.<strong>medizin</strong>Mit winzigen Glaskugeln gegen KrebsEine lebensverlängernde Strahlentherapie namens „SIRT“: radioaktiv markierte Kügelchen,per Mikro katheter in die Leber geleitet, zerstören dort Tumore und Metastasen.Prof. Claus Nolte-Ernsting, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie 1) , bereitet mit den niedergelassenenMülheimer Nuklear<strong>medizin</strong>erinnen Dr. Ute Deutsch und Dr. Ursula Blum (r.) eine „SIRT“ vor.Patienten, deren Krebserkrankung bisherals nicht mehr behandelbar galt, könnendank der neuen Methode kostbare Lebenszeitgewinnen – „bei guter Lebensqualität“,wie Chefarzt Prof. Claus Nolte-Ernstingbetont. Das aufwendige Verfahren SIRTkommt bei Patienten infrage, die einen nichtoperablen Primär tumor oder Metastasenin der Leber haben, ohne dass gleichzeitigMetastasen in ande ren Organen – etwa inder Lunge – vorliegen.„Wir haben große Erfahrung darin, mit feinstenKathetern Medikamente wie Zytostatika 2)durch die Blutgefäße bis tief in die Leber zutransportieren“, berichtet der Chefarzt. „Nunkönnen wir auf diesem Weg auch radioaktiveGlaspartikel direkt bis an das Krebsgewebe inder Leber bringen. Die Strahlung verkleinertes oder zerstört es sogar ganz. Die Strahlunggelangt aber nicht in das umgebende gesundeGewebe. Das Ver fahren wenden wir bei Patientenmit Leber krebs oder Lebermetastasen an,wenn die Mög lichkeiten der Chemotherapieausgeschöpft sind.“ Die Leber lässt sich nämlichnicht gut von außen bestrahlen, weil sie dieerforderliche Dosis nicht verträgt. „Bisher musstenwir diese Patienten nach Hause schickenund konnten ihnen nur noch Schmerzmittelgeben. Jetzt können sie oft noch viele Monate,sogar Jahre weiterleben. Nur im ersten Monatnach dem Eingriff fühlen sie sich körperlichabgeschlagen, danach geht es den meistenPatienten deutlich besser als vorher.“ Heilenkann diese palliative 3) Therapie jedoch nurin seltenen Fällen, aber sie erweitert dasSpektrum der Krebsbehandlung erheblich.„Diese Therapie findet seit etwa zehn Jahrenbreite klinische Anwendung und wird wegender guten Ergebnisse immer häufiger durchgeführt,derzeit nur in Uni kliniken oder großenKrankenhäusern. Im Umkreis Mülheimssind wir eines der wenigen Häuser, die sieinzwischen auch anbieten. Die Eingriffe bereiteich mit einem interdisziplinären Team ausder Radiologie, Nuklear <strong>medizin</strong>, Gastroenterologie/Onkologieund Chirurgie bis ins Detailvor. Wir kooperieren sehr gut mit der nuklear<strong>medizin</strong>ischenPraxis Dr. Deutsch und Dr.Blum“, erklärt der Chefarzt. Für ihn ist dasneue Verfahren eine große Hilfe für die Patienten,auch wenn es den Krebs nicht komplettheilen kann. ●Gudrun HeyderInfo1) Diagnostische Radiologie: z.B. Röntgen, Ultraschall,CTInterventionelle Radiologie: minimalinvasiveTherapiemaßnahmen, die unter ständigerKontrolle mittels bildgebender Verfahren durchgeführtwerden: z.B. die Aufdehnung vonGefäßverengungen unter DurchleuchtungsSelektive Interne Radiotherapie(SIRT)So läuft die Therapie von der Diagnose bis zurNachbehandlung ab:1. Zur Diagnose führt der Radiologe ein kontrastmittelverstärktesCT, MRT oder eine PET (Positro nen-Emissions-Tomografie) durch, um Metastasenaußerhalb der Leber ausschließen zu können.2. In einer Tumorkonferenz wird entschieden,ob der Patient für das Verfahren geeignet ist.Teilnehmer