hier zum download - Universität Potsdam
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Editorial<br />
Liebe BesucherInnen und LeserInnen,<br />
neben all den bunten Bildern haltet ihr nun den Reader<br />
zu den Ausstellungen in euren Händen. Dieser soll die<br />
sexistische Bildersammlung kritisch, theroetisch und wissenschaftlich<br />
untermauern und euch zeigen, warum wir das<br />
eigentlich alles machen.<br />
Ab dem 16.12.2006 bis voraussichtlich Ende Januar 2007<br />
könnt ihr euch die Doppelausstellung anti-lookism“ und<br />
”<br />
” Sexismus in der Werbung“in der Kneipe des studentischen<br />
Kulturzentrums in der Hermann-Elflein-Straße 10<br />
in <strong>Potsdam</strong>s Innenstadt sehen und erleben.<br />
Die Kneipe hat täglich ab 20 Uhr geöffnet.<br />
Zu den Ausstellungen gibt es neben der Vernissage und<br />
Eröffnungsparty auch ein begleitendes Rahmenprogramm<br />
mit spannenden Vorträgen und einem Workshop, die alle<br />
im Theatersaal des Kuze stattfinden. Die Themen und<br />
Termine findet ihr auf der hinteren Umschlagseite.<br />
Im Folgenden findet ihr zunächst eine Einführung in die<br />
Ausstellungen und wie sie entstanden sind. Danach gibt es<br />
ein paar theoretische Texte zu Sexismus-Definitionen, antilookism<br />
und Dekonstruktion gängigen Schönheitsempfindens,<br />
zu Manipulation durch Bilder und Dimensionen der<br />
Werbung, nonverbaler Kommunikation, Tabubruch- und<br />
Anti-PC-Rhethorik etc. Abschließend haben wir zwei Werbungen<br />
und ihre Reaktionen beispielhaft dokumentiert und<br />
kreative Vorschläge <strong>zum</strong> Adbusting angefügt. Viel Spaß<br />
beim Anschauen, Lesen und Diskutieren,<br />
2<br />
die AG Sexismus in der Werbung
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Sexismus in der Werbung & Anti-Lookism<br />
- Eine Doppelausstellung 4<br />
Zur Idee und Entstehung der Ausstellung ” Sexismus<br />
in der Werbung“ 4<br />
Von Lookism zu Sexism - eine kurze Strecke 7<br />
Deckelt Sexismus! 9<br />
Bunt ist alle Theorie 11<br />
Was ist Sexismus 11<br />
Dimensionen der Werbung 16<br />
Essay: Zwischen Flüchtigkeit und Feststellbarem –<br />
Bilder der Gesellschaft 21<br />
Nonverbale Kommunikation als Bedeutung tragendes<br />
Element in der Werbung 28<br />
Political Correctness und Tabubruch-Rhetorik 32<br />
anti-lookism als (De)Konstruktion des Schönheitsempfindens<br />
38<br />
Lookism in der Werbung - oder: Die Werbung ist<br />
an allem schuld!? 41<br />
Praxis, Dokumentation, Subversion 44<br />
3
’Let your tongue travel’: Kultureller Kannibalismus,<br />
Häagen Dasz und koloniale Repräsentationen 44<br />
Das Beispiel Hörzu 49<br />
Brief des AStA der <strong>Universität</strong> <strong>Potsdam</strong> an die Redaktion<br />
der Hörzu 54<br />
Adbusting 56<br />
Impressum 59<br />
Sexismus in der Werbung &<br />
Anti-Lookism - Eine<br />
Doppelausstellung<br />
Zur Idee und Entstehung der Ausstellung<br />
” Sexismus in der Werbung“ Anne Friebel<br />
Sexismus in der Werbung<br />
ist ein landläufiges Phänomen<br />
über das mensch sich<br />
trotz permanenter Wahrnehmung<br />
selten Gedanken<br />
macht. Dennoch wirken die<br />
Bilder und ihre Manipulationen<br />
oft lange nach und<br />
verhaften sich im Gedächtnis.<br />
Die Idee einer Ausstellung<br />
zu sexistischer Werbung<br />
und ihrer gesellschaftlichen<br />
Auswirkungen lag<br />
deshalb auf der Hand, um<br />
vor allem die studentische<br />
4<br />
Öffentlichkeit zu sensibilisieren<br />
und auf das Thema<br />
aufmerksam zu machen.<br />
Die endlich realisierte<br />
Ausstellung ” Sexismus in<br />
der Werbung“ basiert auf einer<br />
ungefähr zwei Jahre alten<br />
Ideen- und Bildersammlung<br />
von damaligen AStA-<br />
ReferentInnen, die über die<br />
Jahre ergänzt und weiter<br />
konkretisiert wurde. Sexistische,<br />
rassistische und herabwürdigende<br />
Werbung an<br />
der Uni und überall sollte
öffentlich aus einem kritischen<br />
Blickwinkel betrachtet<br />
und analysiert werden.<br />
Das Thema ist seitdem<br />
nicht weniger aktuell geworden<br />
– im Gegenteil. Studentische<br />
Initiativen werben<br />
mit sexistischen Bildern und<br />
Inhalten, an der Uni finden<br />
sich vermehrt ebensolche<br />
Werbungen und ein<br />
Nachdenken findet in breiterem<br />
Umfeld immer noch zu<br />
selten statt.<br />
Dies veranlasste folgende<br />
AStA-ReferentInnen und<br />
weitere interessierte Menschen<br />
dazu, die Idee einer<br />
Ausstellung zu Sexismus in<br />
der Werbung wieder aufzugreifen<br />
und in die Tat umzusetzen.<br />
Das Resultat seht ihr<br />
nun in der Kneipe des studentischen<br />
Kulturzentrums.<br />
Während sich in den beiden<br />
unteren Etagen die antilookism-Ausstellungbefindet,<br />
haben die sexistischen<br />
Bilder und Dokumentationen<br />
ihren Platz im oberen<br />
Bereich. Die BesucherIn<br />
wird dabei zunächst<br />
über die Treppe geführt, die<br />
zu einem Tunnel umgebaut<br />
und vollständig mit sexistischen<br />
Werbeanzeigen zugeklebt<br />
wurde, um deren<br />
Allgegenwärtigkeit, generel-<br />
Idee und Entstehung der Ausstellung<br />
le Muster und Manipulationsmacht<br />
aufzuzeigen. Dazu<br />
wurden die schon gesammelten<br />
Bilder und Zeitungsausschnitte<br />
erweitert und<br />
verwendet, wobei es nebensächlich<br />
ist, um welche<br />
Werbung oder welchen Konzern<br />
genau es sich handelt.<br />
JedeR von euch wird ähnlich<br />
stereotypisierende Beispiele<br />
aus den gängigen Printmedien<br />
(wiederer)kennen.<br />
In der obersten Etage<br />
der Kneipe haben wir einige<br />
Werbeanzeigen stellvertretend<br />
vergrößert und ausgestellt,<br />
teilweise samt Dokumentation<br />
der Beschwerden<br />
und der Reaktionen darauf,<br />
teilweise auch mit provozierenden<br />
Sprüchen, die<br />
ein Nachdenken über gesellschaftliche<br />
Stereotype und<br />
Muster anregen sollen.<br />
Zur weiteren theoretischen<br />
Unterfütterung der<br />
stumpfen Bilder und Werbungen,<br />
die wir als solche<br />
natürlich nicht stehenlassen<br />
wollen, gibt es eine Veranstaltungsreihe<br />
(Termine<br />
und Themen auf der hinteren<br />
Umschlagseite). Die<br />
Vorträge beschäftigen sich<br />
mit Sexismus in der Werbung<br />
allgemein und der Verbindung<br />
mit Ethnizität und<br />
5
Whiteness sowie mit einigen<br />
Beispielen konkret. Der<br />
Workshop zu Bildern der<br />
Gesellschaft wird sich explizit<br />
mit Bildanalysen sexistischer<br />
Werbung auseinandersetzen<br />
und ein partizipativeres<br />
Element darstellen.<br />
Den TeilnehmerInnen<br />
sollen erste Kenntnisse und<br />
Methoden zur Bildanalyse<br />
vermittelt werden, um daraufhin<br />
sexistische Werbung<br />
erkennen und dekonstruieren<br />
zu können.<br />
Die<br />
” anti-lookism“-<br />
Ausstellung haben wir als<br />
Leihgabe aus Berlin. Dort<br />
gibt es eine Gruppe, die<br />
mit dem Projekt L“ Men-<br />
”<br />
schen für das Thema Lookism<br />
zu sensibilisieren und<br />
die Zusammenhänge mit anderenUnterdrückungsmechanismen<br />
(z. B. Sexismus/<br />
Rassismus) aufzuzeigen versucht.<br />
” Wir beschäftigen uns mit<br />
Lookism, da die meisten<br />
6<br />
Link:http://www.lookism.info<br />
anderen Diskriminierungsformen<br />
bereits einen gewissen<br />
Platz im öffentlichen<br />
Diskurs haben. Dies<br />
soll nicht bedeuten, dass<br />
wir diese Unterdrückungsmechanismen<br />
für weniger<br />
bedeutend und bekämpfenswert<br />
halten. Wir wollen<br />
<strong>hier</strong> auch nicht die Frage<br />
aufwerfen, welche dieser<br />
Formen die schlimmere/die<br />
schlimmste sei, sondern<br />
denken, dass in jedem<br />
Fall von Diskriminierung<br />
dementsprechender Widerstand<br />
wichtig und notwendig<br />
ist. Außerdem denken wir,<br />
dass Lookism auch Herrschaftsverhältnisse<br />
wie <strong>zum</strong><br />
Beispiel Geschlechter<strong>hier</strong>archien<br />
und Hierarchisierungen<br />
aufgrund von angenommenen<br />
” Ethnien“ transportiert<br />
und gehen von einer<br />
wechselseitig Abhängigkeit<br />
von Machtverhältnissen<br />
aus.“
Von Lookism zu Sexism<br />
Von Lookism zu Sexism - eine kurze Strecke<br />
Ziemlich schnell stellte<br />
sich heraus, dass die<br />
Werbung, die uns bei den<br />
Recherchen so entgegen<br />
kam, durch die Muster erzeugt<br />
wurde und diese auch<br />
permanent wiederholt, die<br />
Anti-Lookism kritisiert. Die<br />
Menschen darauf sind inszeniert.<br />
Die ” fat zero“-,<br />
Kleidung zero- und ” gutes<br />
Aussehen hat eine Norm“-<br />
Schiene verläuft ins Endlose.<br />
Diese Idealvorstellungen<br />
erzeugen unweigerlich<br />
Druck, selbst wenn<br />
mensch sich nicht im Zentrum<br />
des Mainstream verortet.<br />
Das Erzeugen von Mustern<br />
geschieht überall durch<br />
Wiederholen, Zitieren und<br />
pseudoindividuelles ” Verfeinern“aktueller<br />
Trends.<br />
Unsere Köpfe sind bis<br />
oben hin voll mit Bildern,<br />
Vorstellungen und Reglementierungen<br />
über Aussehen,<br />
Stil, Verhalten und Rollen<br />
der gesamten Menschheit.<br />
Die wird dann maximal<br />
in ” weiblich“und ” männlich“eingeteilt<br />
- reicht ja<br />
auch. Zur Ausweitung und<br />
Erneuerung - quasi als mo-<br />
Christian Mütze<br />
derne Version reaktionärer<br />
Ideen - wird die Praxis des<br />
Begriffs Gender Mainstreaming<br />
vorangetrieben.<br />
Gender Mainstreaming<br />
ist die Praxis, auf Verwaltungsebene<br />
und bei der<br />
Organisation von Unternehmen<br />
die unterschiedlichen<br />
Lebenssituationen<br />
von ” Männern“und ” Frauen“zu<br />
berücksichtigen. Gender<br />
Mainstreaming ist eine<br />
Kampagne, um den Postfeminismus<br />
endgültig ein zu<br />
läuten. Sprüche wie ” Was<br />
habt ihr denn, ladies? Ist<br />
doch alles schon längst super!<br />
Frauen stehen überall<br />
als gleichwertig zu Männern<br />
da, oder haben <strong>zum</strong>indest<br />
die Gelegenheit dazu. Jetzt<br />
hört mal auf rumzuzicken.<br />
Ist ja typisch, aber mittlerweile<br />
einfach unnötig.“sind<br />
wahrscheinlich schon jeder<br />
begegnet.<br />
Warum ekelt es uns an,<br />
dass die ” Frauen“so ” makellos“sind<br />
und warum scheint<br />
ein in gleicher Weise dargestellter<br />
” Mann“eine Abschwächung<br />
des sexistischen<br />
Grundtons zu sein? Der<br />
7
Blick in den Spiegel und<br />
die Gedanken dabei sind<br />
nicht frei von Lookism“-<br />
”<br />
und Normierungseinflüssen.<br />
Genauso wenig frei davon<br />
sind die MacherInnen der<br />
Werbungs-, Medien- und<br />
Informationsindustrie. Da<br />
liegt sie, die Crux. Die Strecke<br />
zwischen Sexismus und<br />
Lookism ist kurz.<br />
” Frauen“ sind so,<br />
” Männer“ sind so. Da fängt<br />
es an. Da fällt uns alles<br />
vor die Füße. Ansozialisierte<br />
Rollen werden verinnerlicht<br />
und reproduziert. Optische<br />
Eindrücke werden zu<br />
allererst in gängige Schubladen<br />
verfrachtet. Der Kodex<br />
vom Look der Frau-<br />
”<br />
en“, die irgendwie puppenhaft<br />
sind, begehrenswert für<br />
den Mann“sein wollen und<br />
”<br />
sollen, das Kostümchen für<br />
den hochdotierten Job immer<br />
bestens gebügelt haben<br />
und das Hemd für den<br />
einen Mann“an ihrer Seite<br />
”<br />
natürlich auch; ist nicht weniger<br />
massiv vorhanden als<br />
diverse, angedichtete Seinsgrundlagen<br />
für Männer“.<br />
”<br />
Auch der in der Werbung<br />
propagierte<br />
” Mann“muss<br />
zu hauen’, selbst wenn,<br />
oder gerade wenn er“den<br />
”<br />
auch zu Werbezwecken erfundenen<br />
mmetrosexuellen<br />
Mannrrepräsentiert. Der ist<br />
dann eben nicht so primitiv<br />
gesteuert; hat einen, die<br />
Zwei-Geschlechtergrenzen<br />
übergreifenden Stil; achtet<br />
auf sein Aussehen und<br />
schminkt sich dabei vielleicht<br />
sogar. Natürlich so,<br />
dass der Verdacht“schwul<br />
”<br />
zu sein, trotzdem nicht aufkommt.<br />
Normen für’s Aussehen<br />
sind Normen für’s<br />
Verhalten, für’s Sein. Menschen<br />
sind Männer“und<br />
”<br />
”<br />
tendenziell immer fähig sein<br />
’mal richtig auf den Tisch<br />
Frauen“- basta. Auf diesem<br />
Trugschluss basiert alles. Es<br />
geht nicht darum zu sagen:<br />
die paar Menschen, die<br />
durch diese Maschen durchfallen,<br />
dürfen nicht diskriminiert<br />
werden. Es geht darum,<br />
zu sagen: Diese Maschen<br />
sind eng und es fallen<br />
trotzdem verdammt viele da<br />
durch! Die zwei Kategorien,<br />
die Muster, die Minderheiten,<br />
die sich als Massen glauben,<br />
das Anpassen und Wiederholen<br />
von patriarchalen,<br />
<strong>hier</strong>archischen Menschenbewertungen<br />
müssen<br />
kreuzt werden!<br />
durch-<br />
8
Deckelt Sexismus!<br />
http://www.schoener-leben-goettingen.de/bierdeckel.htm<br />
Begleitend zu den beiden<br />
Ausstellungen gibt es<br />
seit kurzem in der Kneipe<br />
des studentischen Kulturzentrums<br />
auch frische neue<br />
Bierdeckel mit Comics gegen<br />
sexuelle Gewalt an Frauen.<br />
Warum das alles?<br />
Eine nicht unerhebliche Zahl<br />
(ca. ein Drittel) aller Vergewaltigungen<br />
nimmt in der<br />
Öffentlichkeit ihren Anfang<br />
– Gaststätten und Kneipen<br />
gehören dazu. Nicht ungewöhnlich<br />
ist auch, dass<br />
sexuelle Belästigungen und<br />
Übergriffe zwar in öffentlichen<br />
Räumen vorkommen,<br />
eine Reaktion oder Intervention<br />
der anwesenden Dritten<br />
aber meist nicht erfolgt.<br />
Dies auch, wenn Übergriffe<br />
im wahrsten Sinne offensichtlich<br />
sind.<br />
So bleibt die allerorts geforderte<br />
gesellschaftliche Zivilcourage<br />
auch für den Bereich<br />
sexuelle Gewalt eine<br />
leere Formel. Obwohl<br />
in der Öffentlichkeit Vergewaltigungeneinvernehmlich<br />
und in aller Deut-<br />
Deckelt Sexismus!<br />
lichkeit verurteilt werden,<br />
werden konkrete Situationen,<br />
die ein Handeln erforderlich<br />
machen (könnten),<br />
meist als uneindeutig und<br />
mit nur geringem Aufforderungscharakter<br />
erlebt. Dies<br />
nicht zuletzt, weil übergriffiges<br />
Verhalten gegenüber<br />
Frauen nur selten von anwesenden<br />
Dritten überhaupt<br />
als solches bewertet wird.<br />
Die heterosexuelle Matrix<br />
legt nahe, dass Frauen<br />
und Männer in ihrer angeblich<br />
ganz bestimmten Art<br />
für einander bestimmt seien<br />
und ihre Umgangsweisen<br />
ausschließlich zu ihrer<br />
Privatsphäre gehören sollten.<br />
Sexuelle Belästigungen<br />
und Übergriffe von Männern<br />
sowie abweisende Reaktionen<br />
der Frauen werden sogar<br />
häufig als gewöhnliches Flirtritual<br />
abgetan. Doch auch<br />
wenn übergriffiges Verhalten<br />
als ” zu weit gehend“ erlebt<br />
wird, bleibt die Bereitschaft,<br />
sich noch während<br />
dieses Vorfalls zu positionieren<br />
und gegebenenfalls ein<strong>zum</strong>ischen,<br />
in der Regel aus<br />
– manchmal vielleicht auch<br />
9
aus Unsicherheit.<br />
Und wozu nun das Ganze?<br />
Mit der Kampagne wollen<br />
wir einen Beitrag leisten,<br />
für das Thema sexuelle<br />
Übergriffe gegen Frauen<br />
in öffentlichen Räumen -<br />
und möglicherweise folgende<br />
Vergewaltigungen - zu sensibilisieren<br />
sowie das Auftreten<br />
und die Duldung sexueller<br />
Gewalt gegen Frauen zu<br />
reduzieren. Durch Hinweise<br />
sollen Reflektionen angeregt<br />
werden, welche Verhaltensweisen<br />
gegenüber Frauen<br />
bereits Übergriffe darstellen<br />
(können). Daneben<br />
soll die Kampagne durch<br />
die beispielhafte Nennung<br />
von Handlungsoptionen ermutigen<br />
und auffordern, sich<br />
frühzeitig in sexuell übergriffige<br />
Situationen ein<strong>zum</strong>ischen<br />
– insbesondere indem<br />
die belästigte Frau angesprochen<br />
und ihr ggf. Hilfe<br />
angeboten wird.<br />
Ziel ist es, in die herrschende<br />
Toleranz von sexueller<br />
Gewalt gegen Frauen<br />
zu intervenieren. Die Kampagne<br />
spricht bewusst die<br />
klassische Rollenzuweisung<br />
” Täter = Männer“und ” Opfer<br />
= Frauen“an, obwohl se-<br />
10<br />
xualisierte Gewalt auch jenseits<br />
solcher Geschlechterzuschreibungen<br />
in vielfältigen<br />
Formen ausgeübt und erfahren<br />
wird. Durch eine gezielte<br />
Konzentration auf einen<br />
wesentlichen Bereich gesellschaftlicher<br />
Realität und<br />
durch den Verzicht auf weitere<br />
Differenzierungen soll in<br />
der vorliegenden Kampagne<br />
die Prägnanz und damit die<br />
Wirksamkeit des Materials<br />
erhöht werden.<br />
Indem Bierdeckel mit<br />
antisexistischem Inhalt in<br />
Gaststätten und Kneipen<br />
eingesetzt werden, können<br />
die Themen Vergewaltigung<br />
und sexuelle Übergriffe genau<br />
an diejenigen Orte gebracht<br />
werden, um die es<br />
uns mit dieser Kampagne<br />
geht. Mit Hilfe des Comic-<br />
Designs soll sich das ernste<br />
Thema in verschiedene<br />
Kneipenkontexte leichter<br />
einbinden lassen.<br />
Die Bierdeckel sollen irritieren,<br />
ohne zu verunsichern<br />
oder zu verschrecken.<br />
Sie sollen Anlass für ein<br />
Gespräch <strong>zum</strong> Thema sein,<br />
ohne sich massiv aufzudrängen.<br />
Sie sollen niedrigschwellig<br />
ansprechen ohne<br />
auf Sachlichkeit zu verzichten.
