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Marc Aurel: Selbstbetrachtungen (Viertes & Neuntes Buch)

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geschehen werde, sei schlecht und folglich unter so vielen Göttern nie ein Vermögen<br />

aufzufinden gewesen, um diese Zustände zu verbessern, vielmehr sei die Welt verdammt, in<br />

den Banden unaufhörlicher Übel zu verharren.<br />

36.<br />

Der Stoff jedes Gegenstandes ist Fäulnis: Wasser, Staub, Knochen, Unflat. Die<br />

Marmorbrüche sind nur Verhärtungen der Erde, Gold und Silber nur Bodensatz, unsere<br />

Kleidung Tierhaare, Purpur Blut, und so verhält sich's mit allem übrigen. Selbst der<br />

Lehensgeist gehört in diese Klasse, weil auch er einer steten Umwandlung unterworfen ist.<br />

37.<br />

Genug des elenden Lebens, des Murrens und des lächerlichen Benehmens. Was beunruhigt<br />

dich? Was findest du hier so unerhört? Was macht dich ängstlich? Die ursächliche Kraft der<br />

Dinge? Beobachte sie nur! Aber vielleicht der Stoff? Besieh ihn nur! Außer diesen aber gibt<br />

es ja nichts. Sei also doch endlich einmal argloser und freundlicher gegen die Götter! Ist es ja<br />

einerlei, ob du hundert oder nur drei Jahre lang den Lauf der Welt betrachtest.<br />

38.<br />

Hat jemand sich vergangen, so ist das sein Schade; vielleicht aber hat er sich nicht einmal<br />

vergangen. Wir sollen also nicht vorschnell über unsere Nebenmenschen urteilen.<br />

39.<br />

Entweder ist ein denkendes Wesen die Urquelle, von der dem ganzen Weltall, als einem<br />

Körper, alles zuströmt, und alsdann darf sich der Teil über dasjenige, was zum Nutzen des<br />

Ganzen geschieht, nicht beklagen, oder das All ist ein Gewirr von Atomen, eine zufällige<br />

Mischung und dann wieder Trennung; wozu dann deine Unruhe? Sprich eben zu deiner Seele:<br />

Du bist tot, bist nur Schein und Verwesung, denkst nur wie ein Tier, deinen Hunger zu stillen<br />

und deine Bedürfnisse Zu befriedigen.<br />

40.<br />

Entweder vermögen die Götter nichts, oder sie vermögen etwas. Wenn sie nun nichts<br />

vermögen, warum betest du? Sind sie aber mächtig, warum flehst du sie nicht, statt um<br />

Abwendung dieses oder jenes Übels oder um Verleihung dieses oder jenes Gutes, vielmehr<br />

um die Gabe an, nichts von alle dem zu fürchten oder zu begehren oder darüber zu trauern?<br />

Denn wenn sie überhaupt den Menschen zu helfen vermögen, so können sie auch dazu<br />

verhelfen. Aber vielleicht entgegnest du: Das haben die Götter in meine Macht gestellt. Nun,<br />

ist es da nicht besser, das, was in deiner Macht steht, mit Freiheit zu gebrauchen, als zu dem,<br />

was nicht in deiner Macht steht, mit sklavischer Erniedrigung dich hinreißen zu lassen? Wer<br />

hat dir denn aber gesagt, daß die Götter uns in dem, was von uns abhängt, nicht zu Hilfe<br />

kommen? Fange doch nur einmal an, um solche Dinge zu beten, und du wirst sehen. Der<br />

fleht: Wie erlange ich doch die Gunst jener Geliebten? Du: Wie entreiße ich mich dem<br />

Verlangen danach? Der: Wie fange ich's an, um von jenem Übel frei zu werden? Du: Wie<br />

fange ich's an, um der Befreiung davon nicht zu bedürfen? Ein anderer: Was ist zu tun, daß<br />

ich mein Söhnchen nicht verliere? Du: Was ist zu tun, daß ich seinen Verlust nicht fürchte?<br />

Mit einem Wort: Gib allen deinen Gebeten eine solche Richtung, und du wirst den Erfolg<br />

sehen.<br />

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