sind Prof. Nolte-Ernsting, dieniedergelassenen Nuklear<strong>medizin</strong>erinnenDr. Deutsch und Dr. Blum und die ChefärztePD Dr. Hilgard, Abteilung für allgemeineInnere Medizin und Gastro enterologie derMedizinischen Klinik, PD Dr. Schröder,Abteilung für Onkologie der MedizinischenKlinik, sowie Prof. Gassel, Chirurgische Klinik.Es folgt die Einzelfallprüfung der Krankenkasse:Die Therapie kostet ca. 15.000 Euro.3. Etwa drei Wochen vor dem Eingriff werden beieiner Leberangiografie 4) kleine Blutgefäße inRichtung Darm verschlossen. Dann wird eineleicht radioaktive Substanz eingebracht, um zuprüfen, ob die Leber „dicht hält“: Die radioaktivenPartikel dürfen nicht in großer Zahl in Lungeoder Darm gelangen, wo sie schwere Entzündungenund Beschwerden auslösen können.4. Hält die Leber „dicht“, was in den meistenFällen möglich ist, dann berechnen die Nuklear<strong>medizin</strong>erinnendie Dosis und bestellen dieGlaspartikel, die für jeden Patienten individuellin Kanada hergestellt werden.5. Zu einem genau festgelegten Termin erfolgt derschmerzfreie Eingriff: Durch eine kleine Punktionsstellein der Leiste (mit lokaler Betäubung)führt der Radiologe unter angiografischerBildkontrolle einen dünnen Führungskatheterdurch die Bauchschlagader bis in die Arteriender Leber. Den Mikrokatheter – Durchmesser0,8 mm – schiebt er anschließend bis zu denBlutgefäßen vor, die den Tumor versorgen undplatziert dort etwa 1,2 Millionen radioaktive,0,02 mm kleine Glaspartikel.6. Der Patient bleibt danach zwei Tage stationärim Ev. <strong>Krankenhaus</strong>.7. In der Nachbehandlung erfolgen regelmäßigeKontrollen mittels Ultraschall und CT.kontrolle (Angiografie)2) Zytostatika: chemische Substanzen, die das Zellwachstumder Tumore verhindern oder verzögern3) palliativ: Behandlung, die nicht (mehr) aufHeilung abzielt, sondern auf Lebensverlängerungund Linderung von Symptomen wie Schmerzen4) Angiografie: s. Interventionelle Radiologie10
.seelsorge/ausbildungDen Umgang mit Trauer lernenATEGRIS-Bildungsinstitut: Auszubildende des Oberkurses setzen sich bei einer Kursfahrtnach Holland mit dem Thema „Sterben, Tod und Trauer in der Krankenpflege“ auseinander.„Palli“ haben die Auszubildenden des Oberkurses während des Unterrichts in Hollandgezeichnet. Sie – oder er – besitzt alle Eigenschaften eines „perfekten Sterbebegleiters“.Der Umgang mit sterbenden Patienten undtrauernden Angehörigen ist ein zentralesThema in der Gesundheits- und Krankenpflege-Ausbildung.<strong>Krankenhaus</strong>seelsorgerinKlaudia Schmalenbach und ihre KolleginMelanie Marolt aus dem EKO. 1) sind im Ok tober 2011 mit dem Oberkurs des ATEGRIS-Bildungs instituts nach Westkapelle gefahren,um sich vier Tage lang fern vom Alltag mitdem sensiblen Thema auseinanderzusetzen.Für die beiden Theologinnen war die Zusammenarbeitin dieser Form eine erfolgreichePremiere: „Ich unterrichte seit 25 Jahren, aberich war noch nie so lange mit Auszubildendenweg und hatte noch nie einen so engagiertenund interessierten Kurs“, staunt KlaudiaSchmalenbach. „Wir finden das wirklich toll.Am Ende waren Frau Marolt und ich überrascht,dass die Auszubildenden sagten, sie wärengerne noch mehr in die Tiefe gegangen.“Thema waren zunächsteigene, private Erfahrungenmit Sterben,Tod und Trauer. „Persönlicheszu erzählen,ist uns nicht schwergefallen“, meintSchülerin AgnesGrzankowski, 21.