Bunt ist alle Theorie<br />
Was ist Sexismus<br />
Eva Fels, Dagmar Fink, gekürzt und überarbeitet<br />
Allgemeine Definitionen<br />
Brockhaus (1984): aus dem<br />
Amerik. übernommener<br />
kritischer Begriff<br />
der emanzipatorischen<br />
Frauenbewegung, der<br />
die Formen der Benachteiligung<br />
und Unterdrückung<br />
der Frau<br />
auf Grund ihrer Geschlechtszugehörigkeit<br />
bezeichnet.<br />
Duden (1990): Haltung,<br />
Grundeinstellung, die<br />
darin besteht, einen<br />
Menschen allein auf<br />
Grund seines Geschlechts<br />
zu benachteiligen;insbesondere<br />
diskriminierendes<br />
Verhalten gegenüber<br />
Frauen.<br />
The Wordsworth Dictionary<br />
of Sex (1987): Ein<br />
Muster der Diskriminierung<br />
eines bzw. einer<br />
Einzelnen (normalerweise<br />
einer Frau)<br />
Was ist Sexismus?<br />
oder einer Gruppe,<br />
welches auf vorurteilsbeladeneAnnahmen<br />
und Haltungen<br />
zurückzuführen ist.<br />
Beispiele sind<br />
” Ei-<br />
ne Frau gehört ins<br />
Haus“, Frauen – das<br />
”<br />
schwache Geschlecht“,<br />
” Frauen sind zu emotional<br />
für Leitungspositionen“<br />
oder Frau-<br />
”<br />
en halten dem Wettbewerb<br />
nicht stand“.<br />
(Übers. D.F.)<br />
Feministische Definitionen<br />
Sexismus:<br />
” definiert die<br />
diskriminierenden<br />
Ideologien und Praktiken<br />
einer Gesellschaft,<br />
die sich in dem Spielraum<br />
niederschlagen,<br />
der einem Individuum<br />
zur Selbstverwirklichung<br />
gestattet wird,<br />
wobei das Geschlecht<br />
die Basis für selektive<br />
Auswahl oder Zurückweisung<br />
ist“.(Stoll,<br />
11
1973, zitiert in H.<br />
Schenk, 1979) ” Das<br />
gemeinsame Element<br />
des Sexismus besteht<br />
darin, dass eine Festlegung<br />
auf eine sozial<br />
definierte Geschlechtsrolle<br />
und damit eine<br />
Einengung erfolgt“.<br />
(H. Schenk, 1979, S.<br />
139)<br />
Sexismus ” ist Menschen<br />
aufgrund ihres Geschlechts<br />
zu stereotypisieren,<br />
so wie der<br />
Rassismus die Stereotypisierung<br />
von Menschen<br />
nach der Rasse<br />
ist“. (Sara Delamont,<br />
1980)<br />
” Sexismus bezeichnet sowohl<br />
die allgemeine<br />
Vorurteilshaltung:<br />
Menschen vor allem<br />
durch die Brille<br />
von Geschlechtsstereotypen<br />
zu sehen;<br />
wie auch den konkreten<br />
Inhalt des Vorurteils:<br />
sich aufgrund<br />
des eigenen männlichen<br />
Geschlechts für<br />
besser, klüger oder<br />
wichtiger als Frauen<br />
zu halten.“(Frauenhandlexikon,<br />
1983)<br />
12<br />
” Sexismus wird überall<br />
dort deutlich, wo<br />
Frauen zuerst als Geschlechtswesen<br />
und<br />
dann erst als Menschen<br />
betrachtet und<br />
behandelt werden.<br />
(Projekthandbuch:<br />
Gewalt und Rassismus,<br />
1993)<br />
Geschlecht ist das Fundament<br />
des Patriarchats.<br />
Es gibt keine männlichen<br />
Privilegien, wenn<br />
es keine Männer gibt<br />
(Kate Bornstein, 1995,<br />
S, 115).<br />
Sexismus und Rassismus<br />
Historisch gesehen wurde<br />
der Begriff ” Sexismus“ in<br />
den 60er Jahren von der
US-amerikanischen Frauenbewegung<br />
in Analogie <strong>zum</strong><br />
Begriff des Rassismus entwickelt<br />
und sollte ein Unterdrückungsverhältnisüberhaupt<br />
erstmals benennbar<br />
machen. Die Sexismus-<br />
Kritik konzentrierte sich auf<br />
Benachteiligung und Ausgrenzung<br />
von Frauen ALS<br />
FRAUEN. Die Fokussierung<br />
auf die allgemeine Kategorie<br />
” Geschlecht“ entwickelte<br />
sich erst später. Das erklärt<br />
sich daraus, dass allgemein<br />
bis vor nicht allzu langer<br />
Zeit die Begriffe Frauen<br />
und Geschlecht nahezu synonym<br />
gebraucht wurden, da<br />
– mit Monique Wittig gesprochen<br />
– nur Frauen als<br />
Menschen mit einem Geschlecht<br />
gesehen wurden, als<br />
Abweichung von der Norm<br />
MANN, welcher geschlechtlich<br />
nicht markiert wurde.<br />
Dies galt und gilt jedoch<br />
nur für den heterosexuellen<br />
Mann. Sexismus steht also<br />
im Verhältnis zu<br />
Heterosexismus.<br />
Der Heterosexismus naturalisiert<br />
Heterosexualität und<br />
setzt diese – als einzige,<br />
oder einzig ” normale“– Sexualität<br />
überall voraus. Da-<br />
Was ist Sexismus?<br />
bei werden bei weitem nicht<br />
nur Homosexuelle unsichtbar<br />
gemacht bzw. als ” nicht<br />
normal“ dargestellt, sondern<br />
alle, die dem heterosexistischen<br />
Mann/Frau – Bild<br />
nicht entsprechen. Das betrifft<br />
auch Heterosexuelle,<br />
die als Schwulen und Lesben<br />
” beschimpft“ werden<br />
und so unter Druck geraten,<br />
sich den heteronormen Geschlechtermusternanzupassen.<br />
Judith Butler<br />
” Der Begriff heterosexuelle<br />
Matrix steht [...] für das<br />
Raster der kulturellen Intelligibilität,<br />
durch das die<br />
Körper, Geschlechtsidentitäten<br />
und Begehren naturalisiert<br />
werden. [...] Es geht<br />
darum, ein hegemoniales<br />
diskursives/ epistemisches<br />
Modell der Geschlechter-<br />
Intelligibilität zu charakterisieren,<br />
das folgend unterstellt:<br />
Damit die Körper eine<br />
Einheit bilden und sinnvoll<br />
sind, muss es ein festes<br />
Geschlecht geben, das durch<br />
die zwanghafte Praxis der<br />
Heterosexualität gegensätzlich<br />
und <strong>hier</strong>archisch definiert<br />
ist. “(Butler 1991, S.<br />
220, Fn6; Hervorh. d.A.)<br />
13
Sexismus im Verhältnis zu<br />
anderen sozialen<br />
Kategorien<br />
Wenn zuvor gesagt wurde,<br />
dass nur das Konzept<br />
des heterosexuellen Mannes<br />
unmarkiert in der Geschlechterordnung<br />
bleibt, so<br />
muss weiter präzisiert werden,<br />
dass dies nur für die<br />
Idealkonstruktion des heterosexuellen,<br />
weißen, bürgerlichen<br />
Mittelstandsmannes<br />
gilt. Sexismus verschränkt<br />
sich nämlich nicht nur mit<br />
Heterosexismus, sondern<br />
auch mit allen anderen sozialen<br />
Kategorisierungen.<br />
Elizabeth Spelman: ” Insgesamt<br />
gesehen werden in<br />
der additiven Analyse von<br />
Sexismus und Rassismus alle<br />
Frauen vom Sexismus und<br />
manche Frauen zusätzlich<br />
vom Rassismus unterdrückt.<br />
Eine solche Analyse verzerrt<br />
die Erfahrungen der Unterdrückung,<br />
wie sie schwarze<br />
Frauen erleben, weil sie<br />
wichtige Unterschiede in<br />
dem Kontext nicht berücksichtigt,<br />
in dem schwarze<br />
und weiße Frauen Sexismus<br />
erfahren. Die additive Analyse<br />
legt zudem den Schluß<br />
nahe, die Rassenidentität einer<br />
Frau ließe sich von der<br />
Summe ihrer Geschlechts-<br />
14<br />
und Rassenidentität quasi<br />
>subtra<strong>hier</strong>en
xistischen Ideologien wie<br />
Frauen seien mütterlich,<br />
sozialer, weniger wehleidig<br />
etc. sind typische Beispiele<br />
dafür; auch sie binden Menschen<br />
in das Korsett der ” typischen<br />
Weiblichkeit“ ein.<br />
Der Gebrauchswert des Geschlechts<br />
erhält durch den<br />
Sexismus einen gefühlten<br />
Marktwert. Nochmal Judith<br />
Butler: ” Dass die Geschlechterrealität<br />
durch aufrechterhaltendegesellschaftliche<br />
Performance geschaf-<br />
Was ist Sexismus?<br />
fen wird, bedeutet gerade,<br />
dass die Begriffe der wahren<br />
und unvergänglichen<br />
Männlichkeit und Weiblichkeit<br />
ebenfalls konstituiert<br />
sind.“(1991, S.208)<br />
Sexismus zeigt sich nicht<br />
nur in der normativen Stilisierung<br />
des eigenen Geschlechts.<br />
Sexismus ist auch,<br />
von anderen zu erwarten<br />
oder zu verlangen,<br />
dass sie Geschlechternormen<br />
verkörpern.<br />
[Gekürzte und geringfügig überarbeitete Version des Textes:<br />
Eva Fels, Dagmar Fink: ” Was ist Sexismus?“ Impulsreferat<br />
vom 2.2.2002 in Wien]<br />
Literatur:<br />
• Butler, Judith (1991). Das Unbehagen der Geschlechter.<br />
Frankfurt a.M.: Suhrkamp.<br />
• Spelmann, Elizabeth (2002). Inessential Women. Problems<br />
of exclusion in feminist thoght. Boston: Beacon<br />
Press.<br />
• Wittig, Monique (1994). The Straight Mind and other<br />
essays. Boston: Beacon Press.<br />
15
Dimensionen der Werbung Sahra Dornick<br />
Soziale Kommunikation in<br />
der Werbung<br />
Bei der Betrachtung der<br />
Rolle von Werbung in der<br />
Gesellschaft, konzentrieren<br />
sich die meisten KommentatorInnen<br />
auf ihre Funktion<br />
für die Wirtschaft. Viele<br />
KritikerInnen setzen sich<br />
mit Frage auseinander, ob<br />
Werbung überhaupt einen<br />
direkten Einfluss auf das<br />
Kaufverhalten der KonsumentInnen<br />
ausüben kann.<br />
Eine andere Komponente,<br />
die stark diskutiert wird, ist<br />
die der Wettbewerbsverzerrung.<br />
Denn, so Leiss in ihrem<br />
Text ” Critcisms of Advertising“:<br />
” advertising allows<br />
inefficient large manufacturers<br />
to dominate the<br />
scene because newer (and<br />
presumably more efficient)<br />
producers cannot allocate<br />
the large advertising budgets<br />
required to break into<br />
the market“. (Leiss 16)<br />
Auf diese Weise wird der Bereich<br />
der Werbung zu einer<br />
Zugangsbarriere für kleinere<br />
Firmen. Leiss spricht in<br />
diesem Zusammenhang von<br />
einer ” unhealthy oligopoli-<br />
16<br />
stic control of prices and<br />
supplies of goods“. (ebd.).<br />
Sowohl die marxistische, als<br />
auch die neoliberale Kritik<br />
der Werbung kommen zu<br />
dem Schluss, dass Werbung<br />
darüber funktioniert, dass<br />
sie erst einen Bedarf bei<br />
den KonsumentInnen stiftet,<br />
that advertising crea-<br />
”<br />
tes demand among the consumers.<br />
(ebd.) Verkürzt zusammengefasst,<br />
lässt sich<br />
die neoliberale Position folgendermaßen<br />
beschreiben:<br />
” that a managed economy<br />
is desirable, but within such<br />
an economy advertising is<br />
seen as unnecessary and disadvantageous<br />
to the public<br />
welfare“. (Leiss 17) Die<br />
marxistische Position zieht<br />
sich <strong>hier</strong> auf das Argument<br />
zurück, dass Werbung essentiell<br />
für die Reproduktion<br />
der Ausbeutungsstrukturen<br />
des fortgeschrittenen Kapitalismus<br />
ist.<br />
Wie schafft Werbung<br />
Bedarf?<br />
Mehrere Faktoren sind<br />
<strong>hier</strong> zu betrachten. Einmal<br />
hat die Werbung durch
den “technologischen Fortschritt“<br />
an Einflussmöglichkeiten<br />
gewonnen. So beschreibt<br />
Packard in seinem<br />
Text The Hidden Persua-<br />
”<br />
ders“, dass Werbung sich<br />
in unser alltägliches Leben<br />
eingeschrieben hat. Er konstatiert<br />
bereits 1957: Lar-<br />
”<br />
ge scale efforts are being<br />
made, often with impressive<br />
success, to channel<br />
our unthinking habits, our<br />
purchasing decisions and<br />
our thought processes by<br />
the use of insights gleaned<br />
from psychiatry and<br />
the social sciences“. (Leiss<br />
19) Die Effekte der Werbung<br />
wirken vor allem also<br />
unterhalb unseres Bewusstseins.<br />
Bourdieu zeigt in seinem<br />
Text ”Die feinen Unterschiede“,<br />
wie die Inkorporierung<br />
von gesellschaftlichen<br />
Denk- Interpretationsund<br />
Deutungsmustern unter<br />
anderem auch zu der Herausbildung<br />
eines als individuell<br />
erlebten spezifischen<br />
”<br />
Geschmackes“ führt. Die<br />
Herausbildung eines Habitus<br />
unterliegt jedoch immer<br />
bereits Herrschaftseffekten:<br />
” Der Unterscheidungssinn,<br />
discretio, der scheidet, was<br />
geschieden werden, und vereint,<br />
was vereint werden<br />
Dimensionen der Werbung<br />
muß [. . . ]ist, was über das<br />
Verstehen, nämlich das inkorporierteKlassifikationssystem<br />
hinausgeht“. (Bourdieu<br />
740)<br />
’Falsche Symbole’<br />
Stuart Ewen hat sich damit<br />
beschäftigt, auf welche<br />
Weise die Werbebotschaften<br />
in den 20er Jahren des<br />
20. Jahrhundert die KonsumentInnen<br />
zu einem wesentlichen<br />
Teil der sozialen<br />
Bedeutung ihrer Produk-<br />
te machten. Ewen schreibt:<br />
