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Freihandel und Widerstand in Zentralamerika - Ökumenisches Büro ...

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onen die eigenen Produkte billiger. Die Idee des<strong>Freihandel</strong>s be<strong>in</strong>haltet nun, diese zum Schutzder eigenen Wirtschaft bestimmten Maßnahmenabzubauen, damit die ausländische KonkurrenzZugang zu den eigenen Märkten bekommt. Diesentspricht auch der klassischen Vorstellung von<strong>Freihandel</strong>, die auf die ökonomischen Theorienvon Adam Smith <strong>und</strong> David Ricardo, Theoretikerdes 18. <strong>und</strong> beg<strong>in</strong>nenden 19. Jahrh<strong>und</strong>erts,zurückgeht. Damals – zu Beg<strong>in</strong>n der Industrialisierung– wurde diese Theorie nicht <strong>in</strong> diePraxis umgesetzt. Im Gegenteil. Es lag Deutschlandbeispielsweise sehr viel daran, die eigeneIndustrie mit Zöllen vor der Konkurrenz ausCAFTAUS/Central American Free Trade AgreementUS/<strong>Zentralamerika</strong>nischer <strong>Freihandel</strong>svertragTratado de Libre Comercio entre Costa Rica, Guatemala, Honduras, ElSalvador y Nicaragua y los Estados Unidos de AméricaDie Initiative zu e<strong>in</strong>em <strong>Freihandel</strong>sabkommen mit den USA g<strong>in</strong>g von den Regierungen derzentralamerikanischen Staaten aus <strong>und</strong> wurde von US-Präsident George W. Bush am 16. Januar2002 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er offiziellen Verlautbarung positiv bestätigt. Am 24. März 2002 wurden die Verhandlungen<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gipfeltreffen zwischen George W. Bush <strong>und</strong> den zentralamerikanischen Präsidenten<strong>in</strong> San Salvador formal beschlossen.Nach e<strong>in</strong>igen Vorbereitungstreffen, die alle noch im selben Jahr stattfanden, begannen am8. Januar 2003 die Verhandlungen <strong>und</strong> wurden offiziell nach neun Verhandlungsr<strong>und</strong>en am 16.Dezember 2003 beendet. Costa Rica erreichte für sich e<strong>in</strong>e zusätzliche Verhandlungsr<strong>und</strong>e imJanuar so, dass sich das tatsächliche Verhandlungsende bis zum 25. Januar 2004 h<strong>in</strong>auszog.VertreterInnen der Wirtschaft <strong>und</strong> der Zivilgesellschaft begleiteten <strong>in</strong> sogenannten „Nebenzimmern“die Verhandlungen.Der Vertrag, dessen Entwurf <strong>in</strong>zwischen veröffentlicht wurde * , behandelt, ähnlich wie derNAFTA-Vertrag, viel mehr als nur das Thema <strong>Freihandel</strong>. Das Vertragswerk besteht aus zweiTeilen, dem eigentlichen Vertragstext <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Reihe von Ergänzungsdokumenten. In diesemzweiten Teil haben die e<strong>in</strong>zelnen VertragspartnerInnen den Zeitraum des Abbaus der Zölle <strong>und</strong>Zollkont<strong>in</strong>gente für die e<strong>in</strong>zelnen Handelsprodukte fixiert, die sie e<strong>in</strong>ander jeweils e<strong>in</strong>räumen.Die zwei<strong>und</strong>zwanzig Kapitel des Vertrags lassen sich <strong>in</strong> drei Teile gliedern.1. Kapitel, die sich allgeme<strong>in</strong> mit Handel befassen. Dabei geht es hauptsächlich um Zollabbau,die sogenannten nichttarifären Handelshemmnisse <strong>und</strong> allgeme<strong>in</strong>e technische Aspekte.Es s<strong>in</strong>d die Kapitel mit den Titeln:Inländerbehandlung <strong>und</strong> Marktzugang der Handelsgüter, Ursprungsregeln, Zollverwaltung,Ges<strong>und</strong>heitspolizeiliche <strong>und</strong> pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen, Technische Handelshemmnisse,Schutzmaßnahmen, Öffentliche Beschaffungen, Streitbeilegung2. Kapitel, die sich mit dem Handel mit Dienstleistungen befassen:Grenzüberschreitender Handel mit Dienstleistungen, F<strong>in</strong>anzdienstleistungen, Telekommunikation,E-Commerce3. Kapitel, die über die Regelungen für den Handel mit Gütern <strong>und</strong> Dienstleistungen, wie sie<strong>in</strong> den WTO-Abkommen GATT <strong>und</strong> GATS fixiert s<strong>in</strong>d, h<strong>in</strong>ausgehen:Investitionen, Geistige Eigentumsrechte, Arbeit <strong>und</strong> UmweltDie Unterzeichnung des Vertrages ist für April vorgesehen. Anschließend, bis Ende Juli, soll erim US-Kongress <strong>und</strong> <strong>in</strong> den zentralamerikanischen Parlamenten verabschiedet werden. Manrechnet daher mit e<strong>in</strong>em Inkrafttreten im Januar 2005, nach den im November 2004 stattf<strong>in</strong>dendenUS-Präsidentschaftswahlen.Es gibt Bestrebungen, weitere Mitglieder <strong>in</strong> das CAFTA-Abkommen aufzunehmen. SeitJanuar dieses Jahres laufen Verhandlungen zwischen der USA <strong>und</strong> der Dom<strong>in</strong>ikanischen Republik.Die Verhandlungen sollen im Mai beendet se<strong>in</strong>.*M<strong>in</strong>isterio de ComercioExterior de Costa Ricahttp://ww.comex.go.cr/(spanisch)USA, Office of the UnitedStates TradeRepresentativehttp://www.ustr.gov(englisch)<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 5


2Auch die EU-Osterweiterungist unter diesemBlickw<strong>in</strong>kel zu betrachten.Es geht auch dabe<strong>in</strong>icht alle<strong>in</strong>e um dieÖffnung der Märkte,sondern auch um dieImplementierung neoliberalerPolitik durch dieStaaten der EU.Großbritannien zu schützen, damit sie überhaupte<strong>in</strong>e Chance hatte, sich zu entwickeln.Auch wenn Schutzzölle nicht immer Garantie fürwirtschaftliche Entwicklung s<strong>in</strong>d, gibt es ke<strong>in</strong>eBeispiele von Ökonomien, die sich ohne Schutzzölleentwickelt hätten.<strong>Freihandel</strong> mit neuer QualitätSeit Anfang der 90er Jahre hat <strong>Freihandel</strong> e<strong>in</strong>eneue Qualität bekommen. Am Beispiel vonNAFTA (North American Free Trade Agreement,e<strong>in</strong> <strong>Freihandel</strong>sabkommen zwischen Kanada, denUSA <strong>und</strong> Mexiko, 1994 <strong>in</strong> Kraft getreten) wirddas deutlich: Mit Mexiko wurde hier e<strong>in</strong> Land<strong>in</strong>tegriert, das ökonomisch stark von den USAabhängig war <strong>und</strong> noch immer ist. Dieser<strong>Freihandel</strong>svertrag war weder e<strong>in</strong> Zusammenschlussvon Staaten zum Schutz gegen andere,noch umfasste er ausschließlich Regelungene<strong>in</strong>es freien Warenverkehrs. Die Verhandlungen<strong>und</strong> damit das Vertragswerk selbst waren bestimmtvon den Interessen der starken Ökonomiender USA <strong>und</strong> Kanadas. Der NAFTA-Vertragdient als weiteres Instrument für die Umsetzunge<strong>in</strong>er neoliberalen Wirtschaftspolitik <strong>in</strong> Mexiko.Mit CAFTA verfolgen die USA nun e<strong>in</strong>e ähnlichePolitik 2 : Durch die Regelungen der <strong>Freihandel</strong>sverträgewerden ökonomische Strukturen geschaffen,die über den nationalen Gesetzgebungenstehen <strong>und</strong> die dem E<strong>in</strong>fluss staatlicherInstitutionen weitgehend entzogen s<strong>in</strong>d. Sieschützen vor allem die Interessen der großenKonzerne <strong>und</strong> bieten den USA zusätzlich dieMöglichkeit, sich strategisch wichtige Industrienim Dienstleistungssektor (z.B. im Stromsektor)zu sichern.Neoliberalismus macht den Weg frei...Der Neoliberalismus hielt Anfang der 80er Jahreweltweit E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> die Wirtschaftspolitik. Währendvorher <strong>in</strong> Anlehnung an Keynes den staatlichenInstitutionen e<strong>in</strong>e wichtige Rolle bei derBewältigung von Wirtschaftskrisen, der Steuerungdes Marktes <strong>und</strong> der Umverteilung zurStrukturanpassungsprogramme*mittlerweile manchmalauch moderner <strong>und</strong>euphemistisch alsArmutsbekämpfungsmaßnahmen(PovertyReduction and GrowthFacility – PRGF)Als Strukturanpassungsprogramme (SAPs) * werden die vom Internationalen Währungsfonds (IWF)auferlegten Maßnahmen bezeichnet, mit denen vor allem die Ökonomie hochverschuldeterStaaten neoliberal umgestaltet werden soll. Ziele s<strong>in</strong>d dabei die Stabilisierung der Währung, dasSichern bzw. Wiedererreichen der Schuldendienstfähigkeit <strong>und</strong> die Ausrichtung der Wirtschaft aufdie Anforderungen des Weltmarkts. Die Erfüllung der SAPs ist e<strong>in</strong>e wesentliche Zugangsvoraussetzungzu weiteren Krediten der Weltbank, von anderen „Entwicklungsbanken“ oder auf demprivaten Kapitalmarkt.Als Hauptbestandteile der SAPs werden Schuldnerstaaten folgende Maßnahmen verordnet, die dasWirtschaftswachstum ankurbeln <strong>und</strong> Devisen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen sollen:• Abwertung der Währung <strong>und</strong> E<strong>in</strong>schränkung der Geldmenge• Setzen auf exportorientierte Industrialisierung• Liberalisierung der Märkte für den <strong>in</strong>ternationalen Handel <strong>und</strong> für ausländisches Kapital• Abschaffung von Preiskontrollen <strong>und</strong> Subventionen• Senkung von Steuern• Reduzierung der staatlichen Ausgaben (v.a. für soziale Absicherung <strong>und</strong> Bildung)• drastische Senkung der Zahl der Staatsbediensteten <strong>und</strong> ihrer Bezüge• Privatisierung des öffentlichen Sektors• Deregulierung vor allem bei den Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen <strong>und</strong> den Löhnen• Zulassung <strong>und</strong> Durchführung bevölkerungspolitischer MaßnahmenVor allem die Abschaffung von staatlichen Subventionen, die Reduzierung der Staatsausgaben<strong>und</strong> Privatisierungen ziehen verheerende soziale Auswirkungen nach sich. Dass die Maßgabender SAPs auch bei ihrer strikten Befolgung nicht zu e<strong>in</strong>er Verbesserung der ökonomischen Situationder Schuldnerstaaten, geschweige denn zu e<strong>in</strong>er Zunahme des allgeme<strong>in</strong>en Wohlstandsführen, zeigt am e<strong>in</strong>drucksvollsten das Beispiel Argent<strong>in</strong>iens, das jahrelang als „Musterschüler“des IWF galt.6 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


Aufrechterhaltung e<strong>in</strong>er m<strong>in</strong>imalen sozialenSicherheit zugesprochen wurde, kehrte sichAnfang der 80er Jahre das Verständnis der Rolledes Staates <strong>in</strong> wirtschaftlichen Prozessen um.Von Keynes wurde Abschied genommen, dieAnhängerInnen des Monetarismus <strong>und</strong> Marktliberalismusgewannen die Oberhand (z.B.Margaret Thatcher oder Ronald Reagan: HelmutKohl ist im weitesten S<strong>in</strong>ne sicher auch dazu zuzählen). Nach dieser Doktr<strong>in</strong> wird dem Staatke<strong>in</strong>e aktive Rolle <strong>in</strong> der Wirtschaftspolitik mehrzugesprochen, er soll lediglich noch das Wirkender Kräfte des Marktes unterstützen. Die „unsichtbareHand“ des Marktes soll - wenn man siegewähren lässt - Wirtschaftskrisen von selbstbeheben oder gar nicht erst entstehen lassen.Diese Forderung nach dem Rückzug des Staatesaus dem wirtschaftlichen Bereich hat unterschiedlicheAusprägungen: Die Privatisierungvon staatlichen Unternehmen <strong>und</strong> Dienstleistungen,das Ende aktiver Wirtschaftspolitik imS<strong>in</strong>ne von öffentlichen Investitionen durchstrikte Grenzen der staatlichen Neuverschuldung.Sowohl die Privatisierung der staatlichenUnternehmen als auch die Abschaffungvon Zöllen haben E<strong>in</strong>bußen <strong>in</strong> den Staatshaushaltenzur Folge, was die staatlichen Aktivitätenweiter e<strong>in</strong>schränkt. Ziel der neoliberalen Politikist es, möglichst flächendeckenden Wettbewerbzu schaffen mit der Behauptung, dass mit mehrWettbewerb allen gedient sei. Im Rahmen dieserAuch sie ist jetzt geschützt.Logik ist offensichtlich, dass Wettbewerb <strong>und</strong>Handel auch weltweit ohne staatliche E<strong>in</strong>griffefunktionieren müssen. Deshalb spielt <strong>Freihandel</strong><strong>Zentralamerika</strong>nische ZollunionUnión Aduanera CentroamericanaSeit der Gründung des Geme<strong>in</strong>samen <strong>Zentralamerika</strong>nischen Marktes (Mercado ComúnCentroamericano, MCCA) im Jahre 1960 existiert der Plan e<strong>in</strong>er Zollunion <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>. Inden folgenden 40 Jahren gab es verschiedene Anläufe zur Konkretisierung, die aber alle gescheiterts<strong>in</strong>d. Erst <strong>in</strong> den letzten Jahren wurden, im Zusammenhang mit den <strong>Freihandel</strong>sverträgen,konkrete Schritte unternommen. Denn sowohl die USA als auch die EU, mit denen diezentralamerikanischen Regierungen <strong>Freihandel</strong>sverträge abschließen wollten, drängten zumAbschluss e<strong>in</strong>er Zollunion, <strong>in</strong>dem sie deutlich machten, dass sie nur mit <strong>Zentralamerika</strong> als Blockverhandeln würden. Am 24. März 2002, auf dem gleichen Gipfeltreffen, auf dem diezentralamerikanischen Präsidenten die Aufnahme der Verhandlungen zu CAFTA beschlossen,vere<strong>in</strong>barten sie auch die Vollendung der <strong>Zentralamerika</strong>nischen Zollunion. Das Ziel ist e<strong>in</strong>zollfreier B<strong>in</strong>nenhandel <strong>und</strong> e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Außenzoll.Am 26. Februar 2004 wurde auf dem Außerordentlichen zentralamerikanischen Gipfeltreffen<strong>in</strong> Guatemala bekannt gegeben, dass die geplante Zollunion am 1. Mai 2004 starten soll * . Andem Start werden sich aber nur drei der fünf Länder beteiligen, Guatemala, El Salvador <strong>und</strong>Nicaragua, <strong>und</strong> nur etwa die Hälfte des Handels zwischen diesen drei Ländern wird betroffense<strong>in</strong>, nämlich die Produkte, die aus der Region selbst stammen. Bisher haben sich die beteiligtenLänder noch nicht auf geme<strong>in</strong>same Außenzölle e<strong>in</strong>igen können. Als große praktische Erleichterungwird herausgestellt, dass ges<strong>und</strong>heitspolizeiliche <strong>und</strong> pflanzenschutzrechtliche Maßnahmendes Ursprungslandes automatisch anerkannt werden.*La Prensa, Nicaragua27./28.02.2004<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 7


<strong>in</strong> der neoliberalen Doktr<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e wichtige Rolle.Mit diesem Dogma veränderte sich auch dasVerhältnis zwischen Staat <strong>und</strong> BürgerInnen.Während bis Anfang der 80er Jahre dem Staatnoch e<strong>in</strong>e gewisse Versorgungsfunktion für dieBürgerInnen zugesprochen wurde, wird diesenun immer weiter abgebaut. JedeR soll für sichselbst verantwortlich se<strong>in</strong> <strong>und</strong> die, die etwasleisten, werden auch belohnt, woh<strong>in</strong>gegen –kurz gesprochen – die, die nichts leisten imS<strong>in</strong>ne des Marktes, auch nichts verdient haben.Dem Staat wird lediglich noch das Recht zugesprochen,als HüterIn von Recht <strong>und</strong> Ordnungzu funktionieren. Er muss sich um Sicherheitkümmern, was auch bedeutet, Krim<strong>in</strong>alität oder<strong>Widerstand</strong>, die auch aus zunehmender Verelendungentstehen, niederzuschlagen.Diese veränderte Art des Denkens <strong>in</strong> Bezugauf Staat <strong>und</strong> Wirtschaft wurde <strong>in</strong> den 80er <strong>und</strong>90er Jahren durch die Maßnahmen der Krisen<strong>in</strong>terventionvor allem der <strong>in</strong>ternationalenF<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitutionen wie IWF <strong>und</strong> Weltbank auch<strong>in</strong> die Länder Late<strong>in</strong>amerikas exportiert: DieGewährung von Krediten war an e<strong>in</strong>deutigeKriterien geb<strong>und</strong>en, die den Staat aus e<strong>in</strong>eraktiven Rolle herausdrängen sollten. Das Zieldieser Strukturanpassungsmaßnahmen (detailliertereBeschreibung der Strukturanpassungsmaßnahmensiehe Kasten) bestand dar<strong>in</strong>, dieÖkonomien zu deregulieren <strong>und</strong> damit optimaleRahmenbed<strong>in</strong>gungen für freien Wettbewerb <strong>und</strong>Handel zu schaffen. Dazu gehörte die Senkungvon Steuern <strong>und</strong> Zöllen, die Förderung ausländischerDirekt<strong>in</strong>vestitionen, Exportorientierung<strong>und</strong> Privatisierung von staatlichen Unternehmen.In <strong>Zentralamerika</strong> hatte diese von IWF <strong>und</strong>Weltbank geförderte <strong>und</strong> von den Regierungen<strong>Zentralamerika</strong>s umgesetzte Politik schon sehrschnell negative Folgen für die Bevölkerung.Exportorientierung <strong>und</strong> Förderung ausländischerDirekt<strong>in</strong>vestitionen hatten den massiven Aufbauder Maquila-Industrie zur Folge, <strong>in</strong> der überwiegendFrauen arbeiten, <strong>und</strong> zwar unter übelstenArbeitsbed<strong>in</strong>gungen <strong>und</strong> zu sehr ger<strong>in</strong>genLöhnen. Die Vernachlässigung e<strong>in</strong>er gezieltenAgrarförderung verb<strong>und</strong>en mit e<strong>in</strong>er Reduzierungder Zölle für Agrarimporte führte zurVerschuldung von LandwirtInnen <strong>und</strong> der Verelendungvon LandarbeiterInnen. Die Privatisierungenvon öffentlichen Dienstleistungen wieWasser, Strom, Ges<strong>und</strong>heitsversorgung oderBildung bedeuteten e<strong>in</strong>e Steigerung der Lebenshaltungskosten,so dass für e<strong>in</strong>en Großteil derBevölkerung diese Gr<strong>und</strong>versorgung zum Luxusgutwurde. Auch hier gilt wieder das zynischeMotto, dass jedeR für sich selbst verantwortlichist. Wer etwas leistet, kann sich auch privateGes<strong>und</strong>heitsversorgung leisten, wer nicht, derhalt nicht. Real stellt sich auch <strong>in</strong> den Ländern<strong>Zentralamerika</strong>s die Situation so dar, dass dieArbeit für die Ges<strong>und</strong>heitsversorgung wiedervon Frauen erledigt werden muss. Denn wiefrüher werden sie es se<strong>in</strong>, die die Krankenpflegen, wenn die Familie ke<strong>in</strong> Geld hat, um dieKranken <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Hospital unterzubr<strong>in</strong>gen....zu freiem HandelDieser Prozess der neoliberalen Ökonomisierungwird mit dem <strong>Freihandel</strong>svertrag CAFTA nochverschärft werden. Denn ebenso wie der Vorbildvertragzwischen Kanada, den USA <strong>und</strong> Mexiko(NAFTA) geht dieser Vertrag weit über dash<strong>in</strong>aus, was bisher <strong>in</strong> <strong>Freihandel</strong>sverträgengeregelt wurde, nämlich der Abbau von Zöllenfür den Handel mit Gütern. Zwei Aspekte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>diesem Zusammenhang von Bedeutung: DieAusweitung dessen, was als handelbares Gutbezeichnet wird <strong>und</strong> die Aufnahme von Regelungenzum Investitionsschutz.Alles kann gehandelt werdenWährend <strong>in</strong> <strong>Freihandel</strong>sverträgen, die nochnicht so stark mit der neoliberalen Doktr<strong>in</strong>verb<strong>und</strong>en waren, vor allem der Austausch vonproduzierten Gütern geregelt wurde, geht esjetzt um weitaus mehr. Die Def<strong>in</strong>ition, washandelbares Gut sei, wurde immer weiter ausgedehnt.Dem freien Handel mit Gütern folgte abMitte der 70er Jahre des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts derfreie Handel mit Devisen. Seit Beg<strong>in</strong>n der 80erJahre wurden auch Dienstleistungen wie Ges<strong>und</strong>heit<strong>und</strong> Bildung sowie natürliche Ressourcenwie Wasser oder genetische Informationenvon Lebewesen als handelbare Güter def<strong>in</strong>iert.Bei den Verhandlungen zum CAFTA-Vertragwurde nur das verhandelt, was eigentlich für dierealen Wirtschaftsbeziehungen zwischen denUSA <strong>und</strong> den Ländern <strong>Zentralamerika</strong>s ke<strong>in</strong>ezentrale Rolle spielt, nämlich ab wann welcheProdukte zollfrei gehandelt werden. Es gehtdabei um e<strong>in</strong>e ziemlich lange Liste vonProdukten,die für die zentralamerikanischenLänder eigentlich nicht von Bedeutung s<strong>in</strong>d, dasie dort nicht hergestellt werden, wie beispielsweiseKriegsschiffe. Raul Moreno vomVerbraucherschutznetzwerk CDC <strong>in</strong> El Salvadorsieht nur drei Produkte, die für El Salvador von8 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


Bedeutung se<strong>in</strong> könnten: Kaffee, Textilprodukteaus den Maquilas <strong>und</strong> kle<strong>in</strong>e elektrische Geräte.Nach se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schätzung ist das hauptsächlicheZiel der USA nicht, den Warenverkehr zu erleichtern,sondern sich den Zugang zurBiodiversität <strong>Zentralamerika</strong>s zu sichern <strong>und</strong>dies <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>Freihandel</strong>svertrag festzuhalten,der über den jeweiligen Landesgesetzen steht.Darüber f<strong>in</strong>den auchke<strong>in</strong>e Verhandlungenstatt, da die USA hiernicht zu Kompromissenbereit s<strong>in</strong>d. <strong>Zentralamerika</strong>besitzt e<strong>in</strong>eVielfalt an Pflanzen, dieunter anderem fürPharmakonzerne für dieHerstellung <strong>und</strong> Neuentwicklungvon Medikamentenvon Bedeutungse<strong>in</strong> können. DurchCAFTA wird die Möglichkeiterleichtert, sichZugang zu diesen Pflanzenzu verschaffen <strong>und</strong> Hier geht’s rechts ab.diese patentieren zulassen. In diesem Vertrag s<strong>in</strong>d also Pflanzen <strong>und</strong>Genome von Pflanzen bereits zu handelbaremGut erklärt worden.InvestitionenEbenso wie der NAFTA-Vertrag enthält auchCAFTA e<strong>in</strong> Kapitel über Investitionsschutz. Auchdas war nicht Bestandteil der Verhandlungen.H<strong>in</strong>sichtlich der Investitionen wird es denRegierungen künftig nicht mehr erlaubt se<strong>in</strong>,den InvestorInnen Bed<strong>in</strong>gungen zu stellen(beispielsweise, dass die Investitionen mit derSchaffung von Arbeitsplätzen verb<strong>und</strong>en se<strong>in</strong>oder <strong>in</strong> das wirtschaftspolitische Konzept derjeweiligen Regierung passen müssen). AusländischeInvestorInnen müssen wie e<strong>in</strong>heimischeInvestorInnen behandelt werden. Das ist natürlichfür die zentralamerikanischen Unternehmensehr problematisch, denn sie müssen nun beiAufträgen, die von öffentlichen nationalenInstitutionen ausgeschrieben werden, auf gleicherEbene mit Konzernen aus Industrieländern,<strong>in</strong> diesem Fall den USA, konkurrieren.Über die Regelung zu Investitionen soll <strong>in</strong>den Ländern e<strong>in</strong> freier Wettbewerb der Konzernee<strong>in</strong>geführt werden. Real wird durch den <strong>Freihandel</strong>svertragaber vor allem den ausländischenInvestorInnen Rechtssicherheit <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Risikoabsicherungihrer Investitionen gewährleistet.Beispielsweise können nun ausländische Firmenfür entgangene Gew<strong>in</strong>ne Entschädigung erhalten,wenn e<strong>in</strong> nationales Gesetz (z.B. e<strong>in</strong>eRegelung zum Umweltschutz) die erwartetenGew<strong>in</strong>ne des Konzerns schmälert. Da die Regelungendes <strong>Freihandel</strong>svertrages über der jeweiligenLändergesetzgebung stehen, bleiben sievon Regierungswechseln <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnenzentralamerikanischen Ländern unberührt. Esist den Ländern auch nicht möglich, Gesetze zuerlassen, die dem Geist der Verträge widersprechen:E<strong>in</strong> weiterer Schritt zur Aushebelung derstaatlichen E<strong>in</strong>flusssphäre <strong>und</strong> die Garantie derKont<strong>in</strong>uität e<strong>in</strong>er Politik unabhängig davon,welche politische Strömung an der Macht ist.Am Beispiel der Regelungen zum Investitionsschutzwird e<strong>in</strong>mal mehr deutlich, dass dieser<strong>Freihandel</strong>svertrag mit se<strong>in</strong>er supranationalenVerankerung als e<strong>in</strong> weiteres Instrument für dieUmsetzung neoliberaler Politik gesehen werdenmuss.Raul Moreno sieht die Regelungen zumInvestitionsschutz als e<strong>in</strong> weiteres zentralesInteresse der USA. Für die USA s<strong>in</strong>d vor allemInvestitionen <strong>in</strong> strategisch wichtigen Sektorenwie Strom <strong>und</strong> Infrastruktur <strong>in</strong>teressant. Da sichdie Handelströme der USA <strong>in</strong> den letzten Jahrenverändert haben, s<strong>in</strong>d sie an e<strong>in</strong>er kurzenVerkehrsverb<strong>in</strong>dung zwischen Atlantik- <strong>und</strong>Pazifikküste <strong>in</strong>teressiert. Historisch hat sich <strong>in</strong>den USA die Industrie schwerpunktmäßig an derOstküste angesiedelt. Unter anderem auchdeshalb, weil der <strong>in</strong>ternationale Markt vor allemim Osten, nämlich <strong>in</strong> Europa, zu f<strong>in</strong>den war. Dashat sich mittlerweile geändert, Asien spielt nunfür die USA e<strong>in</strong>e immer größere Rolle. Sie su-<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 9


chen also nach Wegen, um die Produkte schnellvon Ost nach West br<strong>in</strong>gen zu können, ohnedabei den late<strong>in</strong>amerikanischen Subkont<strong>in</strong>entumfahren zu müssen <strong>und</strong> ohne ausschließlichauf den Panamakanal angewiesen zu se<strong>in</strong>. Inden USA selbst ist e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung vom Atlantikzum Pazifik schwer zu realisieren, da dort e<strong>in</strong>Gebirgsmassiv im Weg steht. <strong>Zentralamerika</strong>spielt <strong>in</strong> diesen Planungen deshalb e<strong>in</strong>e wichtigeRolle, da dort e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung vom Atlantikzum Pazifik auf relativ kurzem Weg möglich ist.Der Zugriff auf Infrastruktur <strong>und</strong> Strom (für denFall, dass e<strong>in</strong>e Eisenbahnverb<strong>in</strong>dung gebautwerden soll) ist daher für die USA von strategischerBedeutung.Das Gesamtbild wird deutlich schärfer: DerStaat zieht sich aufgr<strong>und</strong> der Privatisierung vonstaatlichen Unternehmen <strong>und</strong> öffentlichenDienstleistungen aus der Wirtschaft zurück,dadurch werden private Investitionen notwendig,die wiederum so frei wie möglich gestaltetwerden müssen, damit der freie Wettbewerb <strong>und</strong>der freie Markt real werden können. Die <strong>Freihandel</strong>sverträgezwischen den USA <strong>und</strong> denLändern <strong>Zentralamerika</strong>s sowie NAFTA regelnalso nicht nur freien Handel, sondern s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>weiteres Instrument zur Durchsetzung e<strong>in</strong>esneoliberalen Modells <strong>und</strong> für die USA e<strong>in</strong>eMöglichkeit, ihre Hegemonie nach Late<strong>in</strong>amerikaauszudehnen. In diesem Fall wird durchökonomische Verträge die politische <strong>und</strong> ökonomischeE<strong>in</strong>flusssphäre der USA nach <strong>Zentralamerika</strong>ausgedehnt. Die E<strong>in</strong>haltung der neoliberalenDoktr<strong>in</strong> wird aber vor allem von denkle<strong>in</strong>en, wirtschaftlich schwachen Länderne<strong>in</strong>gefordert. Die starken Ökonomien könnenleicht die Aufrechterhaltung ihrer Subventionenfür beispielsweise den Agrarsektor durchsetzen.Die Begriffe „Freier Markt“ <strong>und</strong> „Freier Handel“s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sofern irreführend, als es sich zwar umformal gleiche Bed<strong>in</strong>gungen handelt, aberfaktisch die e<strong>in</strong>zelnen Länder <strong>und</strong> Unternehmensehr unterschiedliche Voraussetzungen <strong>und</strong>Möglichkeiten haben. Niemand wird bestreiten,dass der Coca-Cola-Konzern wesentlich freier aufdem Weltmarkt agieren kann als e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>eLimonaden-Firma aus El Salvador.<strong>Freihandel</strong>sverträge s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Ebene, neoliberalePolitik mit gezielten eigenen Interessenzu verb<strong>in</strong>den. Im Falle von CAFTA s<strong>in</strong>d es dieZusammenhang CAFTA, ALCA, <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> WTODie Liberalisierung des Handels als langegehegtes Projekt wird auf verschiedenenEbenen durchgesetzt: Bilaterale Handelsverträgezwischen e<strong>in</strong>zelnen Ländern, die Bildungvon Wirtschaftsblöcken (zum Beispiel EU,MERCOSUR oder NAFTA, aber auch CAFTA) <strong>und</strong>die Liberalisierung des Handels weltweit durchdie Regeln der Welthandelsorganisation WTO.Was auf welcher Ebene diskutiert <strong>und</strong> verhandeltwird, hängt oftmals von den Interessender e<strong>in</strong>zelnen, vor allem der starken Industrienationenab. Beispielsweise war es e<strong>in</strong> explizitesInteresse der USA, den Abbau von Agrarsubventionennicht <strong>in</strong> die <strong>Freihandel</strong>sverhandlungenmit <strong>Zentralamerika</strong> e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen,sondern dafür e<strong>in</strong>e Regelung auf der WTO-Ebene zu f<strong>in</strong>den. Die USA wollten, dass gleichzeitigmit ihnen auch die EU <strong>und</strong> Japan ihreAgrarsubventionen abbauen, so dass ke<strong>in</strong>„Wettbewerbsnachteil“ für die USA entstehenkann. Allerd<strong>in</strong>gs existiert auch e<strong>in</strong> Wechselspielzwischen dem, was auf den verschiedenenEbenen verhandelt wird: Vere<strong>in</strong>barungen,die <strong>in</strong> <strong>Freihandel</strong>sverträgen ausgehandeltwurden, f<strong>in</strong>den letztendlich E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> dieWTO <strong>und</strong> umgekehrt. E<strong>in</strong> Beispiel hierfür istder Investitionsschutz. Investitionen s<strong>in</strong>dzwar ke<strong>in</strong> Handel im eigentlichen S<strong>in</strong>ne; sies<strong>in</strong>d aber trotzdem Bestandteil von <strong>Freihandel</strong>sverträgen(bei NAFTA <strong>und</strong> auch geplant beiCAFTA) <strong>und</strong> auch der Verhandlungen auf WTO-Ebene. E<strong>in</strong> Abschnitt des Investitionskapitelsim NAFTA-Vertrag ist der Investitionsschutz,der Entschädigungen für transnationale Unternehmenvorsieht, wenn ihnen durch dieGesetzgebung geplante Gew<strong>in</strong>ne entgehen. DieEntschädigungen, die oftmals <strong>in</strong> Höhe vonmehreren Millionen US-Dollar angesiedelt s<strong>in</strong>d,müssen die Regierungen der jeweiligen Staatenzahlen. E<strong>in</strong> Beispiel aus Mexiko: Daskanadische Unternehmen Metalclad wollte <strong>in</strong>Mexiko e<strong>in</strong>e Müllhalde bauen. Nachdem dielokale Regierung den Bau dieser Müllhaldeuntersagte, weil das Baugelände mitten imNaturschutzgebiet liegt, verklagte Metalcladden mexikanischen Staat auf e<strong>in</strong>e Schadensersatzsummevon 16,5 Millionen US-Dollarwegen entgangener Gew<strong>in</strong>ne <strong>und</strong> gewann den10 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


Interessen der USA, im Falle der EU-Osterweiterungdie Interessen der wirtschaftlichstarken Länder der EU. Am Beispiel von CAFTAlässt sich zeigen, dasssich unter dem Deckmantelvon <strong>Freihandel</strong> mehrverbirgt als „nur“ <strong>Freihandel</strong>.Auf anderenEbenen wird ebenfalls umweltweit freien Handelgerungen. Beispielsweisebei der WelthandelsorganisationWTO.Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d da dieInteressenslagen nichtganz so e<strong>in</strong>deutig. Dortgibt es Konstellationen,<strong>in</strong> denen sich USA <strong>und</strong>EU <strong>in</strong> ihren Interessenstützen oder sich konträrgegenüber stehen. Undes gibt die Möglichkeit - wie bei den letztenWTO-Verhandlungen <strong>in</strong> Cancún, Mexiko imSeptember 2003 -, dass sich ökonomisch schwächereLänder zusammenschließen <strong>und</strong> damitAsymmetrische Verhandlungen – ungleiches SpielVerhandlungen zum Scheitern br<strong>in</strong>gen. Dieswird bei Verhandlungen zu e<strong>in</strong>em <strong>Freihandel</strong>svertragzwischen e<strong>in</strong>er ökonomischen Großmacht<strong>und</strong> von ihr abhängigen Ländern, wie esdie Länder <strong>Zentralamerika</strong>s s<strong>in</strong>d, nicht passieren.Prozess aufgr<strong>und</strong> der Regelungen im NAFTA-Vertrag. E<strong>in</strong>e solche Regelung gibt es auf WTO-Ebene noch nicht, aber es wird davon ausgegangen,dass dieser Abschnitt, der bereits <strong>in</strong>identischer Ausführung <strong>in</strong> m<strong>in</strong>destens zwei<strong>Freihandel</strong>sabkommen verankert ist, auchE<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> die WTO f<strong>in</strong>den wird.Auch wenn das Scheitern der WTO-Konferenzvon Entwicklungs- <strong>und</strong> Schwellenländern alsErfolg gefeiert wurde, ist die Drohung der USA<strong>und</strong> der EU, auf bilateraler Ebene ihre Interessendurchzusetzen, für die Länder <strong>Zentralamerika</strong>s<strong>und</strong> Mexiko bereits Realität.Das Interesse der USA, ihren ökonomischen<strong>und</strong> politischen E<strong>in</strong>fluss <strong>in</strong> Late<strong>in</strong>amerika übere<strong>in</strong> <strong>Freihandel</strong>sabkommen zu sichern, bestehtbereits seit Anfang der 90er Jahre. Der Beg<strong>in</strong>nwaren die Verhandlungen um NAFTA, das<strong>Freihandel</strong>sabkommen zwischen USA, Kanada<strong>und</strong> Mexiko, das seit Anfang der 90er Jahreverhandelt wurde <strong>und</strong> 1994 <strong>in</strong> Kraft trat.Ebenfalls seit 1990 gibt es die Pläne der US-Regierung, die Regelungen von NAFTA mite<strong>in</strong>er <strong>Freihandel</strong>szone von Alaska bis Feuerland(ALCA, Area de Libre Comercio de lasAmericas) auf den ganzen late<strong>in</strong>amerikanischenSubkont<strong>in</strong>ent auszuweiten. Dieses Abkommensollte 2005 <strong>in</strong> Kraft treten. In denletzten zwei Jahren haben sich die Verhandlungenaber schwierig gestaltet. CarlosPacheco vom Centro de Estudios Internacionales(CEI) <strong>in</strong> Managua nennt e<strong>in</strong>ige Gründedafür: In Bolivien <strong>und</strong> Ecuador gibt es e<strong>in</strong>estark organisierte <strong>in</strong>digene Bevölkerung, diesich gegen ALCA ausspricht <strong>und</strong> ihre Regierungenunter Druck setzt. In Venezuela <strong>und</strong>Brasilien s<strong>in</strong>d mit Chavez <strong>und</strong> Lula Regierungenan der Macht, die starke Ökonomienvertreten <strong>und</strong> <strong>in</strong> den ALCA-Verhandlungenetwas entgegensetzen. Es zeichnet sich alsoab, dass ALCA nicht wie geplant 2005 <strong>in</strong> Krafttritt. Die USA versuchen jetzt, auf bilateralerEbene <strong>Freihandel</strong>sverträge abzuschließen <strong>und</strong>somit ihre Interessen <strong>und</strong> ihre E<strong>in</strong>flusssphäreSchritt für Schritt auszuweiten. E<strong>in</strong>e Initiative<strong>in</strong> diese Richtung s<strong>in</strong>d die Verhandlungen ume<strong>in</strong>en <strong>Freihandel</strong>svertrag zwischen den USA<strong>und</strong> <strong>Zentralamerika</strong> (CAFTA).<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 11


