28.11.2012 Aufrufe

die erste fotoausstellung im deutschsprachigen raum 1864 - Albertina

die erste fotoausstellung im deutschsprachigen raum 1864 - Albertina

die erste fotoausstellung im deutschsprachigen raum 1864 - Albertina

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

D I E E R S T E F O T O A U S S T E L L U N G I M D E U T S C H S P R A C H I G E N R A U M 1 8 6 4<br />

zu durchbrechen, <strong>die</strong> sich auf den Standesdünkel aristokratischer<br />

Auftraggeber beziehungsweise <strong>die</strong> Härte einer in scholastischen Formeln<br />

erstarrten Gelehrsamkeit ‚höher gebildeter Stände‘ verließen.<br />

Andererseits waren <strong>die</strong> „Salons“ selbst, wohl um <strong>die</strong> St<strong>im</strong>men der <strong>im</strong><br />

frühen 18. Jahrhundert <strong>im</strong>mer lauter werdenden aufgeklärten Kunstkritik<br />

zu beruhigen, vom französischen König dekretiert worden. Ihre<br />

Durchsetzung als hoheitliche hierarchische Instanz der Exemplifikation<br />

einer akademisch disziplinierten Kunstpflege war noch radikaler und<br />

zugleich noch paradoxer geworden, nachdem 1776 <strong>die</strong> Ausstellungen<br />

der Pariser Maler- und Bildhauerzunft, der traditionellen handwerklichen<br />

und mit der „Académie“ konkurrierenden Interessenvertretung<br />

der Künstler, verboten wurden.<br />

Aber zurück zu dem auffälligen Markt-, Messe- oder – wie er von<br />

Zeitgenossen besonders gerne apostrophiert wurde –„Bazar“-Charakter 11<br />

der Ausstellungen des 19. Jahrhunderts. Zu recht betont Ulrich<br />

Pohlmann <strong>die</strong> gegenüber den Kunstausstellungen privilegierte<br />

Bedeutung der ebenfalls seit der Mitte des 18. Jahrhunderts absichtsvoll<br />

als Spiegel einer aufgeklärten und fortschrittsbewussten Zivilisation<br />

reorganisierten Gewerbe- und Industrieausstellungen. Denn der (<strong>im</strong><br />

Sinne praktischer Nutzbarkeit) wissenschaftliche und wirtschaftliche<br />

Wert der Fotografie stand <strong>im</strong> Unterschied zu ihrem Kunstwert von<br />

Anfang an kaum zur Diskussion. Der ,Markt‘ als Inbegriff für <strong>die</strong> ganze<br />

Breite einer modernen Öffentlichkeit war daher das ideale Komplement,<br />

wo es für <strong>die</strong> Fotografie darauf ankam, sich nachhaltig in ein „Zeitalter<br />

der technischen Reproduzierbarkeit“ 12 einzuschreiben. Und <strong>die</strong>s gilt erst<br />

recht für <strong>die</strong> pathetisch gesteigerte Form der Weltausstellungen. Bereits<br />

Roger Fenton, einer der Hauptanreger und nachmaliger Ehrensekretär<br />

der 1852/53 gegründeten britischen „Photographic Society“, hatte <strong>die</strong><br />

von der 1851 in London stattgefundenen <strong>erste</strong>n Weltausstellung ausgegangenen<br />

Impulse derart unterstrichen, dass sie – ‘by the competition<br />

and comparison, which that exhibition induced’ – <strong>die</strong> Fotografie<br />

geradewegs ‘into a new phase of its history’ leiteten. 13<br />

Gerade <strong>die</strong> <strong>erste</strong>n internationalen Industrieausstellungen dokumentieren<br />

jedoch sehr gut <strong>die</strong> Herausforderung an <strong>die</strong> Fotografen, sich<br />

mit ihrer professionellen Identität zu befassen. 14 Dies spricht schon aus<br />

dem spontanen Schluss auf <strong>die</strong> Notwendigkeit der Formierung der<br />

britischen „Photographic Society“, den Roger Fenton damals aus seiner<br />

Beobachtung des überraschenden Auftriebs, den <strong>die</strong> Londoner<br />

83<br />

Ateliers von Emil Busch und Ferdinand Beyrich<br />

Einblick in <strong>die</strong> internationale fotografische Ausstellung in Berlin 1865,<br />

1865<br />

Albumin, 32,7 x 30,2 cm<br />

11 „Indem gewissermassen ein lockender Bazar eröffnet ist, in<br />

welchem alle Anwendungen der Photographie in ihrem reizendsten<br />

Kleide zur Schau gestellt erscheinen, so wird nicht leicht Jemand ohne<br />

den lebhaften Wunsch hinweggehen, in den Besitz <strong>die</strong>ses oder jenes<br />

hübschen Gegenstandes zu gelangen“, so Ludwig Schrank in seiner<br />

Rezension der Ausstellung; vgl. Ludwig Schrank, Bericht über <strong>die</strong> <strong>erste</strong><br />

photographische Ausstellung in Wien, in: Photographische Correspondenz,<br />

1. Jg., <strong>1864</strong>, Nr. 1, S. 3–14, Nr. 2, S. 27–34, Nr. 3, S. 55–62, Nr. 4,<br />

S. 88–95, hier S. 2.<br />

12 Vgl. Walter Benjamin, Das Kunstwerk <strong>im</strong> Zeitalter seiner<br />

technischen Reproduzierbarkeit, in: ders., Illuminationen. Ausgewählte<br />

Schriften, ausgewählt von Siegfried Unseld, Frankfurt am Main 1977,<br />

S. 136–169.<br />

13 Vgl. das Protokoll der Gründungssitzung der Londoner<br />

„Photographic Society“ am 20. Januar 1853, in: Journal of the<br />

Photographic Society, 1. Jg., 1853, Nr. 1, S. 1–9, hier S. 3. Vgl. auch<br />

John Hannavy, Roger Fenton of Cr<strong>im</strong>ble Hall, London 1975, S. 21.<br />

14 Zur bis heute anhaltenden Problematik eines verlässlichen<br />

Anforderungprofils von Berufsfotografen vgl. Luc Boltanski, Jean-<br />

Claude Chamboredon, Fachwissen oder Begabung?, in: Pierre Bour<strong>die</strong>u<br />

u. a., Eine illegit<strong>im</strong>e Kunst. Die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie,<br />

aus dem Französischen von Udo Rennert, Frankfurt am Main 1983,<br />

S. 203–231.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!