” Advertisers, therefore, effected<br />
a ’self-concscious<br />
change in the psychic economy’<br />
(Ewen 1976) by flooding<br />
the marketplace with<br />
suggestions that individuals<br />
should buy products in order<br />
to encounter something<br />
in the realm of social or psychological<br />
experience that<br />
previously had been unavailable<br />
to them”. (Leiss 24)<br />
Raymond Williams hat<br />
bereits 1962 auf die symbolische<br />
Komponente der Werbung<br />
hingewiesen. So stellt<br />
er fest, dass die Unterscheidung<br />
zwischen Produkten,<br />
die “etwas für uns<br />
tun können“ und Produkten<br />
“die etwas für uns bedeu-<br />
17
ten“ deutlich macht, dass<br />
das Bild der modernen Gesellschaft<br />
als einer materialistischen<br />
Gesellschaft – also<br />
einer Gesellschaft die sich<br />
durch das Besitzen von Produkten<br />
auszeichnet – eigentlich<br />
falsch ist, da die KonsumentInnen<br />
nicht am Besitz,<br />
sondern vielmehr an der Bedeutung<br />
der Produkte interessiert<br />
sind.<br />
Magie auf dem Markt<br />
Leiss macht in ihrem Text<br />
klar, dass die KonsumentInnen<br />
vom Versprechen der<br />
Werbung, dass die Produkte<br />
etwas Besonderes für<br />
sie tun werden oder wie<br />
Leiss schreibt: ” something<br />
magical that will transform<br />
their lives“ beeinflusst<br />
werden. (Leiss 25).<br />
Varda Leymore (1975) vermutet,<br />
dass Werbung ähnlich<br />
wie Mythologie in primitiven<br />
Gesellschaften funktioniert.<br />
Die Werbung verspricht<br />
uns einfache, angstreduzierende<br />
Antworten auf<br />
komplexe Probleme des modernen<br />
Lebens, ” by playing<br />
on the deep symbolic structures<br />
of the human imagination“.<br />
(Leiss 25) Leiss weist<br />
darauf hin, dass die Gefahr<br />
18<br />
besteht, dass die Symbole<br />
und Imaginationen der Werbung,<br />
von den Menschen für<br />
” real“ – real <strong>hier</strong> in dem<br />
Sinn, dass sie etwas über die<br />
Existenz aussagen - gehalten<br />
werden müssen und andererseits,<br />
dass die Schaffung von<br />
Stereotypen durch die Werbung,<br />
die Wahrnehmung der<br />
Menschen untereinander so<br />
beeinflusst, dass sie sich als<br />
Dinge wahrnehmen, die auf<br />
einem vorgestellten“ Markt<br />
”<br />
austauschbar erscheinen.<br />
Werbung als Soziale<br />
Kontrolle und Ideologie<br />
Werbung hat indem sie<br />
durch Massenproduktion erzeugte<br />
Güter symbolisch besetzt,<br />
Einfluss auf die Wertesysteme<br />
von Gesellschaften.<br />
Susan Bordo zeigt in<br />
ihrem vielbeachteten Text<br />
” Reading the Slender Body“,<br />
wie sich das Idealbild<br />
des schlanken weibli-<br />
”<br />
chen Körpers“ an die Managementmetaphern<br />
anlehnt.<br />
So bescheibt, sie, dass der<br />
schlanke Körper ein Zeichen<br />
dafür ist, ob das Subjekt,<br />
welchem dieser Körper zugeschrieben<br />
wird, den Körper<br />
in einer von der Gesellschaft<br />
anerkannten Weise “mana-
gen“ kann. Bordo macht<br />
deutlich, dass der Mythos<br />
des ” Slender Body“ mit<br />
diversen anderen Mythen<br />
über ” Frauen“ korrespondiert.<br />
Diese Korrespondenz<br />
erlaubt es, so zeigt auch<br />
Nancy Leys Stepan in ihrem<br />
Text ” Race and Gender<br />
– The Role of Analogy<br />
in Science“, dass der Mythos<br />
als ” wirklich“ erlebt<br />
wird. Gleichzeitig so Bordo,<br />
hat sich um den schlanken<br />
Körper eine ganze Diätund<br />
Fitnessindustrie entwickelt,<br />
deren Existenz, den<br />
Mythos zusätzlich reproduziert.<br />
Bordos Text illustriert<br />
einerseits, in welcher Weise<br />
Werbung gesellschaftliche<br />
Normen setzt und wie es<br />
ihr gelingt, ganze Wissensformation<br />
zu durchdringen<br />
und neu zu produzieren (Kalorientabellen,<br />
Body-Maß-<br />
Index, ” gutes“ und ” schlechtes“<br />
Essen). Andererseits<br />
weist Bordo auf die gefährlichen<br />
Aspekte dieser durch<br />
die kapitalistische Vermarktungsindustrie<br />
künstlich ge-<br />
schaffenen<br />
” Wirklichkeit“<br />
hin. Unzählige Frauen begeben<br />
sich nicht nur in die<br />
Hände der plastischen Chirurgie,<br />
sondern reagieren auf<br />
die Paranoia des ” Dicksein“<br />
Dimensionen der Werbung<br />
mit schweren psychischen<br />
Störungen, die beispielsweise<br />
in den körperschädigenden<br />
Praktiken von Bulimie<br />
und Anorexie ihren Ausdruck<br />
finden.<br />
Wie kann Widerstand<br />
funktionieren?<br />
Über soziale Praktiken finden<br />
die Werbebotschaften<br />
schließlich ihren Weg nicht<br />
nur in unser Unbewusstes,<br />
sondern auch in unsere<br />
Körper. Dabei geht Werbung<br />
jedoch nicht totalisierend<br />
vor, vielmehr, so Peggy<br />
Phelan, folgt Repräsentation<br />
zwei Gesetzen: ” it always<br />
conveys more than it<br />
intends; and it is never totalizing.<br />
The ’Excess’ meaning<br />
conveyed by representation<br />
creates a supplement that<br />
makes multiple and resistant<br />
readings possible“. (Phelan<br />
29) Im Spiel der Bedeutungen<br />
gibt es immer auch<br />
die Möglichkeit, Bedeutungen<br />
subversiv zu unterlaufen<br />
und damit ihre Konstruiertheit<br />
offensichtlich zu machen.<br />
Die subversive Komponente,<br />
die sich im wesentlichen<br />
daraus ergibt, dass<br />
Bedeutungen ständig reproduziert<br />
werden müssen,<br />
19
um an der gesellschaftlichen<br />
Oberfläche präsent<br />
zu sein, eröffnet gleichzeitig<br />
den Raum für Wider-<br />
Literatur<br />
20<br />
stand gegen die kapitalistische<br />
Umdeutung der gesellschaftlichen<br />
Werte. (Butler<br />
212)<br />
• Bordo, Susan (1995): Reading the Slender Body in:<br />
Unbearable Weight. California Press.<br />
• Bourdieu, Pierre (1987): Die feinen Unterschiede. Suhrkamp.<br />
• Butler, Judith (1991): Das Unbehagen der Geschlechter.<br />
Suhrkamp.<br />
• Leiss, W et al (1990): Social Communication in Advertising.<br />
2nd edition. K.a.<br />
• Phelan, Peggy (1993): Broken Symmetries: Memory,<br />
Sight, Love in: Unmarked: The Politics of Performance.<br />
Routledge.<br />
• Stepan, Nancy Leys (1993): Race and Gender: The<br />
Role of Analogy in Sciences in: The Racial Economy<br />
of Sciences. Toward a Democratic Future. Indiana<br />
University Press.
Zwischen Flüchtigkeit und Feststellbarem<br />
Essay: Zwischen Flüchtigkeit und<br />
Feststellbarem – Bilder der Gesellschaft<br />
Der vorliegende Text begibt<br />
sich auf die Suche<br />
nach einer möglichen Antwort<br />
auf die Frage, welchen<br />
Raum Werbung innerhalb<br />
einer Gesellschaft einnimmt.<br />
Daneben konzentriert sich<br />
das Essay auch auf die Frage,<br />
welches Versprechen die<br />
Werbung in einer modernen<br />
Gesellschaft geben kann.<br />
Der universale Zweifel<br />
Sahra Dornick<br />
Zygmunt Baumann schreibt<br />
in seinem Text Flüchtige<br />
”<br />
Moderne“: [Es] bieten sich<br />
”<br />
’Flüchtigkeit’ und ’Flüssigkeit’<br />
als passende Metaphern<br />
an, wenn man das<br />
Spezifische unserer Gegenwart,<br />
jener in vielen Hinsichten<br />
neuartigen Phase in der<br />
Geschichte der Moderne, erfassen<br />
will.“ (Baumann 8)<br />
Angetreten mit dem Ziel der<br />
” Entmachtung der Vergangenheit,<br />
vor allen Dingen<br />
und zuallererst der Tradition<br />
mit ihrem Bodensatz<br />
vergangener Zeiten [und] ihren<br />
Relikten in der Gegenwart“,<br />
erforderte [dies] die<br />
”<br />
Zerschlagung jenes Schutzpanzers<br />
aus Glauben und<br />
Loyalitäten, der die sozialen<br />
Festkörper gegen die ’liquidierende<br />
Verflüssigung’ sicherte.“<br />
(Baumann 9) ” Eines<br />
der stärksten Motive<br />
für den Drang, das Alte<br />
aufzulösen“, so Baumann<br />
weiter, ” war der Wunsch<br />
neue Stabilitäten zu entdecken<br />
oder zu erfinden, Stabilitäten,<br />
die sich zur Abwechslung<br />
einmal als wirklich<br />
stabil erweisen sollten,<br />
auf die man sich verlassen<br />
konnte und dank deren die<br />
Welt vorhersehbar und damit<br />
steuerbar werden sollte.“<br />
(Baumann 10) Mit René<br />
Descartes beginnt 1637, <strong>zum</strong>indest<br />
innerhalb der Philosophie,<br />
die Ära des ” radikalen<br />
Zweifels“ und damit<br />
der Umbruch in eine<br />
Zeit der Suche nach neuen<br />
Stabilitäten. So fragt sich<br />
Descartes: ” Ich setze also<br />
voraus, daß alles, was ich<br />
sehe, falsch ist, ich glaube,<br />
daß niemals etwas von<br />
dem allen existiert hat, was<br />
21
das trügerische Gedächtnis<br />
mir darstellt: ich habe überhaupt<br />
keine Sinne; Körper,<br />
Gestalt, Größe, Bewegung<br />
und Ort sind nichts als<br />
Chimären. Was also bleibt<br />
Wahres übrig?“ (Descartes<br />
17) Zwei Antworten gibt uns<br />
Descartes auf diese Frage:<br />
1. Vielleicht nur dies Ei-<br />
”<br />
ne, daß es nichts Gewisses<br />
gibt.“ (Descartes 17) und 2.<br />
” Das Denken ist´s, es allein<br />
kann von mir nicht getrennt<br />
werden: Ich bin, ich existiere,<br />
das ist gewiß.“(Descartes<br />
20) Kant schließt an diesen<br />
Gedanken Descartes an<br />
und schreibt 1781 in der<br />
” Kritik der reinen Vernunft:<br />
” Das: Ich denke, muß al-<br />
Das Bild – Zwischen<br />
Realität und Imagination<br />
le meine Vorstellungen begleiten<br />
können; denn sonst<br />
würde etwas in mir vorgestellt<br />
werden, was gar nicht<br />
gedacht werden könnte [. . . ]<br />
Diejenige Vorstellung, die<br />
vor allem Denken gegeben<br />
sein muß, heißt Anschauung.“<br />
(Kant 178) Daraus erklärt<br />
sich, dass alles Man-<br />
”<br />
nigfaltige der Anschauung<br />
eine notwendige Beziehung<br />
auf das: Ich denke“ haben<br />
muss. Denken, Vorstellung<br />
und Anschauung sind also<br />
miteinander im Subjekt verwoben.<br />
Die Wortanalyse zu dem<br />
Begriff “Bild“ macht deutlich,<br />
dass der alltägliche Gebrauch<br />
der Worte “real“<br />
und “irreal; imaginär“ die<br />
Gemeinsamkeit von Denken<br />
und Vorstellen eindeutig<br />
unterläuft. In der<br />
englischen Sprache treffen<br />
wir für “Bild“ auf das<br />
Wort “image“ und das<br />
Französische kennt das Wort<br />
” l´image“. Das ebenfalls in<br />
diese Wortfamilie gehörende<br />
Adjektiv<br />
” imaginär“<br />
kommt aus dem lateinischfranzösischen<br />
und bedeutet<br />
bildhaft“ oder, wie das<br />
”<br />
Fremdwörterbuch noch anmerkt:<br />
nur in der Vor-<br />
”<br />
stellung vorhanden, nicht<br />
wirklich, nicht real“. Laut<br />
Fremdwörterbuch kommt<br />
das Wort real aus dem<br />
lateinischen und bedeutet<br />
” 1.dinglich, sachlich; Gegensatz<br />
imaginär“ und 2. wirk-<br />
”<br />
lich, tatsächlich; der Realität<br />
entsprechend; Gegensatz<br />
irreal“.<br />
Die Unterscheidung zwischen<br />
etwas, das real ist und<br />
etwas, das nicht real ist,<br />
verläuft scheinbar zwischen<br />
Dinglichkeit und Bildhaftigkeit.<br />
22
Der Mythos<br />
Vielleicht kann ein neuer<br />
Begriff, der Begriff des<br />
“Mythos“, mehr Klarheit in<br />
die mittlerweile verworren<br />
scheinende Situation bringen.<br />
Bisher stehen sich zwei<br />
verschiedene Meinungen gegenüber:<br />
der alltägliche<br />
Wortgebrauch unterscheidet<br />
zwischen sachlichen, dinglichen<br />
Dingen und ” nur in der<br />
Vorstellung vorhanden[en],<br />
nicht wirklich[en]“ Dingen.<br />
Die Philosophen Descartes<br />
und Kant kommen zu dem<br />
Schluss, dass nur das Denken<br />
gewiss ist und die Vorstellung<br />
das Denken begleiten<br />
muss.<br />
Der Begriff des Mythos,<br />
wie ihn uns Roland Bartes<br />
in seinem Text ” Mythen<br />
des Alltags“ anbietet,<br />
hebt zwar den Gegensatz<br />
zwischen ” Dinglichem“<br />
und ” Vorgestelltem“ nicht<br />
auf, jedoch markiert er eine<br />
andere Weise mit der<br />
Unterscheidung umzugehen.<br />
Er fragt nicht, was gibt<br />
es ” Dingliches“, sondern wie<br />
wird innerhalb der Sprache<br />
mit ” Dinglichem“ umgegangen?<br />
Zunächst einmal stellt<br />