Gesamtamerikanische <strong>Freihandel</strong>szoneALCA Área de Libre Comercio de las AméricasFTAA Free Trade Area of the Americas*http://www.ftaa-alca.orgDie gesamtamerikanische <strong>Freihandel</strong>szone wurde erstmalig von dem damaligen US-PräsidentenGeorge Bush im Jahre 1990 angeregt. Institutionalisiert wurde der Verhandlungsprozess auf demGipfeltreffen der amerikanischen Staaten im Dezember 1994 <strong>in</strong> Miami. Dort wurde beschlossen,sofort mit den Verhandlungen zu beg<strong>in</strong>nen, für die man sich e<strong>in</strong>en Zeitrahmen von zehn Jahrensetzte. Nach schleppendem Beg<strong>in</strong>n wird seit 1998 <strong>in</strong> folgender Struktur verhandelt:Mitglieder s<strong>in</strong>d die 34 „Demokratien“ auf dem amerikanischen Kont<strong>in</strong>ent, d.h. alle Staatenaußer Kuba. Das oberste Entscheidungsgremium s<strong>in</strong>d die kont<strong>in</strong>entalen Gipfeltreffen. Das letzteTreffen war <strong>in</strong> Monterrey <strong>in</strong> Mexiko im Januar dieses Jahres. Das wohl entscheidende Gremiums<strong>in</strong>d die Treffen der Handelsm<strong>in</strong>ister. Bisher hat es acht Treffen gegeben. Die Handelsm<strong>in</strong>isterlegen den Zeitrahmen, die Pr<strong>in</strong>zipien <strong>und</strong> Ziele <strong>und</strong> die Struktur des Verhandlungsprozesses fest.Die Details der Vertragsverhandlungen f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> neun Verhandlungsgruppen <strong>und</strong> vier sogenanntenSpezialkomitees statt. Die Verhandlungsgruppen gliedern sich nach den SachgebietenMarktzugang, Investitionen, Dienstleistungen, Regierungsaufträge, Landwirtschaft, Subventionen<strong>und</strong> Antidump<strong>in</strong>g, Rechte des geistigen Eigentums <strong>und</strong> Streitschlichtung. Die Spezialkomiteesbeschäftigen sich mit den Themen Beteiligung der Zivilgesellschaft, E-Commerce,<strong>in</strong>stitutionelle Angelegenheiten <strong>und</strong> besondere Probleme der kle<strong>in</strong>en Nationalwirtschaften.Auf dem Gipfeltreffen <strong>in</strong> Quebec war beschlossen worden, die vorläufigen Vere<strong>in</strong>barungenzu veröffentlichen. Dies ist <strong>in</strong>zwischen dreimal geschehen. Die letzte Fassung vom November2003 * hat e<strong>in</strong>en Umfang von 490 Seiten. Auffällig ist:1. Der größte Teil des Textes ist <strong>in</strong> eckige Klammern gesetzt, was bedeutet, dass fast überallnoch Me<strong>in</strong>ungsverschiedenheiten zwischen den VerhandlungspartnerInnen bestehen.2. Der Text lehnt sich <strong>in</strong> weiten Bereichen an den NAFTA-Vertrag an. So ist z.B. der umstritteneArtikel 13 des Sachgebietes Investitionen, über Entschädigungszahlung bei direkter <strong>und</strong><strong>in</strong>direkter Enteignung, wortgleich mit dem Artikel 1110 des NAFTA-Vertrages.Die Differenzen zwischen den VerhandlungspartnerInnen, besonders zwischen den USA <strong>und</strong>Brasilien, s<strong>in</strong>d im Augenblick so groß, dass es unsicher ist, ob es überhaupt zu e<strong>in</strong>em Vertragsabschlusskommen wird. Hauptstreitpunkt s<strong>in</strong>d die Subventionen im Bereich der Landwirtschaft,aber auch bei anderen Themen wie z. B. den Investitionen gibt es große Gegensätze. Auf derletzten, der achten Handelsm<strong>in</strong>isterkonferenz im November 2003 <strong>in</strong> Miami wurde deshalb e<strong>in</strong>neues Verhandlungsziel def<strong>in</strong>iert. Man strebt jetzt nicht mehr e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen für alle gültigenVertrag an, sondern nur noch e<strong>in</strong>en M<strong>in</strong>imalkonsens von „Regeln <strong>und</strong> Pflichten, die für alleLänder anwendbar s<strong>in</strong>d“. Darauf aufbauend können die Länder, die das wünschen, bilateral odermultilateral zusätzliche Vere<strong>in</strong>barungen treffen. Im Augenblick wird angestrebt, die Verhandlungenbis September 2004 zu beenden, damit der Vertrag so schnell wie möglich, spätestens aberim Dezember 2005 <strong>in</strong> Kraft treten kann.12 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


<strong>Freihandel</strong>spolitik der EU im Vergleich zurUSA am Beispiel MexikoMexiko war bis vor kurzem das e<strong>in</strong>zige Land, dassowohl mit den USA als auch mit der EU e<strong>in</strong>en<strong>Freihandel</strong>svertrag abgeschlossen hatte. Daherbietet sich Mexiko als Beispiel an, wenn man dieAuswirkungen der <strong>Freihandel</strong>spolitik der beidengroßen Wirtschaftsmächte auf die Länder dersogenannten dritten Welt vergleichen will.Leider gibt es aber e<strong>in</strong>ige Faktoren, die denVergleich erschweren. Das s<strong>in</strong>d vor allem diesehr ungleiche Bedeutung, die diese beidenHandelsbeziehungen für die mexikanischeWirtschaft haben <strong>und</strong> die unterschiedlicheZeitspanne seit Inkrafttreten der Verträge.Während die Nordamerikanische <strong>Freihandel</strong>szonemit den Mitgliedern USA, Kanada <strong>und</strong> Mexiko(NAFTA), seit dem 1. Januar 1994 zehn JahreArbeitsmarkt konkret: Mexiko Zocalobesteht, ist der <strong>Freihandel</strong>svertrag zwischen derEuropäischen Union <strong>und</strong> Mexiko erst seit dem1. Juli 2000 wirksam.Entwicklung der HandelsbeziehungenMexiko-USADie Bedeutung der Handelsbeziehungen zu denUSA ist für Mexiko kaum zu überschätzen. DieWirtschaftsentwicklung Mexikos <strong>in</strong> den Jahrenseit 1990 ist geprägt von e<strong>in</strong>er enormen Zunahmedes Außenhandels. Von 1990 bis 2002 hatsich das Volumen fast versechsfacht (sieheTabelle nächste Seite), während es sich im davorliegenden Jahrzehnt noch nicht e<strong>in</strong>mal verdoppelthatte. Diese 1990 beg<strong>in</strong>nende Entwicklunghat der NAFTA Vertrag nach se<strong>in</strong>em Inkrafttreten1994 nur nochmals verstärkt. Aber vonden NAFTA BefürworterInnen wird die Außenhandelssteigerungnur dem Vertrag zugeschrieben<strong>und</strong> als großer Erfolg gefeiert. Wenn mandiesen „Erfolg“ etwas genauer betrachtet, soentdeckt man nicht nur se<strong>in</strong>e Schattenseiten,sondern auch, dass er mit erheblichen Kostenerkauft wurde.E<strong>in</strong>seitige Ausrichtung Mexikos auf dieUSAMexiko ist heute mehr denn je vom wirtschaftlichenWohlergehen der USA abhängig. SeitInkrafttreten des NAFTA-Abkommens ist dasmexikanischeHandelsvolumen auffast den dreifachenWert gestiegen.Diese Steigerungergibt sich zue<strong>in</strong>em großen Teilaus der Steigerungder Exporte <strong>in</strong> dieUSA. Sie haben sichfast vervierfacht.Dabei stieg ihrAnteil am Gesamtexportvon 78% auf89%. Diese Zahlenmachen deutlich,dass Mexiko e<strong>in</strong>eVerschlechterung der wirtschaftlichen Situation<strong>in</strong> den USA dramatisch zu spüren bekommenwürde.E<strong>in</strong> Großteil des Exporterfolges ist derMaquila-Industrie zu verdanken. Zwischen 1993<strong>und</strong> 1998 hat sich deren Wert verdreifacht(1993: 23,1 Mrd. US$, 1998: 62 Mrd. US$) <strong>und</strong>machte 1998 45% des mexikanischen Gesamtexportsaus 1 . Ohne auf die mit der Maquilaverb<strong>und</strong>enen sozialen Aspekte e<strong>in</strong>zugehen,sollen hier kurz deren wirtschaftliche Problemeangedeutet werden. Die ökonomischen Erfolgeder Maquila-Industrie s<strong>in</strong>d nur sehr flüchtig <strong>und</strong>gehen e<strong>in</strong>deutig zu Lasten anderer Wirtschaftszweige,wie Alberto Arroyo <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er detailliertenUntersuchung nachgewiesen hat 2 . Es ist allge-1He<strong>in</strong>z Gert Preuße,Sechs Jahre Nordamerikanisches<strong>Freihandel</strong>sabkommen(NAFTA) – E<strong>in</strong>eBestandsaufnahme,Tüb<strong>in</strong>gen März 2000.http://www.uni-tueb<strong>in</strong>gen.de2Alberto Arroyo, ElTLCAN: Objetivos yResultados 7 Añosdespués, RMALC http://www.rmalc.org.mx<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 13


JahrGesamti n die USA<strong>in</strong>% i n die EU<strong>in</strong> %199026.838,418.456,3 68,83.547,9 13, 2199142.687,533.952,9 79,63.338,9 7, 8199242.595,629.468,1 69,23.397,6 8, 0199351.886,040.516,6 78,12.658,0 5, 1199460.882,244.443,5 73,02.748,1 4, 5199579.541,661.975,2 77,93.382,3 4, 3199695.999,780.672,6 84,03.553,3 3, 71997110.431,494.530,8 85,64.020,3 3, 61998117.459,6 103.288,6 87,93.898,0 3, 31999136.391,1 120.588,1 88,45.209,6 3, 82000166.454,8 147.898,3 88,95.610,2 3, 42001158.442,9 140.483,9 88,75.334,1 3, 42002160.762,7 143.256,9 89,15.217,7 3, 3


JahrGesamti n die USA<strong>in</strong>% i n die EU<strong>in</strong> %199026.838,418.456,3 68,83.547,9 13, 2199142.687,533.952,9 79,63.338,9 7, 8199242.595,629.468,1 69,23.397,6 8, 0199351.886,040.516,6 78,12.658,0 5, 1199460.882,244.443,5 73,02.748,1 4, 5199579.541,661.975,2 77,93.382,3 4, 3199695.999,780.672,6 84,03.553,3 3, 71997110.431,494.530,8 85,64.020,3 3, 61998117.459,6 103.288,6 87,93.898,0 3, 31999136.391,1 120.588,1 88,45.209,6 3, 82000166.454,8 147.898,3 88,95.610,2 3, 42001158.442,9 140.483,9 88,75.334,1 3, 42002160.762,7 143.256,9 89,15.217,7 3, 3


JahrGesamti n die USA<strong>in</strong>% i n die EU<strong>in</strong> %199026.838,418.456,3 68,83.547,9 13, 2199142.687,533.952,9 79,63.338,9 7, 8199242.595,629.468,1 69,23.397,6 8, 0199351.886,040.516,6 78,12.658,0 5, 1199460.882,244.443,5 73,02.748,1 4, 5199579.541,661.975,2 77,93.382,3 4, 3199695.999,780.672,6 84,03.553,3 3, 71997110.431,494.530,8 85,64.020,3 3, 61998117.459,6 103.288,6 87,93.898,0 3, 31999136.391,1 120.588,1 88,45.209,6 3, 82000166.454,8 147.898,3 88,95.610,2 3, 42001158.442,9 140.483,9 88,75.334,1 3, 42002160.762,7 143.256,9 89,15.217,7 3, 3


3Susanne Gratius: AchtJahre NAFTA: vom<strong>Freihandel</strong>sabkommen zurNordamerikanischenGeme<strong>in</strong>schaft?, BrennpunktLate<strong>in</strong>amerika,Nr. 15, 2002.41995 importierte Mexikolandwirtschaftliche Güter<strong>und</strong> Produkte für 3.254<strong>und</strong> exportierte für 3.835Mill. US$ <strong>in</strong> die USA. Bis2001 war der Import auf7.415, der Export abernur auf 5.267 Mill. US$gestiegen. VíctorQu<strong>in</strong>tana, El circulovicioso del Tra-tado deLibre Comercio de Américade Norte, ASC.http://www.ala<strong>in</strong>et.org5Erklärung von Bern;Investitionsschutz umjeden Preis? Vom NAFTAzum MAI zur WTOhttp://www.evb.chme<strong>in</strong> bekannt, dass Maquila-Industrie immernur <strong>in</strong> sehr ger<strong>in</strong>gem Maß <strong>in</strong> den allgeme<strong>in</strong>enWirtschaftsprozess e<strong>in</strong>es Landes <strong>in</strong>tegriert ist, eskaum lokale Zulieferer gibt <strong>und</strong> dadurch auchke<strong>in</strong>e <strong>in</strong>direkte Beschäftigung entsteht. Diesalles gilt auch für Mexiko. Hier kann man sogarfeststellen, dass sich diese Tendenz durchNAFTA noch verstärkt hat <strong>und</strong> der Prozentsatzan mexikanischen Vorprodukten für dieMaquila-Industrie weiter zurückgegangen ist.Die Entwicklung der Importe ist daher auchstark von der Maquila geprägt, denn e<strong>in</strong>enGroßteil davon machen deren Vorprodukte aus.Die Auswirkungen der Ausrichtung dermexikanischen Wirtschaft auf den Export <strong>in</strong> dieUSA hat seit der NAFTA zu e<strong>in</strong>em zunehmendenzweifelhaften „Modernisierungsgefälle“ <strong>in</strong>nerhalbdes Landes geführt. 45% der Unternehmenmit US-Kapital haben ihren Sitz <strong>in</strong> denmexikanischen Prov<strong>in</strong>zen im Norden des Landes<strong>und</strong> 37% im Distrito Federal, während <strong>in</strong> densüdlichen Prov<strong>in</strong>zen lediglich 5% der Firmenansässig s<strong>in</strong>d. Somit reicht die NAFTA geographischgesehen gerade e<strong>in</strong>mal bis Mexiko City 3 .Hier ist der Ansatzpunkt des Plan PueblaPanamá mit se<strong>in</strong>en geplanten Investitionen <strong>in</strong>die Infrastruktur Südmexikos <strong>und</strong> <strong>Zentralamerika</strong>s.Diese Pläne zum Ausbau der Straßen-,Elektrizitäts- <strong>und</strong> Telefonnetze sollen derMaquila-Industrie den Weg nach Süden bereiten.Schattenseiten <strong>und</strong> VerliererNAFTA hat <strong>in</strong> Mexiko klare Verlierer h<strong>in</strong>terlassen.Das ist <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Landwirtschaft<strong>und</strong> auf der anderen Seite der Teil der Industrie,der für den heimischen Markt produziert. Währendsich mit NAFTA das Handelsbilanzdefizitzwischen Mexiko <strong>und</strong> den USA umgedreht hat(siehe Tabelle), sieht es bei der Landwirtschaftalle<strong>in</strong> genau umgekehrt aus: aus e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>genExportüberschuss wurde e<strong>in</strong> großes Handelsbilanzdefizit4 . Dieser Erfolg der hoch subventioniertenUS-amerikanischen Landwirtschaft ließdie Erlöse der mexikanischen Bauern verfallen.Die Konsequenzen s<strong>in</strong>d zunehmende Armut beider ländlichen Bevölkerung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e wachsendeMigration <strong>in</strong> die USA. Die BefürworterInnenverweisen natürlich auf die Vorteile für dieVerbraucherInnen. Dass Mais, Bohnen <strong>und</strong>Hühnchen <strong>in</strong>zwischen billig aus den USA importiertwerden können, ist für viele Menschensicher wichtig. Doch dafür wächst die Armut aufdem Land – <strong>und</strong> die billigen Tortillas aus denUSA können viele nur bezahlen, weil jemand ausihrer Verwandtschaft, der früher Mais anbaute,jetzt illegal <strong>in</strong> den USA arbeitet <strong>und</strong> Geld nachHause überweist. Auf jeden Fall steht der Vorteil,den manche Konsumenten durch NAFTAhaben, <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Verhältnis zu dem Gew<strong>in</strong>n,den Konzerne (zumeist aus den USA) aus demAbkommen ziehen. Deren Gew<strong>in</strong>n speist sichnicht nur aus e<strong>in</strong>em „freien“ Wettbewerb mite<strong>in</strong>em hoffnungslos unterlegenen Partner,sondern auch aus e<strong>in</strong>em idealen Investitionsschutz,der soweit geht, dass er auch entgangenezu erwartende Gew<strong>in</strong>ne als „<strong>in</strong>direkte Enteignung“klassifiziert – <strong>und</strong> entsprechendeEntschädigungen garantiert. E<strong>in</strong> Entschädigungsfallkann zum Beispiel dann e<strong>in</strong>treten,wenn e<strong>in</strong>e Landesregierung aus Gründen desUmweltschutzes e<strong>in</strong>e ohne Genehmigung gebauteGiftmülldeponie verbietet 5 .Entwicklung des Außenhandels Mexikos seit 1990 (Wert <strong>in</strong> Mill. US $)ExporteJahrGesamti n die USA<strong>in</strong>% i n die EU<strong>in</strong> %199026.838,418.456,3 68,83.547,9 13, 2199142.687,533.952,9 79,63.338,9 7, 8199242.595,629.468,1 69,23.397,6 8, 0199351.886,040.516,6 78,12.658,0 5, 1199460.882,244.443,5 73,02.748,1 4, 5199579.541,661.975,2 77,93.382,3 4, 3199695.999,780.672,6 84,03.553,3 3, 71997110.431,494.530,8 85,64.020,3 3, 61998117.459,6 103.288,6 87,93.898,0 3, 31999136.391,1 120.588,1 88,45.209,6 3, 82000166.454,8 147.898,3 88,95.610,2 3, 42001158.442,9 140.483,9 88,75.334,1 3, 42002160.762,7 143.256,9 89,15.217,7 3, 314 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


Entwicklung der HandelsbeziehungenMexiko-EUDas gegenseitige wirtschaftliche Interesse derbeiden Partner, Europäische Union <strong>und</strong> Mexiko,ist aus den Handelsströmen leicht zu erkennen(siehe Tabelle). Seit Bestehen von NAFTA hat dieEU Marktanteile e<strong>in</strong>gebüßt. Der Anteil der EUam mexikanischen Gesamtexport fiel zwischen1993 <strong>und</strong> 1999 (vor <strong>in</strong> Kraft treten des <strong>Freihandel</strong>sabkommensEU – Mexiko) von 5,1% auf3,8%. Bei den Importen aus der EU sank derProzentsatz im gleichen Zeitraum von 11,8% auf9,0%.Aus dieser Entwicklung kann man für dasZustandekommen des <strong>Freihandel</strong>svertrageszwischen Mexiko <strong>und</strong> der EU folgende Hauptmotivebei den beiden Partnern vermuten.Mexiko wollte sich e<strong>in</strong>erseits aus der e<strong>in</strong>seitigenAusrichtung se<strong>in</strong>es Außenhandels auf die USAlösen, <strong>und</strong> andererseits erhoffte es sich bessereAbsatzchancen <strong>in</strong> der EU <strong>und</strong> damit e<strong>in</strong>e Verr<strong>in</strong>gerungse<strong>in</strong>es Handelsbilanzdefizites mit diesemWirtschaftsraum. Die EU wiederum wollte Marktanteile,die sie <strong>in</strong> der Folge des NAFTA-Vertragesverloren hatte, wieder zurück gew<strong>in</strong>nen. Der EUg<strong>in</strong>g es aber nicht nur um die Verbesserung derWettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen für europäische Unternehmenauf dem mexikanischen Markt, sondernvor allem auch um den leichteren Zugang zumUS-Markt durch die H<strong>in</strong>tertür Mexiko.Die Auswirkungen des <strong>Freihandel</strong>svertragesauf die Handelsströme zwischen der EU <strong>und</strong>Mexiko s<strong>in</strong>d für den kurzen Zeitraum seitInkrafttreten natürlich noch nicht abschließendzu bewerten. E<strong>in</strong>ige Tendenzen lassen sich aberschon erkennen: Im Gegensatz zu Mexiko ist esder EU bisher eher gelungen, ihre wirtschaftlichenZiele zu erreichen. Sie konnte ihren Marktanteilleicht erhöhen, während das mexikanischeHandelsdefizit mit der EU weiter gestiegenist 6 . Gehandelt werden sowohl von der EU alsauch von Mexiko überwiegend Industriegüter.Der Anteil der Agrarprodukte liegt nur beiungefähr 5% <strong>und</strong> hat lange nicht die Bedeutung,die er bei NAFTA hat 7 .Das strategische Interesse der EUÄhnlich wie beim NAFTA Vertrag geht das Abkommenzwischen der EU <strong>und</strong> Mexiko über e<strong>in</strong>traditionelles <strong>Freihandel</strong>sabkommen weit h<strong>in</strong>aus.Neben dem Kernstück der Liberalisierungdes Handels mit Gütern behandelt es auch dieThemen Handel mit Dienstleistungen, öffentlichesBeschaffungswesen, Investitionen, Streitbeilegung<strong>und</strong> Schutz des geistigen Eigentums.Pascal Lamy, der europäische Kommissar fürHandel, hat anlässlich des Vertragsabschlussesdies besonders hervorgehoben: „Dienstleistungen<strong>und</strong> geistiges Eigentum s<strong>in</strong>d Schlüsselpunkteder europäischen Exporte, <strong>und</strong> dieheutige Entscheidung wird zu e<strong>in</strong>em bedeutsamenWachstum führen.“ 8 Auch Manuel PerézRocha von RMALC wies auf die europäischenInvestitionen (Niederlande, Spanien) im Banken-<strong>und</strong> Versicherungssektor h<strong>in</strong>. Das s<strong>in</strong>d dieThemen, die vor allem die Industrieländer<strong>in</strong>teressieren <strong>und</strong> die entweder gegen den<strong>Widerstand</strong> der Entwicklungsländer <strong>in</strong> die Agendader WTO aufgenommen wurden (Handel mitDienstleistungen, Schutz des geistigen Eigentums,Streitbeilegung) oder zu den sogenanntenS<strong>in</strong>gapur-Themen 9 gehören, d.h. Bereiche be-6Banco de InformaciónEconómica, Mexico http://dgcnesyp.<strong>in</strong>egi.gob.mx7Bilateral TradeRelations, EU Mexicohttp://europa.eu.<strong>in</strong>t8Bilateral Trade Relations,EU Mexicohttp://europa.eu.<strong>in</strong>t9Die so genanntenS<strong>in</strong>gapur-Themen verdankenihren Namen der 1.M<strong>in</strong>isterkonferenz derWelthandelsorganisationWTO, die 1996 <strong>in</strong> S<strong>in</strong>gapurstattfand. Damals kamen– <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie aufInitiative der EuropäischenUnion – vierThemengebiete auf dieTagesordnung möglicherkünftiger Verhandlungen:die Erleichterung desHandels, die Transparenzim öffentlichen Auftragswesen,Investitionensowie fairer Wettbewerb.JahrGesamta us den USA<strong>in</strong>% a us der EU<strong>in</strong> %199031.271,920.521,4 65,65.198,8 16, 6199149.966,636.867,7 73,86.196,0 12, 4199262.129,444.278,6 71,37.650,7 12, 3199365.366,546.542,2 71,27.701,3 11, 8199479.345,957.008,6 71,98.952,3 11, 3199572.453,053.994,5 74,56.724,2 9, 3199689.468,867.629,0 75,67.732,1 8, 61997109.807,882.181,6 74,89.900,8 9, 01998125.373,193.415,4 74,5 11.682,7 9, 31999141.974,898.153,5 69,1 12.732,9 9, 02000174.457,8 127.817,7 73,3 15.032,7 8, 62001168.396,5 114.061,6 67,7 16.313,9 9, 72002168.678,9 106.921,9 63,4 16.627,8 9, 9ImporteQuellen:Instituto Nacional deEstadística Geografíae Informática(INEGI), Banco deInformaciónEconómica, http://dgcnesyp.<strong>in</strong>egi.gob.mx<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 15


treffen gegen deren Behandlung <strong>in</strong> der WTO sichdie Entwicklungsländer sträuben. Damit ist dasAbkommen zwischen der EU <strong>und</strong> Mexiko typischfür die Wirtschaftspolitik der Union gegenüberden Ländern der so genannten Dritten Welt <strong>und</strong>der Politik der USA zum Verwechseln ähnlich.Derzeit ist die EU auf diesem Gebiet sogarnoch aktiver als die USA, die auf dem amerikanischenKont<strong>in</strong>ent mit Chile <strong>und</strong> den zentralamerikanischenStaaten Verhandlungen abgeschlossensowie mit der Dom<strong>in</strong>ikanischenRepublik begonnen haben (Verhandlungen mitKolumbien, Ecuador, Panama <strong>und</strong> Peru sollennoch dieses Jahr beg<strong>in</strong>nen), aber auch mitJordanien, S<strong>in</strong>gapur <strong>und</strong> Vietnam <strong>in</strong> den letztenJahren <strong>Freihandel</strong>sverträge abgeschlossenhaben. „Die Verhandlungen [der EU] umfassenChile, den Golfrat (Bahra<strong>in</strong>, Katar, Kuwait,Oman, Saudi-Arabien <strong>und</strong> die Vere<strong>in</strong>igten ArabischenEmirate), den Mercosur (Argent<strong>in</strong>ien,Brasilien, Paraguay <strong>und</strong> Uruguay) <strong>und</strong> Syrien.Mit den Regionen der AKP-Staaten laufen seit1Abkommen überwirtschaftliche Partnerschaft,politischeKoord<strong>in</strong>ierung <strong>und</strong>Zusammenarbeit zwischender Europäischen Geme<strong>in</strong>schaft<strong>und</strong> ihren Mitgliedstaatene<strong>in</strong>erseits <strong>und</strong>den Vere<strong>in</strong>igtenMexikanischen Staatenandererseitshttp://europa.eu.<strong>in</strong>t(englisch) http://www.delmex.cec.eu.<strong>in</strong>t(spanisch)2Beschluss Nr. 2/2000des Gemischten Rates EG-Mexiko vom 23.3.2000(Warenhandel, ÖffentlicheBeschaffungen, Kooperationim Wettbewerbsbereich,Konsultation zuFragen des geistigenEigentums, Streitbeilegung)http://europa.eu.<strong>in</strong>t3Beschluss Nr. 2/2001des Gemischten Rates EG-Mexiko vom 27.2.2001über die Durchführung derArtikel 6, 9, 12 Absatz 2Buch-stabe b <strong>und</strong> 50 desAbkommens über wirtschaftlichePartnerschaft,politische Koord<strong>in</strong>ierung<strong>und</strong> Zusammenarbeithttp://trade-<strong>in</strong>fo.cec.eu.<strong>in</strong>t4Bilateral Trade Relations,EU Mexico http://europa.eu.<strong>in</strong>t5http://www.auswaertiges-amt.deAbkommen Europäische Union – MexikoDie politischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Beziehungenzwischen der EU <strong>und</strong> Mexiko s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>den folgenden vier Abkommen geregelt:1. Globalabkommen 1Die Gr<strong>und</strong>lage der Beziehungen zwischen derEU <strong>und</strong> Mexiko ist das so genannte Globalabkommen.Es trat am 1. Oktober 2000 <strong>in</strong> Kraft.Das Abkommen besteht aus 60 Artikeln,die <strong>in</strong> 8 Titeln zusammengefasst s<strong>in</strong>d. Diewichtigsten Titel befassen sich mit:• Art <strong>und</strong> AnwendungsbereichArtikel 1, „Gr<strong>und</strong>lage des Abkommens“,die Demokratie- <strong>und</strong> Menschenrechtsklausel• Politischer Dialog• Handel• Kapital- <strong>und</strong> Zahlungsverkehr• Öffentliche Aufträge, Wettbewerb, geistigesEigentum <strong>und</strong> sonstige handelsbezogeneBestimmungen• ZusammenarbeitSchwerpunkt des Abkommens s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>deutigdie wirtschaftlichen Beziehungen.Die Zusammenarbeit umfasst alle möglichenBereiche (Wirtschaft, öffentliche Verwaltung,soziale Fragen, Kultur <strong>und</strong> Wissenschaft usw.).An erster <strong>und</strong> wichtigster Stelle steht auchhier die Wirtschaft.Im Vertragsbereich InstitutionellerRahmen wird vor allem die Bildung zweierGremien beschlossen, die die Anwendung desAbkommens überwachen.2. <strong>Freihandel</strong>sabkommen 2Das <strong>Freihandel</strong>sabkommen zwischen der EU<strong>und</strong> Mexiko trat am 1. Juli 2000 <strong>in</strong> Kraft.3. Zusatzabkommen zum <strong>Freihandel</strong>sabkommen3Das <strong>Freihandel</strong>sabkommen wurde ergänztdurch Bestimmungen, die Dienstleistungen,Kapital- <strong>und</strong> Zahlungsverkehr, Geistiges Eigentum<strong>und</strong> Streitbeilegung betreffen. Dieser Teildes Abkommens ist erst seit dem 1. März 2001<strong>in</strong> Kraft.Die beiden Teile des <strong>Freihandel</strong>sabkommensbehandeln die Bereiche:• Freier Warenverkehr• Dienstleistungen• Öffentliche Beschaffungen• Wettbewerb• Geistiges Eigentum• StreitbeilegungInnerhalb von 10 Jahren ab Inkrafttreten wirde<strong>in</strong>e <strong>Freihandel</strong>szone errichtet. Der <strong>Freihandel</strong>svertragzwischen der EU <strong>und</strong> Mexiko iste<strong>in</strong> asymmetrischer Vertrag. Er gewährt demVertragspartner Mexiko mehr Zeit zum Zollabbauals der EU. Während Mexiko ab 2003100% se<strong>in</strong>er Industriegüter zollfrei <strong>in</strong> die EUe<strong>in</strong>führen kann, gilt dies umgekehrt nur für52% der europäischen Industrieprodukte. Erstab 2007 muss Mexiko alle se<strong>in</strong>e Zölle fürIndustriegüter aus der EU abgebaut haben 4 .4. Bilaterale InvestitionsschutzabkommenFür den Bereich der Investitionen s<strong>in</strong>d zusätzlichbilaterale Investitionsschutzabkommenzwischen Mexiko <strong>und</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Mitgliedsländernder EU abgeschlossen worden. Dasentsprechende Abkommen zwischen Mexiko<strong>und</strong> der BRD ist am 23. Februar 2001 <strong>in</strong> Kraftgetreten 5 .16 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


