TitelZukunftsmärkte der Weltwirtschaftvon Ralf TautzIm Sommer prognostizierte das Ifo-Institutfür 2014 ein Wirtschaftswachstumin Deutschland von bis zu 1,9 Prozentund schon wehte die Schlagzeile„Konjunktur geht steil nach oben“durch den Blätterwald. Rund 10.000 Kilometervon uns entfernt würde eine Wachstumsprognosevon „nur“ 1,9 Prozent vermutlicheine Regierungskrise auslösen,und zwar in einem Land, das vor allemdurch den grausamsten Krieg der jüngerenGeschichte im Bewusstsein gebliebenist: in Vietnam. Vietnam und Deutschlandhaben viel gemeinsam: Von der Fläche herist Vietnam nur wenig kleiner, die Bevölkerungist mit 87 Millionen etwas größer.Das Land war lange Zeit geteilt, litt unterden Folgen eines furchtbaren Kriegesund erlebt seit Mitte der 1980er Jahreein „Wirtschaftswunder“ mit jährlichenWachstumsraten von sieben bis acht Prozent.Vietnam ist zum Schwellenland aufgestiegenund gehört zu den <strong>„Next</strong> <strong>Eleven“</strong>,zu den elf Zukunftsmärkten der Weltwirtschaft,das jedenfalls prognostizierte 2005der Chef-Volkswirt von Goldman Sachs,Jim O’Neill.An der Schwelle zum IndustrielandAnfang der 2000er-Jahre hatte Jim O’Neillvon sich reden gemacht, als er Brasilien,Russland, Indien und China zu den BRIC-Staaten zusammengefasst und damit einEtikett geschaffen hatte, mit dem Investoreneinige Jahre lang sehr viel Geld verdienten.Der Boom um BRIC hat inzwischennachgelassen, neue Länder sindnachgerückt und werben um die Gunst derinternationalen Investoren.2005 untersuchte das Analystenteamvon Goldman Sachs 170 Nationen aufihre Wachstumsfähigkeit. Sie bewertetenmakroökonomische Faktoren wie Inflation,Staatsverschuldung und Offenheitder Volkswirtschaft, die technische Infrastruktur,das heißt Telefonanschlüsse,PC- und Internetnutzung oder Humankapital,insbesondere hinsichtlich von Bildung,Erziehung und Lebenserwartungsowie politische Faktoren wie Stabilität,Rechtsstaatlichkeit und Korruption. DasErgebnis der Studie: Elf Staaten brachtengute Voraussetzungen mit, sich bis 2050zu Industrienationen zu entwickeln. Zudiesen <strong>„Next</strong> <strong>Eleven“</strong> gehören Ägypten,Bangladesch, Indonesien, Iran, Nigeria,Pakistan, Philippinen, Mexiko, Südkorea,Türkei und Vietnam.„Entscheidendist die Frage:Für welche Branchenbieten diese LänderChancen?“Markus Huber, <strong>IHK</strong>Tatsächlich verzeichneten all diese Staatenin den vergangenen Jahren ein Wirtschaftswachstumvon fünf bis zehnProzent. Markus Huber, Außenhandelsexpertebei der <strong>IHK</strong> <strong>Regensburg</strong> ist sichsicher: „<strong>Die</strong>se Länder bieten den Unternehmenin Ostbayern immense Chancen.– <strong>Die</strong> entscheidende Frage ist aber: Fürwen und für welche Branchen?“ Genauerbetrachtet weisen die <strong>„Next</strong> <strong>Eleven“</strong>-Staatennämlich sehr unterschiedliche politische,wirtschaftliche und gesellschaftlicheVerhältnisse auf.<strong>Die</strong> ChancenIndonesien ist mit rund 250 Millionen Einwohnerndas viertgrößte Land der Erdenach der Bevölkerung und zeigt eine sehrhohe Konsumbereitschaft. Damit ist Indonesieneiner der wichtigsten Absatzmärktein Asien. Das Land der 17.000Inseln ist reich an Rohstoffen und seinstabiles Wachstum beruht auf einem starkenInlandskonsum (rund 60 Prozent desBIP). Zur Verbesserung der Infrastrukturund zur Weiterentwicklung der Wirtschaftwurde 2011 ein stattliches Programm zurEntwicklung von sechs Wirtschaftskorridorengestartet. Das Programm hat ein Investitionsvolumenvon mehr als 400 MilliardenUS-Dollar und soll größtenteils überPublic-Private-Partnership-Projekte mitstarker ausländischer Beteiligung durchgeführtwerden. Außerdem gibt es erheblicheSteuervergünstigungen für Unternehmen,die neue Technologien in Indonesieneinführen.Vietnam ist nach China die am schnellstenwachsende Volkswirtschaft in Asien. Miteiner Politik der „sozialistischen Marktwirtschaft“wird ein großer Teil der Staatsbetriebeprivatisiert. Das Land bietet Vorteile:Stabile politische Verhältnisse,niedrige Lohnkosten und eine junge, fleißigeBevölkerung treiben das Wachstumweiter voran. <strong>Die</strong> wichtigsten vietnamesischeExportprodukte nach Deutschlandsind Schuhe, Textilien, landwirtschaftlicheErzeugnisse (z.B. Kaffee und Pfeffer),Meeresfrüchte und mittlerweile auchElektronikartikel und Möbel. WichtigsteEinfuhrprodukte aus Deutschland sindMaschinen, Fahrzeuge und Ausrüstungsgegenständesowie Produkte der chemischenIndustrie. Vietnam will sich bis 2020zum Industrieland entwickeln. Dort istalso mit einer steigenden Nachfrage nachhochwertigen Maschinen und Industrieanlagenzu rechnen sowie mit mehr Investitionenin die Infrastruktur.26 WIKO I 9 I 2013
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