er klar: ” Es wäre höchst irrig,<br />
eine substantielle Unterscheidung<br />
zwischen den my-<br />
Zwischen Flüchtigkeit und Feststellbarem<br />
thischen Objekten treffen zu<br />
wollen; da der Mythos eine<br />
Aussage ist, kann alles,<br />
wovon ein Diskurs Rechenschaft<br />
ablegen kann, Mythos<br />
werden. Der Mythos<br />
wird nicht durch das Objekt<br />
seiner Botschaft definiert,<br />
sondern durch die<br />
Art und Weise, wie er diese<br />
ausspricht.“ (Barthes 85)<br />
Die Frage nach der Art<br />
und Weise des Aussprechens<br />
verweist darauf, dass den<br />
Mythos nicht sein Inhalt<br />
kennzeichnet, sondern seine<br />
Form. Barthes schreibt:<br />
” Das Bedeutende des Mythos<br />
erweist sich als doppeldeutig.<br />
Es ist zugleich Sinn<br />
und Form, einerseits erfüllt,<br />
andererseits leer.“ (Barthes<br />
96) Doch“, so Barthes, der<br />
” ”<br />
entscheidende Punkt bei alledem<br />
ist, daß die Form den<br />
Sinn nicht aufhebt; sie verarmt,<br />
sie entfernt ihn nur,<br />
sie hält ihn zur Verfügung.<br />
[. . . ] Der Sinn verliert seinen<br />
Wert, aber er bleibt am Leben,<br />
und die Form des Mythos<br />
ernährt sich davon. Der<br />
Sinn ist für die Form wie<br />
ein Vorrat an Geschichte.“<br />
(Barthes 97)<br />
Ein Mythos entsteht, in<br />
dem eine Aussage, immer<br />
wieder in einer bestimmten<br />
23
Form auftaucht. Das ständige<br />
Zitieren von Sätzen, wie:<br />
” Wenn zwei sich streiten,<br />
freut sich der Dritte“ sichert<br />
einerseits die Bekanntheit<br />
des Satzes und tötet andererseits<br />
gleichzeitig die Geschichtlichkeit<br />
der Aussage.<br />
Denn die Aussage kann sich<br />
nicht mehr ausweisen, die<br />
Frage: wer spricht? bleibt<br />
unbeantwortet, wie auch die<br />
Frage: für wen ist wann diese<br />
Aussage gültig?<br />
Mythos, Ideologie und<br />
das Subjekt<br />
Zwei weitere Dimensionen<br />
gilt es, wie Louis Althusser<br />
deutlich macht, bei der<br />
Untersuchung der Sprache<br />
und ihrer gesellschaftlichen<br />
Effekte, zu beachten. Sprache<br />
wird von Subjekten innerhalb<br />
von Praktiken benutzt,<br />
die nicht apriori gesetzt<br />
sind. Vielmehr hängen<br />
die Praktiken mit der Reproduktion<br />
der Produktionsverhältnisse<br />
zusammen.<br />
Althusser beschäftigt sich<br />
in seinem Aufsatz ” Ideologie<br />
+ ideologische Staatsapparate“<br />
mit den generellen<br />
- also überzeitlichen -<br />
Strukturen der Wirkungsweise<br />
der Ideologie im Pro-<br />
24<br />
zess der Reproduktion der<br />
Produktionsverhältnisse. Er<br />
bemerkt in seinem Aufsatz,<br />
dass die Weltanschauungen<br />
weitgehend imaginär sind<br />
und dass eine Ideologie immer<br />
in einem Apparat und<br />
dessen Praxis oder Praktiken<br />
existiert. Die Kategorie<br />
des ” Dinglichen“ ist also<br />
nicht ausreichend, um zu<br />
klären, ob etwas real ist.<br />
Denn Realität entsteht für<br />
das Subjekt im Teilnehmen<br />
an einer Praxis. Interessanterweise<br />
kommt Althusser<br />
<strong>hier</strong> zu dem Schluss, dass<br />
das jeweilige Individuum, in<br />
dem es sich in verschiedenen<br />
Weisen in der Gesellschaft<br />
verhält, als Subjekt<br />
an festgelegten Praktiken<br />
teilnimmt. Diese Praktiken,<br />
so Althusser, seien identisch<br />
mit der Ideologie, sie<br />
seien Praktiken des ideologischen<br />
Staatsapparates. Die<br />
Ideen der Subjekte seien<br />
infolgedessen nur scheinbar<br />
frei gewählt, auch wenn die<br />
Subjekte diese Ideen ” bei<br />
vollem Bewußtsein“ wählen<br />
würden. (ebd.)<br />
Zurück zur Werbung<br />
Werbung arbeitet mit Sprache,<br />
sprachlichen Bildern
und Abbildungen. Damit<br />
ist sie direkt eingelassen<br />
in die Praktiken der Gesellschaft.<br />
Unablässig schafft<br />
Sprache Mythen, Regeln,<br />
Praktiken, Bilder und verschafft<br />
mit diesen diskursiven<br />
Stabilitäten, den Individuen<br />
einen Raum, in dem<br />
Realität möglich wird. So<br />
weist Hannah Arendt in der<br />
” Vita activa“ darauf hin,<br />
dass die Art und Wei-<br />
”<br />
se, in der Menschen Wirkliches<br />
als wirklich erfahren,<br />
verlangt, daß sie die<br />
sc<strong>hier</strong>e Gegebenheit der eigenen<br />
Existenz realisieren,<br />
[. . . ], um zu artikulieren<br />
und zu aktualisieren, was sie<br />
sonst nur erleiden und erdulden<br />
würden.“ (Arendt 264)<br />
Arendt bietet <strong>hier</strong> weiter an,<br />
dass die Realität der Welt“<br />
”<br />
nur vermöge eines Gemein-<br />
”<br />
sinns“ erkannt werden kann.<br />
Durch Sprache wird ein Austausch<br />
zwischen den Individuen<br />
möglich, der jedoch<br />
nicht naiv in einem “weißen<br />
Raum“ gedacht werden darf.<br />
Vielmehr hat bereits Kant<br />
gezeigt, dass die Anschauung<br />
dem Denken als Grundbedingung<br />
vorhergeht. Und<br />
Althusser und Barthes zeigen,<br />
dass die Anschauung<br />
durch unsere Sprache beein-<br />
Zwischen Flüchtigkeit und Feststellbarem<br />
flusst wird. Ein Gleiten zwischen<br />
Sprache, sprachlichem<br />
Bild und Abbildung ist problemlos<br />
möglich, so kann<br />
ein durch Sprache geäußertes<br />
sprachliches Bild auch<br />
abgebildet werden. Abbildungen<br />
können sich auf das<br />
Benutzen von sprachlichen<br />
Bildern auswirken und somit<br />
Eingang in die Sprache<br />
finden. Die Werbung<br />
schafft nach Barthes Definition<br />
ständig Mythen. Sie<br />
nutzt die Sehnsucht nach<br />
Feststellbarem aus und suggeriert<br />
durch Auslöschung<br />
der Geschichte von Abgebildetem<br />
Überzeitlichkeit und<br />
damit Stabilität. Problematisch<br />
wird Werbung gerade<br />
durch diese Stabilität.<br />
Sexismus in der Werbung<br />
So stellt die “Frau“ eine<br />
ständig zitierte Metapher<br />
dar. Silvia Boevenschen<br />
macht in ihrem Text: ” Die<br />
imaginierte Weiblichkeit“<br />
deutlich, dass das ” derart in<br />
Sphinx-Bilder und Rätsel-<br />
Metaphern eingebundene<br />
Weibliche [. . . ] möglicherweise<br />
überhaupt erst im<br />
Vorgang des Grübelns, des<br />
Wünschens, des [männlichen<br />
sd] Phantasierens<br />
25
[entsteht].“ (Boevenschen<br />
69) Auch sie unterläuft<br />
die Unterscheidung real/imaginär<br />
und konstatiert:<br />
” In der legendenträchtigen<br />
und bildhungrigen Erinnerung<br />
können allerdings auch<br />
reale Frauen, die auf irgendeinem<br />
Gebiet eine historische<br />
oder/und eine kulturelle<br />
Bedeutung erlangt<br />
haben, zu Figurinen des<br />
die Phantasie beflügelnden<br />
imaginativen Weiblichkeitspanoptikums<br />
und damit<br />
<strong>zum</strong> Gegenstand dieses<br />
Grübelns werden.“ (Boevenschen<br />
69) Boevenschen<br />
spielt <strong>hier</strong> darauf an, dass<br />
die – <strong>zum</strong> Beispiel – literarische<br />
Stilisierung verschiedener<br />
Frauentypen, den RezipientInnen<br />
den Eindruck<br />
vermittelt, diese Frauentypen<br />
würden die Existenzweisen<br />
von Menschen weiblichen<br />
Geschlechts real abbilden.<br />
Sie merkt an, dass sehr<br />
wohl unterschieden werden<br />
muss zwischen den verschiedenenRepräsentationsformen<br />
des Weiblichen und den<br />
Diskurstypen, in denen diese<br />
thematisiert werden. (Boevenschen<br />
ebd.) Diese Unterscheidung<br />
im Blick zu<br />
behalten, schließt an die<br />
Überlegungen von Barthes<br />
26<br />
und Althusser an, welche<br />
der Sprache eine wesentliche<br />
und nicht unkritische<br />
Produktions- und Reproduktionspotenz<br />
der Gesellschaft<br />
zuerkennen. Sexismus<br />
in der Werbung überquert<br />
qua Sprach- und Bildlichkeit<br />
die Grenze zur “Realität“.<br />
Die an den (Werbe-<br />
)Praktiken teilnehmenden<br />
Individuen reproduzieren<br />
die Abbildungen durch <strong>zum</strong><br />
Beispiel sexistisches Kategorisieren<br />
von Menschen und<br />
weisen ihnen “vorgestellte“<br />
– also imaginierte Stereotypen<br />
zu. Das Versprechen<br />
der Stabilität der die Mythen<br />
bedienenden und hervorbringenden<br />
Werbung bezahlen<br />
die Individuen mit einer<br />
Anschauung, die durch<br />
die Kategorien einer kapitalistischen<br />
Gesellschaftsform<br />
geformt ist.<br />
Denn Werbung funktioniert<br />
zwar vor allem über<br />
Sprache und Bilder, sie unterliegt<br />
jedoch dem einzigen<br />
Zweck, Konsumprodukte<br />
zu verkaufen. Und<br />
ein Wert eines Gegenstan-<br />
des existiert, so Arendt<br />
” ’in der Vorstellung’ der<br />
anderen, sofern diese sich<br />
als Wertschätzung öffentlich<br />
äußern kann, wozu es wie-
derum eines öffentlichen Bereiches<br />
bedarf, in dem Dinge<br />
als Waren erscheinen.“<br />
(Arendt 197) Werbung besetzt<br />
also mit ihrer immer<br />
weiteren Verbreitung in Zeitungen,<br />
auf Plakaten, im<br />
Internet, über Handy und<br />
Literatur:<br />
Zwischen Flüchtigkeit und Feststellbarem<br />
Fernsehen den öffentlichen<br />
Raum, der von Arendt in<br />
Anschluss an Aristoteles als<br />
die “Sphäre“ beschrieben<br />
wird, in der Menschen miteinander<br />
“Weltlichkeit“ und<br />
damit auch “Wirklichkeit“<br />
stiften.<br />
• Althusser, Louis (k.A.): Ideologie+ideologische Staatsapparate.<br />
k.A.<br />
• Arendt, Hannah (2006): Vita activa. Piper Verlag:<br />
München.<br />
• Barthes, Roland (1964): Mythen des Alltags. Suhrkamp:<br />
Frankfurt am Main.<br />
• Baumann, Zygmunt (2000): Flüchtige Moderne. Suhrkamp<br />
Verlag: Frankfurt am Main.<br />
• Bovenschen, Silvia (2003):Die imaginierte Weiblichkeit.<br />
Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main.<br />
• Descartes, René (1994): Meditationen über die Grundlagen<br />
der Philosophie. Meiner Verlag: Hamburg.<br />
• Kant, Immanuel (1998): Kritik der reinen Vernunft.<br />
Meiner Verlag: Hamburg.<br />
27
Nonverbale Kommunikation als Bedeutung<br />
tragendes Element in der Werbung Dorit Horn<br />
” Auf Gesten reagieren wir<br />
mit extremer Aufmerksamkeit<br />
und, so<br />
meinen, in<br />
könnte man<br />
Übereinstimmung<br />
mit einem elaborierten<br />
jedoch geheimen Code,<br />
der nirgendwo niedergeschrieben<br />
ist, niemandem<br />
bekannt ist und doch von allen<br />
verstanden wird.“ (Sapir,<br />
1927) 1<br />
Verbale Kommunikation<br />
ist stets von Gesten, einem<br />
gewissen Gesichtsausdruck<br />
sowie einer Reihe<br />
äußerer Umstände begleitet,<br />
die als Summe einen nicht<br />
unwesentlichen Teil <strong>zum</strong> gegenseitigen(Un-)Verständnis<br />
der Kommunikationspartner<br />
beitragen. Solange<br />
es Menschen gibt, haben<br />
sie sich immer wieder<br />
nonverbaler Kommunikationsformen<br />
wie Musik und<br />
religiöser oder politischer<br />
Rituale bedient, um sich<br />
zu verständigen. Körpersprache<br />
unterstützt mündliche<br />
Äußerungen und lenkt<br />
Konversation. Michael Argyle<br />
(1970) hat im Rahmen<br />
linguistischer Untersuchungen<br />
sogar feststellen können,<br />
dass der Effekt, den nonverbale<br />
Elemente während eines<br />
Gesprächs auf uns haben,<br />
um mehr als viermal<br />
höher ist, als das, was<br />
tatsächlich gesagt wurde.<br />
Körpersprache, neben gesprochener<br />
Sprache, ist also<br />
ein bedeutendes, Inhalte<br />
transportierendes Konversationsmittel.Terminologisch<br />
konnten sich Linguisten<br />
noch nicht darauf einigen,<br />
wo nonverbales Verhalten<br />
aufhört Konversation zu<br />
sein. Daher müssen wir leider<br />
eine Definition schuldig<br />
bleiben.<br />
Untersuchungen zu<br />
Körpersprache haben ihre<br />
Wurzeln in ethnologischer<br />
und anthropologischer Forschung<br />
sowie in der Psychoanalyse,<br />
deren bekanntester<br />
Vertreter, Sigmund Freud,<br />
durch die Veröffentlichung<br />
seiner 1938 erschienenen Arbeit<br />
” Zur Psychopathologie<br />
des Alltagslebens“ die Thematik<br />
zu einem populären<br />
1 So zitiert in Henley (1977), S.8; aus dem Englischen übersetzt durch die Verfas-<br />
28<br />
serin.