„Gut fand ich, dasswir uns den Seelsorgekoffer2) für die Pflegegenau ansehen konntenund etwas überdie Sterbephasengelernt haben. Ichhatte aber gedacht, eswürden mehr Tränenfließen.“Mitschüler JanHildebrand, 25,ergänzt: „Wir fandenes gut, in dieser Zeitüber das Thema Todund Trauer mit denSeelsorgerinnen zureden und nicht mitden Lehrern, die unssonst unterrichten.Es war schön sichbewusst zu machen,dass wir Trauer zu -lassen und uns dafürauch im StationsalltagZeit nehmen sollten. Und dass wir uns nichtscheuen sollten, die Seelsorger einzubeziehen,wenn ein Patient stirbt. Sie können sich nochmehr Zeit auch für die Angehörigen nehmenals wir und das entlastet die Pflege.“„Loslassen können“ war ein weiterer wichtigerInhalt. Jan Hildebrand: „Das bedeutet zu akzeptieren,dass die Medizin irgendwann nichtmehr heilend, sondern nur noch palliativ 3)wirken kann. Die Pflegenden sollten die Ärztevon sich aus darauf ansprechen, wenn sie denEindruck haben, dass es bei einem Patientenso weit ist. Wichtig ist, dass jeder Patient inWürde sterben kann.“Gewünscht hätten sich die Auszubildendennoch konkretere Hinweise, wie sie mit trauerndenAngehörigen umgehen können.Klaudia Schmalenbach: „Die Auszubildendenmöchten eine Handlungsanweisung. Aber esKlaudia Schmalenbach,evangelischeSeelsor gerin im Ev.<strong>Krankenhaus</strong>Infogibt kein Patentrezept.Jeder Mensch gehtanders mit Sterbenund Trauer um. Wirmöchten vielmehr dieSensibilität der jungenMenschen wecken, umin dieser exis tentiellenLebenssitua tion gutauf die Patien ten undAngehörigen eingehenzu können.“Mit Rollenspielen und Übungen, auch inKleingruppen, näherten sich die zukünftigenGesundheits- und Krankenpfleger/innen demThema an. „Die Emotionen dabei sind echt,auch wenn es nur ein Spiel ist“, weiß KlaudiaSchmalenbach. „Wir wollen Gefühle wecken,aber händelbar halten.“ Die Seelsorgerin istbeeindruckt von den Azubis: „Sie haben außerordentlichgut mitgearbeitet und waren sehrdiszipliniert, obwohl es ja auch ihre Kursfahrtwar. Wenn ich im <strong>Krankenhaus</strong> liegen würde,wäre ich sicher, dass sie mich alle gut pflegenwürden.“ Ein echtes Kompliment für die Azubis!Auch die Auszubildenden sind zufriedenmit den vier Tagen im Freizeitheim der evangelischenGemein de Broich-Saarn: „FrauSchmalenbach und Frau Marolt haben dasgut gemacht und auch das Drumrum stimmte:Fünf Ehrenamtliche haben uns lecker bekochtund das Haus war schön.“ Den Wasserrohrbruchinklusive Dusch verbot erwähnen sie garnicht erst. Klaudia Schmalenbach. „Die sindja so was von gelassen…“ ●Gudrun Heyder1) Melanie Marolt: Die Theologin ist evangelische<strong>Krankenhaus</strong>seelsorgerin im Ev. <strong>Krankenhaus</strong>Oberhausen2) Seelsorgekoffer: Jede Pflegestation hat einenKoffer, der alles enthält, was Mitarbeiter, Angehörigeoder die Seelsorge bei einer Begleitungvon Schwerkranken und Sterbenden brauchenkönnen: das Textheft „Abschied nehmen“,Gesangbücher, ein Fingerkreuz, das Sterbendenin die Hand gelegt werden kann, eine Decke, einLED-Licht im Teelichtglas und Engel, um bei derVerabschiedung den Nachttisch angemessen zugestalten.3) palliativ: Palliativ<strong>medizin</strong> ist nicht (mehr) aufHeilung ausgerichtet, sondern auf die Linderungvon Symptomen wie Schmerzen.punct :: Heft 2 :: Winter 2011/2012 11