdisplays in zufälliger Reihenfolge und unterschiedlichen Zeitabständen<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 73


entweder links oder rechts ein Lämpchen auf, woraufhin das entsprechende Fußpedal zu treten ist.<br />

Den dritten kritischen Reiz stellt ein Ton dar, der durch das Drücken einer adäquaten Reaktionstaste<br />

auszuschalten ist. Darüber hinaus gibt es zwei Durchgänge, die sich in der Art der Reizdarbietung<br />

unterscheiden. Bei der freien Variante (Modus Actio) ist die Anzahl der Reize festgelegt. Der<br />

Proband bestimmt die Geschwindigkeit der Reizabfolge. Ausgewertet werden der Median der<br />

Reaktionszeiten, sowie falsche und richtige Reaktionen. Im zweiten Durchgang (Modus Reactio)<br />

sind die Bearbeitungszeit und die Schnelligkeit der Reizabfolge vorgegeben. Es können mehrere<br />

Fehlreaktionen, wie Verspätete, Falsche und Ausgelassene, auftreten. Des Weiteren werden<br />

zeitgerechte und richtige Reaktionen sowie der Median der Reaktionszeiten aufgezeichnet.<br />

Tagesverlauf-TESTUNG<br />

Karolinska Sleepiness Scale (KSS)<br />

Die Karolinska Sleepiness Scale (KSS; AKERSTEDT & GILLBERG, 1990) ist ein subjektiver<br />

Selbstbeurteilungsfragebogen. Die KSS dient der Erfassung der momentanen subjektiven<br />

Schläfrigkeit zu jeder Tag- und Nachtzeit. Diese Skala besteht aus 9 Items, die unterschiedliche<br />

Stufen von extremer Wachheit bis hin zu extremer Schläfrigkeit beschreiben. Hohe Skalenwerte<br />

lassen auf eine hohe Schläfrigkeit schließen, während niedrige Werte auf eine hohe Aktiviertheit<br />

hinweisen. Laut ÅKERSTEDT & GILLBERG (1990) korrelieren hohe KSS-Werte, die einer starken<br />

subjektiv empfundenen Schläfrigkeit entsprechen, deutlich mit physiologischen Müdigkeitsanzeichen<br />

am EEG. GILLBERG et al. (1994) konnten in einem Schlafdeprivationsexperiment zeigen, dass die<br />

subjektiven Bewertungen der Schläfrigkeit mittels der KSS signifikant mit den Leistungen in einem<br />

Vigilanztest sowie einem Reaktionstest korrelieren bzw. letztere vorhersagen.<br />

Palm-Psychomotor Vigilance Task (Palm-PVT)<br />

Das ältere Testsystem „Psychomotor Vigilance Task“ PVT-192 ® (Ambulatory Monitoring Inc., New<br />

York, USA), das in der Vorgängerstudie zur Anwendung kam, wurde an der Universität Pennsylvania<br />

als Forschungsinstrument zur Erfassung des Vigilanzniveaus entwickelt (DINGES & POWELL,<br />

1985). Der Walter Reed Palm-PVT (THORNE et al., 2005; Walter Reed Army Institutes of<br />

Reasearch, Silver Spring, Maryland) ist dagegen ein neuer psychomotorischer Reaktionstest, der<br />

sich sowohl am Modell des PVT-192 als auch am Reaktionstest von WILKINSON & HOUGHTON<br />

(1982) orientiert. Im Vergleich zum PVT-192 wurde die Durchführungsdauer von zehn auf fünf<br />

Minuten verkürzt.<br />

Bei dem Testsystem handelt es sich um eine einfache psychomotorische Reiz-Reaktions-Aufgabe<br />

mit hoher Reizdichte. Es werden wiederholt visuelle Reize präsentiert, woraufhin so schnell wie<br />

möglich eine Reaktionstaste bedient werden muss. Jeder Testdurchgang war zeitlich identisch (300<br />