Gegenstand machte.<br />
Aspekte nonverbalen<br />
Verhaltens<br />
Die Sprachwissenschaft unterscheidet<br />
zwischen fünf<br />
verschiedenen Aspekten<br />
nonverbalen Verhaltens:<br />
1. (1) Paralanguage 2<br />
2. (2) Gesichtsausdruck<br />
3. (3) Kinesics<br />
4. (4) Augen und visuales<br />
Verhalten<br />
5. (5) Proxemics<br />
(1) Paralanguage bezeichnet<br />
implizite Aspekte verbalen<br />
Verhaltens, die ohne<br />
Inhalt sind und nicht zur<br />
formalen Sprache gezählt<br />
werden können, wie z.B.<br />
Lautstärke, Stimmhöhe etc.<br />
aber auch Sprachstörungen<br />
wie situatives Stottern. (2)<br />
Unter Gesichtsausdruck fallen<br />
die Bewegungen verschiedener<br />
Teile des Gesichts<br />
und die sich daraus ergebenden<br />
Konfigurationen.<br />
(3) Kinesics beinhaltet Bewegungen<br />
und Gesten, die<br />
mit dem Oberkörper, dem<br />
Nonverbale Kommunikation<br />
Kopf, den Armen, den Beinen<br />
und Füßen ausgeführt<br />
werden. (4) Augen und visuales<br />
Verhalten bezeichnet<br />
Veränderungen bei der Eigenschaft<br />
der Augen wie Pupillengröße,<br />
aber auch Zwinkern<br />
etc. (5) Unter Proxemics<br />
wird der Abstand und<br />
die räumliche Konstellation<br />
zwischen Gesprächspartnern<br />
verstanden.<br />
Gräßel (1991: 89) fügte<br />
dem als weitere Komponente<br />
die soziale Beziehung<br />
zwischen Gesprächspartnern<br />
hinzu, die sie in zwei Bereiche<br />
unterteilt. Dabei bezieht<br />
sich die horizontale<br />
Dimension auf die zwischenmenschlichenBeziehungen<br />
wie Freundschaft<br />
oder Feindschaft, die vertikale<br />
Dimension hingegen<br />
beschreibt die nach Status<br />
oder Dominanz ausgerichtete<br />
Form der Beziehungen.<br />
Nonverbale<br />
Kommunikation in<br />
feministischer<br />
Sprachwissenschaft<br />
Mit<br />
” Body Politics“<br />
(dt.<br />
” Körperstrategien“)<br />
veröffentlichte Nancy Hen-<br />
2 Aufgrund der überwiegend amerikanischen Literatur zur Thematik, werden <strong>hier</strong><br />
einige Begriffe nicht übersetzt, da sie anschließend ausführlich erklärt werden.<br />
29
ley 1977 das erste Buch,<br />
welches sich mit nonverbaler<br />
Kommunikation unter feministischem<br />
Gesichtspunkt<br />
auseinandersetzt. Diese Arbeit<br />
ist bis heute ein Standardwerk<br />
in diesem Bereich.<br />
Sie hat die oben genannten<br />
Aspekte nonverbalen<br />
Verhaltens noch um andere<br />
wie (u.a.) Kleidung, Haltung<br />
und Zeit erweitert, mit<br />
Interessant ist auch die<br />
Studie des Biologen Birdwhistle<br />
3 . Anhand einer Skala,<br />
auf der er Lebewesen<br />
bezüglich der sekundären<br />
Geschlechtsunterschiede innerhalb<br />
der je eigenen Gattung<br />
anordnete, fand er heraus,<br />
dass die sekundären<br />
denen sie die Sprachanalyse<br />
verfeinern konnte. Mit Hilfe<br />
verschiedener exemplarischer,<br />
durch sie beobachtete<br />
und analysierte Situationen<br />
kommt Henley <strong>zum</strong><br />
Schluss, dass es nach wie vor<br />
Männer sind, die Kommunikation,<br />
insbesondere gegenüber<br />
Frauen, durch ihr<br />
nonverbales Auftreten dominieren.<br />
Geschlechtsmerkmale des<br />
Menschen vergleichsweise<br />
unauffällig sind. In seinem<br />
Fazit schlussfolgert er<br />
dass ” [Menschen] und wahrscheinlich<br />
eine Anzahl anderer<br />
schwach dimorpher<br />
Spezies notwendigerweise<br />
das (andere) Geschlecht zu<br />
3 Dargestellt in Henley (1977). S.17 ff; Zitate durch Verfasserin aus dem Engli-<br />
30<br />
schen übersetzt
großen Teilen durch Positionierung,<br />
Bewegung und<br />
Ausdruck erkennen.“ Das<br />
heißt nicht, dass dieses ” geschlechtsspezifische“Verhalten<br />
” natürlich“ ist, sondern<br />
bewusst oder unbewusst<br />
entwickelt wurde, um Unterschiede<br />
nicht nur des Geschlechts<br />
sondern auch des<br />
Ranges zu verdeutlichen,<br />
z.B. mit Hilfe von Kleidung.<br />
In der Werbung werden<br />
all diese Aspekte ganz bewusst<br />
eingesetzt, um sexistische<br />
und heterosexistische<br />
Handlungsmuster sowie Stereotypen<br />
zu etablieren bzw.<br />
Literatur:<br />
Nonverbale Kommunikation<br />
sie für kapitalistische Zwecke<br />
heran zu ziehen. Dabei<br />
versuchen sich die Werbemacher<br />
durch die Schwammigkeit,<br />
durch den, wie Sapir<br />
es nennt, ” geheimen Code“,<br />
der schwer festzunageln<br />
ist, sich für Kritik unangreifbar<br />
zu machen. Die oben<br />
erläuterten Aspekte können<br />
ein Weg zur Entschlüsselung<br />
und Entlarvung sexistischer<br />
Werbung sein, insbesondere<br />
dann, wenn mensch sich mit<br />
so genannten ” Common-<br />
Sense-Wahrheiten“ konfrontiert<br />
sieht und fundiert argumentieren<br />
möchte.<br />
• Argyle, Michael (1989). Körpersprache und Kommunikation.<br />
Paderborn: Junfermann-Verlag.<br />
• Gottburgsen, Anja (2000). Stereotype Muster des<br />
sprachlichen doing gender: Empirische Untersuchung.<br />
Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.<br />
• Gräßel, Ulrike (1991). Sprachverhalten und Geschlecht.<br />
Pfaffenweiler: Centaurus.<br />
• Henley, Nancy (1977). Body Politics: Power, sex, and<br />
nonverbal communication. New York: Touchstone.<br />
• Talbot, Mary M. (1998). Language and Gender: An<br />
Introduction. Cambridge: Polity Press.<br />
31
Political Correctness und<br />
Tabubruch-Rhetorik<br />
http://sexism-sells.so36.net/ überarbeitet<br />
Bei Überlegungen zur Intervention<br />
gegen Sexismus<br />
sieht man sich schnell mit<br />
bestimmten Zuschreibungen<br />
konfrontiert: Vorwurf<br />
der Prüderie, Sexfeindlichkeit<br />
und Humorlosigkeit;<br />
man richte sich gegen die<br />
erkämpften Rechte der sexuellen<br />
Befreiung; Abstempeln<br />
als alt-feministisch. Diese<br />
Zuschreibungen drücken eine<br />
bestimmte Haltung aus,<br />
die Sexismus nicht erkennt.<br />
Sexistische Darstellungen<br />
sind nicht schön oder lustig<br />
und auch keine sexuelle<br />
Befreiung! Sexismus<br />
bleibt eine patriarchale Unterdrückungsform.<br />
Woher<br />
kommen diese Vorwürfe und<br />
wie funktionieren sie?<br />
Eine Antwortmöglichkeit<br />
zu beiden Punkten<br />
ist die Konstatierung<br />
einer allgemeinen antiemanzipatorischen<br />
Tendenz,<br />
die gekennzeichnet ist durch<br />
einen neuen Antifeminismus,<br />
der auch durch den<br />
Modebegriff Postfeminismus<br />
gestützt wird, sowie durch<br />
einen soziopolitischen neo-<br />
32<br />
konservativen Backlash. Eine<br />
weitere neokonservative,<br />
antifeministische Tendenz<br />
lässt sich am Beispiel des<br />
Begriffes Political Correctness<br />
und der dazu eingenommenen<br />
Anti-PC-Haltung als<br />
aktuell populäre Rhetorik<br />
des Tabubruches illustrieren.<br />
Die Diskussion um Political<br />
Correctness ist in diesem<br />
Rahmen interessant,<br />
weil sie einen neuen Antifeminismus<br />
stützt, legitimiert<br />
und in gewisser Weise auch<br />
neu strukturiert.<br />
Einordnung des Begriffs:<br />
Political Correctness<br />
Der Begriff Political Correctness<br />
(im Folgenden als<br />
PC abgekürzt) bezeichnet<br />
eine bewusste politische<br />
Korrektheit sprachlicher<br />
und bildlicher Äußerungen,<br />
besonders in Bezug auf<br />
die Vermeidung von Rassismen<br />
und Sexismen. PC ist<br />
aktuell, teils aufgrund seiner<br />
angeblich elitären Verwendung,<br />
negativ konnotiert. Simon<br />
Möller gibt in seinem
Buch mit dem Titel “Sexual<br />
Correctness (SC) – Die<br />
Modernisierung antifeministischer<br />
Debatten in den Medien”<br />
von 1999 einen guten<br />
Überblick über die Debatte.<br />
Seine Hauptthese lautet:<br />
Es gibt einen Backlash, der<br />
einen modernen Antifeminismus<br />
etabliert.<br />
Möllers Aufhänger ist<br />
der Roman “Der Campus”<br />
von Dietrich Schwanitz von<br />
1995, dessen Inhalt die Debatte<br />
um PC und SC in<br />
Deutschland entfachte bzw.<br />
antifeministische Tendenzen<br />
der 90er widerspiegelte. In<br />
dem Buch geht es um einen<br />
<strong>Universität</strong>sprofessor, der<br />
durch einen falschen Missbrauchsvorwurf<br />
alles verliert<br />
(Karriere und Familie).<br />
Hier findet eine klassische<br />
Umkehrung des Täter-<br />
Opfer-Verhältnisses statt:<br />
Der zu Unrecht beschuldigte<br />
Mann erscheint als Opfer<br />
der Gleichstellungsbeauftragten,<br />
die im Sinne der PC<br />
für die Rechte der Frauen<br />
kämpfen und ihn völlig fertig<br />
machen.<br />
Genau in diesem Sinn<br />
wurde ” Der Campus“ begeistert<br />
aufgenommen; endlich<br />
sei die Wahrheit über<br />
die schrecklichen Zustände<br />
Tabubruch Rhetorik<br />
an den Unis, die von Frauen<br />
regiert werden, mal gesagt<br />
worden. Kommentar<br />
des Spiegel: Für die <strong>Universität</strong><br />
von heute gelte, ” wer<br />
nicht politisch korrekt ist,<br />
etwa vor der großen Femi-<br />
Göttin nicht niederkniet und<br />
Multikulti nicht romantisch<br />
findet, dem droht Ausgrenzung.“<br />
(Spiegel Nr. 6, 1998,<br />
Fritz Rumler)<br />
Begriffsgeschichte PC<br />
und SC<br />
Geprägt wurde der Begriff<br />
PC zunächst in akademischen,<br />
identitätspolitischen<br />
Gruppen in den USA der<br />
80er Jahre.<br />
SC stellt einen wesentlichen<br />
Strang in der PC-<br />
Debatte dar. Hierbei geht es<br />
um die Bereiche von PC,<br />
die Frauen und Sexualität<br />
betreffen. Erstmalig wurde<br />
der Begriff in innerfeministischen<br />
Debatten um weibliche<br />
Sexualität verwendet.<br />
SC und PC wurden wiederholt<br />
diskreditiert, was<br />
nicht zuletzt an der allgemeinen<br />
Unverständlichkeit<br />
der Begriffe liegt. So konnten<br />
konservative Massenmedien<br />
leicht ein Feindbild der<br />
PC kreieren und eine Deu-<br />
33
tungshoheit herstellen.<br />
Deren Argumentationsmuster<br />
zielt ganz klar auf eine<br />
Täter/Opfer-Umkehrung<br />
sowie die Umdeutung und<br />
Ausblendung patriarchaler<br />
Machtverhältnisse, die<br />
durch Ansichten, SC würde<br />
das ” normale Liebeswerben“<br />
verbieten, auf die Spitze getrieben<br />
werden.<br />
In Deutschland tauchten<br />
die Begriffe erstmalig Anfang<br />
der 90er Jahre in der<br />
Berichterstattung über Tendenzen<br />
zu SC/PC in den<br />
USA auf. Das heißt, dass sie<br />
quasi direkt in ihrer umgedeuteten<br />
Form aufgegriffen<br />
wurden. PC hat sich vor allem<br />
das Produkt eines medialen<br />
Diskurses etabliert.<br />
Der Begriff SC wurde<br />
1994 <strong>zum</strong> Thema, als<br />
über das Beschäftigtenschutzgesetz<br />
diskutiert wurde,<br />
welches vor sexueller<br />
Belästigung am Arbeitsplatz<br />
schützen soll.<br />
Argumentationsmuster<br />
und politische Funktion<br />
von Anti-PC/SC:<br />
Die PC-Bewegung wird<br />
zu einer ” Gedankenpolizei“<br />
hochstilisiert und als ” antidemokratisch“<br />
und rück-<br />
34<br />
schrittlich dargestellt. Die<br />
Anti-PC-Haltung kann sich<br />
vor diesem Vorwurf als fortschrittlich<br />
wenn nicht gar rebellisch<br />
positionieren. Dass<br />
diese Umkehrung nur bei<br />
einer absoluten Ausblendung<br />
der realen gesellschaftlichen<br />
und patriarchalen<br />
Machtverhältnisse funktioniert,<br />
wird nicht thematisiert.<br />
Neben der zugeschriebenen<br />
Machtposition ist ein<br />
entscheidendes Charakteristikum<br />
der vermeintlichen<br />
PC-Bewegung ihr Moralismus.<br />
Sie tritt angeblich<br />
als Hüterin der Moral auf,<br />
wobei die moralischen Ansprüche<br />
nicht argumentativ<br />
begründet, sondern fast diktatorisch<br />
gesetzt werden.<br />
Die zugeschriebene<br />
Machtposition der PC-<br />
Bewegung vereinfacht es,<br />
linke emanzipatorische Errungenschaften<br />
und Forderungen<br />
in Frage zu stellen<br />
und zu diskreditieren.<br />
PC wird <strong>zum</strong> Stigmawort,<br />
PC-KritikerInnen hingegen<br />
können ihren eigentlichen<br />
Wertkonservatismus als rebellischen<br />
Fortschritt verkaufen.<br />
Zudem wird der Problemhorizont<br />
verschoben:<br />
Aufgrund der zugesprochenen<br />
Inhaltslosigkeit müssen
die Themen also auch nicht<br />
mehr inhaltlich kritisiert<br />
werden. Es reicht, sich gegen<br />
einen angeblichen Moralismus<br />
zur Wehr zu setzen.<br />
Besonders auffällig ist dieses<br />
Muster in der Debatte<br />
um Sexual Correctness, die<br />
einfach als ” Viktorianismus“<br />
abgestempelt wird.<br />
Tabubruch-Rhetorik<br />
Die Tabubruch-Rhetorik<br />
verläuft nach einem ähnlichenArgumentationsschema<br />
wie das der PC-<br />
KritikerInnen. Sie ist eine<br />
äußerst beliebte rhetorische<br />
Figur neokonservativer Positionen<br />
und massenkompatibler,<br />
weil besser verständlich<br />
als die Debatte um PC. Außerdem<br />
stellt der Tabubruch<br />
auch eine Verschärfung der<br />
Anti-PC-Haltung dar, weil<br />
ein Tabu noch mächtiger<br />
und allgemein verbreiteter<br />
ist als eine vermeintliche<br />
PC-Instanz. Die Tabubruch-<br />
Rhetorik funktioniert nach<br />
folgendem Schema: Es wird<br />
davon ausgegangen, dass ein<br />
bestimmtes Tabu besteht<br />
oder es wird ein vermeintliches<br />
Tabu aufgestellt. Wie<br />
bei der Anti-PC-Haltung<br />
wird so die eigene Positi-<br />
Tabubruch Rhetorik<br />
on, die sich gegen ein Tabu<br />
durchsetzen muss, als<br />
fortschrittlich und rebellisch<br />
dargestellt. Der Tabubruch<br />
kann als Garant für mediale<br />
Aufmerksamkeit gelten.<br />
Mit der Verwendung dieses<br />
Schemas werden Herrschaftstatsachenausgeblendet<br />
oder verdreht. So spricht<br />
beispielsweise der Bild-<br />
Kolumnist Franz Josef Wagner<br />
davon, dass ihm die<br />
“Würde der Schwulen langsam<br />
auf den Keks” gehe;<br />
in einem Soziologieseminar<br />
wird von “lesbischer<br />
Diskurshoheit” gesprochen;<br />
Schirrmacher und Matussek<br />
decken die Herrschaft der<br />