Ende 2002 Verhandlungen über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen(WPA). Im April 2003 hatdie Europäische Kommission zudem e<strong>in</strong>e Initiativezur Stärkung der Handels- <strong>und</strong> Investitionsbeziehungenmit den Ländern der Vere<strong>in</strong>igungSüdostasiatischer Nationen (ASEAN: Brunei,Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia,Myanmar, Philipp<strong>in</strong>en, S<strong>in</strong>gapur, Thailand <strong>und</strong>Vietnam), die „Trans-Regional EU-ASEAN TradeInitiative“ (TREATI), <strong>in</strong>s Leben gerufen.“ 10Genau wie den USA geht es der EU „um dieAusweitung ihrer Exporte <strong>in</strong> die Länder desSüdens <strong>und</strong> der Sicherung neuer Absatzmärkte,besonders im H<strong>in</strong>blick auf Hochtechnologien<strong>und</strong> Dienstleistungen, aber auch um die Vergrößerungdes Flusses an Direkt<strong>in</strong>vestitionen imTorten für alle!!!verarbeitenden Bereich, für Privatisierungsprogramme<strong>und</strong> für Investitionen <strong>in</strong> extraktiveIndustrien. Strategisch ist die EU darauf aus,durch rasche Fortführung der Verhandlungenmit dem Mercosur <strong>und</strong> mit den afrikanischenAKP-Staaten, der Handelsmacht USA, die mitder neuen Pan-Amerikanischen <strong>Freihandel</strong>szone(FTAA) <strong>und</strong> dem „African Growth and OpportunityAct“ auf die gleichen Märkte schielt, e<strong>in</strong>handelspolitisches Gegengewicht entgegenzusetzen.E<strong>in</strong>e entwicklungsförderliche <strong>und</strong> differenzierteBehandlung der schwächeren Wirtschaftspartnerim Süden ersche<strong>in</strong>t da von zweitrangigerBedeutung.“ 11Die Nichtregierungsorganisationen <strong>und</strong>die <strong>Freihandel</strong>sverträgeBesonders mexikanische, aber auch US-amerikanische<strong>und</strong> europäische Nichtregierungsorganisationenhaben sich von Anfang an mitNAFTA <strong>und</strong> dem <strong>Freihandel</strong>svertrag Mexiko-EUbeschäftigt.Erwähnenswert ist der Unterschied bei derE<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der NGOs <strong>in</strong> den jeweiligen politischenProzess. Während sie bei NAFTA von derPolitik schlicht ignoriert werden, haben sie sichbei den Verträgen zwischen Mexiko <strong>und</strong> der EUzum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>direkte E<strong>in</strong>beziehung erkämpft.Als Ansatzpunkt hierfür wählte sie dieDemokratie- <strong>und</strong> Menschenrechtsklausel, denArtikel 1 des so genannten Globalabkommens(siehe Kasten Abkommen Mexiko-EuropäischeUnion): „Die Wahrung der Gr<strong>und</strong>sätze der Demokratie<strong>und</strong> die Achtung der Menschenrechte, wiesie <strong>in</strong> der Allgeme<strong>in</strong>en Menschenrechtserklärungniedergelegt s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d die Richtschnur derInnen- <strong>und</strong> Außenpolitikder Vertragsparteien <strong>und</strong>bilden e<strong>in</strong>en wesentlichenBestandteil dieses Abkommens.“12Seit Inkrafttreten desGlobalabkommens versuchenNGOs diesen Satz,den die Vertragspartnernur als Lippenbekenntnisbetrachten, mit Leben zufüllen. E<strong>in</strong> besonderskrasses Beispiel, mit demsich mexikanische <strong>und</strong>deutsche NGOs <strong>in</strong>tensivbeschäftigt haben, ist derFall Euzkadi (siehe Kasten).Der Versuch derNGOs, die Vertragspartner dazu zu bewegen, dasAbkommen um e<strong>in</strong>en Überwachungsmechanismusfür Menschenrechtsverletzungen zuerweitern, ist bisher nicht gelungen. ManuelPeréz Rocha von RMALC me<strong>in</strong>t, dass die Menschenrechtsklausel<strong>in</strong> ihrer bisherigen Formüberhaupt nichts genutzt hat. Alle Bemühungender NGOs, denen im Abkommen selbst ke<strong>in</strong>eRolle zugewiesen wurde, haben bisher nur dazugeführt, dass die EU <strong>in</strong>zwischen im November2002 <strong>in</strong> Brüssel e<strong>in</strong> „Forum der Zivilgesellschaft“ausgerichtet hat. E<strong>in</strong> zweites Forum, diesmalvon der mexikanischen Regierung organisiert,soll im Herbst des Jahres 2004 folgen.Wenn man versucht, die Rolle der NGOs imZusammenhang mit den beiden <strong>Freihandel</strong>sverträgenzu bewerten, so ist das Ergebnis <strong>in</strong>beiden Fällen deprimierend. NGOs haben sowohlzu NAFTA als auch zu dem Vertrag zwischenMexiko <strong>und</strong> der EU ihre Ablehnung oderzum<strong>in</strong>dest scharfe Kritik formuliert <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d10Autor: Regionalisierungunter neoliberalemVorzeichen? Die politökonomischeGeographieder EU-Handelspolitik, <strong>in</strong>:Sonderdienst desInformationsbrief Weltwirtschaft& Entwicklung(3/03) vom 10.06.2003:http://www.weedonl<strong>in</strong>e.org11Siehe Fußnote 10.12Abkommen überwirtschaftliche Partnerschaft,politischeKoord<strong>in</strong>ierung <strong>und</strong>Zusammenarbeit zwischender Europäischen Geme<strong>in</strong>schaft<strong>und</strong> ihren Mitgliedstaatene<strong>in</strong>erseits <strong>und</strong>den Vere<strong>in</strong>igtenMexikanischen Staatenandererseits, Brüssel 1998<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 17


von der offiziellen Politik nicht gehört worden.In so fern gibt es im Ergebnis trotz der konzilianterenHaltung der EU ke<strong>in</strong>en wesentlichenUnterschied.FazitDas strategische Interesse sowohl der EU alsauch der USA liegt auf Gebieten wie Investitionenoder auch Schutz des geistigen Eigentums.E<strong>in</strong> lehrreiches Beispiel dafür ist das gescheiterteMAI-Abkommen (Multilaterales Investitionsabkommen).Nachdem die USA im NAFTA-Vertrage<strong>in</strong>en günstigen Investitionsschutz für transnationaleKonzerne durchsetzen konnten,versuchten sie dies später auch bei anderen<strong>in</strong>ternationalen Verhandlungen, beispielsweiseim Rahmen der OECD oder der WTO. Ganz ähnlichist die Vorgehensweise der EU.Was die konkreten Auswirkungen des <strong>Freihandel</strong>svertrageszwischen Mexiko <strong>und</strong> der EUbetrifft, so hat er bisher nicht die negativenFolgen für Mexiko gehabt, die das NAFTA-Abkommene<strong>in</strong>deutig mit sich gebracht hat. Dasspricht aber nicht für den Vertrag, sondern istnur der ger<strong>in</strong>gen Bedeutung der wirtschaftlichenBeziehungen zwischen Mexiko <strong>und</strong> der EUzu verdanken.*I Foro „Diálogo con laSociedad Civil UniónEuropea – México“,Brüssel, 26. November2002http://europa.eu.<strong>in</strong>thttp://www.rmalc.org.mxDer Fall Euzkadi *Die Auswirkungen des <strong>Freihandel</strong>svertrages mit der EU haben für Mexiko sicherlich nicht diegleiche Bedeutung, wie sie die Folgen von NAFTA haben. Dies liegt aber nur an der unterschiedlichenBedeutung der beiden Verträgen für die mexikanische Wirtschaft, nicht an irgendwelchenQualitätsunterschieden. E<strong>in</strong> wichtiges Beispiel, das demonstriert, dass beide Verträge des selbenGeistes K<strong>in</strong>d s<strong>in</strong>d, ist der <strong>in</strong>zwischen mehr als zwei Jahre dauernde Streik <strong>in</strong> der Firma Euzkadi.1998 hat die deutsche Cont<strong>in</strong>ental AG das mexikanische Unternehmen Compañia HuleraEuzkadi, S. A. übernommen. Von Anfang an war Cont<strong>in</strong>entals Unternehmenspolitik extrem antigewerkschaftlich.E<strong>in</strong>e der ersten Aktionen der neuen Leitung war die willkürliche Entlassungvon 18 Mitgliedern der Unternehmensgewerkschaft S<strong>in</strong>dicato Nacional Revolucionario deTrabajadores de Compañía Hulera Euzkadi. Dann am Morgen des 16. Dezember 2001 standenüber 1000 Arbeiter verblüfft vor verschlossenen Toren. Die Geschäftsleitung hatte ohne Vorankündigungdie Fabrik still gelegt. Die offizielle Begründung gegenüber den Aktionären warentlarvend: „Nach zwei Jahren s<strong>in</strong>d die Bemühungen, <strong>in</strong>ternationale Produktionsstandards zuimplementieren, an den Me<strong>in</strong>ungsverschiedenheiten mit den Gewerkschaften gescheitert. DieProduktion wird mühelos an e<strong>in</strong>en anderen Standort im Bereich des <strong>Freihandel</strong>svertrages verlagertwerden“. So geschah es dann auch, denn Cont<strong>in</strong>ental kontrolliert <strong>in</strong> Mexiko noch e<strong>in</strong> weiteresUnternehmen der gleichen Branche, General Tire, S. A. <strong>in</strong> San Luis Potosí.Der Konflikt dauert heute noch an. Seit Januar 2002 ohne Lohn hält die Belegschaft dieProduktionsanlagen besetzt, zusätzlich haben sie den Fall vor die Gerichte gebracht. Für letzteresgibt es hervorragende Gründe, denn die abrupte Fabrikschließung verstößt sowohl gegen dieVerfassung, wie auch gegen das B<strong>und</strong>esarbeitsgesetz Mexikos. Dort ist e<strong>in</strong>deutig festgelegt, dassvor solch e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>schneidenden Akt die Unternehmensleitung ihr Vorgehen vor e<strong>in</strong>em Schiedsgerichtbegründen muss. Nichts dergleichen war geschehen. Anfang Februar 2004 hat die klagendeGewerkschaft auch <strong>in</strong> letzter Instanz Recht bekommen. Ihr Anspruch auf Entschädigungwurde anerkannt. Leider ist damit der erschöpfende <strong>und</strong> vor allem teure Kampf immer noch nichtbeendet, denn die Höhe der Entschädigung muss weiter vor Gericht ausgefochten werden.18 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


Die Landfrage <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>Verschiedene Antworten aber ke<strong>in</strong>e LösungIn der Agrarfrage Mittelamerikasgab es mehr als zehn Jahre ke<strong>in</strong>eBewegung. Hoffnungen aufstrukturelle Veränderungensche<strong>in</strong>en heute so unrealistischwie nie zuvor. Mit dem andauerndenPreisverfall der Agrarprodukte,mit den Landverkäufender kle<strong>in</strong>en BäuerInnen <strong>und</strong> demEnde der staatlichen Förderungsche<strong>in</strong>t es, als löse sich das Problemvon selbst. Trotzdem:Weiterh<strong>in</strong> lebt die Mehrheit derBevölkerung mehr schlecht alsrecht auf dem Land <strong>und</strong> hofftauf bessere Lebensbed<strong>in</strong>gungen.Außerdem rücken die Agrarproduktemit dem Abschluss der<strong>Freihandel</strong>sabkommen wieder<strong>in</strong>s politische Rampenlicht. Erfährtdie Agrarpolitik deshalbe<strong>in</strong>e Renaissance? Im folgendensollen als Gr<strong>und</strong>lage für dieseFragen sowohl die geme<strong>in</strong>samenagrarpolitischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungenals auch die unterschiedlichenAusgangsbed<strong>in</strong>gungender e<strong>in</strong>zelnenLänder Mittelamerikas dargestelltwerden. Anschließendwerden am Beispiel Nicaraguasdie Auswirkungen des <strong>Freihandel</strong>sabkommenCAFTA auf dieLandwirtschaft dargestellt.Geme<strong>in</strong>same agrarpolitische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<strong>in</strong> MittelamerikaIn den mittelamerikanischen Ländern s<strong>in</strong>d esheute im wesentlichen die gleichen nationalen<strong>und</strong> <strong>in</strong>ternationalen agrarpolitischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen,welche die landwirtschaftlicheProduktion bestimmen. Zu den nationalenagrarpolitischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen zähltganz entscheidend e<strong>in</strong>e Orientierung der staatlichenRessourcen auf die Exportwirtschaft.Staatliche Kredite, Landverteilung, Förderprogramme,Investitionen, Infrastrukturmaßnahmen<strong>und</strong> Zuteilung von Devisen werden<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise gelenkt, dass sie im Landwirtschaftssektorbesonders die Exporte begünstigen.Diese Verteilung der Ressourcen gehte<strong>in</strong>deutig zu Lasten der Ernährungssicherung<strong>und</strong> des Wohlergehens der ländlichen Bevölkerung.H<strong>in</strong>zu gekommen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den 90er Jahrenverschiedene Deregulierungsmaßnahmen:Besonders betroffen ist die Landbevölkerungdurch den Abbau von E<strong>in</strong>fuhrzöllen, derdie Importe billiger Gr<strong>und</strong>nahrungsmittelverstärkt <strong>und</strong> die entsprechende nationaleProduktion ru<strong>in</strong>iert, <strong>und</strong> den Abbau vonVermarktungshilfen <strong>und</strong> Preisregulierungen fürGr<strong>und</strong>nahrungsmittel <strong>und</strong> Lagersysteme, wodurchdie Campes<strong>in</strong>os/as der Willkür der Zwischenhändlerüberlassen werden.Auch <strong>in</strong>ternationale Rahmenbed<strong>in</strong>gungenbestimmen die Agrarpolitik. Besonders drastischbegünstigt die vorherrschende WelthandelsstrukturIndustriegüter gegenüber Rohstoffen<strong>und</strong> Agrarprodukten; so müssen Entwicklungsländerständig mehr Rohstoffe zum Tausch fürdas gleiche Industrieprodukt exportieren. E<strong>in</strong>starkes Gewicht haben auch die tonangebendenIndustrieländer (z.B. EU) mit ihren nationalenAgrarpolitiken <strong>und</strong> die auf <strong>Freihandel</strong> orientiertePolitik der mult<strong>in</strong>ationalen F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitutionen.Wie im folgenden gezeigt wird, s<strong>in</strong>d trotzdieser Angleichung der Agrarpolitiken dieAusgangsbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> Mittelamerika sehrunterschiedlich. Dies macht sich fest an derunterschiedlichen Landverteilung, der Bedeutungder Landwirtschaft, an der politischen(auch jüngeren) Geschichte, der bäuerlichenOrganisationsformen <strong>und</strong> der staatlichenAgrar(produkt)politik.LandverteilungDie Struktur der Landverteilung ist <strong>in</strong> denmittelamerikanischen Ländern aufgr<strong>und</strong> historischerEreignisse recht unterschiedlich. So hat es<strong>in</strong> Guatemala zwar 1956 mit der RegierungArbenz den Versuch e<strong>in</strong>er strukturellen Agrarreformgegeben, der aber von den USA blutigbeendet wurde. Deshalb konnten nur im Rahmenvon Kolonisierungsprojekten bislang ungenutzteRegenwaldflächen im Norden <strong>und</strong> Nord-<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 19


westen des Landes an Landsuchende aus demHochland verteilt werden. Es gibt also weiterh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>en deutlichen Gegensatz zwischen Latif<strong>und</strong>ien(Landflächen größer als 200 ha) <strong>und</strong> M<strong>in</strong>if<strong>und</strong>ien(Landflächen kle<strong>in</strong>er als 2 ha). Mit zweiDrittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche <strong>in</strong>Händen von 2,9% der Landbesitzenden <strong>in</strong> Betriebsgrößenab 45 ha, demgegenüber 4% derFläche <strong>in</strong> Händen von 54% der Landbesitzenden<strong>in</strong> Betriebsgrößen bis 1,4 ha hat Guatemala diehöchste Landkonzentration Mittelamerikas.Großbesitz konzentriert sich auf das fruchtbareLand der Südküste <strong>und</strong> auf die aufsteigendenHänge des zentralen Hochlandes, der Kle<strong>in</strong>besitzist auf den kargen Böden des Hochlandes <strong>und</strong>des Regenwaldes zu f<strong>in</strong>den. Kooperative Strukturens<strong>in</strong>d meist als Vermarktungs-, weniger alsProduktionsgenossenschaften präsent.In Nicaragua setzte die sand<strong>in</strong>istischeRevolution mit der Agrarreform der 80er Jahrean der ungleichen Landverteilung an: Der Anteilder Großgr<strong>und</strong>besitzer an der landwirtschaftlichenFläche wurde von 36% auf 6% heruntergeschraubt,auf 13% der landwirtschaftlichenFläche entstand der staatliche Landwirtschaftssektormit stabilen Arbeitsplätzen für Saison<strong>und</strong>Wanderarbeiter, Kooperativen konnten vongünstigen Krediten <strong>und</strong> staatlichen Weiterverarbeitungs-<strong>und</strong> Vermarktungse<strong>in</strong>richtungenprofitieren <strong>und</strong> landlose Bauern erhieltenEigentumstitel. In den 90er Jahren allerd<strong>in</strong>gswaren mit dem Wegfall der staatlichen Unterstützungviele Bauern gezwungen ihr Land zuverkaufen: fallende Weltmarktpreise für landwirtschaftlicheProdukte, der Druck der Großgr<strong>und</strong>besitzer<strong>und</strong> fehlende Kredite für Dünger<strong>und</strong> Saatgut zwangen sie dazu. Trotzdem verh<strong>in</strong>dertee<strong>in</strong>e Welle von Streiks <strong>und</strong> Landbesetzungen<strong>in</strong> der ersten Hälfte der 90er Jahre e<strong>in</strong>roll back <strong>in</strong> der Landkonzentration. Auch bei derReprivatisierung des Staatssektors konnten dieGroßgr<strong>und</strong>besitzer nur e<strong>in</strong> Viertel e<strong>in</strong>heimsen.Seitdem werden unzählige Verfahren um dieAnerkennung sand<strong>in</strong>istischer Landtitel geführt.Inzwischen mussten ca. 60% des Landreformlandeswieder verkauft werden. So ist der Anteilder Kle<strong>in</strong>produzentInnen an der landwirtschaftlichenNutzfläche von 80% auf unter 25% gesunken.Nachdem es Ende der 90er Jahre um dieLandproblematik still geworden war, hat dieVerelendung durch die akute Kaffee(preis)krisenoch e<strong>in</strong>mal zu deutlichen Mobilisierungengeführt.In El Salvador sollte die stecken gebliebeneAgrarreform der frühen 80er Jahre durch dasFriedensabkommen mit der FMLN 1992 wiederaktiviert werden. Aber die damals von derEnteignung ausgenommenen Betriebe zwischen245 <strong>und</strong> 500 Hektar konnten wieder durchAufteilung auf Strohmänner der Verteilung anLandlose weitgehend entzogen werden. DasLand, das tatsächlich enteignet wurde, wurdeaber auch nicht verschenkt, sondern musstegekauft werden. Deshalb haben beide Agrarreformen(1980 <strong>und</strong> 1992) verschuldete Kooperativen<strong>und</strong> Campes<strong>in</strong>o-Familien h<strong>in</strong>terlassen. Mitdem Parzellierungs- <strong>und</strong> dem Umschuldungsgesetzals Folge des Friedensabkommen wurdenParzellierung, Auflösung der Kooperativen <strong>und</strong>Landverkauf noch gefördert.Während <strong>in</strong> Nicaragua 43% der Campes<strong>in</strong>o-Familien <strong>und</strong> über die Hälfte der landwirtschaftlichenFläche von der Agrarreform erfasst wurde,waren es <strong>in</strong> El Salvador letztendlich nur 25%gewesen. In El Salvador ist es im Gegensatz etwazu Nicaragua nicht möglich, den Landbedarf derLand- <strong>und</strong> Arbeitslosen durch e<strong>in</strong>fache Verteilungsmaßnahmendes ger<strong>in</strong>g oder nicht genutztenLandes zu decken, da nicht ausreichendLand zur Verfügung steht. E<strong>in</strong>e forcierte Landverteilungwürde unmittelbar die Oligarchie aufden Plan rufen bzw. wäre nur durch e<strong>in</strong>e revolutionäreBewegung durchzusetzen.Bedeutung der LandwirtschaftDie Bedeutung der Landwirtschaft am Nationalproduktist unterschiedlich. So kommt derLandwirtschaft <strong>in</strong> Nicaragua e<strong>in</strong>e deutlich größereBedeutung zu als <strong>in</strong> El Salvador. ZumVergleich: In Nicaragua s<strong>in</strong>d 45% der Bevölkerungvon der Landwirtschaft abhängig; dielandwirtschaftliche Produktion nimmt e<strong>in</strong>Viertel des Brutto<strong>in</strong>landsproduktes (BIP) e<strong>in</strong>; <strong>in</strong>El Salvador gibt die Landwirtschaft nur 14% derBevölkerung Arbeit <strong>und</strong> macht auch am BIP nur14% aus.In Nicaragua beschränkt sich der großflächigeAnbau auf wenige Exportprodukte. Dieshat se<strong>in</strong>en Ursprung <strong>in</strong> der Kolonialstruktur, wodie Befriedigung externer Bedürfnisse z.B. fürden Kaffeekonsum oder die Baumwollwirtschafte<strong>in</strong>e zentrale Rolle spielte. Mit der Öffnungnationaler Märkte für landwirtschaftliche Produkteaus dem Norden wurde diese Strukturnoch e<strong>in</strong>mal verschärft, da Gr<strong>und</strong>nahrungsmitteljetzt auch für den <strong>in</strong>ternen Markt nicht mehrkonkurrenzfähig produziert werden können. DerKle<strong>in</strong>stbesitz ist unrentabel <strong>und</strong> bedeutet nurnoch Überlebenswirtschaft ohne Infrastruktur20 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


zur Vermarktung, ohne Produktivkredite <strong>und</strong>ohne Lager- <strong>und</strong> Verarbeitungskapazitäten.Organisierung der Campes<strong>in</strong>os/asIn Guatemala haben wegen des hohen Anteilsvon 65% Indigenas die Landkämpfe immer e<strong>in</strong>estarke kulturelle <strong>und</strong> regionale Komponente.Indem die Großgr<strong>und</strong>besitzer Weiße <strong>und</strong> dieKle<strong>in</strong>bäuerInnen <strong>und</strong> Landlosen Indigene s<strong>in</strong>d,wird der soziale Konflikt rassistisch unterlegt.E<strong>in</strong>e landesweite Organisierung wird erschwert.Auf nationaler Ebene gibt es mehrereKoord<strong>in</strong>ationen wie CUC<strong>und</strong> CONIC, im Parlamenthaben die Campes<strong>in</strong>os/asaber so gut wie ke<strong>in</strong>eLobby. Die Bauernorganisationenhabene<strong>in</strong>e starke soziale Basis,deren Kämpfe aber dezentrallaufen <strong>und</strong> allenfallsörtlich Erfolg haben.In Nicaragua h<strong>in</strong>gegens<strong>in</strong>d die nationalenLandarbeiter- <strong>und</strong>Bauernorganisationendurch Vertikalismus <strong>und</strong>Korruption stark diskreditiert.Die traditionelleLandarbeitergewerkschaft Wer weiß, was dr<strong>in</strong> istATC bietet ke<strong>in</strong>e Identifikationmehr, da sich e<strong>in</strong>ige Funktionäre an derReprivatisierung persönlich bereichert hatten.Stattdessen entstanden neue Formen der Selbstorganisation<strong>und</strong> Selbstversorgung. Aus der Not(Wegfall staatlicher Unterstützung <strong>und</strong> nationalerOrganisationen) machten die Landkollektivee<strong>in</strong>e Tugend: Auf der Basis gegenseitiger Unterstützung<strong>und</strong> vernetzter Strukturen wurdenrotierende Kreditfonds aufgebaut,Erwachsenenbildungsprogramme durchgeführt<strong>und</strong> Produkte geme<strong>in</strong>sam vermarktet.AgrarpolitikDie neoliberalen Regierungen Mittelamerikasfühlen sich für e<strong>in</strong>e zusammenhängende Agrarpolitiknicht mehr zuständig. In Nicaraguawerden e<strong>in</strong>ige vom Ausland f<strong>in</strong>anzierte Programmevon halbstaatlichen Organisationen umgesetzt,um die schlimmsten Folgen der Verarmungabzufedern. Aus der staatlichen Agrar-, F<strong>in</strong>anz<strong>und</strong>Wirtschaftspolitik werden die kle<strong>in</strong>eren <strong>und</strong>mittleren Bauern ausgeschlossen. Zum völligprivatisierten Kreditwesen haben sie kaumZugang. Im sand<strong>in</strong>istischen Nicaragua gab esnoch das Modell der „importsubstituierendenIndustrialisierung“: Der Zwang zu Importensollte verr<strong>in</strong>gert werden, <strong>in</strong>dem z.B. Weiterverarbeitungs<strong>in</strong>dustrienfür Lebensmittel aufgebautwurden. Jetzt s<strong>in</strong>d die <strong>in</strong>ternationalenF<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitutionen mit den von ihnen erzwungenenStrukturanpassungsmaßnahmen der 90erJahre mitverantwortlich für den strukturellenWandel <strong>und</strong> die aktuelle Hungerkrise. Sie setztennach der sand<strong>in</strong>istischen Phase denSubventionsabbau, die neuerliche Öffnung derWarenmärkte <strong>und</strong> die Privatisierung von Staatsaufgabendurch <strong>und</strong> haben hiermit auch diejetzt beschlossenen <strong>Freihandel</strong>smaßnahmenvorbereitet. E<strong>in</strong> Erlass besagt, dass die Landtitelaus der Agrarreform als Garantie für e<strong>in</strong>e Hypotheknicht ausreichen. H<strong>in</strong>zu kommt, dass auchdie arbeitslosen LandarbeiterInnen des Kaffeesektors<strong>in</strong> der Kaffeekrise mit ke<strong>in</strong>er staatlichenUnterstützung rechnen können.Die derzeitige Regierung Guatemalas gehorchtden Interessen des modernisierendenUnternehmertums <strong>und</strong> gerät damit <strong>in</strong> teilweisenWiderspruch zur Oligarchie. Seit dem Kriegsende1996 richtete sie e<strong>in</strong>en Landfonds als Gr<strong>und</strong>fondsfür e<strong>in</strong>en freien Bodenmarkt e<strong>in</strong> <strong>und</strong>begann mit der Erstellung e<strong>in</strong>es Landkatasters.Nationale Märkte wurden eröffnet <strong>und</strong> <strong>in</strong>ternationalesKapital zur Modernisierung des Landesherangeholt. Der Landbedarf der Landsuchendenkönnte – wenn politisch gewünscht – durche<strong>in</strong>e Landverteilung abgedeckt werden. GeradeGuatemala ist e<strong>in</strong>es der Länder, die unter denAuflagen der <strong>in</strong>ternationalen Kreditgeber auf<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 21


exportorientierte Wachstumsstrategien setzten,um ihre Handelsbilanz mit der Förderungnichttraditioneller Agrarexportgüter (Kiwis,Äpfel, Erdbeeren, We<strong>in</strong>trauben, Birnen, Nüsse,Krabben, Tropenhölzer) zu verbessern. Auch <strong>in</strong>den M<strong>in</strong>if<strong>und</strong>ien wird jede sich bietende Nischeim Weltmarktexport ausgenutzt: Kaffee, Bananen,Zuckerrohr, Kardamon werden durch Zucch<strong>in</strong>i,Sesam, Ch<strong>in</strong>akohl oder andere nichttraditionelleExportprodukte ergänzt. DieseStrategie ist Ende der 90er Jahre nicht nur <strong>in</strong>Guatemala sondern für ganz Mittelamerikagescheitert: Der E<strong>in</strong>satz von Pestiziden hat zue<strong>in</strong>er solchen Belastung der Produkte geführt,dass der Import <strong>in</strong> die USA gestoppt wurde. DieVernichtung der Mangrovenwälder von Hondurasdurch die Garnelenzucht, die Überfischung derKüsten <strong>und</strong> die Abholzung von Primärwaldhaben gewaltige ökologische Schäden <strong>und</strong>Erosionen hervorgerufen. Zusätzlich frisst dieseragro<strong>in</strong>dustrielle Produktionsstandard großeDevisene<strong>in</strong>kommen für nötige Importe fürSaatgut, Pflanzenschutzmittel <strong>und</strong> Pestizide (ca.die Hälfte des Outputs) <strong>und</strong> führt zu erheblichenSteuerausfällen wegen staatlicherSubventionierung.ZusammenfassungObwohl das Agrarexportmodell durch dieStrukturanpassung massiv gefördert wurde,blieb es <strong>in</strong> den 90er Jahren <strong>in</strong> der Krise: währenddie Agrarimporte erheblich anstiegen (<strong>in</strong>Costa Rica verdreifacht), lagen die Agrarexportedeutlich unter ihrem Wert von 1980.Die Gr<strong>und</strong>nahrungsmittelproduktion istbereits <strong>in</strong> diesem Zeitraum weit h<strong>in</strong>ter demBevölkerungswachstum von jährlich 2,7% zurückgeblieben.Die dramatische Abnahme derNahrungsmittelproduktion pro Kopf führt zue<strong>in</strong>er hohen Importabhängigkeit, die bei hohenAuslandsschulden <strong>und</strong> Zahlungsbilanzdefizitenfür die langfristige Ernährungssicherheit absoluttödlich ist. Bereits 1995 wurde die Frage aufgeworfen,warum der durch Bevölkerungswachstum<strong>und</strong> Urbanisierung täglich größerwerdende Markt für Nahrungsmittel den USamerikanischenoder europäischen Billigimportenüberlassen werden sollte?Noch weniger als früher funktioniert auchder „funktionale Dualismus“ zwischen exportorientiertenGroßgr<strong>und</strong>besitzern <strong>und</strong>m<strong>in</strong>if<strong>und</strong>istas, die mit ihren Familien e<strong>in</strong>ekle<strong>in</strong>e Selbstversorgungslandwirtschaft betreiben<strong>und</strong> gleichzeitig als billige Saisonarbeitskräfteauf den Plantagen arbeiten. DieArbeitskräftenachfrage der Exportlandwirtschaftgeht zurück, gleichzeitig wird derGr<strong>und</strong>nahrungsmittelproduktion die Unterstützungdurch Kredite <strong>und</strong> Vermarktung entzogen;so bleibt den kle<strong>in</strong>bäuerlichen <strong>und</strong> landlosenFamilien nur der Weg der Migration <strong>in</strong> dieElendsviertel der Städte oder <strong>in</strong>s Ausland.Spätestens seit den Naturkatastrophen derausgehenden 90er Jahre (Trockenheiten, Überschwemmungen<strong>und</strong> Hurrikane wie Mitch) s<strong>in</strong>dauch die hausgemachten ökologischen Folgender Agrarproduktion deutlich geworden: DieAbholzung verschl<strong>in</strong>gt stündlich 50 ha Tropenwald,e<strong>in</strong> Bauer muss <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong> Viertelse<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>kommens aufbr<strong>in</strong>gen, um das nötigeBrennholz zu kaufen. Die landwirtschaftlicheProduktion auf Hanglagen („Vertreibungslandwirtschaft“)verursacht massive Erosion. Dergrößte Teil des für Landwirtschaftsproduktiongerodeten Landes liegt brach; die Hälfte derlandwirtschaftlichen Nutzfläche ist für dieAgrarproduktion nicht mehr geeignet.Die traditionellen Forderungen der Campes<strong>in</strong>os/asnach e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tegralen Agrarreform mitkostenloser Landübereignung <strong>in</strong> kommunaler,kooperativer oder <strong>in</strong>dividueller Trägerschaft,nach Obergrenzen für privates Landeigentum,Rechtssicherheit, verbessertem Kreditzugang,Ausbau der Infrastruktur <strong>und</strong> Förderung derkle<strong>in</strong>en <strong>und</strong> mittleren Produzenten durchSchutzzölle s<strong>in</strong>d weiterh<strong>in</strong> unerfüllt geblieben.Dabei wäre es absolut notwendig, e<strong>in</strong>eVersorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmittelnzu sichern <strong>und</strong> sich der Abhängigkeit vonNahrungsimporten durch die Großunternehmenso weit als möglich zu entziehen. Denn tendenziellunterliegt auch die Versorgung mit demLebensnotwendigsten, wie Nahrung <strong>und</strong> Wasser,immer stärker den Marktgesetzen <strong>und</strong> derökonomischen Zentralisierung. Ist diese Versorgungerst e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> den Händen von Monopolen,so ist sie der Kontrolle der Menschen praktischentzogen. Ganze Länder <strong>und</strong>Bevölkerungen wären ausgeliefert <strong>und</strong> erpressbar.Insofern ist Nahrungssicherheit e<strong>in</strong> wichtigespolitisches Ziel: wenngleich nicht für dieRegierungen Mittelamerikas, dafür umso mehrfür viele ProduzentInnen <strong>und</strong> KonsumentInnen.22 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


Plan Puebla-Panamá (PPP)Der Plan Puebla-Panamá ist e<strong>in</strong>e mexikanischeInitiative, die vorgibt, dem wirtschaftlichen<strong>und</strong> sozialen Nord-Süd-Gefälle <strong>in</strong> der Regionentgegenwirken zu wollen.Neben den neun mexikanischen SüdstaatenPuebla, Veracruz, Tabasco, Campeche,Yucatán, Qu<strong>in</strong>tana Roo, Guerrero, Oaxaca <strong>und</strong>Chiapas zielt er auf alle zentralamerikanischenLänder Guatemala, Belize, Honduras,El Salvador, Nicaragua, Costa Rica <strong>und</strong> Panamaab.Der PPP basiert auf e<strong>in</strong>em Entwurf ausder Zeit der Präsidentschaft Zedillos <strong>und</strong>stammt von dem damaligen Unterstaatssekretärim F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>isterium Santiago Levy. Erwurde vom mexikanischen Präsidenten VicenteFox im November 2000 denzentralamerikanischen Regierungschefs vorgeschlagen<strong>und</strong> am 15. Juni 2001 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erRegionalkonferenz <strong>in</strong> San Salvador von denbeteiligten Staaten unterzeichnet.Der Kern des Planes s<strong>in</strong>d Projekte <strong>in</strong> denfolgenden acht Bereichen:1. Nachhaltige Entwicklung2. Menschliche Entwicklung3. Vorsorge <strong>und</strong> Bekämpfung von Naturkatastrophen4. Ausbau des Tourismus5. Erleichterung des Handelsaustausches6. Ausbau der Verkehrsnetze7. Elektrizitätsverb<strong>und</strong>8. Zusammenarbeit auf demTelekommunikationssektorIn den beteiligten Ländern wurden von denRegierungen Koord<strong>in</strong>atoren ernannt, die unteranderem jeweils für e<strong>in</strong>en Projektbereichverantwortlich s<strong>in</strong>d. So ist zum Beispiel dernicaraguanische Beauftragte Ernesto Leal fürden Bereich „Nachhaltige Entwicklung“ zuständig.Die Projektleitung wechselt halbjährlich.Am 27. <strong>und</strong> 28. Juni 2002 fand e<strong>in</strong>eKonferenz der Regierungschefs <strong>in</strong> Mérida,Mexico statt, die wohl den Fortschritt desProjektes dokumentieren sollte. In Planung<strong>und</strong> F<strong>in</strong>anzierung s<strong>in</strong>d außer den <strong>in</strong> der Regi-on aktiven mult<strong>in</strong>ationalen Organisationen,wie z.B.• Interamerikanische Entwicklungsbank(IDB, BID)• <strong>Zentralamerika</strong>nische Bank fürWirtschafts<strong>in</strong>tegration (CABEI,BCIE)• UN-Wirtschaftskommission für Late<strong>in</strong>amerika(CEPAL)• als auch das der Privat<strong>in</strong>dustrie nahestehende Wirtschafts<strong>in</strong>stitut InstitutoCentroamericano de Adm<strong>in</strong>istración deEmpresas (INCAE)beteiligt.Der benötigte f<strong>in</strong>anzielle <strong>und</strong> zeitlicheRahmen liegt offiziell noch nicht fest. Zu denKosten gibt es e<strong>in</strong>en aktuellen Bericht der BIDaus dem August dieses Jahres (Informe de lacomisión de F<strong>in</strong>anciamiento del Plan Puebla-Panamá). Daraus geht hervor, dass über 94%des Gesamtbetrags von etwas mehr als5,1 Mrd. US-Dollar für Infrastrukturprogramme(Ausbau der Verkehrsnetze, Elektrizitätsverb<strong>und</strong><strong>und</strong> Telekommunikationssektor)gedacht s<strong>in</strong>d.Es handelt sich hierbei um e<strong>in</strong>en „Anfangsbedarf“.Inoffizielle Schätzungen kommenauf e<strong>in</strong>en Gesamtbedarf von 9 bis 25 Mrd.US-Dollar für e<strong>in</strong>en Zeitraum von 10 Jahren.Florencio Salazar, der damalige Koord<strong>in</strong>atorder mexikanischen Regierung, sagte imApril dieses Jahres, dass sich dieser Betrag zu57% auf mexikanische <strong>und</strong> zu 43% aufzentralamerikanische Projekte verteilen würde.Die Mittel sollen über den privaten Bankensektor<strong>und</strong> mult<strong>in</strong>ationale F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitutionenbesorgt werden. Dabei sche<strong>in</strong>t die InteramerikanischeEntwicklungsbank e<strong>in</strong>eSchlüsselrolle zu spielen. Das Selbstverständnisder Initiatoren geht deutlich aus derPräsentation des Planes durch diemexikanische Regierung hervor, wo es hieß:Frage: Was ist der Plan Puebla-Panamá?Antwort: Er ist Förderer, Erleichterer vonproduktiven Investitionen, die Arbeitsplätzeschaffen.<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 23


