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Andrej Bitovs Uroki Armenii - Sarah

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konsequent verwendet werden. Allerdings fehlt jeweils die Angabe, woher das Zitat<br />

stammt. In den <strong>Uroki</strong> <strong>Armenii</strong> werden kleinere, literarische Versatzstücke in einen<br />

grösseren, selbständigen Reisetext miteinander verwoben. Durch diese Montage ent-<br />

steht letztendlich ein mosaik- oder collageartiges Werk, dessen kleine, bekannten<br />

Elemente sich in einem grossen, neuen Sinngefüge befinden.<br />

In dieser literarischen Rekonstruktion der Reise tritt zutage, wie jene funktio-<br />

niert. Ihre allgemeine Struktur ist ein Simulacrum der wirklichen Reise, allerdings ein<br />

gezieltes, „interessiertes“ Simulacrum, da das imitierte Objekt etwas zum Vorschein<br />

bringt, was im natürlichen nicht sichtbar war. 127 Die <strong>Uroki</strong> <strong>Armenii</strong> sind weniger ei-<br />

ne Darstellung Armeniens, sondern vielmehr davon, wie Armenien gesehen, gedacht<br />

und erkannt werden kann. Mancherorts in den Schilderungen stellt sich daher die<br />

Frage, ob Bitov Zitate substitutiv verwendet, um die eigene Sprachlosigkeit auszu-<br />

drücken oder ob er damit einer bestimmten literarischen Spur respektive Tradition<br />

folgt, denn die Zitate knüpfen an bekannte Texte und Autoren an.<br />

Da es sich um erkennbare Anlehnungen respektive Zitate handelt, wird in die-<br />

ser Arbeit von Letzterem ausgegangen. Die Orientierung an Puškin kommt formal<br />

deutlich zur Geltung anhand der Kapitelüberschrift Kavkazskij plennik 128 . In diesem<br />

Oberkapitel beschreibt er die zahlreichen, unendlichen Besuche in Häusern armeni-<br />

scher Freunde. Er selbst scheint sich als eine ironische Variante des liščnij čelovek<br />

darzustellen, der mit den Freunden weder Armenisch zu sprechen noch das Brett-<br />

spiel Nardy zu spielen versteht: „[...] i menja ostaetsja tol’ko kormit’ arbuzom. Kak<br />

vsegda – kormit’... Čto so mnoj ešče delat’?“ 129<br />

Aufgrund dieser Überflüssigkeit und Isolation vergleicht er seinen Zustand par-<br />

odistisch mit dem des Puškinschen Kavkazskij plennik: „Vremja, gde ty? Ja zapert,<br />

ja v kletke. Každyj den’ menja perevodjat iz kamery v kameru. Pitanie chorošee, ne<br />

b’jut. [...] Menja posadili v jamu vremeni. Devočka s peniem uže sbegaet s gor, neset<br />

mne svoj kuvšin... Kavkazskij plennik“ 130 .<br />

Das Motiv der ambivalenten Gefangenschaft, welches im Puškin-Poem das Kern-<br />

motiv ist, wird bei Bitov zu einem Leitmotiv. Einerseits ist er ebenfalls physisch<br />

127 Vgl. Barthes, Roland: Die strukturalistische Tätigkeit. In: Kursbuch 5. Mai 1966, S. 190-196.<br />

Vgl. „Leibniz-Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften“ http://www.<br />

lrz-muenchen.de/~nina.ort/barthes.html (letzter Zugriff 08.06.09).<br />

128 Bitov, <strong>Uroki</strong> <strong>Armenii</strong>, S. 58-86.<br />

129 Ebd., S. 82.<br />

130 Ebd., S. 85.<br />

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