Frauen in den Medien auf;<br />
Väter sind immer Opfer von<br />
Frauen und nie Täter (Debatte<br />
<strong>zum</strong> Verbot von Vaterschaftstests)...<br />
Anti-PC und Tabubrüche<br />
in Gesellschaftspolitik<br />
Der Anti-PC-Diskurs in den<br />
90ern läuft parallel zu einer<br />
Politik, die <strong>zum</strong> Diskurs<br />
der Finanzierbarkeit geworden<br />
ist und emanzipatorische<br />
Sozialpolitik völlig eliminiert<br />
hat. Mit Sachzwang-<br />
Logik wird allen Argumenten<br />
begegnet, die sich nicht<br />
35
dem neoliberalen Ökonomismus<br />
verpflichten. Diese<br />
politische Praxis wird als<br />
einzig mögliche und einzig<br />
vernünftige dargestellt,<br />
sowie als Umsetzung eines<br />
geistigen Wandels, alles<br />
andere wird als unvernünftig<br />
und altmodisch<br />
diskreditiert. Der Anti-PC-<br />
Kampf richtet sich gegen alle<br />
möglichen Errungenschaften<br />
emanzipatorischer Politik:<br />
pazifistische Positionen,<br />
Bemühungen gegen Rassismus<br />
und Homophobie, ökologische<br />
Forderungen. . .<br />
Einher mit sozialpolitischer<br />
Umstrukturierung<br />
geht ein patriarchaler Rollback,<br />
da eine traditionelle<br />
Familienstruktur für das<br />
Funktionieren einer neoliberalen<br />
Gesellschaft nötig ist,<br />
die keine sozialen Absicherungen<br />
mehr gewährleistet<br />
und dadurch gleichzeitig ein<br />
Rückverweis der Frauen auf<br />
die Familie stattfindet. Der<br />
antifeministische Anti-SC-<br />
Kampf legitimiert in die-<br />
36<br />
sem Zuge den Abbau von<br />
emanzipatorischen Rechten<br />
für Frauen sowie die Propagierung<br />
eines traditionellen<br />
Frauenbildes.<br />
Fazit/Ende<br />
Diese Argumentationsmuster<br />
sind Beispiele für<br />
Pseudo-Argumente eines<br />
modern begründeten Konservatismus<br />
und Antifeminismus.<br />
Die Anti-PC-<br />
Haltung unterstützt das Klischee<br />
der prüden, moralischen,<br />
langweiligen Altfeministin,<br />
das uns so häufig<br />
entgegenschlägt. Mit dem<br />
Begriff PC schön verpackt,<br />
muss man sie noch nicht<br />
mal als solche benennen,<br />
und trotzdem wissen alle<br />
irgendwie, wer gemeint<br />
ist. Scheinargumente dieser<br />
Art müssen durchschaut<br />
und bloß gestellt werden,<br />
gegen herabwürdigende sexistische,<br />
rassistische und<br />
homophobe Darstellungen<br />
muss weiterhin vorgegangen<br />
werden.<br />
Dies ist eine gekürzte und geringfügig überarbeitete Version<br />
des Textes ” Anti-PC und Tabubruchrhetorik“ der Internetseite<br />
http://sexism-sells.so36.net/Anti-PC+und+Tabubruchrhetorik.<br />
Uns war der Text insofern wichtig, weil er gut offen legt, inwiefern<br />
durch die diskursive Umkehrung bestehender Verhältnisse auf Sei-
Tabubruch Rhetorik<br />
ten der PC/SC-GegnerInnen Kritik an sexistischen Äußerungen<br />
als humorlos bis rückschrittlich diffamiert wird. Über die Aufnahme<br />
des Textes in den Reader wurde nicht zuletzt in der Hoffnung<br />
entschieden, dass damit verbales Werkzeug zur Unterwanderung<br />
der verzerrten Anti-PC/SC Argumentation geliefert werden kann.<br />
Uns ist bewusst, dass der Text mit Polemik arbeitet und komplexe<br />
Sachverhalte teils stark vereinfacht darstellt. Wir empfinden diese<br />
Stellen als problematisch und fordern die LeserInnen zu einer<br />
kritischen Rezeption nicht nur dieses Textes auf.<br />
Literatur:<br />
• Simon Möller (1999). Sexual Correctness. Die Modernisierung<br />
antifeministischer Debatten in den Medien.<br />
Opladen: Leske und Budrich.<br />
• Diedrich Diederichsen (1996). Politische Korrekturen.<br />
Köln: Kiepenheuer und Witsch.<br />
• Das Argument 213 (Zeitschrift für Philosophie und<br />
Sozialwissenschaften): Political Correctness. Argument-<br />
Verlag. Berlin, 1996.<br />
37
anti-lookism als (De)Konstruktion des<br />
Schönheitsempfindens<br />
lookism.info überarbeitet<br />
Eine Grundlage der<br />
Lookism-Kritik ist, dass das<br />
Schönheitsempfinden konstruiert<br />
und ansozialisiert<br />
ist. Es soll jedoch nicht das<br />
Gefühl, beispielsweise Gegenstände<br />
oder Landschaften<br />
schön/hässlich zu finden,<br />
angegriffen werden.<br />
Denn das Schönheitsempfinden<br />
wird erst im Bezug auf<br />
Individuen problematisch.<br />
Es gibt den wissenschaftlichen<br />
Versuch, Schönheitsnormen<br />
biologisch zu erklären.<br />
Dieser sogenannte<br />
biologische Determinismus<br />
geht davon aus, dass das<br />
Schönheitsempfinden ange-<br />
”<br />
boren“ sei. Mit ähnlichen<br />
Argumenten wird <strong>zum</strong> Beispiel<br />
auch Geschlecht naturalisiert.Geschlechterordnung<br />
und -rollen werden als<br />
” natürlich“ dargestellt und<br />
”<br />
dadurch biologisch gerechtfertigt.<br />
Geleitet von Urinstinkten<br />
sei jedeR ständig auf<br />
der Suche nach dem at-<br />
”<br />
traktivsten“ PartnerIn mit<br />
dem besten Genmaterial.<br />
Also sei der Grund, dass<br />
schöne“ Menschen bevorzugt<br />
werden, der, dass sie<br />
die besseren Gene hätten.<br />
Diese Argumentation, die<br />
auf der darwinschen Evolutionslehre<br />
aufbaut, halten<br />
wir aus vielen Gründen für<br />
sehr problematisch. So ist<br />
sie unter anderem heterosexistisch,<br />
da nur von heterosexuellem<br />
Begehren ausgegangen<br />
wird. Als Heterosexismus<br />
wird das Denken<br />
und Verhalten bezeichnet,<br />
Heterosexualität als sexuelle<br />
” Normalität“ und als anderen<br />
Formen sexueller Orientierung<br />
überlegen einzustufen.<br />
Außerdem halten wir die<br />
Annahme, das Schönheitsempfinden<br />
sei nicht sozialisiert,<br />
für leicht widerlegbar.<br />
Das gesellschaftlich anerkannte<br />
Schönheitsideal variiert<br />
je nach Kultur, Zeit<br />
und sozialem Umfeld. So<br />
galten früher beispielsweise<br />
dickere Frauen als schöner“<br />
”<br />
und in China waren bis<br />
ins 20. Jahrhundert kleine<br />
Füße der Inbegriff weiblicher<br />
” Schönheit“ und Erotik (die<br />
38
Kinderfüße der Mädchen<br />
wurden fest<br />
” geschnürt“<br />
und die Zehen gebrochen).<br />
Ob beispielsweise gebräunte<br />
Haut als schön“ wahrge-<br />
”<br />
nommen wird, ist auch zeitlich<br />
und kulturell bedingt.<br />
Das Schönheitsempfinden<br />
ist also weder angeboren<br />
noch ” natürlich“ oder<br />
gänzlich individuell, sondern<br />
immer von sozialen<br />
Normen beeinflusst. GesellschaftlicheSchönheitsnormen<br />
dienen immer auch<br />
der Absicherung von MachtundHerrschaftsverhältnissen.<br />
Das ist auch daran<br />
erkennbar, dass sie patriarchal<br />
(bei Frauen äußere<br />
” Schönheit“ bedeutender<br />
als bei Männern) und rassistisch<br />
(weltweit westlichweißes<br />
Schönheitsideal vorherrschend)<br />
geprägt sind.<br />
Daher denken wir, dass,<br />
auch wenn viele Menschen<br />
behaupten, ihr Schönheitsempfinden<br />
sei ” total individuell“,<br />
dieses trotzdem (und<br />
das nicht zufällig!) in vielen<br />
Punkten mit dem gesellschaftlichen<br />
oder szeneinternen<br />
Schönheitsideal<br />
übereinstimmt.<br />
Und<br />
” Schönheit“ lässt<br />
sich nicht ohne Hässlich-<br />
”<br />
keit“ denken, wodurch es<br />
Anti-Lookism<br />
zwangsläufig zu einer Hierarchisierung<br />
von Individuen<br />
kommt. Außerdem wird das<br />
” schön - hässlich“ Wertesystem<br />
auch oft an der eigenen<br />
Person angewendet, was<br />
zu einer Beurteilung des eigenen<br />
Körpers führt - mit<br />
den oft einhergehenden Minderwertigkeitsgefühlen<br />
bis<br />
hin zu Essstörungen. Selbst<br />
wenn ein Mensch zufällig der<br />
gerade herrschenden Norm<br />
nach als schön“ klassifiziert<br />
”<br />
wird, muss diese Person aufpassen,<br />
ihren / seinen Wert<br />
zu erhalten (also schön“ zu<br />
”<br />
bleiben) bzw. muss Angst<br />
davor haben, diesen Wert<br />
(durch Alterungsprozesse,<br />
Beenden der Diät, etc.) zu<br />
verlieren. Obwohl sie / er<br />
bevorteilt wird, wird sie<br />
/ er unter Umständen auf<br />
das Aussehen reduziert und<br />
unterliegt sozialen Normen<br />
mit dem damit verbundenen<br />
Druck, diesen gerecht<br />
zu werden.<br />
Es gibt den Slogan ” Liebe<br />
deinen Körper, wie du<br />
bist“, der selbst in sogenannten<br />
” Frauenzeitschriften“<br />
zu finden ist, während<br />
andererseits normentsprechende<br />
Körper gezeigt werden<br />
und die Wichtigkeit des<br />
Äußeren betont wird. Wie<br />
39
also soll die Akzeptanz des<br />
eigenen Körpers vorbehaltslos<br />
funktionieren, solange<br />
es gesellschaftliche/szeneinterne/..<br />
Normen von<br />
” schön“ und hässlich“ gibt?<br />
”<br />
Uns geht es aber nicht<br />
darum, das Schönheitsempfinden<br />
gegenüber anderen<br />
” individueller“ zu<br />
dere zu mögen oder eben<br />
auch nicht zu mögen (was sie<br />
/ er tut und sagt). Doch dieses<br />
Umdenken muss ein Prozess<br />
sein, da wir von klein<br />
auf darauf getrimmt werden,<br />
Körper zu beurteilen.<br />
Also geht es uns nicht<br />
prägen, sondern sich gänz-<br />
um ein sie / er sieht zwar<br />
”<br />
hässlich aus, aber..“. Genauso<br />
wie bei der Beurteilich<br />
von Klassifizierungen lung von anderen Geschlecht<br />
von<br />
und<br />
nen.<br />
Körpern in schön“<br />
”<br />
hässlich“ zu tren-<br />
”<br />
Das bedeutet aber<br />
und Hautfarbe nicht nur<br />
eine untergeordnete Rolle,<br />
sondern gar keine spielen<br />
nicht, dass mensch nieman- sollten, sollte unserer Meiden<br />
mehr schön, im Sinne nung nach ein Individu-<br />
von toll/angenehm/sexy/..., um generell nicht aufgrund<br />
finden soll. Es gibt genug bestimmter Körperformen/andere<br />
Möglichkeiten und Merkmale auf- oder abge-<br />
Gründe, sich selber und anwertet werden.<br />
40<br />
Quelle: www.lookism.info
Lookism in der Werbung<br />
Lookism in der Werbung - oder: Die<br />
Werbung ist an allem schuld!?<br />
lookism.info überarbeitet<br />
Läuft mensch durch die<br />
Straßen, fährt U-Bahn oder<br />
sitzt im Kino, überall wird<br />
für Produkte geworben.<br />
Und dabei werden <strong>zum</strong>eist<br />
” schöne“ Körpern<br />
gezeigt, also solche, die<br />
dem Schönheitsideal entsprechen.<br />
Da liegt schnell<br />
der Schluss nahe, dass die<br />
Werbung schuld sein muss:<br />
Am Schönheitsdruck, den<br />
Essstörungen oder am eigenen<br />
angeknacksten Selbstbewusstsein.<br />
Jedoch gestalten sich die<br />
Zusammenhänge in der Realität<br />
durchaus etwas komplexer.<br />
Auf jeden Fall spiegelt<br />
Werbung gesellschaftliche<br />
(Macht-)Verhältnisse<br />
wider. Nicht umsonst sind<br />
es meist Frauen, die mit<br />
sexualisierten Körpern zur<br />
Wertsteigerung eines Produktes<br />
auftreten, ist sexuelles<br />
Begehren in der Werbung<br />
meist heterosexuell und die<br />
Menschen weiß- und wenn<br />
schwarz, dann oft mit rassistischen<br />
Klischees belegt.<br />
Allerdings sind die Ursachen<br />
nicht bei den ” bösen<br />
Werbekartellen“, oder noch<br />
simpler ” denen da oben“,<br />
zu finden. Anstatt Funktionen<br />
und Produktionsbedingungen<br />
von Werbung<br />
auszublenden und sie dadurchverschwörungstheoretischem<br />
Denken zugänglich<br />
zu machen, macht es<br />
mehr Sinn, sich die eigentliche<br />
Aufgabe von Werbung<br />
zu verdeutlichen. Meist soll<br />
Werbung zu dem Kauf eines<br />
Produktes oder einer<br />
Dienstleistung motivieren.<br />
Das Hauptaugenmerk bei<br />
der Werbekonzeption gilt<br />
dabei der Zielgruppe, die<br />
Werbung richtet sich entlang<br />
ihrer jeweiligen Lebensentwürfe<br />
und Normen. Gäbe<br />
es in der Gesellschaft keinen<br />
Sexismus/..., gäbe es<br />
vermutlich auch keine sexistische/...<br />
Werbung, weil<br />
diese niemanden ansprechen<br />
würde. Gesellschaft<br />
und Werbeproduktion stehen<br />
immer in einem Wechselverhältnis.<br />
Zudem Menschen,<br />
die Werbung produzieren,<br />
auch Teil der Gesellschaft<br />
sind und somit<br />
41
(un-)bewusst gesellschaftliche<br />
Strukturen reproduzieren.<br />
Andererseits bilden genau<br />
diese gesellschaftlichen<br />
Verhältnisse den Rahmen,<br />
in dem sich inhaltliche Werbekritik<br />
verstehen lässt. So<br />
lässt sich eine antisexistische<br />
Kritik an einer Werbung,<br />
in der eine Frau halbbekleidet<br />
für ein (Männer-<br />
)Produkt wirbt, weder damit<br />
begründen, dass ein<br />
halbbekleideter Mensch zu<br />
sehen ist, noch damit, dass<br />
das Model als fremdgeleitetes<br />
” Opfer“ gedeutet wird.<br />
Diese Werbung lässt sich als<br />
sexistisch verstehen, wenn<br />
mensch die seit Jahrhunderten<br />
bestehenden patriarchalen<br />
Strukturen miteinbezieht.<br />
Innerhalb dieser<br />
Verhältnisse kommt Frauen<br />
unter anderem die Funktion<br />
zu, (sexuelles) Objekt für<br />
Männer zu sein - und genau<br />
diese Logik wird in so<br />
einer Werbung fortgesetzt!<br />
Genausowenig kann zusammenhangslos<br />
kritisiert werden,<br />
dass ein dünner Mensch<br />
als Werbeträger dient, da<br />
nicht der Fakt des ” Dünn-<br />
Seins“ das Problem ist,<br />
sondern dass in der Werbung<br />
(fast) nur dünne Men-<br />
42<br />
schen zu sehen sind und<br />
somit eine gesellschaftlich<br />
konstruierte Körpernorm<br />
nicht nur widergespiegelt,<br />
sondern gleichzeitig auch<br />
verstärkt wird. Darüber hinaus<br />
lässt sich an dem Beispiel<br />
von Werbung auch<br />
die Verschränkung von Sexismus<br />
und Lookism erkennen,<br />
so entspricht das<br />
Attribut<br />
” dünn“ sowohl<br />
der (männlichen) Vorstellung<br />
von Frau“ als auch<br />
”<br />
dem Ideal des attraktiven<br />
”<br />
Körpers“.<br />
Wenn auch Werbung gesellschaftliche<br />
Normen und<br />
Stereotype reproduziert (anstatt<br />
sie allein zu produzieren),<br />
darf ihre Wirkungsmacht<br />
auf Individuen<br />
nicht vergessen werden - genau<br />
das ist ja die Funktion<br />
