die erste fotoausstellung im deutschsprachigen raum 1864 - Albertina
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D I E E R S T E F O T O A U S S T E L L U N G I M D E U T S C H S P R A C H I G E N R A U M 1 8 6 4<br />
in Paris gegründete „Société française de photographie“. In Wien<br />
bestand der gleichsam mythologische Kern des Vereins ebenfalls in<br />
einem kleinen Kreis besonders exper<strong>im</strong>entier-, innovations- und vor<br />
allem auch kommunikationsfreudiger Einzelpersönlichkeiten, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
kulturhistorische Wichtigkeit der Fotografie sofort erfasst hatten, als<br />
<strong>die</strong>se 1839 durch <strong>die</strong> Publikation Louis Jacques Mandé Daguerres in<br />
Paris bekannt geworden war. In den 1840er-Jahren wirkten sie fieberhaft<br />
an der Verbesserung der neuen Bildtechnik. Dabei stieg insbesondere<br />
der Mathematiker Joseph Petzval (1807–1891) zum großen Heroen der<br />
österreichischen Fotogeschichte auf, nachdem er 1840 ein Objektiv von<br />
entschieden gesteigerter Lichtstärke entwickelt hatte, das sofort<br />
europaweit Verbreitung fand und der Fotografie speziell auf dem Gebiet<br />
des Porträts ein sprunghaft wachsendes Wirkungsfeld eröffnete. Anton<br />
Martin (1812–1882), neben dem Optiker Peter Wilhelm Friedrich<br />
Voigtländer Petzvals damaliger Mitarbeiter und später <strong>erste</strong>r Präsident<br />
der „Photographischen Gesellschaft“, erinnerte auf den Vereinssitzungen<br />
<strong>im</strong>mer wieder an jene frühe Zeit des Exper<strong>im</strong>entierens und mahnte <strong>die</strong><br />
Kollegen, in der Routine allgemeiner Geschäftigkeit nicht den<br />
Anschluss an den technisch-wissenschaftlichen Fortschritt der Fotografie<br />
zu versäumen.<br />
Ein gewisser Abglanz <strong>die</strong>ses ehrgeizigen Fortschrittsdenkens blieb<br />
den Wiener Fotografen während des 19. Jahrhunderts gewiss erhalten.<br />
Aber <strong>die</strong> <strong>im</strong> Rahmen des Vereins bald einsetzende stagnative<br />
Verbürgerlichung macht sich doch recht deutlich bemerkbar, so etwa<br />
wenn <strong>die</strong> „Gesellschaft“ sich noch 1901 schmeichelte, vor allem unter<br />
ihren Gründungsmitgliedern des Jahres 1861 eine bedeutende Anzahl<br />
von Vertretern „aus den höher gebildeten Ständen“ wiederfinden zu<br />
können. Ludwig Schrank (1828–1905), <strong>1864</strong> Begründer und langjähriger<br />
Redakteur des traditionsreichen Wiener Vereinsorgans<br />
Photographische Correspondenz 18 , zählte dazu unter anderem Maler,<br />
Kupf<strong>erste</strong>cher und Lithografen, Pharmazeuten, Chemiker, Botaniker<br />
und Archäologen, Fabrikbesitzer, Offiziere, Stadtpolitiker und Beamte.<br />
Und damit waren noch nicht <strong>die</strong> „eigentlichen Gelehrten“ angezeigt:<br />
etwa <strong>die</strong> Universitätsprofessoren der Chemie Anton Schrötter und<br />
Joseph Johann Pohl, der Mathematik Joseph Petzval oder der<br />
Kunstgeschichte Rudolf von Eitelberger. 19 Dabei hatte gerade Ludwig<br />
Schrank bereits <strong>im</strong> Sommer <strong>1864</strong> in einer ganzen Liste von<br />
Reformvorschlägen das kleinlich-provinzielle Denken der<br />
85<br />
Ludwig Angerer<br />
Joseph Petzval in Fechtstellung be<strong>im</strong> Fingerziehen, um 1860–1865<br />
Albumin, 9,8 x 12,5 cm<br />
Der berühmte österreichisch-ungarische Mathematiker und<br />
Erfinder des <strong>erste</strong>n erfolgreichen Porträtobjektivs Joseph Petzval<br />
war ein lebenslustiger und sehr sportlicher Mann. Hier sieht man<br />
ihn mit seinem bevorzugten Fechtpartner, dem Forstbeamten<br />
August Schleicher.<br />
18 Von <strong>1864</strong> bis 1971, ab 1903 unter dem Titel Photographische<br />
Korrespondenz.<br />
19 Ludwig Schrank, Gedenkblatt zum 40jährigen Jubiläum der<br />
Photographischen Gesellschaft in Wien, in: Photographische<br />
Correspondenz, 38. Jg., 1901, Nr. 494, S. 655–674, hier S. 658 f. Zur<br />
sozialhistorischen Definition der „Stände mit höherer Schulbildung“<br />
<strong>im</strong> Österreich der 1850er- und 1860er-Jahre und der allgemein zunehmenden<br />
Bedeutung des Kriteriums einer akademischen Ausbildung für<br />
eine bürgerliche Prestigekultur nach 1848 vgl. Friedrich Edelmayer,<br />
Das Bildungsbürgertum, in: Harry Kühnel (Red.), Das Zeitalter Kaiser<br />
Franz Josephs, Ausst.-Kat. Schloss Grafenegg 1984, Bd. 1, S. 197–202,<br />
hier S. 198.