Landwirtschaft unter<strong>Freihandel</strong>sbed<strong>in</strong>gungenDas Beispiel Nicaragua1S<strong>in</strong>foriano Cáceres,Vorsitzender dernicaraguanischen NationalenFöderation derKooperativen (FederaciónNacional de Cooperativas– FENACOOP)2Importzölle haben vorallem die Funktion, die<strong>in</strong>ländische Produktionvor preiswerterer Konkurrenzaus dem Ausland zuschützen.„Im <strong>Freihandel</strong>sabkommen legen wir fest, ob wiruns selbst umbr<strong>in</strong>gen oder e<strong>in</strong>es natürlichenTodes sterben.“ 1Die Armut <strong>in</strong> Nicaragua konzentriert sichauf den ländlichen Bereich. Gleichzeitig ist dieLandwirtschaft der Sektor, der durch die Marktliberalisierungam härtesten getroffen wird.Nach E<strong>in</strong>schätzung der nicaraguanischenProduzentInnenvere<strong>in</strong>igung UNAG (UniónNacional de Agricultores y Ganaderos) s<strong>in</strong>d nur18% der nicaraguanischen Landwirtschaftsunternehmenunter <strong>Freihandel</strong>sbed<strong>in</strong>gungenwirklich wettbewerbsfähig. Wenn das US-<strong>Zentralamerika</strong>nische <strong>Freihandel</strong>sabkommenCAFTA umgesetzt wird, s<strong>in</strong>d 420.000 Arbeitsplätze<strong>in</strong> der nicaraguanischen Landwirtschaftgefährdet. Das wird die Migration <strong>in</strong> die Städte,nach Costa Rica <strong>und</strong> <strong>in</strong> die USA verschärfen. DieRegierung h<strong>in</strong>gegen verspricht, dass durch dasAbkommen 70.000 neue Arbeitsplätze geschaffenwerden, <strong>und</strong> zwar vor allem <strong>in</strong> den Maquilas.<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Investitionenwerden nach wie vor als das Instrumentfür Entwicklung gepriesen. Der Doha-Gipfel derWTO (2001) wurde als Auftakt zu e<strong>in</strong>er „Entwicklungsr<strong>und</strong>e“bezeichnet. Die Industrieländerverpflichteten sich dort, den Marktzugang fürdie Agrarprodukte der armen Länder zu ermöglichen.Bereits 1995 beim Marrakesch-Gipfelhatten sie die Reduzierung ihrer Subventionen<strong>und</strong> Importzölle 2 angekündigt. Außerdem hattensie sich bereit erklärt, auf den Abbau von Zöllenfür Agrarprodukte <strong>in</strong> allen Ländern, <strong>in</strong> denendas durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-E<strong>in</strong>kommenunter 1.000 US Dollar liegt, zu verzichten.Diese Bed<strong>in</strong>gung trifft auf alle zentralamerikanischenLänder (mit Ausnahme CostaRicas) zu. Das Scheitern des WTO-Gipfels <strong>in</strong>Cancún im September 2003 war nicht zuletztdarauf zurückzuführen, dass die Industrieländerke<strong>in</strong>es dieser Versprechen zu erfüllen bereitwaren.Dennoch sche<strong>in</strong>t auch Nicaraguas (neo-)liberale Regierung mit ihrem „NationalenEntwicklungsplan“ ganz auf den <strong>Freihandel</strong>abzuzielen. Ziel ist die Ansiedlung <strong>und</strong> gezielteFörderung sogenannter „Entwicklungs-Cluster“.Das „Cluster“-Konzept ist e<strong>in</strong> von der Weltbankentworfenes Modell, das die gezielte Förderungvon Produktionsketten <strong>in</strong> bestimmten „wirtschaftlichdynamischen“ Regionen be<strong>in</strong>haltet.Es wird nicht nur <strong>in</strong> Nicaragua, sondern auch <strong>in</strong>anderen Ländern als Entwicklungsmodell übernommen.Hausgemacht oder Fertiggericht?Im nicaraguanischen Entwicklungsplanwird explizit die Migration der Bevölkerung ausden wirtschaftlich weniger „dynamischen“Regionen <strong>in</strong> die zukünftig prosperierenden„dynamischen“ Zonen als Teil der Strategiebenannt. Die Zukunft der Landwirtschaft Nicaraguasbesteht nach dem Willen der Wirtschaftsstrategenaus Weltbank, Regierung <strong>und</strong> Verwaltungim Verschw<strong>in</strong>den der kle<strong>in</strong>bäuerlichenLandwirtschaft, die vor allem „granos básicos“(Gr<strong>und</strong>nahrungsmittel, vor allem Mais <strong>und</strong>Bohnen) produziert; <strong>und</strong> dem simultanen Aufbauagrar<strong>in</strong>dustrieller Maquilas, <strong>in</strong> denen vorallem Früchte <strong>und</strong> Gemüse für den Export hergestellt<strong>und</strong> verarbeitet werden.24 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


Die Politiker <strong>und</strong> Wissenschaftler rechtfertigendiese Strategie mit der grauenvollen Armut aufdem Land: E<strong>in</strong> Job <strong>in</strong> der Maquila ist immernoch besser, als auf dem Land zu hungern.Dabei kann man getrost davon ausgehen, dasssie die eigentlichen Ursachen für die Landarmutgenau kennen. Neben dem fehlenden (f<strong>in</strong>anz-)politischen Willen zur Förderung kle<strong>in</strong>bäuerlicherProduktion <strong>und</strong> den strukturellungerechten Welthandelsbeziehungen gehörtdazu vor allem die lange Periode ungelösterLandkonflikte, Vertreibungen <strong>und</strong> Landkonzentration.Trotz dieser Rahmenbed<strong>in</strong>gungen ist derAgrarsektor nach E<strong>in</strong>schätzung der AgrarproduzentInnenvere<strong>in</strong>igungUNAG nach wie vordie wichtigste E<strong>in</strong>kommensquelle <strong>und</strong> Überlebenssicherungder NicaraguanerInnen. Mitr<strong>und</strong> 200.000 landwirtschaftlichen Produktionse<strong>in</strong>heitenbietet er e<strong>in</strong> weitaus höheres Potential,um Arbeit <strong>und</strong> E<strong>in</strong>kommen zu schaffen, alsdie Maquila<strong>in</strong>dustrie mit ihren unwürdigenArbeitsbed<strong>in</strong>gungen. Wirtschaftspolitik ist meistgeschlechtsbl<strong>in</strong>d, ihre Auswirkungen h<strong>in</strong>gegens<strong>in</strong>d es nicht: Vor allem die Frauen auf demLand leiden an den wirtschaftlichen „Strukturanpassungen“<strong>und</strong> der Landarmut, weil sie fürdas Überleben der Familie meist mehr Verantwortungtragen als ihre Männer. Können sie aufdem Land nicht mehr für das Auskommen sorgen,migrieren sie <strong>in</strong> die Städte oder <strong>in</strong>s Ausland,wobei die K<strong>in</strong>der meist bei anderen Frauen(Mütter <strong>und</strong> Tanten, Schwestern oder Fre<strong>und</strong><strong>in</strong>nen)unterkommen. Wenn die Frauen jung s<strong>in</strong>d,f<strong>in</strong>den sie <strong>in</strong> den Städten, <strong>in</strong> Privathaushaltenoder <strong>in</strong> Maquilas e<strong>in</strong>e Arbeit, die ihnen <strong>in</strong> derRegel wenig Möglichkeit lässt, sich selber ausoderfortzubilden.Sieg nach Körben: Handelsliberalisierung<strong>und</strong> Abbau von ZöllenE<strong>in</strong>e große Gefahr für den mittelamerikanischenAgrarsektor ist der Wegfall von Importzöllen fürAgrarprodukte: Die lokalen Märkte werden mithoch<strong>in</strong>dustrialisiert hergestellten, stark subventioniertenProdukten aus dem Norden überschwemmt,wodurch die nationale Produktionzusammenbricht.Andersherum haben die AgrarproduzentInnender armen Länder, sofern sie über dieVermarktungschancen verfügen, natürlich e<strong>in</strong>Interesse, ihre Produkte <strong>in</strong> den gigantischenAbsatzmarkt der USA exportieren zu können.Allerd<strong>in</strong>gs: Die Verhandlungsmacht der armenLänder reicht wegen ihrer verschw<strong>in</strong>dend ger<strong>in</strong>genwirtschaftlichen Bedeutung für die reichenIndustrieländer oft nicht weit genug, um wirklicheVorteile durchzusetzen. 3 Auch die nichtWelchen Korb hätten sie denn gerne?existierende wirtschaftliche Kooperation dermittelamerikanischen Länder untere<strong>in</strong>andermachte es der US- Verhandlungsdelegationleicht, ihre Interessen durchzusetzen. Bislanggibt es noch ke<strong>in</strong>e Zollharmonisierung derzentralamerikanischen Staaten. Da die Agrarwirtschaftso unterschiedlich strukturiert ist,e<strong>in</strong>igte man sich schließlich darauf, dass diemittelamerikanischen Länder ihre Fristen <strong>und</strong>Quoten für Agrarprodukte bilateral mit den USAaushandelten.Die Liberalisierung der Agrarproduktef<strong>in</strong>det <strong>in</strong> mehreren Schritten statt. Die unterschiedlichenProdukte werden fünf so genannter„Körbe“ zugeordnet: In Korb A kommen alleProdukte, die unmittelbar nach Inkrafttretendes <strong>Freihandel</strong>sabkommens zollfrei e<strong>in</strong>geführtwerden; für Korb B müssen die Zölle <strong>in</strong> fünfJahren abgebaut se<strong>in</strong>, für Korb C <strong>in</strong> zehn <strong>und</strong> <strong>in</strong>3Die USA importierten2002 landwirtschaftlicheProdukteim Wert von47,5 Mrd. US$.Davon kamen Warenim Wert von 3 Mrd.aus den zentralamerikanischenLändern. Nicaraguahat daran e<strong>in</strong>enAnteil von ganzen4% – während aufder anderen Seitedie USA die HauptabnehmervonNicaraguas Exportproduktens<strong>in</strong>d.<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 25


Korb D <strong>in</strong> 12 Jahren. In Korb E kommen Produkte,für welche die Frist erst <strong>in</strong> 15 Jahren abläuft,<strong>und</strong> <strong>in</strong>nerhalb von 20 Jahren sollen alleAgrarprodukte komplett frei gehandelt werden.Für e<strong>in</strong>ige „sensible Produkte“ wurden E<strong>in</strong>fuhrquotenfestgelegt.Die nicaraguanischen Produzentenvere<strong>in</strong>igungenFENACOOP <strong>und</strong> UNAG, die im Nebenzimmeran den <strong>Freihandel</strong>sverhandlungen fürKunkurrenzlos: 1PSdas CAFTA teilnahmen, hatten vorgeschlagen,dass die USA zunächst ihre Schutzzölle sukzessivereduzieren sollten, damit diese dann,sobald sie mit den mittelamerikanischen Länderngleichauf liegen, geme<strong>in</strong>sam gesenktwürden. Dabei sollte das Versorgungsdefizit mitbestimmten Produkten <strong>und</strong> nicht die Liberalisierungdas Kriterium se<strong>in</strong>.E<strong>in</strong> Hauptfokus bei den Verhandlungen wardie Frage, welche Produkte als „sensible Produkte“klassifiziert werden <strong>und</strong> als solche e<strong>in</strong>embesonderen Schutz unterliegen sollen.FENACOOP wollte den Gallo P<strong>in</strong>to (die Gr<strong>und</strong>nahrungsmittelReis <strong>und</strong> Bohnen) <strong>und</strong> die Tortillaskomplett aus dem Vertrag ausschließen. Nichtzufällig kategorisierte sie Reis, Mais <strong>und</strong> Bohnenals hoch sensible Produkte: Alle drei s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> denUSA hochsubventioniert, <strong>in</strong> Nicaragua garantierensie die Nahrungsmittelsicherheit. 250.000Familien s<strong>in</strong>d direkt von der Produktion dieser„granos básicos“ abhängig. FENACOOP <strong>und</strong> UNAGkonnten sich mit ihren Forderungen nichtdurchsetzen. Nach Inkrafttreten von CAFTAsollen die Gr<strong>und</strong>nahrungsmittel <strong>in</strong> fünf bisfünfzehn Jahren zollfrei e<strong>in</strong>geführt werden. Fürdie ProduzentInnen <strong>und</strong> ihre Familien kann dasden Ru<strong>in</strong> bedeuten.Dabei setzt sich mit CAFTA nur e<strong>in</strong> Trendfort, der seit dem Ende der sand<strong>in</strong>istischenRevolution die Wirtschaftspolitik des Landesbestimmt hat. Nach 13 Jahren (neo-)liberalerRegierung ist Nicaragua heute das Land <strong>in</strong> derRegion mit den durchschnittlich ger<strong>in</strong>gstenImportzöllen. Das Hauptnahrungsmittel Maisbeispielsweise wird zu nur 15% E<strong>in</strong>fuhrzolle<strong>in</strong>geführt, während <strong>in</strong>den USA die ProduzentInnenSubventionen<strong>in</strong> Höhe vone<strong>in</strong>em Drittel ihrerProduktionskostenerhalten. Die Klassifizierungvon Produktennach festgelegtenZollabbaufristen gehtvon e<strong>in</strong>em absolutunangebrachtenEntwicklungsoptimismusaus. DiemittelamerikanischenVerhandlungsdelegationensche<strong>in</strong>en zuglauben, dass Produkte,welche heute nochnicht auf dem Weltmarktkonkurrenzfähig s<strong>in</strong>d, dies <strong>in</strong> spätestensfünfzehn Jahren aber auf jeden Fall se<strong>in</strong> werden.E<strong>in</strong>e gescheiterte nachholende Entwicklung<strong>und</strong> der unüberbrückbare technische Rückstandder mittelamerikanischen Agrarwirtschaft gegenüberden Industrieländern – trotz <strong>in</strong>tensiverEntwicklungshilfe <strong>in</strong> den 90er Jahren – lassendiesen Optimismus fehl am Platz ersche<strong>in</strong>en.Und zwar erst recht unter <strong>Freihandel</strong>sbed<strong>in</strong>gungen.SubventionenBei den Treffen der Welthandelsorganisation(WTO) wird seit e<strong>in</strong>iger Zeit heftig über dieSubventionen der Länder des Nordens für ihreAgrarproduktion diskutiert. E<strong>in</strong>e europäischeKuh etwa bekommt täglich 2,50 Euro staatlicheSubvention. Das ist mehr, als e<strong>in</strong> Drittel derMenschen <strong>in</strong> Nicaragua täglich zum Leben hat.Die Verhandlungsdelegationen der Vere<strong>in</strong>igtenStaaten haben sich bereit erklärt, dieExportsubventionen für Agrarprodukte zu reduzieren.Allerd<strong>in</strong>gs machen die Exportsubventionenganze 6% der Gesamtsubvention aus; derGroßteil der Subventionen fließt <strong>in</strong> die Produk-26 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


tion <strong>und</strong> versteckt sich h<strong>in</strong>ter den „InternenHilfen“ oder günstigen Kreditl<strong>in</strong>ien.Die USA wollen das Thema der <strong>in</strong>ternenSubventionen <strong>in</strong> multilateraler Form auf WTO-Ebene diskutieren. Dieser Versuch ist zwar imSeptember 2003 <strong>in</strong> Cancún gescheitert, dennochwird das Thema weiterh<strong>in</strong> aus den regionalenVerhandlungen herausgehalten <strong>und</strong> auf die WTOabgeschoben.Nach Auffassung der nicaraguanischenProduzentInnenvere<strong>in</strong>igungen dürfte eigentlichke<strong>in</strong> Produkt, welches <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>igten Staatensubventioniert <strong>und</strong> nach <strong>Zentralamerika</strong>exportiert wird, bei den Verhandlungen zurDebatte stehen. Laut FENACOOP gehören dazuErdnüsse, Milchprodukte, Zucker, Reis <strong>und</strong> Mais(u.a.). Reis beispielsweise wird <strong>in</strong> den USA mit81% der Produktionskosten <strong>in</strong>tern subventioniert;Milch mit 48%. All diese Produkte s<strong>in</strong>djedoch Bestandteile des CAFTA-Vertrages <strong>und</strong>sollen <strong>in</strong> fünfzehn Jahren komplett zollfrei nach<strong>Zentralamerika</strong> exportiert werden können.Nicaraguas Landwirtschaft wird durch denZollabbau am stärksten zu leiden haben, weil <strong>in</strong>Nicaragua zum Großteil dieselben Produkteangebaut werden, die durch US-Subventionenpreislich verzerrt <strong>und</strong> damit nicht konkurrenzfähigs<strong>in</strong>d.Nichttarifäre HandelsbarrierenJenseits der Zölle gibt es noch andere Formenvon Schutzmaßnahmen, wie Qualitäts- odersanitäre Normen (nicht tarifäre Handelsbeschränkungen)4 , die nicht unter die WTO-Reglementarien fallen. Mit dem im Dezember2003 <strong>in</strong> den USA <strong>in</strong> Kraft getretenen „Gesetzgegen Bioterrorismus“ werden ganz nebenbeidie Importe von Agrarprodukten wie Kaffee vielteurer <strong>und</strong> aufwendiger. Die Exporteure <strong>und</strong>Transportunternehmen müssen sich bei der FDA(Food and Drug Adm<strong>in</strong>istration) <strong>in</strong> den USAregistrieren lassen <strong>und</strong> die E<strong>in</strong>fuhr von Agrar<strong>und</strong>forstwirtschaftliche Produkten im Vorh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>melden. Für die Kontrolle der Importe muss e<strong>in</strong>e<strong>in</strong> den USA ansässige, autorisierte Agenturbeauftragt werden.Es macht für die armen Länder also wenigS<strong>in</strong>n, über den Abbau von Zöllen <strong>und</strong> „Körbe“zu verhandeln, wenn die nichttarifären Handelsbarrieren,<strong>in</strong>sbesondere die sanitären Maßnahmen,ke<strong>in</strong> Thema s<strong>in</strong>d. Mexiko hat mit demnordamerikanischen <strong>Freihandel</strong>sabkommen dieseErfahrung bereits gemacht. Wenngleich Mexikonach der Unterzeichnung des NAFTA – vorimmerh<strong>in</strong> zehn Jahren – für Hühnchenbruste<strong>in</strong>en zollfreien Marktzugang <strong>in</strong> die Staatenzugestanden bekam, hat es bis auf den heutigenTag noch ke<strong>in</strong> mexikanisches Hühnchen <strong>in</strong> dieUSA geschafft.Wer zieht den Vorteil aus den Verhandlungen...Die Verhandlungsdelegation verkündete begeistert,dass Nicaragua durch das CAFTA der sofortigezollfreie Export von „queso chontaleño“ermöglicht werde. Aber dieser Frischkäse musspasteurisiert se<strong>in</strong> – dies ist e<strong>in</strong>e der Hygieneauflagenfür den Export. Und die e<strong>in</strong>zige Pasteurisierungsanlage<strong>in</strong> Nicaragua ist <strong>in</strong> Besitz destransnationalen Unternehmens PARMALAT(dessen italienisches Mutterunternehmen<strong>in</strong>zwischen <strong>in</strong> Konkurs gegangen ist).Außerdem wird es Nicaragua „erlaubt“,Zucker zu exportieren. Die nicaraguanischeZuckerproduktion ist <strong>in</strong> den Händen der FamiliePellas, dem e<strong>in</strong>zigen wirklichen „Global Player“<strong>in</strong> Nicaragua, der außer der Herstellung desbekannten „Flor de Caña“-Rum auch den komplettenImport asiatischer Autos abwickelt. Abernicht e<strong>in</strong>mal die Pellas selbst haben e<strong>in</strong> übermäßiggroßes Interesse am Zuckerexport, weil ihrsattes Geschäft <strong>in</strong> Nicaragua selbst stattf<strong>in</strong>det:Zucker wird <strong>in</strong> Nicaragua mehr als doppelt soteuer gehandelt wie auf den <strong>in</strong>ternationalenMärkten, denn er ist das e<strong>in</strong>zige <strong>in</strong>tensiv geschützteProdukt <strong>in</strong> Nicaragua, das dienicaraguanischen KonsumentInnen praktischmit 180 Millionen Dollar subventionieren.E<strong>in</strong> weiteres Produkt, das Marktzugang <strong>in</strong>die USA f<strong>in</strong>den soll, s<strong>in</strong>d Erdnüsse aus Nicaragua.Erdnüsse werden bereits nach Mexico <strong>und</strong>Europa exportiert. Um e<strong>in</strong>en Vorteil aus diesemAngebot zu ziehen, müßten <strong>in</strong> Nicaraguaallerd<strong>in</strong>gs die Anbauflächen ausgeweitet werden,<strong>und</strong> diese stehen nur beschränkt zurVerfügung. Außerdem erfordert der Erdnussanbaue<strong>in</strong> hohes Maß an Mechanisierung, d.h. dieProduzentInnen müssten zunächst <strong>in</strong> Masch<strong>in</strong>en<strong>und</strong> Technologie <strong>in</strong>vestieren, was sie wegen desbeschränkten Kreditzugangs meist nicht können.... <strong>und</strong> wer hat das Nachsehen?Der enorme Produktivitätsvorsprung derIndustrieländer ist für die Trikontländer <strong>in</strong>absehbarer Zeit wohl nicht aufzuholen. Dies giltauch für die Agrarwirtschaft. Beispielsweise ist4Ges<strong>und</strong>heitspolizeilicheAuflagen,mittels dererAgrarprodukte mitdem H<strong>in</strong>weis aufmangelhafteHygienestandardsoder sonstigeGes<strong>und</strong>heitsgefährdungenan derGrenze zurückgewiesenwerden können.<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 27


Quellen:La Prensa - Managua,NicaraguaÁlvaro Fiallos (UNAG):„Decimos NO al TLC conargumentos y concondiciones“ <strong>in</strong>: envio -revista Mensual de laUniversidadCentroamericana (UCA)Managua, Nicaragua, No259 (Oktober 2003)S<strong>in</strong>foriano Cáceres(FENACOOP): „En el TLCdef<strong>in</strong>imos si nossuicidamos o si morimosde muerte natural“ <strong>in</strong>:envio – revista Mensualde la UniversidadCentroamericana (UCA)Managua, Nicaragua, No259 (Oktober 2003)InterAction IDB –CivilSociety Initiative,Wash<strong>in</strong>gton D.C.: http://www.<strong>in</strong>teraction.orgdie Produktivität von Mais <strong>in</strong> den USA um das6-7fache höher als auf e<strong>in</strong>er vergleichbarenAnbaufläche <strong>in</strong> Nicaragua.Die Ungleichheit ist auch technischer Art:In Nicaragua arbeiten die meisten AgrarproduzentInnenmit der Hand bzw. mit Ochsenkarren;<strong>in</strong> den USA besitzt e<strong>in</strong> Produzent imDurchschnitt vier Traktoren. Den MaisproduzentInnen<strong>in</strong> Nicaragua macht aber weniger derImport von Frischmais, sondern vielmehr vonverarbeiteten Produkten zu schaffen: Die Maisproduktionwird bereits jetzt durch den steuerfreienMaismehlimport des transnationalenUnternehmens MASECA aus Mexiko ru<strong>in</strong>iert.MASECA´s Vermarktungsstrategie besteht u.a.dar<strong>in</strong>, nicaraguanischen Tortillabäcker<strong>in</strong>nenMaismehl zu schenken, damit diese sich von dere<strong>in</strong>facheren Verarbeitung überzeugen <strong>und</strong>schließlich dazu übergehen, den bereits verarbeitetenMais statt elotes (frische Maiskolben)zu kaufen. Den Nachteil haben die MaisproduzentInnen,die für ihre elotes ke<strong>in</strong>e Abnahmemehr f<strong>in</strong>den.Um die Landwirtschaft effektiv zu schützen,wäre die technisch e<strong>in</strong>fachste Methode,entsprechende E<strong>in</strong>fuhrzölle auf Produkte ausden Industrieländern zu erheben. Laut UNAGwäre e<strong>in</strong> durchschnittlicher Zoll von 40% notwendig,<strong>und</strong> zwar <strong>in</strong> ganz <strong>Zentralamerika</strong>.Politisch ist dies jedoch nicht durchsetzbar.Darüber h<strong>in</strong>aus besteht das Problem auch dar<strong>in</strong>,dass die zentralamerikanischen Ökonomien sounterschiedlich s<strong>in</strong>d, dass es schwierig werdenwird, das Zollniveau <strong>in</strong> allen Ländern anzugleichen.Verhandlungen ohne(Ver-)handlungspielraumDie Verhandlungsstrategie der US-Delegationwar, die sensiblen Themen der Landwirtschaftsowie Arbeits- <strong>und</strong> Umweltstandards zu verschleppen,so dass am Ende wenig Zeit zu Konsultationenblieb. In vier der fünfzentralamerikanischen Ländern wurde ohneh<strong>in</strong>praktisch niemand konsultiert. NicaraguasDelegation war immerh<strong>in</strong> bis zu e<strong>in</strong>em gewissenGrad bereit, auch NGOs <strong>in</strong> die Beratung e<strong>in</strong>zubeziehen.Dennoch war auch diese Delegationnicht bereit, den unterschriftsreifen Vertragdirekt nach Abschluss der Verhandlungen bekanntzu machen.Die vorgegebene Geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>und</strong> dieFristen der Verhandlungen bedeuten e<strong>in</strong>e enormeBelastung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e menschliche <strong>und</strong> technischeÜberforderung. Von „Partizipation derZivilgesellschaft“ kann schon deshalb ernsthaftke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong>, weil von vornhere<strong>in</strong> feststeht,Maseca oder Elote?welche Interessensgruppen ihre Vorschlägee<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen können <strong>und</strong> welche ungehört bleiben.Für viele Organisationen ist dies e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>,die Verhandlungen als solche abzulehnen.Auch S<strong>in</strong>foriano Cáceres, der für FENACOOPim Nebenzimmer an den Verhandlungen teilnahm,kommt zu dem Fazit, dass „aus all diesenGründen (...) die <strong>Freihandel</strong>sverhandlungen füruns extrem komplex, schwierig <strong>und</strong> herausfordernds<strong>in</strong>d. Wir müssen zugeben, dass unserHandlungsspielraum als Region sehr e<strong>in</strong>geschränktist, <strong>und</strong> manchmal haben wir dasGefühl, dass wir e<strong>in</strong>zig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> festlegen, obwir uns selbst umbr<strong>in</strong>gen oder e<strong>in</strong>es natürlichenTodes sterben. Genau so drastisch.“28 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


Der Schmetterl<strong>in</strong>g im Netz des freienMarktesPrivatisierung <strong>und</strong> Kommerzialisierungder biologischen RessourcenVor ungefähr 60 Millionen Jahren stießen zweiKont<strong>in</strong>ente zusammen <strong>und</strong> formten die mesoamerikanische1 Landenge. Dabei trafen neoarktische<strong>und</strong> neotropische Biosysteme aufe<strong>in</strong>ander,was e<strong>in</strong>zigartige Evolutionsprozesse zurFolge hatte. Heute gilt Mesoamerika mit 8% derweltweiten biologischen Vielfalt auf nur 0,5%der Erdoberfläche nach Amazonien als diezweitwichtigste Biodiversitäts-Region. Sieumfasst das Gebiet zwischen Südmexiko <strong>und</strong>Panama <strong>und</strong> ist wegen ihrer Artenvielfalt für dieSaatgut- <strong>und</strong> Pharmakonzerne der sogenanntenLife Science-Industrie hoch<strong>in</strong>teressant.Mesoamerikanischer BiologischerKorridor: Naturschutz <strong>und</strong> kommerzielleAusbeutung der NaturMitte der neunziger Jahre beschlossen diemittelamerikanischen Präsidenten die E<strong>in</strong>richtungdes <strong>Zentralamerika</strong>nischen BiologischenKorridors, der bald darauf unter E<strong>in</strong>beziehungdes Südostens Mexikos zum MesoamerikanischenBiologischen Korridor wurde. Der Gr<strong>und</strong>gedankewar, dass sich Gebiete großer Biodiversitätbesser erhalten <strong>und</strong> schützen lassen, wenn ihreVerb<strong>in</strong>dung untere<strong>in</strong>ander gegeben ist. Bereitsbestehende Naturschutzgebiete sollten mite<strong>in</strong>anderverb<strong>und</strong>en werden, damit der Austauschvon Genen, Individuen, Arten <strong>und</strong> ökologischenProzessen möglich ist.Doch dient der Mesoamerikanische BiologischeKorridor nicht nur dem Naturschutz. Vielmehrsoll das Projekt die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der Region<strong>in</strong> die Weltwirtschaft fördern <strong>und</strong> Investitionenanziehen. Die Idee des Korridors entstand, alsBiodiversität als e<strong>in</strong>e Art Rohstoff für die Biotechnologiezum Gegenstand kommerziellerInteressen wurde. Aber auch der Handel mitCO 2-Kont<strong>in</strong>genten <strong>und</strong> so genannte „Ökotourismusprojekte“sollen mit dem Projektgefördert werden.Bis 2002 wurden bereits 100 Millionen US-Dollar <strong>in</strong>vestiert. Gelder fließen sowohl vonNichtregierungsorganisationen wie dem WorldWildlife Fo<strong>und</strong> <strong>und</strong> Conservation Internationalals auch von <strong>in</strong>ternationalen Organisationen wieder Weltbank <strong>und</strong> dem Entwicklungsprogrammder Vere<strong>in</strong>ten Nationen sowie von den staatlichenEntwicklungsagenturen Deutschlands,Hollands <strong>und</strong> der USA. Die NASA führt e<strong>in</strong>Projekt zur satellitengestützten Kartografierungder natürlichen Resourcen <strong>und</strong> der Bodennutzung<strong>in</strong> der Region durch.Mesoamerikanischer Biologischer Korridor<strong>und</strong> Plan Puebla-PanamáDer Mesoamerikanische Biologische Korridorwird häufig <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem Plan Puebla-Panamá (PPP – siehe Seite 23) genannt, da sichbeide Initiativen auf fast dasselbe Gebiet beziehen.Die Idee des PPP ist um e<strong>in</strong>iges jünger alsdie des Korridors. Der Mesoamerikanische BiologischeKorridor, <strong>in</strong> dem verschiedene Gebietemit unterschiedlichen Nutzungsarten <strong>und</strong>Schutzwürdigkeiten ausgewiesen werden, kannals e<strong>in</strong>e Art transnationales Raumordnungsverfahrenfür die mittelamerikanische Regionbetrachtet werden <strong>und</strong> somit als Voraussetzungfür die Umsetzung der Infrastrukturprojekte desPPP. Schließlich soll beispielsweise der Bau e<strong>in</strong>erneuen Verkehrsverb<strong>in</strong>dung zwischen Atlantik<strong>und</strong> Pazifik („Canal Seco“) nicht allzu vielemöglicherweise kommerziell <strong>in</strong>teressante Artenbeseitigen.Biopiraterie Teil 1: Im NaturschutzgebietVon den zentralamerikanischen Staaten <strong>und</strong>Mexiko werden für Naturschutzgebiete desMesoamerikanischen Biologischen KorridorsLizenzen an Nichtregierungsorganisationenvergeben. Sie führen dann <strong>in</strong> Zusammenarbeitmit Unternehmen <strong>und</strong> unter Ausnutzung traditionellenWissens e<strong>in</strong>heimischer BevölkerungForschungsprojekte durch (so genannte „Bioprospektionsprojekte“oder weniger neutralausgedrückt „Biopiraterieprojekte“), um kommerziellverwertbare Pflanzen, Tiere, Mikroorga-1 Der Begriff „Mesoamerika“stammt aus derArchäologie <strong>und</strong> wird fürdie Beschreibung vonbiologischen <strong>und</strong> ethnologischenZusammenhängen<strong>in</strong> der mittelamerikanischenRegion verwandt,während für dieBeschreibung politischerZusammenhänge derBegriff Mittel- oder<strong>Zentralamerika</strong> verwendetwird. Die Gebiete, die mitMesoamerika <strong>und</strong> <strong>Zentralamerika</strong>beschriebenwerden, s<strong>in</strong>d nichtidentisch, da TeileMexikos zu Mesoamerikazählen, jedoch nicht zu<strong>Zentralamerika</strong>.Biodiversität: Getreidevielfalt<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Geschäft<strong>in</strong> Mexico Stadt<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 29


2http://chiapas.medios<strong>in</strong>dependientes.org3Das war früher nichtmöglich, da Gene <strong>und</strong>Lebewesen gr<strong>und</strong>sätzlichals Entdeckungen, nichtjedoch als patentierbareErf<strong>in</strong>dungen galten. Inden letzten Jahren setztesich die Patentierbarkeitvon Genen <strong>und</strong> Lebewesenzunächst <strong>in</strong> den USAdurch <strong>und</strong> wird imMoment nach <strong>und</strong> nachauch <strong>in</strong> den europäischen<strong>und</strong> vielen weiterenLändern e<strong>in</strong>geführt.4Landwirtevorbehalt istdas Recht jedes Landwirts,sich aus der ErnteSaatgut für e<strong>in</strong>e Neuaussaatzurückzubehalten<strong>und</strong> dieses ohne Entrichtungvon Gebühren anden Saatgutzüchterauszusäen. Züchtervorbehaltist das Recht,Saatgut e<strong>in</strong>er Sorte ohnedie Entrichtung zusätzlicherGebühren an denZüchter dieser Sorte fürdie Weiterzucht zuverwenden.nismen, Eigenschaften von Pflanzen, Tieren <strong>und</strong>Mikroorganismen oder biologisch entstandeneSubstanzen zu f<strong>in</strong>den. Diese werden vor derkommerziellen Verwertung patentiert.Besonders <strong>in</strong> Mexiko gibt es hierfür e<strong>in</strong>igegut dokumentierte Beispiele. Über e<strong>in</strong>s berichtetMiguel Pickard von CIEPAC (Centro de InvestigacionesEconómicas y Políticas de AcciónGenetisches VerbesserungszentrumComunitaria): Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation„Conservation International“(CI) führt im Lakandonischen Urwald imSüden Mexikos Ökotourismus- <strong>und</strong> Umweltschutzprojektedurch. CI hat aber auch Verträgemit dem mexikanischen Saatgutkonzern Pulsar<strong>und</strong> der US-Pharmafima Bristol-Myers Squibb,mit der sie unter dem Namen „Aprendices deChamanes“ (Lehrl<strong>in</strong>ge der Schamanen) unterAusnutzung des Wissens <strong>in</strong>digener Naturheilere<strong>in</strong> Bioprospektionsprogramm durchführt.Vertreibung von Kle<strong>in</strong>bäuerInnenDie Region ist seit dem Aufstand der ZapatistInnenvor zehn Jahren stark militarisiert<strong>und</strong> immer wieder werden dort lebende, häufigmit den ZapatistInnen sympathisierende Kle<strong>in</strong>bäuerInnenvon ihrem Land vertrieben. Derzuletzt bekannt gewordene Fall ist die Vertreibungvon 23 Familien aus dem BiosphärenreservatMontes Azules im Januar dieses Jahres2 .Auch <strong>in</strong> anderen NaturschutzgebietenMesoamerikas gibt es immer wieder Fälle vonVertreibungen, wenn Menschen bei der kommerziellenNutzung der Natur stören.Biopiraterie Teil 2: Bäuerliches Saatgutim Tausch für <strong>in</strong>dustrielles SaatgutVon e<strong>in</strong>em weiteren Beispiel für Biopiraterieerzählt Julio Sánchez vom Centro Humboldt <strong>in</strong>Nicaragua. Im Rahmen der Programme „Libra porlibra“ („Pf<strong>und</strong> für Pf<strong>und</strong>“) <strong>in</strong> Nicaragua <strong>und</strong>„Kilo por kilo“ <strong>in</strong> Mexiko wird von Kle<strong>in</strong>bäuerInnenSaatgute<strong>in</strong>gesammelt, die es <strong>in</strong>jahrzehntelanger Zucht(oft auch über Generationen)optimal an dieregionalen Besonderheitenangepasst haben.Dieses traditionelleSaatgut wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>eSaatgutbank gebracht<strong>und</strong> vermutlich beiBedarf erforscht. DieBäuerInnen erhaltendafür so genanntes„verbessertes Saatgut“.Das wurde von e<strong>in</strong>emSaatgutkonzern gespendet<strong>und</strong> ist möglicherweisegentechnischverändert. In Nicaragua kommt das Saatgut, dasdie BäuerInnen im Austausch erhalten u. a. vomKonzern Monsanto, der e<strong>in</strong>er der größten Erzeugergentechnisch veränderter Saaten ist.Die Rolle der <strong>Freihandel</strong>sverträgeDer <strong>Freihandel</strong>svertrag CAFTA enthält e<strong>in</strong> Kapitelzum „Geistigen Eigentum“, das für die zentralamerikanischenLänder massive Änderungenbeim Schutz von geistigem Eigentum vorsieht.Dabei soll vor allem e<strong>in</strong> wesentlich stärkeresPatent- <strong>und</strong> Sortenschutzrecht durchgesetztwerden, mit der Möglichkeit, Gene <strong>und</strong> sogarganze Tiere <strong>und</strong> Pflanzen zu patentieren 3 . Dasbedeutet e<strong>in</strong>e Anpassung an das <strong>in</strong> den USAbestehende Patentrecht. Außerdem wird derbisher geltende Landwirte- <strong>und</strong> Züchtervorbehalt4 ausgehebelt. Das heißt, dass die Verwendungvon e<strong>in</strong>em Teil der Ernte für die Wiederaussaatim nächsten Vegetationszyklus sowiedie Verwendung für die Weiterzucht mit sogenanntenNachbau- <strong>und</strong> Patentgebühren belegtwird. Das trifft selbst dann zu, wenn die Pflanzungungewollt <strong>und</strong> unwissentlich mit geschütztenArten <strong>und</strong> Sorten gekreuzt wurde (z.B.durch Pollenflug gentechnisch veränderterPflanzen, die auf Feldern <strong>in</strong> der Umgebung30 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


gepflanzt wurden). Diese Änderungen betreffenvor allem Kle<strong>in</strong>bäuerInnen, die sich den jährlichen,teuren Kauf von Saatgut bisher sparenkonnten, <strong>und</strong> ihr Saatgut selbst weiterzüchteten.Die Auswirkungen des stärkeren Schutzesdes geistigen Eigentums wird für die Kle<strong>in</strong>bäuerInnendramatisch se<strong>in</strong>. Sie werden durchVerteuerung von Saatgut <strong>und</strong> die neuen Patent<strong>und</strong>Sortenschutzgebühren noch stärker <strong>in</strong> dief<strong>in</strong>anzielle Abhängigkeit getrieben. Die Folge istbekanntermaßen Verschuldung <strong>und</strong> Landverlust.Aber auch im Bereich der Ges<strong>und</strong>heitsversorgungwerden sich Medikamente durch denstärkeren Patentschutz verteuern <strong>und</strong> die allgeme<strong>in</strong>eVerwendung von Naturheilmitteln wirddurch Bioprospektionsprojekte <strong>und</strong> die darausfolgenden Patenteerschwert werden. Fürdie Länder, derenPatentgesetzgebungbisher auch die Verwendungvon billigenGenerika zulässt – alsoohne Lizenz hergestellteNachahmungenvon patentiertenMedikamenten –machen CAFTA <strong>und</strong>ALCA dies unmöglich,da ke<strong>in</strong>e Ausnahmenzugelassen werden.Das spielt z.B. bei derBehandlung von AIDS<strong>und</strong>Malariakrankene<strong>in</strong>e große Rolle. Aberauch häufig gebrauchteMedikamente wie Bist du e<strong>in</strong> Mais?Schmerzmittel <strong>und</strong>Antibiotika können nach <strong>in</strong> Kraft treten der<strong>Freihandel</strong>sverträge nur noch <strong>in</strong> ihrer teurenVersion erworben werden.E<strong>in</strong>fuhr gentechnisch veränderter Lebensmittelnicht kontrollierbarDie E<strong>in</strong>fuhr von Saatgut bzw. noch keimfähigemGetreide, das gentechnisch verändert ist, ist <strong>in</strong>e<strong>in</strong>igen der zentralamerikanischen Staaten <strong>und</strong>Mexiko verboten, da die Auswirkungen aufMenschen, Tiere <strong>und</strong> Ökosysteme noch weitgehendunerforscht s<strong>in</strong>d. Es wird befürchtet, dassdurch Kontam<strong>in</strong>ation von Wild- <strong>und</strong> Kulturpflanzendie Nahrungsmittelsicherheit gefährdetwerden könnte. Insbesondere soll e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>kreuzenvon gentechnischen Veränderungen <strong>in</strong> Wild<strong>und</strong>traditionelle Kultursorten des Mais vermiedenwerden, da der Mais aus dieser Regionstammt <strong>und</strong> hier das wichtigste Gr<strong>und</strong>nahrungsmittelist.Die Regelungen <strong>in</strong> den verschiedenenzentralamerikanischen Staaten s<strong>in</strong>d sehr unterschiedlich.Beispielsweise gibt es <strong>in</strong> Guatemalake<strong>in</strong>e Restriktionen für die E<strong>in</strong>fuhr gentechnischveränderten Getreides, während diese<strong>in</strong> Nicaragua verboten ist. Nach dem gleichzeitigenInkrafttreten von CAFTA <strong>und</strong> der zentralamerikanischenZollunion wird die E<strong>in</strong>fuhrvon gentechnisch verändertem Getreide praktischnicht mehr zu kontrollieren se<strong>in</strong>. Wirddann aus den USA e<strong>in</strong>geführter, gentechnischveränderter Mais <strong>in</strong> Guatemala angebaut, sokann er auf Gr<strong>und</strong> der Zollunion ohne weitereKontrolle nach Nicaragua gelangen. Mal ganzabgesehen davon, dass <strong>in</strong> den zentralamerikanischenLändern bis jetzt noch gar nicht dietechnischen Möglichkeiten <strong>und</strong> Kapazitätenexistieren, gentechnische Veränderungen nachzuweisen.In Mexiko wurden bereits 2002 <strong>in</strong> größeremUmfang Kontam<strong>in</strong>ationen von Wild- <strong>und</strong> traditionellenMaissorten nachgewiesen. Verónica Villavom mexikanischen <strong>Büro</strong> der kanadischenUmweltorganisation ETC-Group erklärt, dass dieunkontrollierte E<strong>in</strong>fuhr von gentechnisch verändertemMais durch den NAFTA-Vertrag begünstigtwird.<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 31