Sekunden) und wies eine Reizdichte von 100 visuellen Stimuli auf. Im Gegensatz zu den LED-Ziffern<br />

der Version des PVT-192, die gleichzeitig als Feedback über die Reaktionszeiten dienten,<br />

erscheinen beim Palm-PVT auf einem LCD-Bildschirm hochkontrastierte identische Zielscheiben als<br />

visuelle Reize.<br />

Wach-EEG - Varioport ®<br />

Um Vigilanzeinbrüche auf physiologischer Ebene zu erfassen, wurden über den ganzen Testtag<br />

hinweg, ab etwa 7:15 Uhr am Morgen bis etwa 10:15 Uhr spät abends, EEG- EOG und EKG-<br />

Parameter bei den Probanden aufgezeichnet. Dazu wurde das portable Aufzeichnungsgeräts<br />

Varioport ® (Version 4.0) verwendet. Damit lassen sich verschiedene physiologische Parameter wie<br />

Gehirnströme, Augenbewegungen und die Herzfrequenz aufzeichnen:<br />

• Elektrookulogramm (EOG)<br />

3 Kanäle zur Aufzeichnung der horizontalen und vertikalen Augenbewegungen<br />

• Elektroencephalogramm (EEG)<br />

3 Kanäle [Fz, Cz, Pz]<br />

• Elektrokardiogramm (EKG)<br />

3 Elektroden zur Registrierung der Herzfrequenz<br />

Das System bietet die Möglichkeit, rund um die Uhr physiologische Daten aufzuzeichnen und auf<br />

einer „Memorycard“ zu speichern, die mittel eines Auslesegerätes sowie einer am Computer<br />

installierte Software (VARIOGRAF-Software; Version 4.68, Gerhard Mutz, 2003) ausgelesen und<br />

digital gespeichert werden können.<br />

Unter Verwendung eines von DaimlerChrysler entwickelten Auswertungstools lassen sich für die<br />

gesamte Zeit Müdigkeitsindices für jede Minute errechnen und als Verlaufsgraphik darstellen, um<br />

eventuelle Peaks zu erkennen. Im Rahmen dieser Studie war vor allem der Müdigkeitsverlauf<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 74


während der vier Testfahrten von Interesse. Zudem wurde für jede Versuchsperson und für jede<br />

Fahrt ein mittlerer Müdigkeitswert berechnet. Um für jede Versuchsperson eine kritischen<br />

Müdigkeitsindex individuell festzulegen, wurde jeweils der niedrigste Fahrtmittelwert einer Person<br />

ausgewählt und die entsprechende zweifache Standardabweichung hinzuaddiert. Im Anschluss<br />

wurde unter Verwendung der Verlaufsgrafik die Anzahl der Müdigkeitkeitindices pro Minute ermittelt,<br />

die über den kritischen Müdigkeitsindex lagen. Diese Anzahl wurde durch die jeweiligen<br />

Fahrtminuten der einzelnen Fahrt dividiert, wodurch sich für jede Fahrt ein standardisierter<br />

Müdigkeitsquotient ermitteln ließ. Je höher dieser Müdigkeitsquotient ausfiel, ums müder war der<br />

Proband. Für jeden Probanden wurde aus den vier Teilfahrten ein durchschnittlicher<br />

Müdigkeitsquotient pro Tag berechnet.<br />

Fahrdaten<br />

Für die Testfahrten wurde von DaimlerChrysler ein Mercedes Benz LKW Actros II, Typ 1841 LS,<br />

Powershift 16 zur Verfügung gestellt. In diesem Actros II bestand die technische Möglichkeit mittels<br />

eines integrierten Spurassistenten und einem von DaimlerChrysler eigens entwickelten Programm,<br />

die Fahrdaten in Form von CAN-Dateien auf einem vor Ort installierten Notebook zu registrieren<br />

