FeierabendDas Leben – eine InstallationDas Kallmünz derFranziska LuberWirtstochter, Künstlerinund YogalehrerinKallmünz und die Familie Luber gehören zusammen. Gestaltenist die Passion von Mutter, Vater und den Töchtern Katharinaund Franziska. Gut, wenn man dazu mehr hat als ein Atelier. DreiGasthäuser prägen den Oberpfälzer Markt wie Burg, Naab undJurafelsen. Franziska sagt: „Kallmünz ist genial.“von Julia Weigl<strong>Die</strong> Lubers jubeln. Für ihr jüngstesWerk erhielten sie im Frühjahr denDenkmalpreis der Hypo-Kulturstiftung.Gut zehn Jahre hatte dieWirtsfamilie Arbeit und Geld in dasheruntergekommene Raitenbucher Schloss,in dem die Schule war und später Sozialwohnungen,hineingerichtet. Jetzt beherbergt dasherrschaftliche Anwesen, das sich an den Felsschmiegt als wolle es dem stets drohendenHochwasser entkommen, großzügige Gästezimmer,Franziskas Wohnung und ihr Yogastudio.<strong>Die</strong> Kunst zu verführenZiemlich genau vor 33 Jahren, als Franziskaund ihre Schwester im Abstand von fünf Minutendas Licht der Welt erblickten, wurde anderen Eltern Waltraud und Richard der innerfamiliäreVorschlag herangetragen, das Gasthaus„Zum Goldenen Löwen“, seit gut 300Jahren in Familienbesitz, zu übernehmen. Beiden Lubers kommt alles aus der Familie und eseskaliert ungefähr einmal in der Woche. Franziskanennt das „den regelmäßigen emotionalenGenerationen-Gau“. Nicht, dass der die Familieentzweie, er bringt sie nur noch näherzusammen, denn in einem sind sich alle einig:66 WIKO I 9 I 2013
Bild links: Bricolage oder die Kunst, die Dinge so auf den Kopf zu stellen, dass sie funktionieren.Bild rechts: <strong>Die</strong> Zwillinge Franziska und Katharina Luber im Hof vom „Goldenen Löwen“ (Fotos: Erich Spahn)Sie wollen gestalten. Und so leben der „GoldeneLöwe“, der „Bürstenbinder“ und jetztauch das Raitenbucher Schloss von der Bricolageund einer speziellen Melange aus Bodenständigkeitund der Kunst zu verführen.„Regional und ganz speziell“, so lautete dasCredo der Eltern, einer Kunsterzieherin undeinem Kindergärtner. „In Abendkursen habensie Gastronomie gelernt und der intellektuelleInput, der kam vom Onkel Fritz, dem Mannvon der Tante Maria“, erzählt Franziska. OnkelFritz, das war Eugen Oker, bürgerlich FritzGebhardt. Der 1919 als Sohn eines SchwandorferOfensetzers geborene Schriftstellerlebte seit 1970 in München und brachte befreundeteKünstler mit nach Kallmünz.„<strong>Die</strong> Atmosphäre schufen die Gäste selbstbeim Essen und Trinken, Tischdecken undServietten gab es erst später.“ In diesem Geistsind Franziska und Schwester Katharina aufgewachsen,standen mit dreizehn in der Wirtschaftund haben ihr erstes Geld verdient.Nach dem Abitur gingen die beiden auf Weltreise.Katharina wurde Physiotherapeutinund Franziska studierte am César Ritz in derSchweiz Hotelfach. Voller Tatendrang kam siezurück, vertrat die Mutter, leckte Blut, warChefin und fuhr mit Modernisierungsvorschlägen„regelmäßig an die Wand“. „<strong>Die</strong> Eltern arbeitenwie vor 30 Jahren“, empört sie sich. Ander Akademie in München suchte sie einenAusweg, studierte Bildhauerei, wurde Künstlerin,doch das „Suhlen im eigenen Saft“, dasWelt- und Lebensfremde ging ihr auf den Geistund brachte sie dem „Löwen“ wieder nah.Familienbetrieb als bildhauerischesProjektNochmal Weltreise, sehen, was geht, Auswandern,Kunst oder was? Kallmünz ohne „GoldenenLöwen“ geht nicht, doch Franziska istüberzeugt, dass ein Leben außerhalb des Löwenmöglich ist. Im Raitenbucher Schlossrichtete sich die Yogalehrerin ein Studio ein,plant mit Schwester Katharina mehr auf Wellnesszu setzen und arbeitet im „Goldenen Löwen“,um sich ihre Kunst überhaupt leistenzu können. Mutter Waltraud nennt TochterFranziska „Multitasking-Künstlerin“ undSchwester Katharina interpretiert FranziskasBildhauerei als „Raumgestaltung durch Auseinandersetzung“,als das Verändern von Realitäten.Franziska begreift ihr Kallmünz, ihrLeben und den Familienbetrieb als bildhauerischesProjekt. <strong>Die</strong> Bildhauerei im engerenSinn ist Kommentar und besteht aus selbstgemachtenKartoffelchips, Gelatine, Kabel ausWeingummi, Biskuitkuchenboden, Schweinesülzeoder Pudding. Was er ausdrückt? Genießen,Maßlosigkeit, Verbindung und unerhörteSinnlichkeit, wenn ein Ventilatorein paar Kilo Daunen aufwirbelt und an dieWände presst oder ein Riesenknödel aus Hasenstalldrahtund Kartoffelchips durchs Dorfrollt. ■Gasthaus„Zum Goldenen Löwen“Alte <strong>Regensburg</strong>er Straße 18, 93183 KallmünzTel. 09473/380, www.luber-kallmuenz.demontags RuhetagWIKO I 9 I 2013 67