5Term<strong>in</strong>atorgene, diedurch gentechnischeMethoden <strong>in</strong> Pflanzene<strong>in</strong>gebracht werden,verh<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> der Regeldas Tragen von Früchten<strong>in</strong> der zweiten Generation.Das genetisch veränderte Saatgut von Mais <strong>und</strong> Bohnen vergiften dieNahrung.Aber auch <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> wurden schone<strong>in</strong>zelne Fälle von gentechnischen Kontam<strong>in</strong>ationendokumentiert. Das Centro Humbolt hat2002 <strong>in</strong> Nicaragua mit Unterstützung e<strong>in</strong>es USamerikanischenLabors gentechnische Veränderungen<strong>in</strong> Getreide entdeckt, das durch dasWelternährungsprogramm der UNO e<strong>in</strong>geführtwurde. In El Salvador liegt laut Angel Ibarra vonder Umweltorganisation UNES der Verdachtnahe, dass nach den Erdbeben 2001 ebenfallsgentechnisch veränderter Mais verteilt wurde,da zur Wiederaussaat verwendete Samen zwarPflanzen bildeten, jedoch ke<strong>in</strong>e Früchte trugen.Vermutlich wurde hier Mais mit Term<strong>in</strong>atorgenen5 e<strong>in</strong>gesetzt.<strong>Widerstand</strong>Menschen <strong>und</strong> Organisationen, die sich gegendie Privatisierung der biologischen Ressourcenwehren – darunter BäuerInnen-, Umwelt- <strong>und</strong>KonsumentInnenorganisationen – fordern vorallem: ke<strong>in</strong>e Patente auf Leben, d.h. weder aufGensequenzen noch auf ganze Lebewesen <strong>und</strong>Moratorien für die E<strong>in</strong>fuhr von gentechnischveränderten Lebewesen <strong>und</strong> Lebensmitteln.In weiten Teilen <strong>Zentralamerika</strong>s läuft zurZeit Aufklärungsarbeit zu Biopiraterie <strong>und</strong>gentechnischen Veränderungen <strong>in</strong> Saatgut <strong>und</strong>Lebensmitteln. Und es gibt auch e<strong>in</strong> paar sehrkonkrete Ansatzpunkte:BäuerInnenorganisationen beispielsweise <strong>in</strong>Mexiko <strong>und</strong> El Salvador s<strong>in</strong>d sich der Bedeutungtraditioneller Saaten für die autonome Versorgungmit Nahrungsmitteln sehr bewusst. Siefördern den Anbau traditioneller Sorten <strong>und</strong>bauen Saatgutbanken mit diesen Sorten auf,damit die BäuerInnen dort ihr gentechnikfreiesSaatgut unabhängig von den großen Konzernenerwerben können.Gegen Biopiraterieregt sich besonders <strong>in</strong>Mexiko <strong>Widerstand</strong>. DaBioprospektionsprojekteauf die Mitarbeit orts<strong>und</strong>pflanzenk<strong>und</strong>igerE<strong>in</strong>wohnerInnen angewiesens<strong>in</strong>d, können siedurch Boykott beh<strong>in</strong>dertwerden. In Chiapas ist essogar gelungen, e<strong>in</strong>Bioprospektionsprojekte<strong>in</strong>er US-amerikanischenUniversität <strong>und</strong> e<strong>in</strong>erbritischen Biotech-Firmazu Fall zu br<strong>in</strong>gen,nachdem 2000 Geme<strong>in</strong>dendie Mitarbeit verweigerthatten. Das Beispielmacht hoffentlich Schule.Weitere Fälle von Biopiraterie <strong>und</strong> derenH<strong>in</strong>tergründe f<strong>in</strong>den sich unterwww.biopiraterie.de – Webpage der BUKO-Kampagne gegen Biopiraterie.LiteraturCarlsen, Laura: „El corredor biológico mesoamericano:La nueva <strong>in</strong>serción de la biodiversidad enel mercado global“ <strong>in</strong> „La Vida en Venta: Transgénicos,Patentes y Biodiversidad“, EdicionesBöll, San Salvador 200232 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


O’zapft is!Die Öffnung des mittelamerikanischenStrommarktes für PrivatanbieterPrivatisierung ist e<strong>in</strong> Schlagwort,das hierzulande <strong>in</strong> denvergangenen Jahren vielen dasFürchten gelehrt hat. In Late<strong>in</strong>amerikas<strong>in</strong>d Privatisierungenbereits seit den 80er Jahren ander Tagesordnung, seit Mitte der90er Jahre regt sich zunehmender<strong>Widerstand</strong>. Der folgendeArtikel zeigt Entwicklungen desPrivatisierungskonzepts auf(Stichwort: fortschreitende Liberalisierung<strong>und</strong> Privatisierungz.B. <strong>in</strong> Dienstleistungsbereichen),erläutert die verändertenMechanismen zur Durchsetzungdieser Bestrebungen (vonStrukturanpassungsprogrammenzu <strong>Freihandel</strong>sverträgen) <strong>und</strong>befasst sich mit den Auswirkungenfür die Bevölkerung. Alskonkretes Beispiel dient dieÖffnung des mittelamerikanischenStrommarktes für Privatanbieter.Anmerkungen zur Liberalisierung <strong>und</strong>Privatisierung im Dienstleistungsbereich 1Obwohl der Begriff Privatisierung bei uns derzeit<strong>in</strong> aller M<strong>und</strong>e ist, gibt es ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>gültigeDef<strong>in</strong>ition dessen, was darunter zu verstehenist. 2 Zumeist wird damit der Verkauf von Staatsunternehmenan den privaten Sektor bezeichnet.Allgeme<strong>in</strong> gesprochen, geht es bei Privatisierungenum die Ausdehnung der Sphäre desPrivateigentums. Das Privatisierungskonzeptwurde <strong>in</strong> den vergangenen 20 Jahren, im Zugeder neoliberalen Durchdr<strong>in</strong>gung der Wirtschafts-, Rechts-, <strong>und</strong> Sozialwissenschaften, massiverweitert. Heute sehen wir uns <strong>in</strong> Europa –ebenso wie <strong>in</strong> Late<strong>in</strong>amerika – mit e<strong>in</strong>em Rückzugdes Staates aus se<strong>in</strong>er Rolle als wichtiger(<strong>und</strong> zumeist wichtigster) Anbieter elementarerDienstleistungen konfrontiert, beispielsweise imBildungsbereich <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Ges<strong>und</strong>heitsversorgung.3Um diese Veränderungen <strong>in</strong> den Bereichen deröffentlichen Versorgung erfassen zu können, istes s<strong>in</strong>nvoll, die Prozesse, welche zur Privatisierungführen sollen, genauer <strong>in</strong> den Blick zunehmen. Viele Bereiche der öffentlichen Versorgungs<strong>in</strong>d bereits marktförmig gestaltet. Sowerden Strom <strong>und</strong> Wasser nicht erst seit derjüngsten Liberalisierungswelle ver- <strong>und</strong> gekauft<strong>und</strong> auch im Ges<strong>und</strong>heitsbereich werden Leistungen- schon seit längerem - gegen Geldangeboten. Die neoliberalen Politiken zielen alsonicht auf die Schaffung e<strong>in</strong>es Marktes für diejeweilige Dienstleistung selbst ab, denn dieserexistiert zumeist bereits (Strommarkt, Wassermarkt,etc.).Ziel neoliberaler Politiken s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>gegenVeränderungen auf der Anbieterseite: Im Bereichder Erzeugung, Erbr<strong>in</strong>gung <strong>und</strong> des Vertriebsvon Dienstleistungen soll Wettbewerbe<strong>in</strong>geführt werden. Daher werden die jeweiligenDienstleistungsbereiche <strong>in</strong> verschiedene, unabhängigvone<strong>in</strong>ander agierende Verwaltungsstrukturenzerteilt, <strong>in</strong> denen anschließendprivate Anbieter zugelassen werden. Die Liberalisierungauf der Angebotsseite bedeutet, dassnun neben dem Staat auch private Anbieter <strong>in</strong>sGeschäft e<strong>in</strong>steigen können. Hier f<strong>in</strong>det danne<strong>in</strong>e Privatisierung im oben genannten S<strong>in</strong>ne,sprich der Verkauf e<strong>in</strong>es Unternehmens oderInfrastrukturteils an private Unternehmer statt.Obwohl diese Liberalisierungspolitiken –angeblich mit dem Ziel e<strong>in</strong>e „Wettbewerbsstruktur“zu schaffen – durchgeführt werden,sieht die Realität meist anders aus: Gewöhnlichgibt es nur wenige private Interessenten weltweit,wenn der Verkauf von Dienstleistungsbereichenansteht. Es handelt sich dabeischließlich um spezielle Sparten <strong>in</strong> denenweltweit nur wenige Unternehmen tätig s<strong>in</strong>d<strong>und</strong> um immense Investitionsvolumen. Effektist, dass die Dienstleistungsbereiche teilweiseunter dem angestrebten Verkaufspreis <strong>in</strong> privateHände übergehen <strong>und</strong> dass sich oftmals e<strong>in</strong>eprivate Monopolstuktur herausbildet. 4Der essentielle Unterschied zwischen e<strong>in</strong>emprivaten <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em staatlichen Anbieter liegtdar<strong>in</strong>, dass der Staat ke<strong>in</strong>e primäre Gew<strong>in</strong>n-Anmerkungen aufSeite 37<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 33


orientierung aufweist. Natürlich versucht aucher, <strong>in</strong> manchen Bereichen e<strong>in</strong>en Überschuss zuerwirtschaften, um damit z.B. andere Bereicheder öffentlichen Versorgung quersubventionierenzu können oder auch, um <strong>in</strong> die öffentlicheInfrastruktur zu <strong>in</strong>vestieren (Schwimmbäder,Parks etc.). Anders h<strong>in</strong>gegen Privatunternehmen:Sie haben zum Ziel, Gew<strong>in</strong>ne zu erwirtschaften,um diese zu re<strong>in</strong>vestieren oder anAktionäre auszuschütten.Strom: Bedeutend <strong>und</strong> attraktivStrom hat e<strong>in</strong>e zentrale <strong>und</strong> zugleich zwiespältigeBedeutung für die <strong>in</strong>dustrielle Produktionsweise:E<strong>in</strong>erseits ist se<strong>in</strong>e Bereitstellung essentiellfür die <strong>in</strong>dustrielle Produktion, z.B. <strong>in</strong> denMaquilas. Niedrige Preise <strong>und</strong> die reibungsloseVersorgung mit Strom s<strong>in</strong>d wichtige Gr<strong>und</strong>lagendes Wirtschaftssystems. Andererseits gibt ese<strong>in</strong>zelne Unternehmen, die e<strong>in</strong> starkes Interessean der Liberalisierung des Strommarktes haben,da sie hier <strong>in</strong>vestieren wollen, um ihre Profitezu vermehren. Dieses Profitstreben <strong>und</strong> – fallsvorhanden – die Konkurrenz zwischen privatenStromanbietern kann sich <strong>in</strong> mangelnden Investitionen<strong>in</strong> die Infrastruktur sowie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erunzureichenden Koord<strong>in</strong>ation der verschiedenenAnbieter niederschlagen. E<strong>in</strong> WiderspruchPrivatbesitzzwischen diesen unterschiedlichen Interessenim Unternehmerlager (sichere Versorgung vs.Profit<strong>in</strong>teresse) offenbart sich zumeist erstdann, wenn die Liberalisierung, wie im vergangenenJahr <strong>in</strong> den USA, zu e<strong>in</strong>er erheblichenStörung der volkswirtschaftlichen Produktionführt. Dazu kann es kommen, wenn aufgr<strong>und</strong>der Liberalisierung zuviele Anbieter gleichzeitigStrom <strong>in</strong> das Netz e<strong>in</strong>speisen <strong>und</strong> dieses unterder Überlastung zusammenbricht. .5Im Bereich der Stromversorgung, – wie <strong>in</strong>vielen anderen Dienstleistungsbereichen –gehören vor allem transnationale Unternehmen,deren Muttergesellschaften <strong>in</strong> den Metropolenregistriert s<strong>in</strong>d, zu den vehementen Verfechterne<strong>in</strong>er Liberalisierung. In Mittelamerika s<strong>in</strong>d imEnergiebereich u.a. die spanische Union Fenosa,die US-amerikanische Coastal Power <strong>und</strong> dieitalienische Enel Green Power tätig. 6 Attraktivist die Region, da das jährliche Verkaufsvolumenvon Strom auf 2 Mrd. US-Dollar geschätzt wird. 7Mechanismen zur Durchsetzung derLiberalisierungen <strong>und</strong> Privatisierungen:Strukturanpassungsprogramme <strong>und</strong><strong>Freihandel</strong>sverträgeBis Mitte der 80er Jahre wurden <strong>in</strong> Late<strong>in</strong>amerikav.a. Privatisierungen von Staatsunternehmen– oftmals im Rahmen von Strukturanpassungsmaßnahmen8 – vorgenommen. DieProtagonisten dieser Politik argumentierten,dass e<strong>in</strong>e private Unternehmensführung fürmehr Effizienz <strong>und</strong> weniger Korruption sorge.Seit Anfang der 90er Jahre kam es zu erstenLiberalisierungen <strong>und</strong> Privatisierungen <strong>in</strong>Dienstleistungsbereichen, v.a. im Telekommunikationsbereich.Auch diese Maßnahmen,ebenso wie die ab Mitte der90er Jahre <strong>in</strong> weiterenDienstleistungsbereichen(z.B. Strom <strong>und</strong> Wasser)durchgeführten Liberalisierungen<strong>und</strong> Privatisierungenresultierten zumeist ausStrukturanpassungsprogrammen.Argumentiertwurde hier, dass e<strong>in</strong>e verstärkteKonkurrenz unterdiversen (privaten) AnbieternPreissenkungen fürdie Endverbraucher zurFolge hätten. Daher wurdedie Liberalisierung vonDienstleistungsbereichen gefordert, was <strong>in</strong> derKonsequenz Privatisierungen e<strong>in</strong>zelner Bestandteilemit sich brachte.Die Liberalisierung von Dienstleistungsbereichenist v.a. seit Mitte der 90er Jahre engverknüpft mit dem Thema <strong>Freihandel</strong>. So f<strong>in</strong>densich <strong>in</strong> den neueren <strong>Freihandel</strong>sverträgen, wiedem NAFTA-Vertrag <strong>und</strong> dem CAFTA-Vertrag,34 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


Es wurden e<strong>in</strong>zelne Verwaltungse<strong>in</strong>heiten geschaffen,die jeweils e<strong>in</strong>en Teil der Versorgungsdienstleistungenerbr<strong>in</strong>gen.In den mittelamerikanischen Ländernwerden seit Mitte der 90er Jahre die Stromerzeugung<strong>und</strong> die Stromverteilung liberalisiert<strong>und</strong> im Anschluss e<strong>in</strong>zelne Bestandteile desvormaligen Staatssektors an private Investorenverkauft. Nach wie vor s<strong>in</strong>d jedoch 100% derStromleitungen Staatseigentum. Am Ende diesesLiberalisierungs- <strong>und</strong> Privatisierungsprozessesim Bereich der Stromerzeugung <strong>und</strong> -verteilungsoll sich der Staat vollständig aus der Rolle desVorgaben zur Liberalisierung des Dienstleistungshandels,wobei nur sehr wenige Ausnahmeregelungenaufgenommen wurden. 9 Im ALCA-Entwurf <strong>und</strong> im DienstleistungsbezogenenHandelsabkommen (General Agreement on Trade<strong>in</strong> Services, GATS 10 ), das im Rahmen der Welthandelsorganisation(WTO) verhandelt wirdwerden Ausnahmen von der Liberalisierungsvorgabenur e<strong>in</strong>geräumt, wenn e<strong>in</strong>e Dienstleistung„weder zu kommerziellen Zwecken noch imWettbewerb mit e<strong>in</strong>em oder mehreren Dienstleistungserbr<strong>in</strong>gernerbracht wird“. 11 Allerd<strong>in</strong>gswerden Dienstleistungen nur <strong>in</strong> Ausnahmefällenausschließlich vom Staaterbracht. Daher werden fürdie meisten Dienstleistungsbereichenach demInkrafttreten e<strong>in</strong>es dieserVertragswerke Vorgabengelten, die e<strong>in</strong>e graduelleLiberalisierung der Dienstleistungsbereiche<strong>in</strong> denTeilnehmerstaaten verlangen.12 Diese <strong>Freihandel</strong>sverträgedienen vor alleme<strong>in</strong>er Vere<strong>in</strong>heitlichung derLiberalisierungs- <strong>und</strong> Privatisierungsprozesse<strong>und</strong>der Schaffung verstärkterrechtlicher Verb<strong>in</strong>dlichkeiten für diese Prozesse.Zudem sollen über Vorgaben <strong>in</strong> diesen Vertragswerkenstaatliche Anbieter im Endeffekt dazugezwungen werden, genauso zu agieren, wieprivate Anbieter. Staatliche Unterstützungsmaßnahmenfür e<strong>in</strong>zelne Dienstleistungserbr<strong>in</strong>gerkönnen somit zukünftig unterb<strong>und</strong>enwerden. Durch die Angleichungsbestrebungenwerden sich die Konditionen, zu denen dieBürgerInnen mit Dienstleistungen, wie Ges<strong>und</strong>heit,Bildung oder Strom von staatlichen Anbieternversorgt werden, verschlechtern.Die Liberalisierung des mittelamerikanischenStrommarktes <strong>und</strong> die Privatisierungvon e<strong>in</strong>zelnen BestandteilenDie Liberalisierung des Strommarktes begann <strong>in</strong>Late<strong>in</strong>amerika wie auch <strong>in</strong> Europa Anfang der90er Jahre mit der Zerschlagung der Staatsunternehmen,die als (Monopol-)Anbieter tätigwaren. In e<strong>in</strong>em ersten Schritt wurden dieStaatsunternehmen <strong>in</strong> drei Bereiche unterteilt:Die Erzeugung (generación), die Durchleitung(transmisión) <strong>und</strong> die Verteilung (distribución).Privatisierung = wer nicht zahlen kann, wird sterbenAnbieters zurückgezogen haben <strong>und</strong> nur noch,mittels e<strong>in</strong>er Regulierungsbehörde, den rechtlichenRahmen für die Marktprozesse abstecken.Auf dem Weg zur Privatisierung s<strong>in</strong>d diee<strong>in</strong>zelnen mittelamerikanischen Staaten unterschiedlichweit vorangeschritten: Am weitestenist der Prozess <strong>in</strong> Guatemala, El Salvador, Nicaragua<strong>und</strong> Panama gediehen. 13 Costa Rica stellt -wie auch <strong>in</strong> anderen Bereichen der öffentlichenVersorgung - e<strong>in</strong>e Ausnahme dar: Hier ist esPrivatunternehmen zwar erlaubt, <strong>in</strong> derStromerzeugung tätig zu werden, allerd<strong>in</strong>gsmüssen die privaten Stromerzeuger diesenStrom dann an das Instituto Costaricence deElectricidad (ICE) verkaufen, da es diesemalle<strong>in</strong>e erlaubt ist, Energie <strong>in</strong> das System e<strong>in</strong>zuspeisen.Damit ist die costaricanische Regierungnicht gezwungen, Strom zu überhöhten Preisenvon Privatanbietern e<strong>in</strong>zukaufen, sondern kannden Privatanbietern den Preis für ihre Dienstleistungserbr<strong>in</strong>gungvorschreiben. Der costaricanische„Sonderweg“ ist, nach E<strong>in</strong>schätzungdes salvadorianischen VerbraucherschutzzentrumsCDC bed<strong>in</strong>gt durch den starken <strong>Widerstand</strong>der Bevölkerung. 14 Auch <strong>in</strong> Honduras <strong>und</strong><strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 35


Mexiko ist die Privatisierung im Strombereichweniger weit fortgeschritten als von den nationalenRegierungen, den Internationalen F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitutionen<strong>und</strong> transnationalen Unternehmenerwünscht. Dies ist ebenfalls auf den starken<strong>Widerstand</strong> von Gewerkschaften, Verbraucherschutzverbänden<strong>und</strong> der Bevölkerung zurückzuführen.15Auswirkungen der Liberalisierung <strong>und</strong>Privatisierung auf die BevölkerungVerbraucherschutz<strong>in</strong>itiativen <strong>und</strong> andere Organisationenkritisieren die Auswirkungen derLiberalisierung des mittelamerikanischen Strommarktes.E<strong>in</strong> wichtiges Argument der BefürworterInnenvon Liberalisierungspolitikenlautet, dass durch e<strong>in</strong>e verstärkte KonkurrenzE<strong>in</strong> weiteres Argument, mit dem Befürwortervon Liberalisierungen im Bereich der Stromerzeugungwerben ist, dass es zu e<strong>in</strong>er besserenAnb<strong>in</strong>dung der bisher nicht mit Strom versorgtenTeile der Bevölkerung kommen könne, daprivate Anbieter Interesse an neuen K<strong>und</strong>enhätten. E<strong>in</strong> derartiger Trend ist nach den Analysendes CDC ebenfalls nicht zu verzeichnen. 17Hier zeigt sich, dass e<strong>in</strong> unüberw<strong>in</strong>dbarer Widerspruchzwischen Profit<strong>in</strong>teressen, wie siePrivatanbieter verfolgen <strong>und</strong> der Befriedigungvon Gr<strong>und</strong>bedürfnissen besteht. In denmittelamerikanischen Ländern gibt es diverseRegionen, die von e<strong>in</strong>em profitorientiertenStandpunkt aus betrachtet nicht <strong>in</strong>teressants<strong>in</strong>d (z.B. wegen der Armut der Bevölkerung)<strong>und</strong> die private Stromanbieter daher nicht andas Versorgungsnetz anschließen werden. Auchdie staatlichen Anbieter haben <strong>in</strong> der Vergangenheitnicht alle Regionen angeschlossen,trotzdem ist es ihnen <strong>in</strong> den meisten Länderngelungen, das Netz sukzessive auszubauen.FazitDas ist me<strong>in</strong> Strom!!von Anbietern die Preise für die VerbraucherInnengesenkt würden. Dem ist nicht so.Die salvadorianische VerbraucherschutzorganisationCDC konstatiert, dass die Strompreise<strong>in</strong> der Region entweder gleichgebliebenoder gestiegen seien. Die vier Länder der Region,die ihre Strommärkte am weitesten liberalisierthätten, seien zugleich diejenigen, <strong>in</strong> denendie höchsten Verbraucherpreise verlangt würden.16 Dies ist u.a. auf die Tatsache zurückzuführen,dass sich <strong>in</strong> diesen Ländern privateMonopole im Bereich der Stromversorgungetabliert haben.Liberalisierungsprozesse im Dienstleistungsbereichfunktionieren oftmals nicht reibungslos.In e<strong>in</strong>igen mittelamerikanischen Ländern, wieCosta Rica, Honduras oder Mexiko verzögert sichihre Durchsetzung erheblich.Daher versuchen die an e<strong>in</strong>er Liberalisierung<strong>in</strong>teressierten Akteure (u.a. nationaleRegierungen, Internationale F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitutionen,transnationale Unternehmen), diese aufverschiedenen Ebenen durchzusetzen: So werdene<strong>in</strong>erseits weiterh<strong>in</strong> Strukturanpassungsprogrammeverfasst, andererseits werden mittelsregionaler Vertragswerke zusätzliche Rechtsverpflichtungengeschaffen, die ebenfalls aufe<strong>in</strong>e Liberalisierung der Angebotsstruktur derStrommärkte h<strong>in</strong>auslaufen.Dies hat auch Konsequenzen für den <strong>Widerstand</strong>:Se<strong>in</strong>e vertikale Vervielfachung wirdnotwendig <strong>und</strong> gleichzeitig ermöglicht. InMittelamerika sche<strong>in</strong>en diverse AktivistInnen<strong>und</strong> AktivistInnennetzwerke diesen Sachverhalterkannt zu haben: Dies zeigt sich an dem Versuche<strong>in</strong>er zunehmenden, regionalen Vernetzungihrer Aktivitäten gegen die <strong>Freihandel</strong>sverträge,ohne dabei die lokale <strong>und</strong> nationaleArbeit aufzugeben.36 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


Anmerkungen1E<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>gültige Def<strong>in</strong>ition des Term<strong>in</strong>us „Dienstleistung“ gibt es nicht. Dieses Problemtauchte auch im Rahmen der Verhandlungen um e<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationales Ab-kommen über den Handelmit Dienstleistungen (GATS) <strong>in</strong>nerhalb der Welthandelsorganisation (WTO) auf. Hier wurdedaher – <strong>in</strong> Anlehnung an die zentrale Produk-tionsklassifikation der Vere<strong>in</strong>ten Nationen – e<strong>in</strong>eigenes Schema entwickelt. Die GATS-Def<strong>in</strong>ition liegt auch dem vorliegenden Artikel zugr<strong>und</strong>e.Zudem wird auch die Wasserversorgung als Dienstleistung betrachtet, welche im GATS derzeitnoch ke<strong>in</strong>e explizite Erwähnung f<strong>in</strong>det.2Vgl. Teichmann, Judith (1995), Privatization and Political Change <strong>in</strong> Mexico, London/Pittsburgh3„Die Entdeckung der Dienstleistungen als Gegenstand <strong>in</strong>ternationaler Handelsliberalisierungsteht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em engen Zusammenhang mit den durch die Außenhandelsdefizite der USA ausgelöstenDebatten. Vorreiter waren die Versicherungsgesellschaft American International Group(AIG) <strong>und</strong> der Pionier <strong>in</strong>ternationaler Zahlungsmittel, die Firma American Express. Beide Konzernemachten ExpertInnen <strong>in</strong>ternationaler Wirtschaftsbeziehungen zu Vizepräsidenten, diemit Buchveröffentlichungen <strong>und</strong> Konferenzen der Idee zum Durchbruch verhalfen, dass Dienstleistungentransnational erbracht werden können, nationale Regulierungen der jeweiligenBranchen dies beh<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> folglich der Abbau dieser Barrieren im Rahmen des GATT multilateralausgehandelt werden müsse.“ (Fritz, Thomas/Scherrer, Christoph (2002), GATS: Zu wessenDiensten? Öffentliche Aufgaben unter Privatisierungsdruck, Hamburg (AttacBasis Texte 2), S.40)4Mehr Informationen zu den letztgenannten Aspekten f<strong>in</strong>den sich zu dem Beispiel Nicaragua <strong>in</strong>der Broschüre AutorInnenkollektiv (2003), Nicaragua Privatizada. Wenn die Gr<strong>und</strong>versorgungzur Ware gemacht wird, München (zu beziehen über das Ökumenische <strong>Büro</strong>)5vgl. Gegenstandpunkt, Blackout: Die politische Ökonomie marktwirtschaftlicher Stromversorgung,Nr.4 2003, S.109-1246Centro para la Defensa del Consumidor (Hrsg.) (2003), La Interconexión eléctricaCentroamericana y el <strong>in</strong>terés de los consumidores, San Salvador, S.117Centro para la Defensa del Consumidor, a.a.O., S.48Zurück geht der Zusammenhang zwischen Strukturanpassungsprogrammen <strong>und</strong> Privatisierungenauf den G-7-Gipfel <strong>in</strong> Williamsburg 19839Vgl. www.ustr.gov10Hier manifestiert sich abermals die Ausdehnung des <strong>Freihandel</strong>spr<strong>in</strong>zips von der Produktionssphäreauf immer neue gesellschaftliche <strong>und</strong> natürliche Sphären. Die Idee des Handels mitDienstleistungen wurde während den Verhandlungen zur Uruguay-R<strong>und</strong>e im Rahmen des GATT(1986-1994) propagiert. Bei der Gründung der WTO 1995 wurde dem Handel mit Dienstleistungene<strong>in</strong>e eigene Struktur <strong>in</strong>nerhalb der WTO gegeben: Das GATS.11GATS-Vertragswerk zit. nach Fritz/Scherrer, a.a.O., S.14; ALCA-Entwürfe zit. nach Lara Cortés,Claudio (2003), Comentarios críticos al capítulo de servicios del borrador del ALCA, Santiago deChile (Estudios sobre el ALCA Nr. 13, F<strong>und</strong>ación Friedrich Ebert), S.412Lara Cortés, a.a.O., S.2; Fritz/Scherrer, a.a.O., S.1513Centro para la Defensa del Consumidor, a.a.O., S.814Centro para la Defensa del Consumidor, a.a.O., S.1015Weiterführende Informationen zu Mexiko f<strong>in</strong>den sich u.a. auf den folgenden, spanischsprachigenwebsites: www.fte-energia.org; www.sme.org.mx16Centro para la Defensa del Consumidor, a.a.O., S.14f. E<strong>in</strong>e detaillierte Ausführung zu den Konsequenzenvon Liberalisierung <strong>und</strong> Privatisierung der öffentlichen Stromversorgung <strong>in</strong> Nicaraguaf<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> der bereits erwähnten Broschüre des Autor<strong>in</strong>nenkollektivs.17Centro para la Defensa del Consumidor, a.a.O., S.16<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 37