(Autor im Auftrag von DaimlerChrysler: Sven Willmann, TZ Mikroelektronik, 73037 Göppingen). In<br />

der vorliegenden Studie wurden folgende CAN-Dateien aufgezeichnet:<br />

CAN1__IST_AKTUELLER ABSTAND<br />

CAN1__IST_FZG_SPEED<br />

CAN1__IST_LENKRADWINKEL<br />

CAN1__IST_LENKRADUMDREHUNG<br />

CAN1__IST_OUER_BESCHL<br />

Über digitale Triggersysteme konnten die Daten zur Fahrleistung mit den Daten des Wach- EEGs<br />

(siehe oben) synchronisiert werden.<br />

Befindlichkeitsfragebogen (BF)<br />

Vor Fahrtbeginn und nach der Fahrt mussten die Probanden einen umfangreichen Fragebogen zu<br />

ihrer Befindlichkeit bearbeiten. Dieser Bogen zur Selbsteinschätzung wurde vom Customer<br />

Research Center EP/TPC von DaimlerChrysler anlässlich des „LKW-Konditionsmanager“ (KOMA-<br />

Projekt) konzipiert und für diese Studie komplett übernommen. Er besteht aus insgesamt 46 Items in<br />

Form von adjektivischen Begriffen, die sich den vier Komponenten, Psychische Anspannung,<br />

Leistungsfähigkeit, Leistungsmotivation und Ermüdung, zuordnen lassen. Bei jedem dieser Adjektive<br />

soll der Proband auf einer 6-stufigen Skala einschätzen (1 = „kaum“, 2 = „etwas“, 3 =<br />

„einigermaßen“, 4 = „ziemlich“, 5 = „überwiegend“, 6 = „völlig“), wie sehr es auf seinen<br />

augenblicklichen Zustand zutrifft. Mit Begriffen, wie „gereizt“, „nervös“ und „entspannt“ wird die<br />

momentane psychische Anspannung erfasst. Die Leistungsfähigkeit wird durch Adjektive, wie<br />

„kraftvoll“, „konzentrationsfähig“ und „reaktionsschnell“ beschrieben. Auch auf die subjektive<br />

Leistungsmotivation („teilnahmsvoll“, „lustlos“, „anstrengungsbereit“) sowie die subjektive Ermüdung<br />

(„munter“, „matt“, „hellwach“) wird anhand mehrerer Items eingegangen. In jede Dimension gehen<br />

unterschiedlich viele Variablen mit unterschiedlicher Gewichtung ein. DaimlerChrysler stellte dazu<br />

eine eigens entwickelte Auswertungsmatrize zur Verfügung, mit deren Hilfe unter Berücksichtigung<br />

der Gewichtung und der gegenläufig umkodierten Items, Gesamtscores für die vier einzelnen<br />

Dimensionen errechnet werden konnten. Diese vier Gesamtwerte liegen im Bereich von 1 bis 6. Ein<br />

hoher Score bedeutet, dass sich die Probanden in dem durch die Dimension beschriebenen Zustand<br />

befinden, sprich z.B. sehr ermüdet oder sehr leistungsmotiviert sind.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 75