von Werbung. Werbebotschaften<br />
sprechen die<br />
Bedürfnisse der jeweiligen<br />
Zielgruppe an und transportieren<br />
dabei bestimmte<br />
Vorstellungen und Glücksversprechungen.<br />
Und dabei<br />
werden immer auch Normen<br />
und Ideale übermittelt:<br />
Zum tollen Leben braucht<br />
mensch also nicht nur das<br />
beworbene Produkt, sondern<br />
auch die Zweierbeziehung<br />
oder Kleinfamilie, ge-
nauso wie einen schlanken<br />
Körper oder ein faltenloses<br />
Gesicht.<br />
Ergo verfestigt und<br />
bestärkt sexistische/ rassistische/<br />
lookistische/..<br />
Werbung gesellschaftliche<br />
Machtverhältnisse sowohl,<br />
als es diese auch widerspie-<br />
Lookism in der Werbung<br />
gelt. Daher ist es im Umgang<br />
mit Werbung nicht<br />
damit getan, diese zu verteufeln<br />
oder im Gegenzug,<br />
unkritisch aufzunehmen,<br />
solange gesellschaftliche<br />
Verhältnisse und somit<br />
auch eigene Positionen nicht<br />
mitgedacht werden.<br />
43
Praxis, Dokumentation,<br />
Subversion<br />
’Let your tongue travel’: Kultureller<br />
Kannibalismus, Häagen Dasz und koloniale<br />
Repräsentationen sexismandthemedia.tk<br />
Häagen Dazs fordert uns<br />
auf, ‘unsere Zungen reisen<br />
zu lassen’, ‘die Welt<br />
zu schmecken’, indem wir<br />
die abgebildeten Frauen und<br />
die durch sie symbolisierten<br />
Kontinente über die Eiscreme<br />
konsumieren. Die warenförmige<br />
Einverleibung sexistisch<br />
und rassistisch konstruierter<br />
Differenzen durch<br />
den weißen Malestream soll<br />
als kultureller Kannibalismus<br />
bzw. ‘Eating the Other’<br />
diskutiert werden.<br />
In der Werbekampagne<br />
von Häagen-Dazs, ‘Let<br />
your tongue travel’, werden<br />
Frauen mit ihren<br />
vermeintlichen Herkunftsstädten/ländern/kontinenten<br />
zu Eiscreme verrührt und<br />
durch den Konsum dieses<br />
Speiseeisproduktes können<br />
wir diese auch symbolisch<br />
mitessen: Deshalb die Interpretation<br />
der Werbung<br />
44<br />
als kannibalistisch. Häagen-<br />
Dazs spielt in seiner Werbung<br />
geschickt mit den Verschränkungen<br />
von Rassismus,<br />
Sexismus und Heteronormativität.<br />
Über die ethnische<br />
und sexuelle Markierung<br />
der Models werden Unterschiede<br />
dargestellt bzw.<br />
hergestellt, die dann als<br />
‘exotisch’ konsumiert werden<br />
können. Mehr oder weniger<br />
tricky daran ist, dass<br />
Häagen-Dazs weniger (aber<br />
auch) auf stereotype negative<br />
Darstellungen zurückgreift,<br />
sondern auf vermeintlich<br />
positive. Indem das Andere<br />
als begehrenswert dargestellt<br />
wird, kann der weiße<br />
Malestream so tun, als ob<br />
die alten Rassismen und Sexismen<br />
überwunden wären<br />
und gleichzeitig wie gewohnt<br />
konsumieren.<br />
Die koloniale Kontinuität,<br />
in der die Bilder stehen,
soll anhand zweier Aspekte<br />
angesprochen werden:<br />
Zum einen die Feminisierung<br />
des Landes in der Fantasie<br />
euopäischer Kolonisator(inn)en.<br />
Zweitens auf das<br />
‘traditionelle’ symbolische<br />
Verspeisen Schwarzer Menschen<br />
und people of color in<br />
Deutschland. Hier ist Sarotti<br />
ein gutes Beispiel, um die<br />
dahinter-liegende ‘imperiale<br />
Nostalgie’, zu verdeutlichen.<br />
Häagen-Dazs hat mittlerweile<br />
die Kampagne modifiziert,<br />
und bietet nun auch<br />
einen weißen Mann <strong>zum</strong> verspeisen<br />
an: wie ist das zu<br />
erklären?<br />
Häagen-Dazs: ‘Let your<br />
tongue travel’<br />
Häagen-Dazs gehört zu<br />
General Mills, einem der<br />
größten Lebensmittelkonzerne,<br />
und vertickt mehr als<br />
5 Millionen Kugeln Eis am<br />
Tag. Die Marke hat nichts<br />
mit Dänemark zu tun, sondern<br />
kommt ursprünglich<br />
aus New York und soll nur<br />
nach dänischem Qualitätseis<br />
klingen. Der Etat der Werbekampagne<br />
von 2003, lag<br />
im ‘hohen siebenstelligen<br />
Bereich’. Es gab also eine<br />
massive Dosis für die deut-<br />
Let your tongue travel<br />
schen Großstädte, deren<br />
jungsches Szene-Publikum<br />
angesprochen werden sollte.<br />
Der Werberat fand, dass<br />
diese Werbemaßnahme nicht<br />
zu beanstanden sei, weil die<br />
Frauen bekleidet seien, und<br />
es somit sich nicht um Sexismus<br />
handeln könne. Die<br />
women of color seien ästhetisch<br />
und stolz dargestellt,<br />
von daher sei die Darstellung<br />
nicht rassistisch (Wobei<br />
natürlich über die Ästhetik<br />
pürierter Frauen gestritten<br />
werden kann.) Außerdem<br />
stehe die Werbung mit<br />
dem beworbenen Produkt in<br />
einem eindeutigen Zusammenhang.<br />
Der Begriff des Kannibalismus<br />
ist nicht unproblematisch,<br />
da der Vorwurf des<br />
Kannibalismus oft benutzt<br />
wurde, um kolonialistische<br />
Aggression zu legitimieren.<br />
Das war zwar hauptsächlich<br />
pure Projektion und kann<br />
insofern eher benutzt werden,<br />
um die europäische Expansion<br />
selbst zu beschreiben.<br />
Warum diese Werbung<br />
als explizit kannibalistisch<br />
bezeichnet werden kann, ist<br />
nicht so weit hergeholt: Die<br />
Frauen werden mitsamt ihrer<br />
Umgebung in die Eiscreme<br />
gerührt, und wer-<br />
45
den somit symbolisch immer<br />
mitgegessen. Der Slogan<br />
‘Let your tongue travel’<br />
sagt uns, dass wir unsere<br />
Zungen reisen lassen<br />
können, auf den Frauen, den<br />
Orten, die sie symbolisieren<br />
sollen. Sowohl die Models als<br />
auch die mehr oder weniger<br />
spezifischen Orte werden<br />
durch die Darstellung sexualisiert<br />
oder erotisiert, und<br />
somit auch die Eiscreme.<br />
Dies geschieht durch die<br />
klassischen Posen der Frauen,<br />
die leicht bekleidet, mit<br />
offenem Mund, meist herumliegen.<br />
Außerdem wird<br />
die Eiscreme ethnisiert oder<br />
rassialisiert, indem verschiedene<br />
Frauen verschiedenen<br />
Orten in exotisierender Weise<br />
zugeordnet werden. Besonders<br />
deutlich wird das<br />
bei der Werbung für ‘Choc<br />
Choc Chip’, durch die Verbindung<br />
einer Schwarzen<br />
Frau mit Schokolade. Sie ist<br />
auch die einzige, die nicht<br />
in die Kamera schaut und<br />
somit ungestört angestarrt<br />
werden kann. Sie steht in<br />
der Savanne, trägt Kleidung<br />
mit Fellmuster und andere<br />
nette Details. Weiß-Sein<br />
hingegen wird als differenziert<br />
und stylish konstruiert,<br />
durch den Bezug zu<br />
46<br />
New York (und nicht etwa<br />
Polen), den Diskokugeleffekt<br />
usw. Darüberhinaus<br />
lässt sich Weiß-Sein im Konstrast<br />
zu den Bildern der<br />
Women of Color lesen, so<br />
dass Weißsein implizit als<br />
zivilisiert, differenziert und<br />
so weiter erscheinen soll.<br />
Die von weißen Frauen dargestellten<br />
Orte sind New<br />
York und mittlerweile Mailand<br />
– im Vergleich zu Hawaii,<br />
Westafrika und Asien<br />
recht spezifische Orte. Anstatt<br />
Natur ist der Hintergrund<br />
der weißen Frauen<br />
Möbel und Architektur. Auf<br />
einer dritten Ebene steckt<br />
auch hinter diesen Bildern<br />
ein weißer und auch männlicher<br />
und heterosexueller<br />
Blick. Die Whiteness der<br />
Bilder wird <strong>hier</strong> vor allem<br />
dadurch sichtbar, dass ‘das<br />
Andere’ für Weiße <strong>zum</strong> Konsum<br />
angeboten wird. Die<br />
Bilder sind Ausdruck der<br />
Strategie, sich <strong>zum</strong> eigenen<br />
Vorteil mit ‘dem Anderen’<br />
zu schmücken, ohne die<br />
rassistischen Strukturen zu<br />
verändern.
ell hooks: Eating the<br />
Other – Die Anderen zur<br />
Ware machen<br />
Der Streitpunkt ist <strong>hier</strong> der<br />
Unterschied zwischen kultureller<br />
Aneignung und kultureller<br />
Wertschätzung, als<br />
welche Häagen-Dazs ihre<br />
Werbung und Produkte ausgibt.<br />
bell hooks kritisiert das<br />
‘zur Ware machen’ des Anderen<br />
(commodification, in<br />
der deutschen Übersetzung<br />
nur ‘Vermarktung’). Dieses<br />
‘zur Ware machen’ ist so<br />
erfolgreich, weil das Andere<br />
als aufregender als weiße<br />
Mainstream-Kultur gilt.<br />
Während hooks Essen eher<br />
als Metapher benutzt, wird<br />
Häagen-Dazs konkret: ” Mit<br />
allen Sinnen genießen. Wie<br />
schmeckt die Welt? Wie<br />
ist es, wenn sich Ihre Zunge<br />
um das aufregende New<br />
York legt? Wie fühlt sich<br />
Ihr Gaumen, wenn er von<br />
dem exotischen Asien umschmiegt<br />
wird? Tauchen Sie<br />
ein in eine Welt des Geschmacks.<br />
Und entdecken<br />
Sie die schillernden Facetten<br />
New Yorks, die kostbaren<br />
Geheimnisse West-Afrikas<br />
und die außergewöhnlichen<br />
Let your tongue travel<br />
Schätze Hawaiis. (...)“ Ethnizität<br />
und (mehr oder weniger)<br />
bestimmte Orte werden<br />
<strong>hier</strong> tatsächlich zu Geschmacksrichtungen.Problematisch<br />
daran ist, dass<br />
Differenzen zur Belustigung<br />
von Weißen zur Ware gemacht<br />
werden und so, wie<br />
bell hooks schreibt, das<br />
”<br />
Andere einverleibt, konsumiert<br />
und vergessen wird“.<br />
Jede Differenz von der weißen<br />
Norm wird so aus ihrem<br />
Kontext gerissen und ihrer<br />
eigenen Geschichte beraubt.<br />
Die ‘imperialistische Nostalgie’,<br />
die ‘Verführung durch<br />
das Andere’ negiert diese<br />
Geschichte und die Auswirkungen<br />
der kolonialen,<br />
rassistischen Herrschaftsstrukturen.<br />
Auch diesen<br />
Punkt belegt Häagen-Dazs,<br />
sie hätten bell hooks gelesen:<br />
” Sie wissen, wie<br />
Häagen-Dazs Eiscreme<br />
schmeckt. Jetzt können Sie<br />
anderen zeigen, wie sie Ihnen<br />
den Kopf verdreht.<br />
Wie ein Sog, der Bestes erfasst<br />
und zu einer herrlichen<br />
Komposition vereint, lässt<br />
Häagen-Dazs Eiscreme Sie<br />
Teil einer anderen Welt werden.“<br />
47
Literatur<br />
48<br />
• hooks, bell (1992): Eating the Other. Desire and Resistance,<br />
in: Black Looks. Race and Representation,<br />
Boston<br />
• hooks, bell (1994):Das Einverleiben des Anderen. Begehren<br />
und Widerstand, in: Black Looks. Popkultur<br />
– Medien – Rassismus, Berlin<br />
• Kundrus, Birthe (Hg.): Phantasiereiche. Zur Kulturgeschichte<br />
des deutschen Kolonialismus, Frankfurt;<br />
New York<br />
• McClintock, Anne (1995): Imperial Leather. Race,<br />
Gender and Sexuality in the Colonial Conquest. New<br />
York; London<br />
• Schülting, Sabine (1997): Wilde Frauen, Fremde Welten.<br />
Kolonisierungsgeschichten aus Amerika, Hamburg<br />
• http://www.haagen-dazs.de/microsite/home.html
Das Beispiel Hörzu de.indymedia.org<br />
Hier ist mal ein Beispiel<br />
aus diesem Jahr, wo<br />
eine Beschwerde über die<br />
Werbekampagne der Zeitschrift<br />
” HörZu “mit dem<br />
Slogan ” Irgendwann nimmt<br />
Hörzu<br />
man nicht mehr irgendwas.“an<br />
den deutschen Werberat<br />
ging.<br />
Ein Schreiben an den<br />
Werberat dazu:<br />
49
An: werberat@werberat.de<br />
Guten Tag,<br />
ich bitte Sie, den Verantwortlichen der<br />
HÖRZU wegen der beigefügten rassistischen und<br />
sexistischen Werbung eine Rüge zu erteilen!<br />
Sie vermittelt ganz offen eine extrem<br />
frauenverachtende Geisteshaltung (Mann nimmt<br />
sich Frau), die zudem noch Assoziationen an<br />
den Sklavenhandel (Weißer Mann kauft sich<br />
schwarze Frau) nahe legt. So etwas darf nicht<br />
ungestraft kommuniziert werden!<br />
Besten Dank für Ihren Einsatz im Sinne<br />
einer partnerschaftlichen Werbewelt,<br />
die übrigens ganz im Eigeninteresse des<br />
Verlags,auch denkende Männer und Frauen<br />
mit guten Argumenten von einem Produkt zu<br />
überzeugen versucht!<br />
Ein paar Reaktionen auf ein anderes Schreiben an Hörzu<br />
und Werberat:<br />
Antwort Hörzu Sehr geehrte/r ...,<br />
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 23. Mai 2006 und Ihre<br />
kritischen Worte zur Werbekampagne von HÖRZU. Keinesfalls<br />
wollten wir mit dem beanstandeten Motiv Ihre und<br />
die Gefühle anderer verletzen. Bitte gestatten Sie uns deshalb<br />
einige Erläuterungen.<br />
Die Leitidee der Kampagne: Irgendwann ist man reif,<br />
klug und qualitätsbewußt genug, um sich für das Beste<br />
zu entscheiden, nämlich für HÖRZU. Oder kurz gesagt:<br />
” Irgendwann nimmt man nicht mehr irgendwas. “<br />
Umgesetzt wird dieser Anspruch allerdings nicht mit erhobenem<br />
Zeigefinger, sondern mit einem kräftigen Augenzwinkern.<br />
Denn HÖRZU steht zwar für Qualität, Kompetenz<br />
und Erfahrung, ist aber geradedeswegen souverän<br />
genug, um ihre Position mit einer Portion Humor und<br />
50
Hörzu<br />
Selbstironie zu vertreten.<br />
So zeigen wir mögliche Situationen des Lebens, in denen<br />
eine Entscheidung für das Bessere fällt. Mal ernst, mal<br />
emotional, mal <strong>zum</strong> Lachen - HÖRZU ist eben genau so<br />
vielseitig wie das Lebender Leser.<br />
Mit freundlichen Grüßen ... Redaktion HÖRZU<br />
Antwort Hörzu Betreff: AW: Ihre rassistische Werbung<br />
um neue Leser<br />
Sehr geehrte ...,<br />
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 26. Mai 2006. Wir<br />
bedauern, daß Ihnen unsere Werbekampagne nicht gefällt<br />
und sie offenbar Werten, die Ihnen wichtig sind, nicht entspricht.<br />
Wir sehen es als durchaus positiv an, daß Sie sich kritisch<br />
mit unserer Werbung auseinandersetzen. Denn wir<br />
wollen Ihnen mit HÖRZU mehr bieten als ein kompetent<br />
aufbereitetes und von erfahrenen Redakteuren recherc<strong>hier</strong>tes<br />
Fernseh- und Hörfunkprogramm. Als modernes Medium<br />
und Europas größte wöchentliche Zeitschrift sehen wir<br />
es auch als unsere Aufgabe an, wichtige Themen der Diskussion<br />
zu stellen und <strong>zum</strong> Denken anzuregen. Und daß es<br />
dabei kontroverse Meinungen gibt, ist nicht nur natürlich,<br />
sondern auch wichtig für lebendigen, engagierten Journalismus.<br />