Neoliberalismus ist auch e<strong>in</strong>AngriffskonzeptDas Zusammenwirken vonNeoliberalismus <strong>und</strong> Militarisierung amBeispiel von KolumbienDie Durchsetzung von <strong>Freihandel</strong> ist immerverb<strong>und</strong>en mit Verbotsregelungen. Die Bestimmungender WTO müssen e<strong>in</strong>gehalten werden,sonst kommt es zu e<strong>in</strong>em Streitschlichtungsverfahrengegen die Länder, die gegen dieBestimmungen verstoßen. Die regionalen<strong>Freihandel</strong>sverträge werden über dieGesetzgebung der Länder gestellt, sodass auch hier Verstöße gegen den„Geist“ der Verträge geahndetwerden können. Somit handelt essich nicht nur um e<strong>in</strong> ökonomischesKorsett, sondern greift<strong>in</strong> die Politik der e<strong>in</strong>zelnenLänder massiv e<strong>in</strong>.Auch wenn es <strong>in</strong>den e<strong>in</strong>zelnen Ländernimmer Gruppengibt, dieauch vom<strong>Freihandel</strong>profitieren,wird der Großteilder BevölkerungkonkreteNachteile zuerwarten haben. In<strong>Zentralamerika</strong> beispielsweisewerden dieBäuer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Bauern mitihren Produkten nicht mit denProdukten aus den USA konkurrierenkönnen. Wahrsche<strong>in</strong>lich werden sie ihrLand verlieren <strong>und</strong> als billige Arbeitskräfte zurVerfügung stehen, d.h., es werden noch mehrMenschen marg<strong>in</strong>alisiert. E<strong>in</strong>e Entwicklung, dieAlltagskrim<strong>in</strong>alität <strong>und</strong> organisierten <strong>Widerstand</strong>hervorrufen kann. Das aber s<strong>in</strong>d Phänomene,die dem Investitionsklima schaden. Dae<strong>in</strong> funktionierender Markt aber kalkulierbareRisiken <strong>und</strong> damit auch <strong>in</strong>nenpolitische Ruhe<strong>und</strong> Stabilität braucht, müssen Mechanismengreifen, um diese Ruhe herzustellen. <strong>Widerstand</strong>muss niedergeschlagen oder im Keim ersticktwerden. Dies geschieht durch verstärkteMilitarisierung.Während der Delegationsreise des Ökumenischen<strong>Büro</strong>s <strong>und</strong> des Informationsbüros Nicaraguaim Sommer letzten Jahres wurden zeitgleich<strong>in</strong> El Salvador <strong>und</strong> Honduras Maßnahmen e<strong>in</strong>geführt,um Jugendliche, die <strong>in</strong> Jugendbandenorganisiert s<strong>in</strong>d, strafrechtlich zu verfolgen: derPlan „Mano Dura“ (harte Hand) <strong>in</strong> El Salvador<strong>und</strong> der Plan „Libertad“ (Freiheit) <strong>in</strong> Honduras.Sie be<strong>in</strong>halten zum e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong> neues Gesetz, dassLeute, die sich zu Gruppen versammeln <strong>und</strong>Tätowierungen tragen, automatisch verdächtigtwerden, e<strong>in</strong>er als krim<strong>in</strong>ell e<strong>in</strong>gestuften Jugendbandeanzugehören. Sie können alle<strong>in</strong> aufgr<strong>und</strong>dieser Kennzeichen verhaftet werden.Um diese Gesetze durchzusetzen (<strong>und</strong> auchschon, bevor sie überhaupt verabschiedet waren),f<strong>in</strong>den Razzien statt, die von Polizei- <strong>und</strong>Militäre<strong>in</strong>heiten geme<strong>in</strong>sam durchgeführt werden.Soldaten werden also für <strong>in</strong>nerstaatlicheAufgaben e<strong>in</strong>gesetzt, e<strong>in</strong> Vorgehen, das <strong>in</strong> ElSalvador seit den Friedensverträgen 1992 verfassungswidrigist. E<strong>in</strong>e große Errungenschaft derFriedensverträge, nämlich das Militär von denStraßen zu verbannen, wurde mit diesem Gesetzwieder rückgängig gemacht. Diese Maßnahmens<strong>in</strong>d zu isoliert, um aus ihnen e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitlicheMilitarisierungsstrategie abzuleiten. Das Gesetzwird vor allem gegen Jugendbanden angewendet.In E<strong>in</strong>zelfällen wurde es aber auch gegenunliebsame l<strong>in</strong>ke AktivistInnen e<strong>in</strong>gesetzt: Kurznachdem das Maßnahmenpaket <strong>in</strong> Hondurasverabschiedet worden war, wurden bei e<strong>in</strong>erAnti-Privatisierungs-Demo auf Gr<strong>und</strong>lage desPlan „Libertad“ DemonstrantInnen verhaftet. Esmüsste genauer diskutiert werden, <strong>in</strong>wiefernsolche Pläne auch als Bestandteil e<strong>in</strong>er zunehmendenMilitarisierung gesehen werden können.Anhand dieser <strong>in</strong>nenpolitischen Maßnahmen istuns aber klar geworden, dass es e<strong>in</strong>en Zusammenhangzwischen Neoliberalismus <strong>und</strong>38 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


Militarisierung gibt, den wir weiter analysierenwollen.Beim Anti-Kriegskongress im Januar 2004<strong>in</strong> München hat das Ökumenische <strong>Büro</strong> e<strong>in</strong>Forum mit dem Thema „Neoliberale Globalisierung<strong>und</strong> ihre militärische Absicherung“veranstaltet. Unter anderem hat dort Raul Zeliküber das Zusammenspiel von Neoliberalismus<strong>und</strong> verstärkter Militarisierung gesprochen.Se<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>thesen werden hier <strong>in</strong> Auszügenwieder gegeben.„Spricht man über die Verknüpfung neoliberalerGlobalisierung <strong>und</strong> Militarisierung,dann sollte man vorausschieben, dass der Neoliberalismusnicht nur als volkswirtschaftlichesModell, sondern auch als Angriffskonzept gelesenwerden kann. Als Angriffsideologie <strong>und</strong> –praxis. Wenn man diese Seite betrachten möchte,lohnt sich der Blick <strong>in</strong> die Geschichte: Daserste Land, <strong>in</strong> dem der Neoliberalismus zurhegemonialen Praxis wurde, war Chile. Dortschuf die Diktatur die Vorraussetzungen für e<strong>in</strong>eneue Wirtschaftsordnung, <strong>in</strong>dem sie e<strong>in</strong>e Gewerkschaft,e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tellektuelle Bewegung, e<strong>in</strong>eJugendbewegung auslöschte. Die ganzekeynesianistische, marxistische IntelligenzChiles wurde mit dem Militärputsch zerschlagen;das waren Leute, die für ganz Late<strong>in</strong>amerikaGedanken gebend waren. Und erst diese extremrepressive Politik sorgte schließlich dafür, dassbestimmte nationalökonomische Ideenüberhaupt erst umgesetzt werden konnten.Wenn man die Entwicklung des Neoliberalismus,ausgehend von Chile, weiterverfolgt,sieht man, dass auch <strong>in</strong> anderen Ländernder Siegeszug des Neoliberalismus mitRepression nach <strong>in</strong>nen <strong>und</strong> außen e<strong>in</strong>herg<strong>in</strong>g:Für den Thatcherismus <strong>in</strong> Großbritannienbeispielsweise waren die Niederschlagung desBergarbeiterstreiks [1984 - 85] <strong>und</strong> der strategischeSieg gegen die Gewerkschaftsbewegungentscheidende Voraussetzungen für die erfolgreicheUmsetzung der neuen Politik. Oder derFall der USA unter Reagan: Dort predigten diemarktliberalen Vordenker zwar den Abbaustaatlicher Interventionen, gleichzeitig aberwuchsen die staatlichen Ausgaben im militärischen<strong>und</strong> polizeilichen Bereich sprunghaft.Der Begriff des Liberalismus entpuppt sichalso als ideologische Konstruktion. Man kannsehr deutlich aufzeigen, dass die Gr<strong>und</strong>ideendes Liberalismus nur sehr selektiv übernommenwerden. E<strong>in</strong> w<strong>und</strong>erbares Beispiel hierfür ist diezweimalige Verstaatlichung der privaten Bankschulden<strong>in</strong> Chile während der Diktatur. DieRegierung P<strong>in</strong>ochet hat zwar die Privatisierungforciert, aber als bei Banken-Crashs große F<strong>in</strong>anzvermögenvernichtet wurden, sozialisierteder Staat diese Schulden. Die Gläubiger wurdenvor Verlusten geschützt, die Allgeme<strong>in</strong>heitzahlte für die Crashs.Die Tatsache, dass der Neoliberalismus <strong>in</strong>bestimmten Bereichen den Rückzug des Staatesforciert, <strong>in</strong> anderen die staatliche Interventionausbaut, hat mit ökonomischen Interessen zutun – von den Ausgaben zugunsten des militärischenSektors oder von der Übernahme vonSchulden profitieren ganz bestimmte Wirtschaftsgruppen.Darüber h<strong>in</strong>aus hat diese widersprüchlichersche<strong>in</strong>ende Politik aber auch mitden strategischen Zielen des Neoliberalismus ansich zu tun. E<strong>in</strong> konstituierendes Moment diesesKonzepts besteht <strong>in</strong> der Verschiebung derKräfteverhältnisse <strong>in</strong> den sozialen Ause<strong>in</strong>andersetzungen.Der Neoliberalismus kündigt denKlassenkompromiss des Keynesianismus auf (derim übrigen an sich nicht verteidigenswert ist).Insofern ist e<strong>in</strong>e aggressive, militärische Komponenteim Neoliberalismus immer mit angelegt.Im Folgenden möchte ich an e<strong>in</strong>em konkretenBeispiel erklären, wie Krieg, Militarisierung<strong>und</strong> Kapitalismus mite<strong>in</strong>ander verwoben s<strong>in</strong>d.Man muss dabei aufpassen: Man darf nicht <strong>in</strong>die Falle geraten, das e<strong>in</strong>e vom anderen abzuleiten.Dass Krieg e<strong>in</strong> unmittelbares Ergebniskapitalistischer Verhältnisse ist, ist zum<strong>in</strong>desthistorisch gesehen nicht richtig, denn Kriegeg<strong>in</strong>gen dem Kapitalismus lange voraus. E<strong>in</strong>monokausaler Argumentationsstrang ist daziemlich blöds<strong>in</strong>nig. Trotzdem halte ich es fürwichtig, auf diese Verb<strong>in</strong>dungen h<strong>in</strong>zuweisen.Am Beispiel des Paramilitarismus im Kolumbienkann man das me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach anhand vonfünf Beispielen relativ gut machen:1. Der Paramilitarismus als unmittelbareHerrschaftsform des KapitalsDer Paramilitarismus ist <strong>in</strong> Kolumbien zum e<strong>in</strong>ene<strong>in</strong> verlängerter Arm des Staates. Die Strukturengehen e<strong>in</strong>deutig aus der Armee <strong>und</strong> den Geheimdienstenhervor <strong>und</strong> könnten sich ohnediese nicht über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum behaupten.Auf der anderen Seite handelt es sichum Privatarmeen, die oft unmittelbar zugunstenvon Konzernen agieren, von diesen f<strong>in</strong>anziert<strong>und</strong> aufgebaut werden. Interessant ist hier derFall der Texaco Oil Company. In Kolumbienwurde der Paramilitarismus 1981/82 „etabliert“.In der Region des Magdalena Medio, wo die<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 39


Paramilitärs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Pilotprojekt aufgebautwurden, war, neben lokalen Eliten, Viehzüchtern<strong>und</strong> Armee, auch die Texaco Oil Company andem Vorhaben beteiligt. Sie stellte Ländereienfür das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g zur Verfügung. Die Paramilitärssollten die Investitionen der Unternehmen <strong>und</strong>Viehzüchter schützen, <strong>und</strong> das haben sie auchsehr erfolgreich getan.2. Es gibt – gerade auch im Zusammenhangmit <strong>Freihandel</strong>szonen – e<strong>in</strong>eVerknüpfung zwischen der Erschließungstrategischer Regionen <strong>und</strong> dem ParamilitarismusDie westkolumbianische Region Chocó, diehauptsächlich von AfroamerikanerInnen <strong>und</strong>Indígenas bewohnt wird, galt lange Zeit alsweißer Fleck auf der Landkarte Kolumbiens.Ke<strong>in</strong>e Infrastruktur, abgekoppelt vom Staatsterritorium,wo die Communities <strong>in</strong> relativerAutonomie leben konnten oder mussten. 1990änderte sich die Situation, als diese am Pazifikgelegene Region plötzlich strategisch <strong>in</strong>teressantwurde. Es gab e<strong>in</strong> erstes <strong>Freihandel</strong>sabkommenzwischen Kolumbien, Mexiko <strong>und</strong> Chile,Männer bei der Arbeitmit dem der pazifische Raum ‚<strong>in</strong>tegriert’ werdensollte. Für den Chocó war das <strong>in</strong> mehrerer H<strong>in</strong>sichtvon Bedeutung: die Pazifikhäfen wurdenwichtiger, die Panamericana-Straße, die zwischenPanama <strong>und</strong> Kolumbien unterbrochen ist,sollte durch den Chocó fertig gebaut werden.Weiterh<strong>in</strong> wollte man e<strong>in</strong>en Kanal zwischenAtlantik <strong>und</strong> Pazifik bauen.Diese <strong>in</strong>frastrukturellen Projekte, die allebereits im Zusammenhang mit den <strong>Freihandel</strong>sabkommenALCA stehen, haben die Region sehrschnell ökonomisch <strong>in</strong>teressant gemacht. Ausdiesem Gr<strong>und</strong> begannen die Paramilitärs, die dieInteressen potenzieller Kapitalanleger vertretenbzw. diesen das Terra<strong>in</strong> bereiten, die Bevölkerungzu vertreiben.Interessant ist dabei, dass die militärischeVorgehensweise je nach ökonomischem Interesseoffensichtlich variieren kann. Dort, wo Verkehrsverb<strong>in</strong>dungengeplant s<strong>in</strong>d, vertreibt mandie Bevölkerung. In anderen Gegenden desChocó h<strong>in</strong>gegen, wo Biokonzerne sich für Flora<strong>und</strong> Fauna <strong>in</strong>teressieren – Westkolumbien verfügtüber e<strong>in</strong>e enorme Biodiversität – vertreibtman die Bevölkerung nicht als ganzes. Manbraucht das Know-how der <strong>in</strong>digenen Bevölkerung,<strong>und</strong> daher wendet der Paramilitarismusandere Praktiken an: Nicht die massenhafteVertreibung, sondern den selektiven Mord.3. Paramilitarismus als‚Kriegsunternehmer’Söldnerarmeen werden mittlerweile vom Pentagon,europäischen Staaten, transnationalenOrganisationen <strong>und</strong> sogar Hilfsorganisationenangeheuert. Krieg wird damit sozusagen ausgesourcet.In Kolumbienkann man dies an verschiedenenBeispielen nachvollziehen.Der Ölkonzern BP hatz.B. Söldner des britischen‚Sicherheitsunternehmens’Defence Systems Ltd. beauftragt,den Bau e<strong>in</strong>er Pipel<strong>in</strong>ezu schützen <strong>und</strong> <strong>in</strong> den/umdie Werksanlagen herumSpitzelnetze aufzubauen.Der Sektor der PMC –der privaten Militär-Unternehmen(Private MilitaryCompanies) – ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong> derganzen Welt gewaltig boomenderSektor. Die kolumbianischenParamilitärs s<strong>in</strong>dzwar nicht offiziell als Unternehmen organisiert,doch auch sie s<strong>in</strong>d Kriegsunternehmer. Ihrewachsende Bedeutung <strong>in</strong> den letzten 20 Jahrenhat immense Verschiebungen <strong>in</strong>nerhalb derKapitalistenklasse nach sich gezogen. Die Paramilitärss<strong>in</strong>d Profiteure von Vertreibung <strong>und</strong>Krieg: Sie eignen sich die Ländereien von Kle<strong>in</strong>bauernan <strong>und</strong> handeln mit Rückendeckung deskolumbianischen Staates mit Drogen. Auf dieseWeise haben ihre Anführer enorme Reichtümerangehäuft <strong>und</strong> sich <strong>in</strong> neue Eliten verwandelt.40 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


Alle<strong>in</strong> Carlos Castaño <strong>und</strong> Victor Caranza, diebeiden großen Paramilitärkommandanten der1990er, sollen mehrere Millionen Hektar Landunter ihre Kontrolle gebracht haben. DieseLeute gehören heute zum kolumbianischenEstablishment. Wie konsolidiert ihre Positionist, ist allerd<strong>in</strong>gs schwer zu sagen. Es ist vorstellbar,dass die alten Eliten diese Emporkömml<strong>in</strong>geschon bald zu beseitigen versuchen werden.4. Der Kampf gegen soziale Bewegungen<strong>und</strong> GewerkschaftenIn Kolumbien wurden 90% der politischen Mordean Gewerkschaftern begangen. In den letzten 13bis 14 Jahren wurden mehr als 2000 Angehörigeder CUT, des größten Dachverbands, ermordet.Man sieht sehr schnell, welches Kalkül dieseVerbrechen verfolgen. Die Morde richten sichgegen Gegner von Privatisierungen von Staatsbetriebenoder gegen Gewerkschafter, die geradeArbeitskämpfe führen. Bei Nestlé häuften sichAnfang der 90er die Morde an Gewerkschafternauffällig, wenn Tarifverhandlungen anstanden.Ob die Unternehmensleitungen die Attentatedirekt anordnen, ist schwer zu sagen. Fest stehtjedoch, dass der Paramilitarismus sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>eneoliberale Gesamtstrategie e<strong>in</strong>bettet.Es gibt legale <strong>und</strong> illegale Praktiken, mitdenen die Zerschlagung von Gewerkschaftengleichermaßen vorangetrieben wird. So forciertePräsident Alvaro Uribe Anfang der 90er Jahre –damals noch als Abgeordneter – den Abbau vonArbeitsschutzgesetzen. Dieser Abbau wurde<strong>in</strong>teressanterweise mit der gleichen Argumentationgerechtfertigt wie hier die E<strong>in</strong>führung derHartz-Vorschläge: E<strong>in</strong> Jobw<strong>und</strong>er wollte manangeblich schaffen. Tatsächlich sorgten dieReformen dafür, dass feste Beschäftigungsverhältnissezur Ausnahme wurden <strong>und</strong> damit dergewerkschaftliche Organisierungsgrad enormzurückg<strong>in</strong>g – prekär Beschäftigte s<strong>in</strong>d jederzeitvon ihren Arbeitgebern erpressbar.Diese Vorgehensweise wird durch dieOutsourc<strong>in</strong>g-Politik transnationaler Konzerneverstärkt. Coca Cola ist hier e<strong>in</strong> bekanntesBeispiel. Der Konzern regelt die Produktion überLizenznehmer. Diese wiederum lassen sich ihreArbeiter häufig von Zeitarbeitsfirmen stellen, sodass es für die Beschäftigten kaum noch möglichist, den eigentlichen Gegner bei e<strong>in</strong>emArbeitskonflikt auszumachen. Zu viele Zwischen<strong>in</strong>stanzens<strong>in</strong>d dazwischen geschaltet. BeiCoca Cola s<strong>in</strong>d von 10.000 ArbeiterInnenmittlerweile nicht e<strong>in</strong>mal mehr 1000 Menschenfest angestellt. Die anderen können sich faktischnicht organisieren, da sie sonst ihren Joblos s<strong>in</strong>d.Diese Strategien schwächen die Gewerkschaftenenorm, aber sie machen sie häufignoch nicht so hörig, wie der kolumbianischeStaat <strong>und</strong> das Kapital im Land es sich wünschen.An dieser Stelle kommen die paramilitärischenGruppen zum Tragen: Sie greifen dieverbliebenen kämpferischen Gewerkschaften an.Bei Coca Cola s<strong>in</strong>d auf diese Weise neun Aktivistenerschossen worden. Die Sektion <strong>in</strong> Carepa(Nordkolumbien) wurde völlig zerschlagen.Selbst wenn die Unternehmensleitungensolche Attentate nicht anordnen, decken diesesich jedoch mit ihren Zielen.5. Geostrategische Projekte wie der PlanColombiaDer Plan Colombia, der große Militärhilfeplander USA, der mittlerweile knapp 2 Milliarden US-Dollar (<strong>in</strong> den letzten 5 Jahren) umfasst, beziehtsich nicht nur auf Kolumbien, sondern iste<strong>in</strong>e Hegemoniesicherung <strong>in</strong> der ganzen Region.L<strong>in</strong>ke <strong>in</strong> den Nachbarländern bezeichnen Kolumbienals e<strong>in</strong>e Art Flugzeugträger. So kann <strong>in</strong>andere Konflikte <strong>in</strong>terveniert werden. Wie z.B.<strong>in</strong> Venezuela, wo e<strong>in</strong>e Aneignungsdynamik vonunten <strong>in</strong> Gang gesetzt worden ist, die die US-Regierung um jeden Preis stoppen will. Mit Hilfeder Aufrüstung Kolumbiens wird e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>Drohpotenzial aufgebaut, andererseits kann manmit Hilfe des kolumbianischen Paramilitarismusauch direkt im venezolanischen Konflikt <strong>in</strong>tervenieren.Es gibt Grenzverletzungen, mittlerweilean die 100 politische Morde an venezolanischenKle<strong>in</strong>bauern-Führern durch Paramilitärsaus Kolumbien.Auch hier lässt sich die Verb<strong>in</strong>dung vonneoliberaler Globalisierung <strong>und</strong> Militarisierungsehr deutlich zeigen: Mit der Kriegs<strong>in</strong>tervention<strong>in</strong> Kolumbien betreiben die USA e<strong>in</strong>e Politikgegen die sozialen Bewegungen <strong>in</strong> der ganzenRegion. Es geht um die militärische Sicherunge<strong>in</strong>es wirtschaftlichen Erschließungsplans.“<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 41


Protest <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> El Salvador aufErfolgskurs?Das Beispiel der Bewegung gegen Privatisierungim Ges<strong>und</strong>heitswesenIn den Jahren 2002 <strong>und</strong> 2003 gelangen <strong>in</strong>El Salvador mehrere bee<strong>in</strong>druckende <strong>und</strong> wirksameMobilisierungen. Es kam zu Protest <strong>und</strong><strong>Widerstand</strong> gegen verschiedene Projekte, die mitdem <strong>Freihandel</strong>svertrag CAFTA <strong>und</strong> dem PlanPuebla Panamá im Zusammenhang stehen.So fand am 12. Oktober 2002 <strong>in</strong> ganzMittelamerika e<strong>in</strong> Protesttag gegen die <strong>Freihandel</strong>sverträgemit den USA <strong>und</strong> das InfrastrukturprojektPlan Puebla Panamá statt. Der Protesttagwar beim III. Mesoamerikanischen Forum(vgl. Artikel „Ke<strong>in</strong> Ende der Geschichte“) im Juli2002 <strong>in</strong> Managua beschlossen worden. InEl Salvador nahmen mit 23.000 Menschen überraschendviele an Blockaden der zentralenStraßen, Brücken <strong>und</strong> den Landesgrenzen teil.Wenig später g<strong>in</strong>gen erst 50.000, dann 75.000Menschen <strong>in</strong> weißer Kleidung auf die Straße, umgegen geplante Privatisierungen im Ges<strong>und</strong>heitswesenzu protestieren. Diese so genanntenweißen Märsche, denen noch weitere Demonstrationen,Blockaden <strong>und</strong> Besetzungen folgten,begleiteten den neunmonatigen Streik derbeiden großen Gewerkschaften des Sozialversicherungs<strong>in</strong>stituts,STISSS (Angestellte) <strong>und</strong>SIMETRISSS (ÄrztInnen). Die Privatisierungsbemühungender Regierung konnten durch den<strong>Widerstand</strong> zwar nicht gestoppt, aber aufgehaltenwerden. Massiven <strong>Widerstand</strong> gab es auchgegen den Bau e<strong>in</strong>er Stadtautobahn, die durchmehrere Armenviertel von San Salvador führensoll. Die Straße ist Teil des Plan Puebla Panamá.Die Bauarbeiten wurden vorerst e<strong>in</strong>gestellt.Bei den Mobilisierungen zu diesen Aktionengelang es laut Aussage verschiedener Organisationen<strong>und</strong> Bündnisse, die zunächst abstraktenThemen <strong>Freihandel</strong>, Infrastrukturprojekte,Ges<strong>und</strong>heit ist e<strong>in</strong> Recht <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e Ware – Ne<strong>in</strong> zur Privatisierung!WTO <strong>und</strong> Strukturanpassung mit den Auswirkungendieser Politik <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung zu br<strong>in</strong>gen,die die Leute konkret zu spüren bekommen.Speziell bei den Demonstrationen gegen diePrivatisierungen im Ges<strong>und</strong>heitswesen g<strong>in</strong>gen so42 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


viele Menschen auf die Straße wie seit Kriegsendenicht mehr.Was bewirkt diese Dynamik <strong>in</strong> El Salvador?Was macht Protest <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong>, sozialeKämpfe für e<strong>in</strong>en Teil der Bevölkerung wieder zue<strong>in</strong>er Handlungsoption? Warum gel<strong>in</strong>gt es besserals <strong>in</strong> den Nachbarländern, das abstrakte Thema<strong>Freihandel</strong> mit den zu erwartenden Konsequenzenauf Leben <strong>und</strong> ihren Alltag der Bevölkerungsmehrheitzu vermitteln <strong>und</strong> Menschendagegen zu mobilisieren?Sicherlich kann es auf diese Fragen ke<strong>in</strong>ee<strong>in</strong>fache Antwort geben. E<strong>in</strong>e Vielzahl vonEntwicklungen spielt e<strong>in</strong>e Rolle, von denen hiere<strong>in</strong>ige beleuchtet werden.1992 wurden <strong>in</strong> El Salvador Friedensverträgeabgeschlossen, die den zwölfjährigen Kriegbeendeten. Für die Guerilla, für ihre zivilenOrganisationen, für Gewerkschaften <strong>und</strong> für dieBevölkerung änderten sich <strong>in</strong> den folgendenzehn Jahren Alltag <strong>und</strong> politisches Leben e<strong>in</strong>schneidend.Die FMLN wurde zur Partei, widmetesich ihrer parlamentarischen Arbeit <strong>und</strong> entferntesich dabei zunehmend von ihrer Basis<strong>und</strong> deren sozialer Realität. Die der FMLN nahestehenden Organisationen wurden <strong>in</strong> der Mehrheitzu NGOs, die ihr Verhältnis zur neuen Parteiklären mussten <strong>und</strong> darauf angewiesen waren,sich e<strong>in</strong> neues Profil gegenüber <strong>in</strong>ternationalenGeldgeberInnen zu verschaffen. Viele orientiertensich entweder auf vorwiegend humanitäreProjektarbeit oder auf professionellesExpertInnentum mit dem Versuch, durch diesesExpertInnenwissen auf nationaler wie <strong>in</strong>ternationalerEbene E<strong>in</strong>fluss auf politische Entscheidungenausüben zu können. Viele Gewerkschaftenwurden im Zuge der antigewerkschaftlichenRegierungspolitik zerschlagen oder s<strong>in</strong>d bedeutungslosgeworden. Und die Bevölkerung warmit der Organisation des eigenen (Über-)Lebenszu Friedenszeiten beschäftigt. Diejenigen, diezur FMLN oder ihrer sozialen Basis gehörten,fühlten sich von der neuen Partei alle<strong>in</strong> gelassen<strong>und</strong> verraten, beziehungsweise waren frustriert.An Veränderung durch soziale Organisierung<strong>und</strong> Protest glaubten nur noch wenige.Dies alles erleichterte den ultrarechtenARENA-Regierungen ihren neoliberalen Durchmarsch.Strukturanpassungmaßnahmen wiePrivatisierung von Banken, Häfen, Rentenversicherung,Telekommunikation <strong>und</strong> Strom, Handelsliberalisierung<strong>und</strong> die fast vollständigeZerschlagung der Landreform konnten, ganz imInteresse der <strong>in</strong>ternationalen F<strong>in</strong>anzorganisationen,zwar nicht ohne Kritik <strong>und</strong> Protest, aberdoch ohne e<strong>in</strong>flussreichen <strong>Widerstand</strong> durchgesetztwerden. Profitiert hat e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Oberschicht<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e im Entstehen begriffeneMittelschicht. Die Bevölkerungsmehrheit nicht –im Gegenteil.Nun zurück zu der Frage, was sich <strong>in</strong> denletzten Jahren <strong>und</strong> Monaten verändert hat. Dieökonomische <strong>und</strong> soziale Situation der Menschenverschlechtert sich <strong>in</strong> der gesamtenRegion. In El Salvador hat sich dies durchKatastrophen wie Erdbeben, Dürren, Epidemien<strong>und</strong> durch die Kaffeepreiskrise noch weiterverschärft. Die Regierungspropaganda, dassPrivatisierungen e<strong>in</strong>e bessere <strong>und</strong> billigereVersorgung der Bevölkerung mit Dienstleistungenzum Ziel hätte, wurde von den Entwicklungenwiderlegt. Tatsächlich stiegen die Strom<strong>und</strong>Telefonpreise immens <strong>und</strong> mehr <strong>und</strong> mehrMenschen können diese Dienstleistungenüberhaupt nicht mehr <strong>in</strong> Anspruch nehmen.Viele NGOs <strong>und</strong> Initiativen haben zudem festgestellt,dass Expertise <strong>und</strong> der Versuch der E<strong>in</strong>flussnahmeauf Regierungsentscheidungen aufdem „Verhandlungsweg“ nicht zu den gewünschtenErgebnissen führte. So lange jedenfallsnicht, wie diese Lobbyarbeit nicht begleitetist von sozialem Druck von unten. Ausgehendvon diesen Erfahrungen setzen viele Organisationenwieder stärker als <strong>in</strong> den 90er Jahren aufBildungs-, Aufklärungs-, Organisations- <strong>und</strong>Mobilisierungsarbeit an der Basis. Und auch dieFMLN bezieht sich wieder stärker auf sozialeKämpfe <strong>und</strong> geht aus zahlreichen Abspaltungen<strong>in</strong> den Jahren nach dem Friedensschluss gestärkthervor.Der Höhepunkt der sozialen Kämpfe <strong>in</strong> ElSalvador war bisher der neunmonatige Streik imGes<strong>und</strong>heitswesen, <strong>und</strong> hier lassen sich die ebenskizzierten Veränderungen <strong>in</strong> den verschiedenenSektoren, bei FMLN, sozialen Organisationen,NGOs <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Bevölkerung erkennen. E<strong>in</strong>relevanter Faktor dafür, dass die Streikbewegung,aus der bald e<strong>in</strong>e breite Bewegung gegenPrivatisierung geworden war, <strong>in</strong>s Rollen kam, istdie große, erfahrene <strong>und</strong> aktive GewerkschaftSTISSS. Wir fassen deswegen hier die Ereignisse<strong>und</strong> H<strong>in</strong>tergründe der Anti-Privatisierungs-Bewegung zusammen <strong>und</strong> fügen dabei Passagenaus e<strong>in</strong>em Redebeitrag von Ricardo Monge,Generalsekretär von STISSS e<strong>in</strong>.<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 43


1Es handelt sich umAuszüge aus e<strong>in</strong>emReferat, das RicardoMonge Ende Oktober beimB<strong>und</strong>estreffen der ElSalvador-Solidaritätsgruppengehalten hat.Politisierung statt Privatisierung - dieBewegung gegen Privatisierungen imGes<strong>und</strong>heitswesenRicardo Monge (am Mikro) von der Gewerkschaft derAngestellten des Sozialversicherungs<strong>in</strong>stituts <strong>in</strong> El Salvador(STISSS) bei der PressekonferenzBereits seit mehreren Jahren ist die Regierungdarum bemüht, e<strong>in</strong>en Teil der Ges<strong>und</strong>heitsdienstezu privatisieren – nicht zuletzt, um Kreditauflagender Weltbank zu erfüllen. Sie tut diesdurch die H<strong>in</strong>tertür, <strong>in</strong>dem DienstleistungenStück für Stück ausgelagert <strong>und</strong> von privatenAnbieterInnen übernommen werden. Zudemwerden Reparaturen <strong>und</strong> Instandsetzungen <strong>in</strong>den Krankenhäusern systematisch vernachlässigt.Die Mängel dienen der Regierung später alsBeleg dafür, dass ohne Privatisierungen e<strong>in</strong>eeffiziente Ges<strong>und</strong>heitsversorgung nicht möglichsei.Weil diese Privatisierungsbemühungen derRegierung nur gegen den <strong>Widerstand</strong> der GewerkschaftenSTISSS <strong>und</strong> SIMETRISSS durchzusetzens<strong>in</strong>d, ist die Privatisierungspolitik begleitetvon zahlreichen Versuchen, diese zuzerschlagen. Massive Entlassungen waren immerwieder die Antwort auf Proteste oder Warnstreiks.So auch vor dem Beg<strong>in</strong>n des Streiks imOktober 2002. Als Antwort wurde der Streikschließlich auf zahlreiche Krankenhäuser ausgeweitet.Neun Monate konnte er aufrecht gehaltenwerden <strong>und</strong> wurde sowohl von der – faktischunter dem Streik leidenden – Bevölkerungals auch von zahlreichen NGOs, sozialen Organisationen,anderen Gewerkschaften, Stadtteilorganisationen,l<strong>in</strong>ken Intellektuellen, derärztlichen Standesvertretung <strong>und</strong> PatientInnen-Verbänden unterstützt. Auch auf der parlamentarischenEbene wurde um e<strong>in</strong>e Beendigung derPrivatisierung gerungen. E<strong>in</strong> Anti-Privatisierungsgesetz,das vom Parlament verabschiedetwurde, scheiterte jedoch am Veto des Präsidenten.Ricardo Monge, Generalsekretär von STISSSberichtet über die H<strong>in</strong>tergründe <strong>und</strong> den Verlaufdes Streiks Folgendes: 1„Es war wohl e<strong>in</strong>er der schwierigstenMomente der Arbeiter im Ges<strong>und</strong>heitssektor <strong>in</strong>der letzten Zeit. Denn unser Ziel war es, diePrivatisierung des Ges<strong>und</strong>heitssystems <strong>in</strong>El Salvador zu verh<strong>in</strong>dern, e<strong>in</strong> Ziel, das wirschließlich durch Mobilisierungen, Streiks,Aktionen, Druck von Seiten derBevölkerung auch erreichenkonnten. Am 18. September2002 waren alle Verhandlungswegemit der Regierung ausgeschöpft,es gab nur noch zweiWege: entweder die Privatisierungdieser elementaren Dienstleistung,der Ges<strong>und</strong>heitsversorgung,mit verschränktenArmen zu akzeptieren odergegen das neoliberale Modell,das die Privatisierung desGes<strong>und</strong>heitswesens vorsieht, zukämpfen. Aber wir wussten,dass dieser Kampf sehr hartwerden würde. Die Angestelltenhaben sich für die zweite Optionentschieden <strong>und</strong> mit demStreik begonnen. Es folgten harte neun Monate,mit den größten Mobilisierungen seit den Friedensverträgen.Arbeiter, Studenten, Lehrer,Marktfrauen, Angestellte im öffentlichen Dienst,Leute aus den verschiedenen Sektoren dersalvadorianischen Gesellschaft s<strong>in</strong>d auf dieStraße gegangen, vere<strong>in</strong>t durch das Bewusstse<strong>in</strong>,e<strong>in</strong> Recht auf Ges<strong>und</strong>heit zu haben <strong>und</strong>dieses zu verteidigen. Und im klaren Bewusstse<strong>in</strong>,dass dies e<strong>in</strong>en Kampf gegen das neoliberaleModell <strong>und</strong> gegen die ARENA-Regierungbedeutet. Die Bevölkerung hatte verstanden, umwas es uns <strong>in</strong> der Ause<strong>in</strong>andersetzung g<strong>in</strong>g, siehatte verstanden, dass die Regierung mit ihrenVersprechen e<strong>in</strong>er besseren <strong>und</strong> billigeren Versorgunglügt, sie hatte ja auch schon ihreErfahrungen mit der Privatisierung der Telekommunikation,der Stromverteilung <strong>und</strong> der Rentenh<strong>in</strong>ter sich. Die Bevölkerung wollte diePrivatisierung <strong>und</strong> damit die Verteuerung derDienstleistungen nicht h<strong>in</strong>nehmen. Und wirhaben es erreicht, geme<strong>in</strong>sam dagegen zu kämpfen.“44 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


