GeistReich 3/2012 - Evangelische Kirchengemeinde
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Thema<br />
8<br />
GEISTREICH<br />
Die Freiheit, evangelisch zu sein<br />
Der Grundimpuls der Reformation zielt<br />
darauf, aus der biblischen Überlieferung<br />
heraus Menschen einen neuen Zugang<br />
zum Glauben an Gottes gnädige Zuwendung<br />
zu ermöglichen, die als Trost,<br />
Stärkung und Befreiung im eigenen Leben<br />
erfahren werden kann. Zur Signatur<br />
evangelischen Christseins gehört Freiheit.<br />
Die Bindung an Jesus Christus eröffnet<br />
Raum für die persönlich verantwortete<br />
Gestaltung der christlichen Existenz und<br />
des kirchlichen Auftrags, den Auftrag besonderer<br />
Ämter eingeschlossen. Doch die<br />
christliche Freiheit ist nicht mit Beliebigkeit<br />
zu verwechseln; sie trägt vielmehr ein spezifisches<br />
Profil. Zu ihr gehört die Bereitschaft,<br />
Verantwortung füreinander und für<br />
den Weg der Kirche zu übernehmen. Freiheit<br />
lässt sich nicht nur in Distanznahme<br />
und Kritik leben. Ihre wirklichkeitsgestaltende<br />
Kraft entfaltet sie auch in der Bereitschaft<br />
dazu, den eigenen Horizont für<br />
die Anliegen und Bedürfnisse der Anderen<br />
zu öffnen und das gemeinsame Leben<br />
mitzugestalten. Die evangelische Kirche<br />
braucht zur Gestaltung des Weges in die<br />
Zukunft eine neue Bereitschaft, aus Freiheit<br />
Verbindlichkeiten wachsen zu lassen.<br />
Solche Bindung aus Freiheit mündet in ein<br />
Ja zur Kirche als sichtbarer Gemeinschaft<br />
der Glaubenden. Dies wird konkret in der<br />
Bereitschaft, die evangelische Kirche auf<br />
ihrem Weg in die Zukunft zu unterstützen.<br />
Es wird konkret in der Bereitschaft zur Blickerweiterung<br />
über eigene Interessenlagen<br />
hinaus. Es wird konkret in der Bereitschaft<br />
zum Kompromiss und zur Kooperation.<br />
Von diesem Grundanliegen der Erneuerung<br />
und Stärkung eines lebensdienlichen<br />
Glaubens aus hat die Reformation von<br />
Beginn an die vorhandenen kirchlichen<br />
Strukturen daraufhin befragt, ob und wie<br />
sie die Verkündigung des Evangeliums behindern<br />
oder fördern. Nach evangelischem<br />
Verständnis gibt es keine heiligen, unan-<br />
tastbaren, unveränderbaren Organisationsstrukturen.<br />
Auftragsgemäßen, theologisch<br />
reflektierten Wandel zu ermöglichen, ist<br />
eine Daueraufgabe evangelischer Kirchenleitung<br />
auf allen Ebenen.<br />
Zum Profil des evangelischen Kirchenverständnisses<br />
gehört ein spezifisches<br />
Verständnis von Kirchenleitung: Alle Getauften<br />
haben Anteil an der Gestaltung<br />
der Kirche. Alle Begabungen und Fähigkeiten<br />
von Christinnen und Christen werden<br />
auf dem Weg in die Zukunft gebraucht.<br />
Durch die mit einem Amt verbundene Autorität<br />
werden konkrete Pläne oder Entscheidungen<br />
nicht der Kritik entzogen; die<br />
evangelische Kirche kennt keine „Hierarchie“<br />
(zu deutsch: „heilige Herrschaft“).<br />
Der nötige Wandel kann deshalb auch<br />
nicht einfach „von oben” verordnet werden.<br />
Das Recht auf Partizipation für alle<br />
Christen wurde von den Reformatoren im<br />
Rückgriff auf eine biblische Vorstellung in<br />
der Lehre vom „Priestertum aller Glaubenden”<br />
begründet.<br />
So sehr die tröstende und freimachende<br />
Kraft des Glaubens persönlich und damit<br />
in individueller Ausprägung erlebt wird, so<br />
sehr lebt dieser Glaube zugleich aus dem,<br />
was der Gemeinschaft der Glaubenden anvertraut<br />
ist und in ihr überliefert wird. Deshalb<br />
gehört das gegenseitige Helfen und<br />
Stützen in der Gemeinschaft der Christen<br />
unlöslich zum evangelischen Verständnis<br />
des Glaubens. Solches Miteinander muss<br />
geordnet und organisiert werden. Um dieser<br />
Aufgabe willen wurde das Pfarramt<br />
ausgebildet und mit einer spezifischen Leitungskompetenz<br />
und Kommunikationsaufgabe<br />
ausgestattet. Der Pfarrerschaft und<br />
den anderen hauptberuflchen Leitungspersonen<br />
in der Kirche kommt bei der<br />
Gestaltung der Wege in die Zukunft eine<br />
zentrale Rolle zu. Unsere Kirche braucht<br />
eine Mitarbeiterschaft, die sich den Herausforderungen<br />
mutig und hoffnungsvoll<br />
Juni - August <strong>2012</strong> Ev. Kgm. Holten-Sterkrade