die erste fotoausstellung im deutschsprachigen raum 1864 - Albertina
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20 Vgl. das Protokoll zur 45. Plenarversammlung der<br />
„Photographischen Gesellschaft“ am 19. Juli <strong>1864</strong>, in: Photographische<br />
Correspondenz, 1. Jg., <strong>1864</strong>, Nr. 3, S. 54.<br />
21 Die Londoner „Photographic Society“ hingegen hatte, um den<br />
Kreis der am Vereinsleben Interessierten möglichst groß zu halten,<br />
vorsorglich ihre auswärtigen Mitglieder nach Entrichtung der<br />
Beitrittsgebühr und eines einmaligen Jahresbeitrags von allen weiteren<br />
finanziellen Verpflichtungen befreit (vgl. Roger Fenton, Upon the<br />
Mode in which it is advisable the Society should conduct its Labours,<br />
in: Journal of the Photographic Society, 1. Jg., 1853, Nr. 1, S. 8 f.,<br />
hier S. 9).<br />
22 Vgl. Ludwig Schrank, Zur Reform der photographischen<br />
Gesellschaft in Wien, in: Photographische Correspondenz, 1. Jg., <strong>1864</strong>,<br />
Nr. 4, S. 105–110.<br />
23 Oskar Kramer, Photographie parisienne, in: Photographische<br />
Correspondenz, 2. Jg., 1865, Nr. 13, S. 169–177, Nr. 14, S. 202–204,<br />
hier S. 175, 177.<br />
D A S A U G E U N D D E R A P P A R AT<br />
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„Photographischen Gesellschaft“ stigmatisiert. Bezogen auf <strong>die</strong> soeben<br />
abgelaufene Ausstellung hatte er dem Verein schon separat verpasste<br />
Chancen <strong>im</strong> Hinblick auf Möglichkeiten einer eminent gesteigerten<br />
Attraktivität für das Publikum vorgeworfen. Schrank meinte damit unter<br />
anderem eine Lotterie aus unentgeltlich gestifteten Exponaten oder eine<br />
intelligentere Preispolitik, der es bei längerfristiger Planung kaum eingefallen<br />
wäre, sich unter dem Titel von eigenen „Honoratiorentagen“, an<br />
denen <strong>die</strong> Eintrittsgelder schlicht von dreißig auf fünfzig Kronen hinaufgesetzt<br />
wurden, auf <strong>die</strong> Zahlungskraft einer elitären Besucherschicht zu<br />
verlassen. 20 Grundsätzlich kam <strong>die</strong> unzeitgemäße Sozialphilosophie der<br />
„Photographischen Gesellschaft“ auch dadurch zum Ausdruck, dass das<br />
Vereinsorgan (damals noch <strong>die</strong> Zeitschrift für Fotografie und Stereoskopie)<br />
notorisch zu spät erschien; dass der Vereinsbeitrag auswärtiger<br />
Mitglieder, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Sitzungen der „Gesellschaft“ natürlich nicht regelmäßig<br />
besuchen konnten und denen außer dem kostenlosen Bezug der<br />
Vereinszeitschrift kein besonderer Service garantiert war, den<br />
Handelspreis <strong>die</strong>ser Zeitschrift auf fast beleidigende Weise überstieg; 21<br />
schließlich dass <strong>die</strong> „Photographische Gesellschaft“ sich bisher nicht<br />
wirklich bereit gezeigt hatte, für eine fachmännische Forschungs- und<br />
Entwicklungsaktivität <strong>die</strong> notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen<br />
und weitere geeignete Organisationsmaßnahmen zu treffen, wie unter<br />
anderem Laborräumlichkeiten bereitzustellen. 22<br />
Der Einfluss einer solchen Haltung auf <strong>die</strong> Mehrheit der Wiener<br />
Fotografen während der 1860er-Jahre und fast das gesamte 19. Jahrhundert<br />
hindurch war erheblich. Symptomatisch erscheint hier der<br />
Bericht des Fotografen, Fotohändlers und -verlegers Oskar Kramer<br />
(1835–1892), der 1865 von seinem Besuch in Paris und seiner erstmaligen<br />
Teilnahme an einer Plenarversammlung der für den Wiener<br />
Verein so vorbildlichen „Société française de photographie“ erzählte. Er<br />
wunderte sich außerordentlich, „dass <strong>die</strong> bekanntesten Pariser<br />
Photographen ihr [der „Société“] theilweise niemals angehört haben,<br />
theilweise erst neuerdings ausgetreten sind“ 23 . Die österreichischen<br />
Fotografen fühlten sich also in offenbar weit stärkerem Maß authentisch<br />
durch ihre „Gesellschaft“ repräsentiert als <strong>die</strong> Kollegen in der<br />
französischen Metropole.<br />
Im Licht der Wiener Ausstellung von <strong>1864</strong> kam das charakteristische<br />
Schwanken des Vereins zwischen progressiven Ambitionen und<br />
biedermeierlich-bürgerlicher Konformität auf eigene Weise zur