Beendet wurde der Streik im Juni 2003 mit demVersprechen der Regierung, e<strong>in</strong>e Kommissionwieder e<strong>in</strong>zusetzen, die e<strong>in</strong>e Ges<strong>und</strong>heitsreformohne Privatisierung erarbeitet <strong>und</strong> die im Zugedes Streiks <strong>und</strong> der Demonstrationen entlassenenAngestellten von STISSS wieder e<strong>in</strong>zustellen.„Mit acht weißen Märschen haben wirunseren <strong>Widerstand</strong> zum Ausdruck gebracht <strong>und</strong>damit die Regierung gezwungen, ihre blöds<strong>in</strong>nigenneoliberalen Pläne zur Privatisierung dersozialen Dienstleistungen zurückzunehmen. Imfünften Monat unseres Streiks mussten wir denSelbstmord von zwei Krankenschwestern erleben,die dem Druck nicht mehr standhaltenkonnten, so lange Zeit ke<strong>in</strong>en Lohn zu bekommen<strong>und</strong> nicht zu wissen, wie dieFamilien versorgt werden können.Unsere Gewerkschaft war also sehrmitgenommen, wir alle haben neunMonate lang ke<strong>in</strong>en Cent von unseremGehalt erhalten, schwierig war das vorallen D<strong>in</strong>gen für die alle<strong>in</strong> erziehendenKolleg<strong>in</strong>nen. Aber die Regierung wichnicht von ihren Plänen ab, sondernerhöhte den Druck auf uns als Gewerkschaften<strong>und</strong> versuchte, den Streik zubrechen. Immer mehr Kollegen wurdenverhaftet, verfolgt, bedroht. Aber trotzall dieser Maßnahmen gelang es derRegierung nicht, die Bewegung <strong>in</strong> ihrerDynamik auszubremsen. Wir konntenke<strong>in</strong>en Schritt zurückgehen, wir mussten allesdaran setzen, die Privatisierung zu verh<strong>in</strong>dern,so viele Leute haben sich <strong>in</strong> diesem Kampfmobilisiert, wir können uns durch die Repressionnicht von unserem Kampf abhalten lassen.Wir s<strong>in</strong>d bereit, an der Reform des Ges<strong>und</strong>heitssektorsmitzuarbeiten, aber ohne Privatisierung!Die gelungene Mobilisierung, die Klarheit derBevölkerung <strong>in</strong> ihrer Ablehnung von Privatisierungen<strong>und</strong> schließlich der <strong>in</strong>ternationale Druck<strong>und</strong> die Solidarität haben dazu beigetragen,dass die Regierung kle<strong>in</strong> bei geben musste.“E<strong>in</strong> dreiviertel Jahr nach Streikende mussteSTISSS ihre Aktionen wieder verstärken: ImFebruar 2004 fanden erneut K<strong>und</strong>gebungensowie e<strong>in</strong>e symbolische Kl<strong>in</strong>ikbesetzung statt.Die Themen:• Forderung nach Wiedere<strong>in</strong>stellung vonGewerkschaftsmitgliedern, die im Rahmendes Streiks entlassen worden waren• Kritik an der Ges<strong>und</strong>heitspolitik der Regierung• Protest gegen Radio- <strong>und</strong> Fernsehspots desSozialversicherungs<strong>in</strong>stituts, <strong>in</strong> denen derKampf gegen Privatisierung als Wahlkampfstrategieder FMLN dargestellt wird.Die Regierung setzt ihren Druck auf die Gewerkschaftfort, wissend, dass sie ihre Privatisierungsplänenur schwer wird durchsetzen können,solange e<strong>in</strong>e so starke Gewerkschaftexistiert.E<strong>in</strong> erstes Fazit von Ricardo Monge zu denErfolgen der Bewegung fällt deshalb auch skeptischaus:„Nie zuvor haben wir e<strong>in</strong>e so große <strong>und</strong>bedeutsame Mobilisierung so breiter Bevölkerungskreiseerlebt, wo auch die FMLN aktiv ander Seite der sozialen Bewegungen kämpft. DieIm Focus: Der Ges<strong>und</strong>heitsstreikPrivatisierung haben wir zunächst verh<strong>in</strong>dert,aber die Bedrohung bleibt. Und die <strong>Freihandel</strong>sverträge,die mit den USA verhandelt werden,s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> weiterer Schritt zur Durchsetzungdieser neoliberalen Politik.“Die beschriebene Entwicklung von Protest<strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> El Salvador kann also nichtzu Euphorie verleiten. Zu stark ist dafür dieökonomische <strong>und</strong> politische Macht der Rechtenim Land, zu groß die Abhängigkeit von externenMärkten <strong>und</strong> zu stark die Auflagen von <strong>in</strong>ternationalenF<strong>in</strong>anzorganisationen sowie die Abkommenauf der Ebene der WTO oder von CAFTA.Und zu dramatisch ist die soziale Situation derBevölkerungsmehrheit. Für die Überlebensfähigkeitder Proteste wird es von entscheidenderBedeutung se<strong>in</strong>, ob sie über Abwehrkämpfeh<strong>in</strong>ausreichen. Ob also die Menschen e<strong>in</strong>enKampf um umfassende soziale <strong>und</strong> gesellschaftlicheRechte führen, der über die Frage derPrivatisierung des Ges<strong>und</strong>heitswesens oder denBau der Stadtautobahn h<strong>in</strong>ausreicht.<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 45


Zeitungsanzeige von SIMETRISSSAnzeige der Gewerkschaftder ÄrztInnen desSalvadorianischenInstitutes für Sozialversicherung(SIMETRISSS) <strong>in</strong>der salvadorianschenTageszeitung „CoLat<strong>in</strong>o“vom 17.02.2004<strong>Freihandel</strong>svertrag: Das vor der salvadorianischenBevölkerung am besten gehüteteGeheimnis. Se<strong>in</strong>e Auswirkungen auf dieGes<strong>und</strong>heit der Bevölkerung.Das Hauptziel der <strong>Freihandel</strong>sverträge (Tratadosde Libre Comercio, TLC) ist die Errichtung e<strong>in</strong>er<strong>Freihandel</strong>szone zwischen den Vere<strong>in</strong>igtenStaaten <strong>und</strong> Mittelamerika.(...). Betrachten wirjetzt konkret, wie der TLC die öffentlicheGes<strong>und</strong>heitsversorgung, die Arbeitsplätze <strong>in</strong>diesem Sektor <strong>und</strong> die Ges<strong>und</strong>heit der Bevölkerungbee<strong>in</strong>flusst:1. Was den Handel mit Dienstleistungen betrifft,hat die WTO 160 Dienstleistungen identifiziert,die <strong>in</strong>ternational gehandelt werden,darunter die öffentlichen DienstleistungenGes<strong>und</strong>heitsversorgung, Erziehung <strong>und</strong> Ausbildung,Strom-, Gas- <strong>und</strong> Wasserversorgung, Telekommunikation.In diesen Dienstleistungssektorenhaben transnationale Konzerne bereitsdie Privatisierungen durch die salvadorianischenRegierungen genutzt, um öffentlicheUnternehmen zu kaufen <strong>und</strong> öffentliche Dienstezu privatisieren <strong>und</strong> sie somit der Marktlogikzu unterwerfen, für die e<strong>in</strong>zig der Gew<strong>in</strong>nzählt.(...). Der TLC verlängert diesen Trend <strong>in</strong>Bereiche h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, die noch nicht <strong>in</strong> Händen derPrivatwirtschaft s<strong>in</strong>d wie z.B. das Bildungswesen,die Wasserversorgung, die Ges<strong>und</strong>heitsversorgung<strong>und</strong> die öffentliche Hygiene.Die Regierungen, die wir seit 15 Jahren erleiden<strong>und</strong> die den Vorgaben des Unternehmerverbandesfolgen, haben die Verschlechterungder öffentlichen Dienstleistungen bewusst <strong>in</strong>Kauf genommen, um deren Zustand dann zumArgument für die Privatisierung zu wenden. Ine<strong>in</strong>igen Fällen haben sich diese Dienstleistungenverbessert <strong>und</strong> <strong>in</strong> allen Fällen s<strong>in</strong>d sieteurer geworden. So wurden aus öffentlichenDienstleistungen, das heißt solchen, die allenzur Verfügung stehen, Dienstleistungen für e<strong>in</strong>ekle<strong>in</strong>e Elite, was elementar gegen die sozialeGerechtigkeit verstößt.2. Zur Zeit, nachdem der TLC ausgehandelt, abernoch nicht ratifiziert ist, erleben wir diePropagandaanstrengungen der Regierung <strong>und</strong>der Unternehmer, die Vorteile zu loben, die derTLC uns allen br<strong>in</strong>gen wird, <strong>in</strong>sbesondere wasausländische Investitionen <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enenneuen Arbeitsplätze betrifft. Zu erwartenist allerd<strong>in</strong>gs, dass es neue Arbeitsplätzevor allem <strong>in</strong> der Maquila-Industrie gebenwird <strong>und</strong> gleichzeitig Pleiten nationaler Unternehmen,verb<strong>und</strong>en mit zusätzlicher Arbeitslosigkeit(...).Außerdem ist es offensichtlich, dassder e<strong>in</strong>zige Standortfaktor, der ausländische Investitionenanziehen kann, die kläglichenArbeitsbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> unserem Land s<strong>in</strong>d, d.h.die niedrigen Löhne, die Missachtung derArbeitsgesetze <strong>und</strong> die Straflosigkeit für dieUnternehmer.3. Das <strong>in</strong>ternationale Patentrecht beschränktden Wettbewerb <strong>und</strong> verh<strong>in</strong>dert die Produktionvon billigeren Generika. (...) Das wiederum hatim Falle von Medikamenten dramatische Auswirkungenauf die Ges<strong>und</strong>heit der armen Bevölkerung.Die Ratifizierung des TLC mit den Vere<strong>in</strong>igtenStaaten wird e<strong>in</strong>e perverse Situationerlauben: die US-Pharmakonzerne werden diePreise ihrer patentierten Medikamente weitüber ihre Produktionskosten h<strong>in</strong>aus erhöhen.E<strong>in</strong> weiterer die Ges<strong>und</strong>heit betreffender Aspektdes <strong>Freihandel</strong>s ist der Handel mit genmanipuliertenPflanzen <strong>und</strong> Lebensmitteln. (...) DerHandel mit genmanipulierten Produkten ist <strong>in</strong>Händen von transnationalen Agro- <strong>und</strong> Pharmakonzernen.(...). Wir müssen uns klardarüber se<strong>in</strong>, dass die Multis diese Technik nuranwenden, um ihre Gew<strong>in</strong>ne zu steigern <strong>und</strong> dieProduktion von gefährlichen Lebensmitteln zuverbilligen. Wenn wir die hier skizzierten wahrsche<strong>in</strong>lichenFolgen des TLC zusammenfassen,gibt es nur e<strong>in</strong>e Option: <strong>Widerstand</strong> leisten fürdie Verteidigung unserer Ges<strong>und</strong>heit, unseresLebens, unserer Arbeitsplätze, unserer Nahrungsmittel<strong>und</strong> unserer öffentlichen Dienstleistungen.Die Folgen des TLC s<strong>in</strong>d weitreichend<strong>und</strong> berühren über das Handelsgeschehenh<strong>in</strong>aus andere Wirtschaftsbereiche,die Arbeits-, sozialen, politischen, kulturellen<strong>und</strong> Umwelt-Bereiche. Es ist unschwer zu sehen,dass die ARENA-Regierung Des<strong>in</strong>formation <strong>und</strong>Propaganda benutzt, e<strong>in</strong> positives Image aufbaut,damit wir die bittere Pille schlucken <strong>und</strong>der TLC mit se<strong>in</strong>en verheerenden Folgen für dieBevölkerungsmehrheit ratifiziert wird.46 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


„Das Wasser ist e<strong>in</strong> Erbe,das geschützt werden muss“Wasserwirtschaft <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong><strong>in</strong> NicaraguaAm Morgen des 19. August 2003 treffen wir amLago Apanás, e<strong>in</strong>em großen Stausee <strong>in</strong> der Nähevon J<strong>in</strong>otega im Norden Nicaraguas, Vertreterder <strong>in</strong>dígenen Geme<strong>in</strong>de. Es ist kühl <strong>und</strong> w<strong>in</strong>dig,die Stimmung ist voll gespannter Erwartung. DieRepräsentanten der <strong>in</strong>digenen Geme<strong>in</strong>de erhoffensich von uns Unterstützung <strong>in</strong> ihrem Kampfgegen die Privatisierung des Wasserkraftwerks<strong>und</strong> des Wassers des Lago Apanas. Schon seitüber e<strong>in</strong>em Jahr versuchen sie auf verschiedenenEbenen, die Privatisierung aufzuhalten. 1Die Geme<strong>in</strong>de besitzt e<strong>in</strong>en Landtitel, dender spanische König 1812 zu Gunsten derIndígenas ausgestellt hatte. Doch selbst diesesauf dem Unrecht der Conquista beruhende<strong>in</strong>digene Geme<strong>in</strong>de am Apanás„Recht“ wurde bisher immer mit Füßen getreten;so ließ z.B. Somoza 2 Anfang der sechzigerJahre des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts die Indígenas vertreiben,um den See anzulegen. Die Menschenwurden ohne Entschädigung <strong>in</strong> Dörfer umgesiedelt,die zum Teil bis heute weder Wasser nochStromanschluss haben.Heute s<strong>in</strong>d die meisten BewohnerInnen alsFischerInnen, Kle<strong>in</strong>produzentInnen oder LandarbeiterInnenvom Zugang <strong>und</strong> der Nutzung desSees abhängig. Sie mobilisieren öffentlich fürihren Rechtsstreit, um das Nutzungsrecht fürdie AnwohnerInnen <strong>und</strong> ProduzentInnen zusichern. Wenn der Weg über die Justiz aberscheitern sollte, wollen sie zu ernsten Maßnahmengreifen, sagt uns e<strong>in</strong> Vertreter derIndígenas. „Wir werden nicht zulassen, dass derSee <strong>in</strong> die Hände der ausländischen Unternehmenfällt.“ Durch e<strong>in</strong>e Mobilisierung von 200Familien haben sie bereits verh<strong>in</strong>dert, dass derSee vermessen <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Zaun errichtet wurde.Die Kraft des WassersDas Wasser des Sees speist zwei Elektrizitätswerkedes Stromversorgers Hidrogesa. Diese kurzzuvor mit Entwicklungshilfegeldern saniertenKraftwerke wurden 2002 zu e<strong>in</strong>em Spottpreis(41 Mio. US$ bei derzeit über 6 Mio. US$ jährlichenE<strong>in</strong>nahmen) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>und</strong>urchsichtigenVerfahren an denUS-Konzern Coastel Power verkauft.Die verkaufte Hidrogesaverfügt aufgr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>es M<strong>in</strong>isterdekretsvon 2001 über das exklusiveNutzungsrecht aller Gewässer<strong>und</strong> Zuflüsse des Apanàs-See. Dasheißt, das nicht nur die Kraftwerke,sondern eben auch das Wasserprivatisiert werden sollten 3 .Die nicaraguanische Verfassungvon 1987 schließt e<strong>in</strong>e Veräußerungdes Wassers aber ausdrücklichaus. Aus diesem Gr<strong>und</strong>konnte die Privatisierung durche<strong>in</strong>e Klage der VerbraucherschutzorganisationRed de Consumidores rückgängig gemachtwerden.Nach dieser Entscheidung des OberstenGerichtshofs wurde von der Regierung e<strong>in</strong>eGesetzes<strong>in</strong>itiative für e<strong>in</strong> neues Wassergesetze<strong>in</strong>geleitet. Mit diesem Gesetz (Ley del Agua)soll die rechtliche Gr<strong>und</strong>lage für die Privatisierungvon Wasserrechten geschaffen werden.Nach unserem Zusammentreffen mit denVertretern der <strong>in</strong>dígenen Geme<strong>in</strong>de haben wirdie Möglichkeit, uns mit Vertretern der Arbeiter<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em der Kraftwerke, der Planta Centroamerica,zu treffen. In der gigantischen1Movida 4/02 <strong>und</strong> 2/03des InformationsbüroNicaragua2Ehemaliger DiktatorNicaraguas3Movida 4/02 <strong>und</strong> 2/03des InformationsbüroNicaragua<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 47


Unser Wasser wirdnicht verkauft. Ne<strong>in</strong>zum ALCA!Turb<strong>in</strong>enhalle, zwischen Masch<strong>in</strong>en <strong>und</strong> Apparaturen<strong>und</strong> 30 Meter unter der Erde treffen wiruns mit Gewerkschaftern der Planta. In derGewerkschaft S<strong>in</strong>dicato Tránsito Altamirano s<strong>in</strong>d34 der <strong>in</strong>sgesamt 42 Angestellten der Plantaorganisiert. Auf unsere Frage, warum sie sichgegen Privatisierungen wehren, erwidern sie:„Weil Privatisierung zu höherer Arbeitslosigkeit<strong>und</strong> zu Armut führt. Die Regierung behauptetzwar, dass Privatisierung Arbeitsplätze schaffenwürde: Das stimmt aber nur, wenn es sich umwirkliche Investitionen handelt; h<strong>in</strong>gegen nicht,wenn bestehende (staatliche) Unternehmenaufgekauft werden.“ Dementsprechend s<strong>in</strong>d sieauch nicht gegen Investitionen aus dem Auslandoder gegen e<strong>in</strong>e privatwirtschaftlicheEnergieversorgung: „Wenn e<strong>in</strong>e neue Planta mitausländischem Kapital entstünde, hätten wirnichts dagegen.“ Im Bezug auf e<strong>in</strong> neuesWassergesetz fordern die Gewerkschafter aber,dass das Wasser <strong>in</strong> den Händen des Staatesbleibt.<strong>Widerstand</strong> zwecklos?Die Privatisierung der Hidrogesa ist Teil derBed<strong>in</strong>gungen des IWF für e<strong>in</strong>en Schuldenerlassim Rahmen der HIPC 2 Initiative, <strong>in</strong> derbesonders hoch verschuldeten Ländern e<strong>in</strong> Teilihrer Schulden unter bestimmten Bed<strong>in</strong>gungenerlassen werden kann. Die Maßnahmen sollenunter Beteiligung der „Zivilgesellschaft“ umgesetztwerden. Dabei geht es aber weniger ume<strong>in</strong>e tatsächliche Partizipation, sondern eher ume<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von Teilen der Zivilgesellschaft,um Protestpotenziale schon im Vorfeld zu entschärfen<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e breitere Akzeptanz bei derBevölkerung zu schaffen. So gab es für denEntwurf des neuen Wassergesetzes, mit dem diePrivatisierungen ermöglicht werden sollten, fünfsogenannte Consultas, <strong>in</strong> denen das Gesetzvorgestellt <strong>und</strong> diskutiert werden sollte. Bereitsdas ausschließende <strong>und</strong> kurzfristige System derE<strong>in</strong>ladungen sorgte für e<strong>in</strong>e Selektion derTeilnehmerInnen.Zu der vierten Consulta <strong>in</strong> Matagalpa wardann auch die nicaraguanische Umwelt-NGO ausJ<strong>in</strong>otega La Cuculmeca e<strong>in</strong>geladen, die sichschon zuvor gegen e<strong>in</strong>e Privatisierung desWassers e<strong>in</strong>gesetzt hatte. Nicht e<strong>in</strong>geladenh<strong>in</strong>gegen waren Bürgermeistereien aus demUmland, Unternehmer- <strong>und</strong> Kooperativenorganisationen<strong>und</strong> vor allem die VertreterInnender Indígenas <strong>und</strong> Fischer vom Lago Apanàs.La Cuculmeca konnte kurzfristig e<strong>in</strong>e „Gegenconsulta“zum Wassergesetz durchführen. Sofanden sich dann etwa fünfzig VertreterInnenverschiedener Organisationen <strong>und</strong> Journalistenim Versammlungssaal von La Cuculmeca e<strong>in</strong>.Zwei Tage vor der offiziellen (aber nicht-öffentlichen)Consulta der Regierung wurden dieverschiedenen Aspekte des Gesetzentwurfs sehrambitioniert diskutiert. Neben der Empörungverschiedener Bürgermeistereien, die zuvor vonder E<strong>in</strong>führung dieses Gesetzes noch gar nichtsgehört hatten, stand vor allem die Angst vore<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schränkung des Wasserzugangs allerProduzentInnen <strong>und</strong> KonsumentInnen im Vordergr<strong>und</strong>.E<strong>in</strong>e Privatisierung der öffentlichenVersorgung wurde von den TeilnehmerInnenjedoch nicht gr<strong>und</strong>sätzlich abgelehnt.E<strong>in</strong>ige ProduzentInnen sprachen sichausdrücklich für e<strong>in</strong> Wassergesetz aus, da auch<strong>in</strong> dieser Region bei vielen Ause<strong>in</strong>andersetzungenum Wasser e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige gesetzlicheRegelung fehlt. Aus der kritischen Diskussionergaben sich aber die Forderungen nach e<strong>in</strong>ergesetzlichen Garantie für die Versorgung allerKonsumentInnen mit sauberem Tr<strong>in</strong>kwasser,nach e<strong>in</strong>er echten Beteiligung bei der Aufstellunge<strong>in</strong>es Wassergesetzes <strong>und</strong> nach e<strong>in</strong>er Vertagungder Entscheidung.Bei der offiziellen Regierungsanhörung <strong>in</strong>Matagalpa kam es dann auch zum ersten Mal zukoord<strong>in</strong>iert formuliertem Widerspruch gegen dasgeplante Gesetz. Die TeilnehmerInnen der„Gegenconsulta“ setzten parallel dazu ihreE<strong>in</strong>flussmöglichkeiten <strong>in</strong> Managua e<strong>in</strong>, um ihrenProtest <strong>in</strong> die Nationalversammlung e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen.Bei der letzten regionalen Consulta <strong>in</strong>Managua formulierten vor allem die dort ansässigenlandesweit agierenden NGOs massiveE<strong>in</strong>wände. Aber auch e<strong>in</strong>ige Abgeordnete <strong>und</strong>e<strong>in</strong>flussreiche Personen sahen ihre Interessen <strong>in</strong>dem Gesetzentwurf nicht ausreichend vertreten.So fürchteten sie möglicherweise, bei großflächigenWasserprivatisierungen wie am LagoApanas, um den kostenlosen Zugang zu Wasserfür ihre F<strong>in</strong>cas. Die VertreterInnen der Nationalversammlungbeschlossen daraufh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Verschiebungder Gesetzes<strong>in</strong>itiative.Auch wenn diese Entscheidung durch den<strong>Widerstand</strong> gesellschaftlicher Gruppen mit teilswidersprüchlichen Interessen erreicht wurde, sokonnte doch die Privatisierung der Lebensgr<strong>und</strong>lageWasser erst e<strong>in</strong>mal aufgehalten werden.Die dauerhafte Verh<strong>in</strong>derung der Privatisierungh<strong>in</strong>gegen wird sicher nur durch breiteBündnisse gesellschaftlicher Kräfte möglichse<strong>in</strong>.48 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


Der geplante Flughafen <strong>in</strong> Texcoco wurdenicht gebautDer <strong>Widerstand</strong> der Bäuer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong>Bauern von San Salvador Atenco warerfolgreich.Als wir im vergangenen Sommermexikanische Organisationenwie CIEPAC <strong>in</strong> San Cristóbal delas Casas zum <strong>Widerstand</strong> derBevölkerung gegen die Megaprojektedes Plan Puebla Panamá(PPP) befragten, fiel sofort derName Atenco. Die Ereignisse <strong>in</strong>San Salvador Atenco haben zwarnicht direkt mit dem PPP zu tun,s<strong>in</strong>d aber nach Überzeugung dermexikanischen Gruppen vonentscheidender Bedeutung auchfür die Realisierung der Projektedes PPP <strong>in</strong> Mexiko.Am 22. Oktober 2001 gab die mexikanischeRegierung unter Präsident Fox bekannt, dass der<strong>in</strong>ternationale Flughafen von Mexiko-Stadt ausKapazitätsgründen durch e<strong>in</strong>en Neubau ersetztwerden solle. Der Plan sah e<strong>in</strong>e Investition vonm<strong>in</strong>destens 2 Mrd. US-Dollar vor, die zu 75 %aus privaten Quellen kommen sollten, vor allemaus Mexiko, aber es gab auch <strong>in</strong>ternationaleInteressentInnen, wie British Airport <strong>und</strong> FrankfurtAirport. Als Standort des neuen Flughafenshatte man sich für Texcoco im B<strong>und</strong>esstaatMéxico entschieden, e<strong>in</strong>e Gegend im Nordostenvon Mexiko-Stadt, nur 18 km vom Stadtzentrumentfernt. Der Bau sollte Ende 2002 beg<strong>in</strong>nen<strong>und</strong> für den ersten Bauabschnitt rechnete manmit e<strong>in</strong>er Bauzeit von vier Jahren. Gleichzeitiggab die Regierung die Enteignung von mehr als5000 ha Boden bekannt, die für das Projektbenötigt würden. Mehr als 90 % der geplantenEnteignungen sollten „ejidos“ betreffen – kollektivbearbeitetes Land, das vorwiegend <strong>in</strong> den40er Jahren des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts,während der Regierungszeit von LázaroCárdenas, an Kle<strong>in</strong>bauern <strong>und</strong> -bäuer<strong>in</strong>nenverteilt worden war.Die Antwort der Betroffenen kam schnell,war unmissverständlich <strong>und</strong> radikal. Kaum wardie Entscheidung der Regierung bekannt, bewaffnetensich <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de San SalvadorAtenco H<strong>und</strong>erte mit Macheten, Knüppeln <strong>und</strong>Molotow-Cocktails, sperrten 18 St<strong>und</strong>en lang dieHauptstaatsstraße der Gegend.Die 500 aufgebotenen PolizistInnen hieltenvorsichtig Abstand. Die von der Regierunggeplante Enteignung hätte San Salvador Atencoam schlimmsten getroffen. In diesem Dorf vonetwa 1100 E<strong>in</strong>wohnerInnen, die zum GroßteilKle<strong>in</strong>bauern <strong>und</strong> -bäuer<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d, sollten 70%des ejido-Landes dem neuen Flughafen geopfertwerden.Kurz darauf werden weitere Details bekannt.Zum Beispiel, dass der Marktpreis desenteigneten Bodens von unabhängigen GutachterInnenauf e<strong>in</strong>en Quadratmeterpreis von 5bis 10 US-Dollar geschätzt wird. Den betroffenen4300 Bäuer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Bauern wird aber nur e<strong>in</strong>eEntschädigung von ungefähr 0,75 US-Dollar proQuadratmeter angeboten. Für die Menschen vonSan Salvador Atenco ist dies ke<strong>in</strong> Thema, siewerden ihr Land nicht freiwillig hergeben. IhreLosung ist: ¡Fox, entiende, Atenco no se vende!(Fox, kapier, Atenco ist nicht zu kaufen!).Neun Monate dauert der <strong>Widerstand</strong>. NeunMonate mit Wachdiensten r<strong>und</strong> um die Uhr, umsich auf Polizeie<strong>in</strong>sätze e<strong>in</strong>stellen zu können<strong>und</strong> vor allem um den möglichen Baubeg<strong>in</strong>n zuverh<strong>in</strong>dern. Unzählige Demonstrationen f<strong>in</strong>denstatt, vor dem Amtssitz von Präsident Fox, LosP<strong>in</strong>os, <strong>und</strong> auch e<strong>in</strong> zehnstündiger Marsch zumZócalo von Mexiko-Stadt. Als der Gouverneurdes B<strong>und</strong>esstaates sich dazu versteigt, denProtest als den e<strong>in</strong>er unbedeutenden M<strong>in</strong>derheitabzuqualifizieren, handelt er sich den „Besuch“dieser M<strong>in</strong>derheit e<strong>in</strong>. 2500 Menschen marschierenzu se<strong>in</strong>em Gouverneurspalast <strong>in</strong> Toluca <strong>und</strong>manifestieren lautstark ihren Unmut <strong>und</strong> dasssie ihren Landbesitz zu schützen wüssten.Parallel zu den Demonstrationen wurdeaber auch der Weg über die Justiz genutzt <strong>und</strong>Verfassungsbeschwerde e<strong>in</strong>gelegt. DieStraßenblockade<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 49


KlägerInnen, die von e<strong>in</strong>em renommiertenRechtsanwalt kostenlos vertreten wurden,bezweifelten das <strong>in</strong> der Verfassung bei Enteignungengeforderte „öffentliche Interesse“. E<strong>in</strong>sehr e<strong>in</strong>leuchtender Zweifel, denn die Regierunghatte ja selbst stolz den privatwirtschaftlichenCharakter des Projektes betont. Die Beschwerdewurde vom Gericht zugelassen <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Aufschubdes Baubeg<strong>in</strong>ns bis zur Urteilsverkündunganordnet.Eskalation des Konfliktes <strong>und</strong> E<strong>in</strong>lenkender RegierungNachdem der Konflikt sieben Monate vor sichh<strong>in</strong> geschwelt hatte, begann er plötzlich, gefährlichzu eskalieren. Im Juni 2002 entdeckendie BewohnerInnen von Atenco, dass trotz desGerichtsbeschlusses, der Arbeiten am Flughafenuntersagt hatte, nachts heimlich Vermessungsarbeitendurchgeführt werden. Die erwischtenArbeiterInnen werden von der wütenden Bevölkerungfestgenommen. Genau so ergeht es e<strong>in</strong>paar Tage später e<strong>in</strong>er Arbeitsgruppe, die versuchtBodenproben für Baugr<strong>und</strong>untersuchungenzu entnehmen.Am 11. Juli kommt es zu gewalttätigenAuse<strong>in</strong>andersetzungen, über 30 verletzte Bäuer<strong>in</strong>nen<strong>und</strong> Bauern werden <strong>in</strong>s Krankenhause<strong>in</strong>geliefert. E<strong>in</strong>er von ihnen stirbt dort nachzwei Wochen. Ob der Tod tatsächlich die Folgeder erlittenen Misshandlungen oder auf dieDiabeteserkrankung des Patienten zurückzuführenist, bleibt umstritten. Die Gewalttätigkeiteng<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>deutig von der Polizei aus, die ansche<strong>in</strong>endihre zahlenmäßige Überlegenheitausnutzten wollte, die AnführerInnen des<strong>Widerstand</strong>es <strong>in</strong>s Gefängnis zu br<strong>in</strong>gen. DieGegenseite revanchierte sich <strong>und</strong> nahmPolizistInnen als Geiseln. E<strong>in</strong> paar Tage spätererklärt sich die Regierung plötzlich, nach fastneun Monaten, zu Verhandlungen bereit. E<strong>in</strong>wirklicher Dialog kommt aber nicht zustande, dadie Regierung nur über die Höhe der Entschädigungenreden will.Am 1. August lenkt die Regierung plötzliche<strong>in</strong>. In e<strong>in</strong>er Presseerklärung gibt sie bekannt,dass der Standort Texcoco fallen gelassen wird<strong>und</strong> die Enteignungsverfügungen rückgängiggemacht werden. Als Gr<strong>und</strong> wird ausdrücklichdie ablehnende Haltung der Bevölkerung genannt.Außerdem macht die Regierung dieziemlich überraschende Mitteilung, dass nachneun Monaten plötzlich e<strong>in</strong>e „überzeugendeAlternative für e<strong>in</strong>en vergrößerten Flughafen imZentrum des Landes entdeckt“ worden sei. Wogenau sie die „überzeugende Alternative“ entdeckthat, lässt sie offen. E<strong>in</strong> paar Tage späterersche<strong>in</strong>t im offiziellen Anzeiger der B<strong>und</strong>esregierung(Diario Oficial de la Federación) e<strong>in</strong>eVerfügung, die sämtliche Enteignungen vomOktober 2001 widerruft. Die Bäuer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong>Bauern von Texcoco mit ihrer Organisation„Frente Unido de Comunidades contra elAeropuerto“ haben gesiegt.Was waren die Gründe für den Erfolg des<strong>Widerstand</strong>es <strong>in</strong> Atenco?Sicher spielte die Solidarisierung e<strong>in</strong>e wichtigeRolle. Viele nationale Organisationen, Gewerkschaften,Menschenrechtsgruppen, StudentInnen,KünstlerInnen <strong>und</strong> vor allem Organisationender Indígenas unterstützten dieAktivitäten der Bäuer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Bauern vonAtenco. E<strong>in</strong>e Gruppe von BürgerInnen der USA,die an e<strong>in</strong>er 1.-Mai-Demonstration zu Gunstendes <strong>Widerstand</strong>es <strong>in</strong> Atenco teilgenommenhatten, wurde des Landes verwiesen.Wichtig war auch, dass die Strategie derRegierung, die Protestierenden als l<strong>in</strong>ksradikaleM<strong>in</strong>derheit <strong>und</strong> QuerulantInnen zu diffamieren,nicht aufg<strong>in</strong>g. Dies zeigen ganz deutlich dieErgebnisse e<strong>in</strong>er Radioumfrage vom Juli 2002.Selbst <strong>in</strong> den Tagen nach den gewalttätigenAuse<strong>in</strong>andersetzungen vom 11. Juli, als sich diePresse <strong>in</strong> Diffamierungskampagnen gegenüberdem <strong>Widerstand</strong> von Texcoco überschlug, warenimmer noch 85% der Befragten der Me<strong>in</strong>ung,dass die Bäuer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Bauern ihre legitimenInteressen verträten, <strong>und</strong> 74% waren dafür, dassdie Regierung angesichts des <strong>Widerstand</strong>es derBevölkerung nach e<strong>in</strong>em anderen Standortsuchen sollte.E<strong>in</strong>e sehr wichtige Rolle für den <strong>Widerstand</strong>haben ansche<strong>in</strong>end Vorbilder aus der mexikanischenGeschichte gespielt. „¡Zapata vive, lalucha sigue!“ (Zapata lebt, der Kampf gehtweiter!) war von Beg<strong>in</strong>n an e<strong>in</strong>e der beliebtestenLosungen bei allen K<strong>und</strong>gebungen. Beie<strong>in</strong>igen Protestdemonstrationen wurde e<strong>in</strong>eStatue von Emilio Zapata mitgeführt <strong>und</strong> <strong>in</strong>Atenco wurde e<strong>in</strong> Wandbild mit dem Titel„Zapata vive“ <strong>in</strong>stalliert. Der Jahrestag dermexikanischen Revolution sah e<strong>in</strong>e der machtvollstenDemonstrationen der Bäuer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong>Bauern von Texcoco.Der Name Zapata stand aber auch für dieneue Bewegung der ZapatistInnen von der FZLN(Frente Zapazista de Liberación Nacional). Sie50 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


waren mit ihrem langjährigen unerbittlichenKampf für die Rechte der <strong>in</strong>digenen Völker e<strong>in</strong>großes Vorbild. Die Verb<strong>in</strong>dung zu dem Kampf <strong>in</strong>Chiapas zeigte sich am deutlichsten nach demSieg <strong>in</strong> Atenco. Im September 2002 zogen dieBewohnerInnen die Konsequenz aus dem Zerwürfnismit ihrem Bürgermeister. Sie jagten ihndavon <strong>und</strong> erklärten sich nach dem Vorbild der<strong>in</strong>digenen Geme<strong>in</strong>den Chiapas zur „autonomenGeme<strong>in</strong>de“.Der entscheidende Faktor für die Unerbittlichkeitdes <strong>Widerstand</strong>es war aber wohl dieexistentielle Bedrohung für die Menschen vonAtenco: 70% des Bodens <strong>und</strong> fast 500 Häusersollten dem Flughafen weichen. Das wäre nichtnur für viele das Ende des Lebens als Bäuer<strong>in</strong>oder Bauer gewesen, sondern das Ende von SanSalvador Atenco überhaupt. In anderen Geme<strong>in</strong>den,wo es „nur“ um 5 oder 10% des Bodensg<strong>in</strong>g, gelang es der Regierung durch Aufstockungder Entschädigungssumme, den <strong>Widerstand</strong>zu brechen, <strong>in</strong> San Salvador Atenco erhieltsie auf solche Angebote nur die Antwort,man sei nicht käuflich. „¡Fox, entiende, Atencono se vende!“Der Erfolg ist <strong>in</strong> diesem Falle e<strong>in</strong>deutig derKonsequenz <strong>und</strong> der Radikalität zu verdanken,mit der die Betroffenen den <strong>Widerstand</strong> durchgehaltenhaben.QuellenGespräch mit Miguel Pickard, CIEPAC, SanCristóbal de las Casas, La Jornada, poonalLiteratur zum Thema<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> Privatisierungzu beziehen über:<strong>Ökumenisches</strong> <strong>Büro</strong> für Frieden <strong>und</strong>Gerechtigkeit e.V.Pariser Straße 13, 81667 Münchenaußerdem:Die Webseite desInformationsbüros Nicaragua e.V.http://nica.wtal.de<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 51


