29.11.2012 Aufrufe

Marc Aurel: Selbstbetrachtungen (Viertes & Neuntes Buch)

Marc Aurel: Selbstbetrachtungen (Viertes & Neuntes Buch)

Marc Aurel: Selbstbetrachtungen (Viertes & Neuntes Buch)

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

4.<br />

Wer sündigt, versündigt sich an sich selbst; begangenes Unrecht fällt auf den Urheber zurück,<br />

indem er sich selbst verschlechtert.<br />

5.<br />

Oft tut auch der Unrecht, der nichts tut; wer das Unrecht nicht verbietet, wenn er kann,<br />

befiehlt es.<br />

6.<br />

Genug, wenn das jedesmalige Urteil klar, die jedesmalige Tätigkeit gemeinnützig, die<br />

jedesmalige Gemütsverfassung mit allem zufrieden ist, was aus natürlichen Ursachen sich<br />

ereignet.<br />

7.<br />

Unterdrücke die bloße Einbildung; hemme die Leidenschaft; dämpfe die Begierde; erhalte die<br />

königliche Vernunft bei der Herrschaft über sich selbst!<br />

8.<br />

Den vernunftlosen Wesen ist eine Seele, den vernünftigen aber eine denkende Seele zugeteilt,<br />

sowie es auch für alle Erdgebilde nur eine Erde gibt und wir alle, die wir sehend und belebt<br />

sind, von einem Lichte sehen und eine Luft einatmen.<br />

9.<br />

Alle Dinge, die irgend etwas Gemeinschaftliches haben, streben zur Vereinigung hin. Was<br />

von der Erde ist, neigt sich zur Erde, alles Feuchte und gleichermaßen alles Luftige fließt<br />

zusammen, so daß es der Gewalt bedarf, um solche Stoffe auseinanderzuhalten. Das Feuer<br />

zwar hat vermöge des Elementarfeuers Darunter verstanden die Stoiker den Äther. seinen Zug<br />

nach oben, aber doch ist es zugleich geneigt, mit jedem hier befindlichen Feuer sich zu<br />

entzünden, so daß alle Stoffe, die nur einigermaßen trocken und also weniger mit dem<br />

gemischt sind, was der Entzündung wehrt, leicht in Brand geraten. Ebenso nun, oder auch<br />

noch mehr, strebt alles, was an der gemeinschaftlichen, vernünftigen Natur teil hat, seinem<br />

Ursprunge zu. Denn je mehr ein Wesen über den übrigen die Oberhand behält, um so<br />

geneigter ist es auch, mit dem Verwandten sich zu vermengen und zusammenzufließen.<br />

Bereits auf der Stufe vernunftloser Wesen finden sich ja Schwärme, Herden,<br />

Fütterungsanstalten für die Jungen und sogar gewissermaßen Liebschaften. Denn in ihnen<br />

schon wohnen Seelen und findet sich daher auch jener Gemeinschaftstrieb in stärkerem<br />

Grade, als er bei Pflanzen, Steinen oder Bäumen vorhanden ist. Bei vernünftigen Wesen aber<br />

kommt es zu Staaten, Freundschaften, Familien, gesellschaftlichen Verbindungen und im<br />

Kriege selbst zu Bündnissen und Waffenstillständen. Sogar bei noch höheren Wesen findet,<br />

trotz ihrer sonstigen Abstände voneinander, doch Einigung statt, wie bei den Gestirnen; und<br />

so kann der Aufschwung zum Höheren auch bei sonst getrennten Wesen Sympathie<br />

hervorbringen. Betrachte nun den jetzigen Gang der Dinge. Die denkenden Wesen sind es<br />

nämlich jetzt allein, die dieses Zueinanderstreben und Zusammenhalten vergessen, und bei<br />

ihnen allein ist jenes Zusammenfließen nicht ersichtlich. Und doch – mögen sie sich<br />

immerhin fliehen, sie umschließen sich dessenungeachtet Denn die Natur behauptet ihr<br />

Herrscherrecht. Gib nur acht und du wirst, was ich sage, bestätigt finden. Denn eher dürfte<br />

12

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!