Anhang IV<br />

____________________________________________________________________________________________________________<br />

Informationsmaterial für die LKW-Fahrer<br />

So läuft ein Testtag ab….<br />

Wann? Was ist zu tun?<br />

06:15 Uhr Aufstehen<br />

Wo?<br />

06:20 Uhr Abnahme des Nacht- EEGs<br />

Haus 18<br />

Schlaflabor (im EG)<br />

Morgenprotokoll ausfüllen und Zeit für Haus 18<br />

06:30 Uhr<br />

Morgentoilette<br />

Schlaflabor (im EG)<br />

07:00 Uhr Anlegen des Wach- EEGs<br />

Haus 18<br />

Schlaflabor (im EG)<br />

07:30 Uhr Frühstück Station 21 B<br />

08:00 Uhr 1. Testung<br />

Fragen zur Müdigkeit, Reaktionstest,<br />

08:30 Uhr<br />

Fragen zur Befindlichkeit<br />

08:45 Uhr Abfahrt<br />

Haus 18<br />

Schlaflabor (im EG)<br />

LKW<br />

(am Parkplatz des BZK*)<br />

10:15 Uhr Fragen zur Müdigkeit, Reaktionstest LKW (auf Rastplatz)<br />

12:00 Uhr<br />

12:15 Uhr<br />

Ankunft am BZK: Fragen zur<br />

Müdigkeit, Reaktionstest<br />

Mittagessen (Lunchpaket<br />

mitnehmen!)<br />

12:45 Uhr 2. Testung<br />

14:10 Uhr Fragen zur Müdigkeit, Reaktionstest<br />

14:15 Uhr Abfahrt<br />

LKW<br />

(am Parkplatz des BZK)<br />

Station 21 B<br />

Haus 18<br />

Schlaflabor (im EG)<br />

LKW<br />

(am Parkplatz des BZK)<br />

16:15 Uhr Fragen zur Müdigkeit, Reaktionstest LKW (auf Rastplatz)<br />

Ankunft am BZK: Fragen zur<br />

18:30 Uhr Müdigkeit, Reaktionstest,<br />

Fragen zur Befindlichkeit und zur Fahrt<br />

20:15 Uhr Fragen zur Müdigkeit, Reaktionstest<br />

21:50 Uhr Fragen zur Müdigkeit, Reaktionstest Station 21 B<br />

22:00 Uhr Sie werden vom Nachtdienst abgeholt Station 21 B<br />

LKW<br />

(am Parkplatz des BZK)<br />

22:10 Uhr<br />

Abnahme des Wach- EEGs und Zeit für<br />

Haus 18<br />

Abendtoilette<br />

22:30 Uhr<br />

Anlegen des Nacht- EEGs<br />

(Abendprotokoll ausfüllen!)<br />

Haus 18<br />

Schlaflabor (im EG)<br />

23:15 Uhr „Licht aus“ - Schlafen<br />

*BZK= Bezirksklinikum<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 76


Anhang V<br />

____________________________________________________________________________________________________________<br />

Informationsmaterial für die LKW-Fahrer<br />

Bitte beachten sie…<br />

LKW-Studie II<br />

• Am ersten Abend ab 18:00 Uhr und während der Untersuchungstage<br />

dürfen Sie keine koffeinhaltigen Getränke und keinen Alkohol<br />

konsumieren.<br />

• Auch Medikamente, die Ihre Wachheit beeinflussen, dürfen Sie nicht<br />

einnehmen.<br />

• Unmittelbar (15 min) vor und während den einzelnen Testungen ist das<br />

Rauchen nicht gestattet.<br />

>> Im LKW notfalls nur bei offenen Fenster! Nehmen Sie auf<br />

Testfahrer, die Nichtraucher sind, Rücksicht!<br />

• Schlafen sie tagsüber nicht und machen sie keinen Mittagsschlaf<br />

• Während der LKW-Fahrten müssen Sie sich wie im Berufsalltag an<br />

die gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten sowie Fahrvorschriften<br />

(z.B. Höchstgeschwindigkeit) halten.<br />

• Sollten Sie sich tagsüber zu müde oder kaputt fühlen, um das<br />

Fahrzeug sicher lenken zu können, sind Sie wie im Berufsalltag<br />

eigenverantwortlich verpflichtet, eine Ruhepause einzulegen:<br />

Die Sicherheit im Straßenverkehr hat<br />

immer absoluten Vorrang!<br />

• Wenn es irgendwelche Probleme während der Fahrt gibt, können Sie<br />

uns jederzeit mit dem von uns bereitgestelltem Handy anrufen (in der<br />

Rufliste: Versuchsleiter-Handy).<br />

• Informieren Sie uns bitte auch, falls Sie mittags aus irgendwelchen<br />

Gründen nicht pünktlich (mehr als 15 Minuten vom Zeitplan<br />

abweichend) am Bezirksklinikum eintreffen können.<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 77


Anhang VI<br />

____________________________________________________________________________________________________________<br />

Routenpläne<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 78


Anhang VI<br />

____________________________________________________________________________________________________________<br />

Routenpläne<br />

Verkehrslärm & Schlaf – Forschungsprojekt II 79

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