Ke<strong>in</strong> Ende der GeschichteAnmerkungen zum sozialen <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong><strong>Zentralamerika</strong> <strong>und</strong> anderswo1Der US-amerikanischePolitikwissenschaftlerFrancis Fukuyama verfassteEnde der 80er Jahree<strong>in</strong>en vielbeachtetenArtikel mit dem Titel:„The End of History?“, <strong>in</strong>dem er die These vertritt,dass sich weltweit e<strong>in</strong>Ideologie- <strong>und</strong>Demokratiemodell nachUS-amerikanischemVorbild durchsetzen wird.Die <strong>Freihandel</strong>spolitik ist ke<strong>in</strong> politischer Bruch,sondern die Fortsetzung e<strong>in</strong>er (Wirtschafts-)Politik, die zuvor über Strukturanpassungsmaßnahmen<strong>und</strong> nicht selten militärisch durchgesetztwurde. E<strong>in</strong>e Besonderheit der <strong>Freihandel</strong>sabkommenist aber, dass mit ihnen e<strong>in</strong>sozialer, wirtschaftlicher <strong>und</strong> politischer StatusQuo auf supranationaler Ebene <strong>in</strong> Gesetzesformgegossen wird. Die Verträge schränken denHandlungsspielraum zukünftiger Regierungen,die e<strong>in</strong>e andere Politik verfolgen wollen, erhebliche<strong>in</strong>. Denn die Verträge stehen über dernationalen Gesetzgebung <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d schwerwieder rückgängig zu machen, sobald die Abkommene<strong>in</strong>mal ratifiziert wurden.Es geht also darum, e<strong>in</strong> „Ende der Geschichte“1 e<strong>in</strong>zuläuten <strong>und</strong> den Kapitalismusneoliberaler Ausprägung zu zementieren. Aberdie Geschichte ist ke<strong>in</strong> Naturgesetz. Sie wirdvon Menschen gemacht, <strong>und</strong> deshalb wird siekaum jemals durch e<strong>in</strong>e Unterschrift untere<strong>in</strong>en Vertrag besiegelt werden können. DieZapatistas <strong>in</strong> Chiapas/Mexiko haben dies mitihrem Aufstand w<strong>und</strong>ervoll deutlich gemacht.Der Beg<strong>in</strong>n des Aufstandes fiel nicht zufälligzeitlich mit dem Inkrafttreten des Nordamerikanischen<strong>Freihandel</strong>sabkommens NAFTA zusammen.Subcomandante Marcos drückte es so aus:„ Jemand sagte: Gegen den Neoliberalismus zuse<strong>in</strong>, ist, wie gegen das Gesetz der Schwerkraftzu se<strong>in</strong>. Nun denn! Nieder mit dem Gesetz derSchwerkraft.“ Das zapatistische Vorbild warzweifellos e<strong>in</strong>e starke Initialzündung, h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong>das Spektrum, das allgeme<strong>in</strong> als „globalisierungskritischeBewegung“ gilt <strong>und</strong> den Slogander Zapatistas „E<strong>in</strong>e andere Welt ist möglich!“ <strong>in</strong>vielfältigen Abwandlungen übernommen hat.Die „negative“ BewegungBestimmte Strategien <strong>und</strong> Tendenzen – beispielsweise<strong>Freihandel</strong>sabkommen, Privatisierungen,die Rücknahme sozialer Sicherungssysteme<strong>und</strong> damit e<strong>in</strong>hergehend zunehmende Verarmung<strong>und</strong> die Prekarisierung der Lebensbed<strong>in</strong>gungen- werden <strong>in</strong>zwischen fast überall auf derWelt durchgesetzt. Ausgehend von unterschiedlichenBed<strong>in</strong>gungen, ist die Überausbeutung<strong>und</strong> tendenzielle Absenkung von Reallöhnenetwas, was als globales Phänomen spürbar wird.Die Ähnlichkeit dieser Entwicklung hatsicher ihren Teil dazu beigetragen, dass sich diesozialen Reaktionen <strong>und</strong> Widerstände mehraufe<strong>in</strong>ander beziehen, dass es e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tensiverenAustausch gibt <strong>und</strong> die sozialen Kampagnenzunehmend <strong>in</strong>ternational koord<strong>in</strong>iert werden.Neben dem Weltsozialforum haben sich <strong>in</strong>Late<strong>in</strong>amerika e<strong>in</strong>e Reihe von Vernetzungsstrukturen– z.B. die Alianza Social Cont<strong>in</strong>entaloder das Foro Mesoamericano – entwickelt. DieseVernetzungsstrukturen richten sich explizitgegen das Gesamtamerikanische <strong>Freihandel</strong>sabkommenALCA <strong>und</strong> den Plan Puebla Panamá <strong>und</strong>f<strong>in</strong>den ihre Geme<strong>in</strong>samkeit <strong>in</strong> eben diesenHerrschaftsprojekten, bzw. dem <strong>Widerstand</strong>dagegen. PPP, ALCA, CAFTA, Privatisierungen<strong>und</strong> WTO liefern die geme<strong>in</strong>same Klammer, dennegativen Bezugspunkt, damit unterschiedlichsteGruppen <strong>und</strong> Organisationen <strong>in</strong> ihrer Ablehnung<strong>und</strong> Kritik dieser Projekte zusammenf<strong>in</strong>denkonnten.Die <strong>in</strong>ternationalen Vernetzungstreffenbieten e<strong>in</strong> Forum, neben den Strategien imKampf gegen neoliberale <strong>Freihandel</strong>s- <strong>und</strong>Infrastrukturpläne auch Alternativen zu diskutieren.Es gibt Unterforen, <strong>in</strong> denen Frauen,campes<strong>in</strong>os/as, GewerkschafterInnen aus verschiedenenLändern über ihre geme<strong>in</strong>same odersich zunehmend angleichende Problematikdiskutieren <strong>und</strong> es gelegentlich wagen, Vorschlägefür Arbeits- <strong>und</strong> Lebensformen jenseitskapitalistischer Verwertung zu erarbeiten.All diese Bewegungen, Organisationen <strong>und</strong>Gruppen, ob <strong>in</strong> Late<strong>in</strong>amerika oder anderswo,s<strong>in</strong>d nicht e<strong>in</strong>heitlich. In der globalisierungskritischenBewegung gibt es sogar e<strong>in</strong>en breitenKonsens darüber, dass gerade die Vielfalt <strong>und</strong>Unterschiedlichkeit der Gruppen <strong>und</strong> Menschen,die sich der Bewegung zugehörig fühlen, wichtig<strong>und</strong> bereichernd s<strong>in</strong>d. Die Diffusität dieserBewegung ist e<strong>in</strong> attraktiver Pluspunkt, da sie<strong>in</strong> ihrer Unbestimmtheit für Identifikationenoffen bleibt. Gleichzeitig liegt dar<strong>in</strong> auch e<strong>in</strong>eGefahr.52 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


Denn das kollektive Gegen-Etwas-Se<strong>in</strong> bedeutetganz offensichtlich nicht, dass es ke<strong>in</strong>e heftigenInteressensgegensätze <strong>und</strong> Kämpfe zwischene<strong>in</strong>zelnen Gruppen <strong>und</strong> Strömungen gäbe. Esgibt Tendenzen zur Besitzstandswahrung, zumFührungsanspruch, zum Instrumentalisieren derBewegung für (partei-)politische Zwecke usw.Auch nationalistische Haltungen <strong>und</strong> e<strong>in</strong> gewisserStandort-Chauv<strong>in</strong>ismus s<strong>in</strong>d leider nichtselten. Die globalisierungskritische Bewegungmit all ihren Facetten als „das heilige Gute“ zuTransparent für e<strong>in</strong>e Anti-Cafta-Demo: „Wir Frauen wollen menschenwürdigeArbeitsplätze“sehen, hieße, sich e<strong>in</strong>er Illusion h<strong>in</strong>zugeben.Auch <strong>in</strong>nerhalb der eigenen Organisationsstrukturs<strong>in</strong>d die e<strong>in</strong>zelnen Gruppen, die die„soziale Bewegung“ bilden, ke<strong>in</strong>esfalls e<strong>in</strong>herrschaftsfreier Raum. Machtstrategien setzensich hier ebenso durch wie <strong>in</strong> der offiziellenParteipolitik, ganz abgesehen von sexistischen,bildungsbed<strong>in</strong>gten <strong>und</strong> rassistischen Ausgrenzungen.Wenngleich sich die meisten sicherganz aufrichtig um basisdemokratische Strukturenbemühen, s<strong>in</strong>d es – mit Ausnahme derOrganisationen der Frauenbewegung – häufigeher die Männer mit höherer Bildung, welchedie Politik der Gruppen bestimmen <strong>und</strong> repräsentieren.Dies gilt für die Bewegungen desTrikonts genauso wie für die der Metropolen.Strategien des <strong>Widerstand</strong>s:Lobbypolitik am R<strong>und</strong>en Tisch oder <strong>Widerstand</strong>auf der Strasse?!In <strong>Zentralamerika</strong> stößt man <strong>in</strong> der globalisierungskritischenBewegung auf e<strong>in</strong>en sich durchziehendenStreitpunkt. E<strong>in</strong> Teil der Organisationenvertritt den Standpunkt, dass die Aufgabevon NGOs <strong>und</strong> Sozialer Bewegung der so genannteRechazo Total sei, d.h. die totale Ablehnungder Herrschaftsprojekte <strong>und</strong> die Organisierungvon <strong>Widerstand</strong>. Andere s<strong>in</strong>d derAuffassung, dass es vor allem darum geht,E<strong>in</strong>fluss <strong>in</strong> Bereichen der offiziellen Politik zuerlangen <strong>und</strong> mit e<strong>in</strong>er gut durchdachtenLobbystrategie am R<strong>und</strong>en Tisch zum<strong>in</strong>dest dasSchlimmste abzuwenden.Im Foro Mesoamericano, das als Vernetzungsstrukturgegen den Plan Puebla Panamáentstand, hat sich nachheftigen Ause<strong>in</strong>andersetzungen<strong>in</strong>zwischen dieFraktion des RechazoTotal durchgesetzt.Dennoch s<strong>in</strong>d viele NGOsnach wie vor bereit, amR<strong>und</strong>en Tisch Lobbypolitikbei den Regierungenzu machen. Nichtunbed<strong>in</strong>gt weil sie siche<strong>in</strong>en Vorteil davonversprechen, sondernweil es ihnen ganz existentiellan den Kragengeht. E<strong>in</strong>ige sehen auchschlichtweg ke<strong>in</strong>e andereChance, E<strong>in</strong>fluss zunehmen <strong>und</strong> die Ratifizierungvon Abkommen oder die Durchführungvon Megaprojekten mit ihren fatalen Auswirkungenzu verh<strong>in</strong>dern. Die Umwelt-NGO CentroHumboldt aus Nicaragua beispielsweise plädiertfür e<strong>in</strong>e „<strong>in</strong>formierte Ablehnung“: Um an Informationenzu gelangen, müsse man sich <strong>in</strong> dieStrukturen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>begeben <strong>und</strong> wissen, über wasdiskutiert wird. Dieses „Expertentum“ ist füre<strong>in</strong>e NGO, die auf ihre Reputation <strong>und</strong> ihr Renommeegenauso stolz wie angewiesen ist, <strong>in</strong>gewisser Weise auch verführerisch. NGOs ausEl Salvador, die sich der Rechazo Total-Fraktionzugehörig fühlen, zweifeln jedoch daran, dassdie „R<strong>und</strong>e Tisch-Fraktion“ tatsächlich e<strong>in</strong>enbesseren Zugang zu Informationen haben alsandere.Selbstverständlich spielt bei dieser Fragee<strong>in</strong>e große Rolle, welche Nähe NGOs zu dengerade amtierenden Regierungen haben. DieUnternehmerverbände z.B. s<strong>in</strong>d praktisch beiallen Verhandlungen anwesend. E<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>flusshaben sie dann, wenn ihre Interessen <strong>und</strong>Forderungen mit dem Gr<strong>und</strong>konzept der Verhandlungenübere<strong>in</strong>stimmen. Dies gilt <strong>in</strong> derRegel eher für Banken <strong>und</strong> Versicherungen als<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 53


2Siehe Artikel „Protest<strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong>El Salvador auf Erfolgskurs?“<strong>in</strong> diesem Heft,Seite 42für Kle<strong>in</strong>bauernverbände.Andere NGOs, die sich mit sozialen <strong>und</strong>Umweltthemen befassen, sitzen eher am R<strong>und</strong>enTisch, wenn sie e<strong>in</strong>en guten Draht zur Regierungsdelegationhaben. In Nicaragua habenrecht viele Organisationen zunächst auf e<strong>in</strong>egute Kooperation mit der Delegation der CAFTA-Verhandlungen gesetzt. In El Salvador mit se<strong>in</strong>ererzkonservativen Regierung h<strong>in</strong>gegen war auchdie „R<strong>und</strong>e Tisch-Fraktion“ unter den NGOs sehrmarg<strong>in</strong>alisiert. Zudem lässt sich aber <strong>in</strong>El Salvador <strong>in</strong> den letzten Jahren auch e<strong>in</strong>Rückgang der Integrationsbereitschaft vielerNGOs ausmachen: Die Hoffnung, wirklich etwasgegen die neoliberalen Programme durchsetzenzu können, hat sich dort bereits weitgehenderschöpft.Von der Rechazo Total-Fraktion wird denanderen NGOs vorgeworfen, durch ihre Teilnahmean R<strong>und</strong>en Tischen die <strong>Freihandel</strong>sverhandlungengr<strong>und</strong>sätzlich zu legitimieren. Der Geistder <strong>Freihandel</strong>sabkommen, so ihre Argumentation,ist auf brutalste Weise neoliberal <strong>und</strong> ansich antidemokratisch. Es sei albern, dies durchUmwelt- oder Sozialstandards kaschieren zuwollen, f<strong>in</strong>det beispielsweise die salvadorianischeUmwelt-NGO UNES (Federación UnidadEcológica Salvadoreña). Abgesehen davon stündendie wirklich entscheidenden Fragen(Investitionsschutz, Geistige Eigentumsrechte,ArbeiterInnenrechte u.s.w.) überhaupt nicht zurDebatte; verhandelt würde im Gr<strong>und</strong>e nurdarüber, welches Produkt <strong>in</strong> welchen Warenkorbkommen soll, während alle anderen entscheidendenFragen von vornhere<strong>in</strong> abgekartet s<strong>in</strong>d.Viele Organisationen der „Rechazo Total-Fraktion“bezeichnen die R<strong>und</strong>en Tische auch alsGespräche im „Nebenzimmer“ (Cuarto al Lado),e<strong>in</strong>ige reden sogar von der „Dunkelkammer“(Cuarto Oscuro). H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> ist, dass die „Zivilgesellschaft“an den eigentlichen Verhandlungengar nicht teilnehmen darf, sondern allenfallszwischendurch <strong>in</strong>formiert <strong>und</strong> konsultiertwird. Die politischen Spielräume seien starke<strong>in</strong>geengt, sofern überhaupt vorhanden.E<strong>in</strong> weiterer Vorwurf der Rechazo-Fraktion:Wer sich an e<strong>in</strong>en R<strong>und</strong>en Tisch setzt, akzeptieredamit bereits die Spielregeln der Macht <strong>und</strong>lasse sich auf e<strong>in</strong>e bestimmte Form der Kommunikation<strong>und</strong> des Aushandelns von Entscheidungene<strong>in</strong>, die stets von Machtverhältnissengeprägt, untransparent <strong>und</strong> <strong>und</strong>emokratischs<strong>in</strong>d.Tatsächlich zeigt uns die Erfahrung, dassletzten Endes alle kritischen zivilgesellschaftlichenSektoren so weit aus den wirklichenEntscheidungsräumen ausgegrenzt werden, dassman <strong>in</strong> Frage stellen muss, ob es die Mühe wertist, se<strong>in</strong>e Zeit <strong>in</strong> Nebenräumen zu verbr<strong>in</strong>gen.Wirksamer sche<strong>in</strong>en uns die <strong>Widerstand</strong>sstrategien,die – ebenfalls aus der existentiellenBedrohung heraus – e<strong>in</strong> klares „Ne<strong>in</strong>!“ formulieren<strong>und</strong> es parallel dazu schaffen, auch anderegesellschaftliche Gruppen von der Berechtigungdieses „Ne<strong>in</strong>!“ zu überzeugen. Die Frage derWirksamkeit von Protest <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> istunserer Me<strong>in</strong>ung nach nicht damit zu beantworten,ob e<strong>in</strong> Protest von „Erfolg“ gekrönt ist <strong>in</strong>dem S<strong>in</strong>ne, dass beispielsweise e<strong>in</strong>e Regierunge<strong>in</strong> geplantes Vorhaben aufgibt. Viel wichtigerist unter Umständen, dass <strong>in</strong> den <strong>Widerstand</strong>saktionenselbst e<strong>in</strong>e soziale Dynamik <strong>in</strong> Ganggesetzt wird, die weit über die (regierungs-)politischen Entscheidungen h<strong>in</strong>ausgeht. Dennder praktizierte <strong>Widerstand</strong> wirkt nicht nur aufdie Entscheidungsträger <strong>in</strong> Politik <strong>und</strong> Wirtschaft.Er wirkt zugleich zurück <strong>in</strong> die Bewegungen<strong>und</strong> auf die Menschen selbst, auf dieWahrnehmung ihrer eigenen Kraft, auf ihre<strong>in</strong>dividuelle <strong>und</strong> kollektive Politisierung, auf dassoziale Netz, auf die Solidarität mit denen, die<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ähnlichen Lage s<strong>in</strong>d.Wenn e<strong>in</strong>e andere Welt möglich wird...Ricardo Monge (STISSS/El Salvador) 2 betont,dass der Streik im Ges<strong>und</strong>heitswesen für dieBewegung e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive <strong>und</strong> ganz wichtigeErfahrung war. Trotz der enormen Repression<strong>und</strong> der psychischen <strong>und</strong> ökonomischen Belastung– alle<strong>in</strong> erziehende Frauen haben sich amStreik beteiligt, ohne zu wissen, wie sie ihreFamilie durchbr<strong>in</strong>gen sollen –, g<strong>in</strong>gen die Leutegestärkt <strong>und</strong> mit gewachsenem Selbstvertrauendaraus hervor. Die Erfahrung, Teil dieses Kampfesgewesen zu se<strong>in</strong>, hat ihren Kampfgeistgestärkt.Dass dieser Protest schließlich so erfolgreichwar, h<strong>in</strong>g nach E<strong>in</strong>schätzung von RicardoMonge vor allem damit zusammen, dass diesalvadorianische Bevölkerung durch Privatisierungender Vergangenheit schon e<strong>in</strong>e sehrgenaue Vorstellung hatte von dem, was auf siezukommen würde. Ähnlich wie <strong>in</strong> Nicaraguabeim Protest gegen die Privatisierung des Wasserswurde auch hier der <strong>Widerstand</strong> erst laut,als es an e<strong>in</strong>e lebenswichtige Gr<strong>und</strong>versorgungg<strong>in</strong>g <strong>und</strong> nachdem Telekommunikation, Elektrizität<strong>und</strong> Bildungssektor bereits privatisiertworden waren.54 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


Wichtig ist auch: Der <strong>Widerstand</strong> hatte e<strong>in</strong>elange Vorlaufzeit, die vorausschauend dafürgenutzt worden war, die PatientInnen <strong>in</strong> denKrankenhäusern <strong>und</strong> Ambulanzen, dieÄrztInnen <strong>und</strong> die Angestellten des öffentlichenGes<strong>und</strong>heitswesens über die Konsequenzen dergeplanten Privatisierung aufzuklären. Nurdadurch war es möglich, dass die Menschen sich(sche<strong>in</strong>bar spontan) mit den Streikenden solidarisierten<strong>und</strong> ihr Interesse an e<strong>in</strong>er sofortigenBehandlung ihren langfristigen Interessenunterordneten. Hier wird die Bedeutung des <strong>in</strong>Late<strong>in</strong>amerika weitverbreiteten Konzepts dereducación popular deutlich: E<strong>in</strong>e Strategie vonpolitischen Organisationen, durch kont<strong>in</strong>uierlicheBildungs- <strong>und</strong> Informationsprogramme e<strong>in</strong>esoziale Basis <strong>in</strong> der Bevölkerung zu schaffen<strong>und</strong> dadurch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en anhaltenden Dialog mitden Menschen zu treten.Im Falle von San Salvador Atenco (Mexiko) 3schien es auch e<strong>in</strong>e eher spontaneSolidarisierung zu se<strong>in</strong>, die ausschlaggebend fürden Erfolg war. Die breite Unterstützung ließsich auch durch e<strong>in</strong>e Diffamierungskampagneder Regierung nicht irritieren.Bei genauerem H<strong>in</strong>sehen ist die Solidarisierungso spontan aber auch nicht gewesen.Die Bezugnahme der kämpfenden campes<strong>in</strong>os/asauf Zapata ist e<strong>in</strong>e Referenz auf das historischeVorbild der mexikanischen Revolution <strong>und</strong>zugleich auf die aktive Rebellion der chiapanekischenZapatistas. Sie belegt, wie <strong>in</strong> Mexikospolitischer Kultur e<strong>in</strong>e Tradition kle<strong>in</strong>bäuerlicherKämpfe über lange Zeit lebendig gehaltenwurde, die auch auf Menschen <strong>und</strong> Gruppenausstrahlt, die selber ke<strong>in</strong>e Kle<strong>in</strong>bauern s<strong>in</strong>d.Der entscheidende Faktor für die Unerbittlichkeit<strong>und</strong> Radikalität des <strong>Widerstand</strong>es,welche die Regierung schließlich <strong>in</strong> die Kniezwang, war sicher die existentielle Bedrohungfür die Menschen von San Salvador Atenco. Aberauch Organisationen, die sich auf Verhandlungen<strong>und</strong> Kompromisse e<strong>in</strong>lassen, begründendiesen Schritt oft mit e<strong>in</strong>er existentiellen Bedrohung.Die reale Bedrohung, alles zu verlieren,lässt also sowohl die Option unerbittlichen<strong>Widerstand</strong>es als auch die des Verhandelns zu.Welche Wahl die Menschen treffen, hängtschließlich von e<strong>in</strong>er politischen E<strong>in</strong>schätzungab, <strong>in</strong> die e<strong>in</strong>e Reihe von Faktoren e<strong>in</strong>fließen:Das eigene politische Gewicht, die eigeneMobilisierungsfähigkeit <strong>und</strong>/oder Verhandlungsmacht,die E<strong>in</strong>schätzung der Stärke des politischenGegners <strong>und</strong> nicht zuletzt auch die politischenTraditionen des sozialen <strong>Widerstand</strong>s <strong>in</strong>e<strong>in</strong>er bestimmten Region oder sozialen Gruppe.Manchmal gel<strong>in</strong>gt es sogar, dass aus dem,was ursprünglich e<strong>in</strong> Verteidigungskampf gegenneoliberale Herrschaftsprojekte war, etwasentsteht, das größer <strong>und</strong> beständiger ist. Daskann der Versuch se<strong>in</strong>, zunächst zu e<strong>in</strong>emKonsens über die Alternativen zu kommen, diees zur kapitalistischen Ordnung geben könnte.Oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt diese Ordnung <strong>und</strong>ihre Werte zu h<strong>in</strong>terfragen: Die Plünderungen,„Ne<strong>in</strong> zum <strong>Freihandel</strong>svertrag mit den USA, denner bedeutet mehr Armut <strong>und</strong> Ungleichheit.“die auf die Wirtschaftskrise <strong>in</strong> Argent<strong>in</strong>ienfolgten, stellten ganz praktisch <strong>in</strong> Frage, ob dasRecht auf Privateigentum über dem Recht aufNahrung <strong>und</strong> e<strong>in</strong> würdiges Leben steht.Im nächsten Schritt stellt sich möglicherweisedie Frage, wie Produktions- <strong>und</strong> politischeEntscheidungsformen aufgebaut werden können,die sich der Verwertungslogik entziehen. InChiapas/Mexiko geht die Rebellion weit übere<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e, militante Ablehnung h<strong>in</strong>aus: DieZapatistas versuchen, jenseits der Eroberung derStaatsmacht e<strong>in</strong>e neue Form von Vergesellschaftungzu entwickeln. Diese soll basisdemokratisch<strong>und</strong> transparent se<strong>in</strong>. In den caracoles –seit Sommer 2003 existierenden autonomenProv<strong>in</strong>z-“Hauptstädten“ – f<strong>in</strong>den Versammlungender „Guten Regierung“ 4 statt. Diese setzen3Siehe Artikel: „Dergeplante Flughafen wurdenicht gebaut“ <strong>in</strong> diesemHeft, Seite 494Der Begriff spielt an aufden zapatistischen Begriffdes „Mal Gobierno“, derschlechten mexikanischenZentralregierung.<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 55


sich zusammen aus Delegationen der zapatistischenBasis-Geme<strong>in</strong>den, die jederzeit abwählbar<strong>und</strong> unmittelbar rechenschaftspflichtig. Paralleldazu werden e<strong>in</strong> autonomes Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong>Bildungssystem aufgebaut. Gewiss haben diezapatistischen Indígenas <strong>in</strong> Chiapas den großenVorteil, dass ihre Art der Produktion traditionellkollektiv <strong>und</strong> nicht e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e kapitalistischeVerwertungslogik war <strong>und</strong> ist. Außerdemkönnen sie ihren politischen Konsens <strong>in</strong>relativ überschaubaren, kle<strong>in</strong>en <strong>und</strong> wenigausdifferenzierten sozialen Strukturen f<strong>in</strong>den.<strong>und</strong> wir...?Auch wenn es sich <strong>in</strong> den Trikont- <strong>und</strong> denIndustrieländern um gänzlich andere Ausgangsbed<strong>in</strong>gungenhandelt, gibt es überall gewisseÄhnlichkeiten <strong>in</strong> der Ausrichtung wirtschafts<strong>und</strong>sozialpolitischer Strategien: der SicherungIV. Mesoamerikanisches Treffen <strong>in</strong> Honduras im Juli 2003von Wirtschaftsstandorten werden gr<strong>und</strong>legende<strong>und</strong> e<strong>in</strong>st erkämpfte soziale Standards mit demArgument der Arbeitsplatzsicherung geopfert,die Deregulierung am Arbeitsmarkt, die Ausdehnungdes Warenbegriffes auf immer weitereBereiche (z.B. Gr<strong>und</strong>dienstleistungen wie Bildung<strong>und</strong> Wasser, Ges<strong>und</strong>heit, Biodiversität) <strong>und</strong>die Aufweichung sozialer Sicherungssystemes<strong>in</strong>d der lokale Ausdruck e<strong>in</strong>er Anpassung anglobale Standards, die nur noch den Marktgesetzenunterworfen s<strong>in</strong>d.Dieser Abwärtstrend wird zeitgleich unterfüttertvom Ausbau e<strong>in</strong>es globalen Migrationsregimes,dass dem Kapital das freie Flutenerleichtert <strong>und</strong> die Bewegung der (arbeitenden)Menschen kontrolliert <strong>und</strong> e<strong>in</strong>schränkt. Sowerden Regionen mit unterschiedlichen Lohnniveaus<strong>und</strong> Umweltstandards gegene<strong>in</strong>anderausgespielt, immer mit dem Trend zur Absenkungdes Niveaus zugunsten höherer Gew<strong>in</strong>nspannen.Denn das immer unverschämtereLohndump<strong>in</strong>g kann nur durchgesetzt werden,solange die Möglichkeit des Kapitals, anderswogew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gender zu <strong>in</strong>vestieren, ausgebaut <strong>und</strong>abgesichert wird. E<strong>in</strong> regional gestaffeltesLohnniveau <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e globale Arbeitsteilung istdafür absolut funktional.In dieser Dynamik leben wir auch <strong>in</strong> Mitteleuropa/<strong>in</strong>Deutschland. Mit dem Argument,der Standort müsse auf dem Weltmarkt konkurrenzfähigse<strong>in</strong>, werdenLöhne gedrückt,öffentliche Betriebeprivatisiert, Lohn-“Neben“-kostengesenkt <strong>und</strong> sozialeSicherungssystemeaufgeweicht. DerDruck, auch nochunter den unwürdigstenBed<strong>in</strong>gungenzu arbeiten, steigtmit den verschärftenZumutbarkeitskriteriender Arbeitsmarktreforman. Rationalisierungen,das heißt„Freisetzung überschüssigerArbeitskraft“,werden denUnternehmen erleichtert– immermit dem H<strong>in</strong>weis,dass andernfalls dasUnternehmen woanders<strong>in</strong>vestieren könnte.Parallel wird europaweit an e<strong>in</strong>er Abstimmungvon Zuwanderungskriterien gearbeitet<strong>und</strong> die Rechte von Flüchtl<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> MigrantInnennach unten angeglichen. Das neue Zuwanderungsgesetzder rot-grünen Regierungselektiert E<strong>in</strong>wanderInnen nach Nützlichkeitskriterien<strong>in</strong> „erwünschte“ <strong>und</strong> „unerwünschte“.Insofern können <strong>in</strong> Deutschland die neoliberalenArbeits- <strong>und</strong> Sozialreformen der Agenda201056 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>


nicht losgelöst vom neuen Zuwanderungsgesetzgesehen werden, da E<strong>in</strong>wanderung wie auchsoziale Dienstleistungen weitgehend nachwirtschaftlichen Verwertungskriterien reguliertwerden.Die Agenda 2010 hat auch <strong>in</strong> DeutschlandProtest provoziert, von l<strong>in</strong>ksradikalen Gruppenüber das globalisierungskritische Spektrum wieATTAC, regionale <strong>und</strong> lokale Sozialforen, Studierende,RentnerInnen, Menschen mit Beh<strong>in</strong>derungen,bis h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong>s gewerkschaftlich-sozialdemokratischeSpektrum.Derzeit ist die Debatte um die Agenda 2010aber noch relativ am Anfang, <strong>und</strong> der <strong>Widerstand</strong>dagegen formiert sich erst. Wir halten esfür sehr wichtig, dass der Kampf gegen denSozialkahlschlag <strong>in</strong> Deutschland <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en direktenKontext zur weltweiten Durchsetzung neoliberalerPolitik gestellt wird <strong>und</strong> die Funktionder globalen Migrationskontrolle thematisiertwird. E<strong>in</strong>e soziale Bewegung, sofern sie sich aufden Wohlfahrtsstaat der 60er/70er Jahre alsModell der Zukunft bezieht, blendet die Entwicklungder letzten Jahrzehnte aus – nichtzuletzt die, dass Vollbeschäftigung auch beibesten Standortbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong> Phänomen ist,das der Vergangenheit angehört. Betrachtet mandie Gew<strong>in</strong>nspannen der Unternehmen <strong>und</strong> dieZuwachsraten der Produktivität, so ersche<strong>in</strong>t dasArgument geradezu lächerlich, dass das Wirtschaftswachstumautomatisch die Anzahl derArbeitsplätze steigert. Notwendig wäre deshalbnicht nur e<strong>in</strong>e gerechte Verteilung des Reichtums,sondern auch e<strong>in</strong>e gerechte Verteilung derArbeit.Wenn die sozialen Bewegungen über ihrennationalstaatlichen Rahmen nicht herausschauen,verdammen sie sich praktisch zum Scheitern.In unseren sozialen Kämpfen brauchen wirunserer Me<strong>in</strong>ung nach dr<strong>in</strong>gend e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternationalistischePerspektive, die e<strong>in</strong>e antirassistischeSicht notweniger Weise mit e<strong>in</strong>schließt.Impressum:Redaktion:AutorInnenkollektiv aus Mitgliedern des Ökumenischen <strong>Büro</strong>s <strong>und</strong> desInformationsbüros NicaraguaHerausgeberInnen:Informationsbüro Nicaragua e.V.Friedrich-Ebert-Str.aße 141b, 42117 WuppertalTelefon: 0202-300030Telefax: 0202-314346E-mail: nica@wtal.deHomepage: http://nica.wtal.de<strong>Ökumenisches</strong> <strong>Büro</strong> für Frieden <strong>und</strong> Gerechtigkeit e.V.Pariser Straße 13, 81667 MünchenTelefon: 089 -448 59 45Telefax: 089 - 487673E-mail: <strong>in</strong>fo@oeku-buero.deHomepage: www.oeku-buero.dev.i.S.d.P.:<strong>Ökumenisches</strong> <strong>Büro</strong> für Frieden <strong>und</strong> Gerechtigkeit e.V.Pariser Straße 13, 81667 MünchenInformationsbüro Nicaragua e.V.Friedrich-Ebert-Str.aße141b, 42117 WuppertalDiese Broschüre wurde vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED)<strong>und</strong> von der Stiftung Umwelt <strong>und</strong> Entwicklung NRW gefördert.Danke!<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 57


GlossarAKP-Staaten Gruppe von 77 Entwicklungsländern aus Afrika (49), der Karibik (14) <strong>und</strong> dem Pazifik (14).ALCAÁrea de Libre Comercio de las Américas Gesamtamerikanische <strong>Freihandel</strong>szone ->FTAAARENAAlianza Republicana Nacionalista Rechtspartei <strong>in</strong> El SalvadorASCAlianza Social Cont<strong>in</strong>ental Zusammenschluss nord- <strong>und</strong> südamerikanischer NGOsATCAsociación de Trabajadores del Campo Landarbeitergewerkschaft <strong>in</strong> NicaraguaATTACAssociation pour une Taxation des Transactions f<strong>in</strong>ancières pour l’Aide aux Citoyens et CitoyennesInternational organisierte globalisierungskritische BewegungCAFTACentral America Free Trade Agreement <strong>Freihandel</strong>szone USA / <strong>Zentralamerika</strong> ->KastenCDCCentro para la Defensa del Consumidor Salvadorianisches VerbraucherschutzzentrumCONICCoord<strong>in</strong>adora Nacional Indígena y Campes<strong>in</strong>a Guatemaltekische Indigena- <strong>und</strong> BauernorganisationCUCComité de Unidad Campes<strong>in</strong>a Guatemaltekische BauernorganisationCUTCentral Unitaria de Trabajadores Kolumbianischer GewerkschaftsverbandFENACOOP Federación Nacional de Cooperativas Agropecuarias y Agro<strong>in</strong>dustriales Nicaraguanischer KooperativenverbandFMLNFrente Farab<strong>und</strong>o Martí para la Liberación Nacional ehemalige Befreiungsbewegung <strong>und</strong> heutige l<strong>in</strong>kePartei <strong>in</strong> El SalvadorForoMesoamericano Mittelamerikanisches Forum, Zusammenschluss von NGOsFSLNFTAAGATSHIPCIWFMAIMaquilaMERCOSURMesoamerikaMonitor<strong>in</strong>gNAFTANGO=NRONLCOECDPPPRMALCSIMETRISSSSTISSSUNAGUNESTLCWRAPWTOFrente Sand<strong>in</strong>ista de Liberación Nacional Befreiungsbewegung <strong>und</strong> seit der sand<strong>in</strong>istischen RevolutionPartei <strong>in</strong> NicaraguaFree Trade Area of the Americas Gesamtamerikanische <strong>Freihandel</strong>szone -> ALCAGeneral Agreement on Trade <strong>in</strong> Services Allgeme<strong>in</strong>es Abkommen über Handel mit DienstleistungenHeavily Indebted Poor Countries Entschuldungs<strong>in</strong>itiative für die hochverschuldeten armen LänderInternationaler WährungsfondMultilateral Agreement on Investment Multilaterales Abkommen über InvestitionenWeltmarktfabriken <strong>in</strong> Mexiko <strong>und</strong> <strong>Zentralamerika</strong>Mercado Comun del Sur Südamerikansche Zollunion zwischen Argent<strong>in</strong>ien, Brasilien, Paraguay <strong>und</strong>UruguayTeil Mittelamerikas, der den Süden Mexikos, Guatemala, Belize, Honduras, El Salvador, Panama,Nicaragua <strong>und</strong> Costa Rica umfasst.ÜberwachungNorth American Free Trade Agreement Nordamerikansiche <strong>Freihandel</strong>szoneNon Governmental Organization Nicht-RegierungsorganisationNational Labor Committee US-Amerikanische NGO, die im Bereich der MaquilaIndustrie arbeitetOrganization for Economic Cooperation and Development Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit <strong>und</strong> EntwicklungPlan Puebla Panamá -> KastenRed Mexicana de Acción Frente al Libre Comercio Zusammenschluss mexikanischer NGOsS<strong>in</strong>dicato de Médicos Trabajadores del Instituto Salvadoreño del Seguro Social Salvadorianische Gewerkschaftder ÄrztInnen des Sozialversicherungs<strong>in</strong>stitutsS<strong>in</strong>dicato de Trabajadores del Instituto Salvadoreño del Seguro Social Salvadorianische Gewerkschaft derAngestellten des Sozialversicherungs<strong>in</strong>stitutsUnión Nacional de Agricultores y Ganaderos Nicaraguanischer Kle<strong>in</strong>bauernverbandUnidad Ecológica Salvadoreña Salvadorianische UmweltschutzorganisationTratado de Libre Comercio <strong>Freihandel</strong>svertragWorldwide Responsible Apparel Production Internationale Organisation, die <strong>in</strong> der TextilproduktionZertifikatefür die E<strong>in</strong>haltung von Sozial- <strong>und</strong> Umweltstandards vergibtWorld Trade Organisation Welthandelsorganisation58 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>

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