Diese Offenheit, die Bereitschaft zur Diskussion und<br />
<strong>zum</strong> Dialog mit Ihnen, unseren Lesern, ist auch die Botschaft<br />
unserer Werbekampagne. Daß wir damit auch Tabus<br />
berühren, war uns sehr bewußt. Aber nicht um Menschen<br />
persönlich zu verletzen oder zu diskriminieren, sondern<br />
um den Anspruch von HÖRZU auf eine ganz bestimmte<br />
Weise zu vermitteln: ohne erhobenen Zeigefinger,<br />
ohne Besserwisserei, aber mit einer Portion Augenzwinkern.<br />
Das Ergebnis ist natürlich Geschmackssache.<br />
In mehreren Motiven waren ungewöhnliche Paare zu sehen,<br />
die sich gefunden haben, obwohl sie nach landläufiger<br />
51
52<br />
Meinung nicht zusammen passen. Eine Anzeige zeigte eine<br />
Katze souverän vereint mit einem Mops auf dem Sofa.<br />
So ist auch in dem von Ihnen kritisierten Motiv die Dame<br />
eben nicht ” irgendwas “, sondern die Frau,für die sich der<br />
Mann nach vielen Kompromissen bewußt entschieden hat.<br />
Das gleiche gilt natürlich auch umgekehrt für den Mann.<br />
Es mag sein, daß viele von uns so eurozentrische Bilder<br />
wie ” Weißer Mann kauft schwarze Frau“im Kopf haben.<br />
Dabei sollte man allerdings nicht übersehen, daß das Paar<br />
in der Anzeige sich auf Augenhöhe befindet und nicht jede<br />
binationale Verbindung die gängigen Klischees bedient.<br />
Darum geht es in unserer Kampagne: Irgendwann nimmt<br />
man nicht mehr irgendwas. Der eigene Anspruch, die eigenen<br />
Erfahrungen führen dazu, sich bewußt zu entscheiden.<br />
Für mehr Qualität, für weniger Kompromisse. Und für eine<br />
Programmzeitschrift, die diesem Maßstab gerecht wird.<br />
Wir würden uns freuen, wenn die weiteren Motive unserer<br />
Werbekampagne Ihre Zustimmung finden.<br />
Mit freundlichen Grüßen ... Redaktion HÖRZU<br />
Antwort Werberat Anzeigenwerbung für ” Hörzu “: ” Irgendwann<br />
nimmt man nicht mehr irgendwas“<br />
Sehr geehrte ...,<br />
wir nehmen Bezug auf Ihre Beschwerde vom 25. Mai 2006. Sie<br />
rügen eine Werbung derZeitschrift ” HÖRZU“. Der Deutsche Werberat,<br />
die selbstdisziplinäre Einrichtung der deutschen Werbewirtschaft,<br />
sieht seine Aufgabe hauptsächlich darin, im Vorfeld der gesetzlichen<br />
Bestimmungen gegenüber solchen werblichen Maßnahmen<br />
einzuschreiten, die gegen seine Verlautbarungen oder die darin<br />
<strong>zum</strong> Ausdruck kommenden allgemein akzeptierten gesellschaftlichen<br />
Grundüberzeugungen verstoßen. Der Deutsche Werberat beanstandet<br />
Darstellungen und Aussagen in der Werbung beispielsweise dann, wenn<br />
sie herabwürdigend, obszön oder diskriminierend sind.<br />
Die von Ihnen kritisierte Werbeanzeige haben wir eingehend geprüft.<br />
Wir kommen zu dem Ergebnis, dass sie nicht zu beanstanden ist.<br />
Die vorliegende Werbung zeigt das Foto einer Frau und eines Mannes.<br />
Die Frau, ihrer äußeren Erscheinung nach (dunkle Hautfarbe, Kleidung,<br />
Schmuck) offenbar afrikanischer Herkunft, sitzt auf dem Schoß<br />
des hellhäutigen Mannes im Geschäftsanzug und hat den rechten Arm<br />
auf seine Schulter gelegt. Quer über das Bild ist zu lesen: ” Irgendwann
Hörzu<br />
nimmt man nicht mehr irgendwas“.<br />
Wir teilen Ihre Ansicht,dass die Anzeige für manche Betrachter<br />
eine Provokation darstellen kann. Möglicherweise ist dies sogar beabsichtigt.<br />
Der Anblick eines Paares mit unterschiedlicher Hautfarbe ist<br />
<strong>hier</strong>zulande kein alltägliches Bild.<br />
Vorliegend wird der Eindruck der Gegensätzlichkeit noch dadurch<br />
verstärkt, dass der Mann einen Anzug und Krawatte trägt, die abgebildete<br />
Frau hingegen ein locker gebundenes Seidengewand und augenscheinlich<br />
afrikanischen Schmuck, insbesondere eine so genannte<br />
Unterlippen-Platte.<br />
Die dargestellte Unterschiedlichkeit des Paares bedeutet unserer<br />
Auffassung nach jedoch nicht zwangsläufig eine Diskriminierung, sexistische<br />
oder rassistische Herabwürdigung oder gar Verächtlichmachung<br />
der abgebildeten Frau. Weder die Frau noch der Mann sind in<br />
einer herabwürdigenden Weise dargestellt. Die Haltung und Mimik der<br />
beiden abgebildeten Personen (direkter Blick in die Kamera, angedeutetes<br />
Lächeln) zeigen ein gleichberechtigtes Verhältnis.<br />
Die von Ihnen vorgetragene Assoziation mit Sklavenhandel ” weißer<br />
Mann kauft schwarze Frau“halten wir aus diesem Grund für fern<br />
liegend. Auch die Verbindung von Bild und Text lässt unserer Auffassung<br />
nach eine solche Interpretation nicht zu. Der Slogan ” Irgendwann<br />
nimmt man nicht mehr irgendwas“provoziert zwar dadurch, dass<br />
der Betrachter diese Aussage, die sich auf die Wahl der Zeitschrift<br />
HÖRZU bezieht, auf das abgebildete Paar überträgt und durch diese<br />
Doppeldeutigkeit eine Person als ” irgendwas“bezeichnet wird. Eine<br />
Herabwürdigung der Frau können wir darin jedoch nicht erkennen, da<br />
der Slogan so formuliert ist, dass der Betrachter ihn sowohl auf die<br />
Perspektive der Frau als auch auf die des Mannes beziehen kann. Bitte<br />
bedenken Sie, dass die Meinungsfreiheit - auch die in der Werbung -<br />
ein hohes Gut darstellt.<br />
Wie andere Lebensbereiche, etwa Literatur, Presse oder Rundfunk,<br />
ist Werbung auch ein Spiegel der Gesellschaft. Sie findet nicht losgelöst<br />
von sich wandelnden Wertanschauungen und Geschmack statt,<br />
sondern darf und muss auch pointierte oder drastische Aussagen treffen.<br />
Man mag unter dem Gesichtspunkt des persönlichen Geschmacks<br />
anderer Meinung sein. In diesem Sinne erwünschte von unerwünschten<br />
Aussagen zu unterscheiden, ist aber nicht Aufgabe des Werberats<br />
- und sollte nicht Aufgabe einer freiheitlichen Gesellschaft sein.<br />
Wir hoffen auf Ihr Verständnis für den Standpunkt des Werberats<br />
und verbleiben mit freundlichen Grüßen...<br />
53
Brief des AStA der <strong>Universität</strong> <strong>Potsdam</strong> an<br />
die Redaktion der Hörzu Sahra Dornick<br />
Auch der AStA der <strong>Universität</strong> <strong>Potsdam</strong> hat sich damals<br />
bei Hörzu beschwert:<br />
54<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
die von Ihnen gewählte Weise der Bewerbung Ihrer Zeitschrift<br />
stellt in den Augen des AStA Uni <strong>Potsdam</strong> eine<br />
rassistische Vermarktung von kulturellen Differenzen dar.<br />
Die ” Konsumierung des Anderen“ als das Andere ( ” irgendwas“)<br />
wird impliziert durch die Enkontextualisierung<br />
der Afroafrikanerin. Diese Entkontextualisierung wird<br />
verstärkt durch den Werbeslogan ” Irgendwann nimmt man<br />
nicht mehr irgendwas.“<br />
Andere Kulturen zu achten, so wie es in der Grundrechte<br />
Charta der Europäischen Union vereinbart ist, bedeutet,<br />
diese Kulturen in ihren Praxen, in denen sie ihre Bedeutungen<br />
entfalten, wahrzunehmen. Ihre Kampagne entkontextualisiert<br />
diese Kultur und stellt sie vor dem Hintergrund<br />
des Ideals eines europäischen männlichen heterosexuellen<br />
Anzugträgers an den Pranger. Es ist ungeklärt, ob die ausgedrückten<br />
Gefühlsäußerungen (Umarmen, auf dem Schoß<br />
des Mannes sitzen) in der Kultur der Afroafrikanerin dieselben<br />
Bedeutungen tragen, wie in der europäischen Kultur.<br />
Insofern ist Ihre Werbestrategie eurozentristisch. Ihrem<br />
selbstformulierten Anspruch: ” Als modernes Medium<br />
und Europas größte wöchentliche Zeitschrift sehen wir es<br />
auch als unsere Aufgabe an, wichtige Themen der Diskussion<br />
zu stellen und <strong>zum</strong> Denken anzuregen“, werden Sie<br />
leider nicht gerecht, da Sie gängige Klischees bedienen und<br />
konsumierbar chiffriert haben.<br />
Eine Werbekampagne, die <strong>zum</strong> Denken anregen möchte,<br />
wählt nicht den Weg, wissenschaftlich untersuchte und<br />
politisch bekämpfte Diskriminierungsfaktoren (Hautfarbe,
AStA Brief<br />
Ethnie, Geschlecht) auf eine Figur zu konzentrieren und als<br />
Folie dazu, den europäischen Durchschnittsmann zu stellen.<br />
Ihre Werbestrategie legt es <strong>hier</strong>bei darauf an, gängige<br />
Stereotypisierungen (Mann – transzendental/Frau – Natur<br />
(exotisch)) zu stabilisieren und bereits erarbeitete und<br />
erkämpfte Ausdifferenzierungen dieser Deutungs- und Interpretationsschemata<br />
zu Werbezwecken zu parodisieren.<br />
Es ist also fraglich, ob Ihr formuliertes Ziel: Humor“<br />
”<br />
und Selbstironie“ zu transportieren, der Intention Ihrer<br />
”<br />
Werbekampagne entspricht. Humoristische Figuren spielen<br />
bekanntlich mit Differenzen - wie Sie bereits erkannt<br />
haben - jedoch überzeichnen Sie die normativen Stereotypisierungen<br />
des gesellschaftlichen Unbewussten gleichermaßen!<br />
Wenn Sie in Ihrer Kampagne <strong>hier</strong> die Position des<br />
” Fremden“ einsetzen, um <strong>zum</strong> Lachen zu verführen, stellt<br />
das eine rassistische und sexistische Intervention dar.<br />
Eine Abbildung der Personen auf gleicher Augenhöhe<br />
und der direkte Blick in die Kamera stellen zwar Gesten<br />
der Gleichberechtigung dar (die postkoloniale Kritik hat<br />
vielfach auf entsprechende Gesten aufmerksam gemacht),<br />
sie entkräften jedoch nicht die bereits oben ausgeführten<br />
Vorwürfe des Sexismus, Rassismus, Eurozentrismus und<br />
kapitalistischer Konsumierung anderer Kulturen.<br />
Für eventuelle erneute Versuche solcher Denkanstoß-<br />
Werbekampagnen wünsche ich Ihnen in diesem Sinne reflektiertere<br />
WerbestrategInnen!<br />
Mit freundlichen Grüßen, Sahra Dornick<br />
55
Definition<br />
Adbusting ist eine Form<br />
des kreativen Wiederstandes,<br />
bei dem Werbeplakate,<br />
Slogans und Logos <strong>zum</strong><br />
Zwecke der kritischen Antiwerbung<br />
verändert werden.<br />
Das Wort Adbusting<br />
kommt aus dem englischen<br />
Die Sprüche, Bilder, Kontexte<br />
werden verfremdet<br />
oder zerstört, so dass die<br />
Aussage den ursprünglichen<br />
” Sinn“verliert, dass der<br />
Kontext ins Gegenteil verkehrt,<br />
mit Hintergrundinformationen<br />
unterfüttert oder<br />
ins Absurde gelenkt wird.<br />
56<br />
Adbusting Christian Mütze<br />
und setzt sich zusammen<br />
aus ad“(= Werbung) und<br />
”<br />
” to bust “(= zerschlagen).<br />
Auf kritische Weise wird auf<br />
Werbung aufmerksam gemacht,<br />
die uns tagtäglich<br />
überschwemmt. Werbeplakate<br />
werden zur Blaupause<br />
der Kritik.<br />
Entwicklung<br />
In der zweiten Hälfte der<br />
90er Jahre nahm die Allgegenwart<br />
der Marken immer<br />
mehr zu, Markenfetischismus,<br />
der vor allem bei<br />
Jugendlichen eine große Rolle<br />
bezüglich Anerkennung<br />
in der Gesellschaft wurde,<br />
stellt einen wichtigen Be-
standteil des Alltags dar.<br />
Abseits des Mainstreams<br />
bildete sich langsam<br />
ein anderes Phänomen:<br />
Ein Netz von Umwelt-,<br />
Gewerkschafts- und MenschenrechtsaktivistInnen<br />
Gruppen, die sich früher<br />
auf die kritische Beobachtung<br />
von Regierungen konzentrierten,<br />
haben sich neue<br />
Aufgaben gestellt und verfolgen<br />
jetzt vor allem die<br />
Verstöße, die von multinationalen<br />
Konzernen begangen<br />
werden. Immer mehr<br />
rückt der Wunsch in den<br />
Adbusting<br />
nahm sich zur Aufgabe, hinter<br />
die Fassade der großen<br />
Konzerne zu blicken und den<br />
Schaden ans Licht zu bringen,<br />
der unter der glänzenden<br />
Oberfläche angerichtet<br />
wird.<br />
Vordergrund, die Öffentlichkeit<br />
mit Hilfe von aufsehenerregenden<br />
Aktionen auf das<br />
Treiben der Konzerne aufmerksam<br />
zu machen. Viele<br />
der bekanntesten Hersteller<br />
konzentrieren sich nur<br />
mehr auf die Vermarktung,<br />
während die Produkte in<br />
Zulieferbetrieben hergestellt<br />
57
werden. Diese befinden sich<br />
<strong>zum</strong> großen Teil in Billiglohnländern,<br />
der sogenannten<br />
Dritten Welt, wo ausbeuterischeArbeitsbedingungen<br />
vorherrschen, und<br />
der Mensch nicht als Mensch<br />
angesehen und behandelt<br />
wird, sondern als Sklave. Die<br />
Gier, mit der Konzerne nach<br />
Coolness jagen, hat viel dazu<br />
beigetragen, die Entste-<br />
Bei den AktivistInnen<br />
handelt es sich um Menschen<br />
aller Altersgruppen u.<br />
Gesellschaftsschichten. Sie<br />
kommen aus Schulen und<br />
<strong>Universität</strong>en, aus der Werbebranche<br />
etc. - alle leiden<br />
unter der Invasion der Marken<br />
und verfolgen das Ziel,<br />
die Werbung mit ihren eigenen<br />
Waffen zu schlagen.<br />
Mittlerweile gibt es viele<br />
Gruppierungen und AktivistInnen,<br />
von Computerfreaks,<br />
die kreative Adbuster-<br />
hung eines gegen die Marke<br />
gerichteten Aktivismus zu<br />
fördern. ’Die Menschen fordern<br />
Raum von den Konzernen<br />
zurück. Sie fühlen sich<br />
als Opfer einer räuberischen<br />
Markenmaschine, die unsere<br />
Identität, unseren Stil und<br />
unsere Ideen vereinnahmte<br />
und sie in Futter für die<br />
Marken verwandelte.’<br />
T-Shirts unter dem Ladentisch<br />
verkaufen, bis zu<br />
durchorganisierten Großdemonstrationen.<br />
Immer mehr<br />
junge Menschen schließen<br />
sich der Bewegung an und<br />
setzen ihre Kreativität bei<br />
der Gestaltung von eigenen<br />
Gegenanzeigen ein. Der<br />
Moralkodex der Adbusters<br />
umfasst Themen wie: Sexismus,<br />
Verächtlichmachung<br />
von Minderheiten, Rassismus,<br />
ökologische Ziele, u.ä.<br />
Klein, Naomi (2002): No Logo! No Logo! München, Riemann<br />
Vorlage: Palmberger::Zimmel 2003<br />
58
Impressum<br />
AG Sexismus in der Werbung<br />
Studentisches Kulturzentrum [ ] KUZE<br />
Hermann-Elflein-Str. 10<br />
14467 <strong>Potsdam</strong><br />
Bierdeckel & Impressum<br />
Wir danken dem AStA der <strong>Universität</strong> <strong>Potsdam</strong> für die finanzielle Unterstützung<br />
59