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Fachzeitschrift des Verbandes Deutscher Schullandheime e. V.

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– Zur Diskussion gestellt – Sind wir schon wieder so weit?<br />

Jede Leserin und jeder Leser dieser<br />

Zeitschrift wird bemerkt haben, dass<br />

sich ein Thema durch viele Beiträge<br />

gezogen hat:<br />

Die Verteidigung unserer Demokratie<br />

und die Frage, wer hier eigentlich in<br />

der Verantwortung steht.<br />

Mich haben diese Aussagen dazu<br />

bewogen, noch kritischer in meine<br />

eigene Umgebung zu schauen und<br />

dabei hat mich teilweise ungläubiges<br />

Entsetzen erfasst. Ich möchte das an<br />

einigen Beispielen erläutern.<br />

Ich arbeite als Schulrat für Grundschulen<br />

im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg<br />

und begleite in dieser<br />

Tätigkeit eine meiner Grundschulen<br />

in der schwierigen Situation, dass<br />

viele Schülerinnen und Schüler, die<br />

eigentlich im Einzugsbereich wohnen,<br />

von den Eltern an anderen Schulen<br />

angemeldet werden. Der Grund:<br />

Der hohe Anteil von Kindern mit<br />

Migrationshintergrund (z.Zt. 80%).<br />

Die Fakten: Die Schule unternimmt<br />

viel, um die Eltern zu informieren. Sie<br />

hat nach einer Schulinspektion ein<br />

überdurchschnittlich gutes Ergebnis<br />

zurückgemeldet bekommen. Mehr<br />

als 80% der Kinder bestehen vor der<br />

Einschulung den Deutschtest. Als<br />

gebundene Ganztagsschule bietet<br />

sie den Kindern von 7:30 bis 16:00<br />

Uhr ein vielfältiges Angebot.<br />

Ich nahm daher an einem Elternabend,<br />

zu dem kürzlich die Schule alle<br />

Eltern (140 Familien) der Schulanfänger<br />

<strong>des</strong> kommenden Schuljahres<br />

eingeladen hatte, teil. Es waren etwa<br />

35 Familien, meist mit Migrationshintergrund,<br />

gekommen. Vor diesem<br />

Publikum stellte eine Mutter (selbstbeschrieben<br />

als bildungsorientiert)<br />

fest, dass es doch logisch sei, dass<br />

man vor einer solchen Schule flüchte,<br />

weil die Mischung in den Klassen<br />

nicht stimme. Dann fragte sie mich,<br />

was ich als Schulaufsicht zu tun<br />

gedenke, damit diese Mischung verbessert<br />

wird. Ich konnte ihr nur fassungslos<br />

antworten, dass die Fähigkeiten<br />

der Kinder nicht von ihrer ethnischen<br />

Herkunft abhängen und die<br />

Mischung ja stimmen würde, wenn<br />

nur alle deutschen Eltern ihre Kinder<br />

anmeldeten. Die von mir anschließend<br />

dargestellten Fakten bis hin zu<br />

den Übergängen auf das Gymnasium<br />

interessierten die Mutter nicht.<br />

Wieso wird bei uns ein unverhohlener<br />

Rassismus ausgelebt, obwohl<br />

die Integration der Mehrheit dieser<br />

Menschen bestens stattgefunden<br />

hat, wie ein glühen<strong>des</strong> Plädoyer<br />

einer jungen türkischen Mutter für<br />

diese Schule im besten Deutsch<br />

im Anschluss an diese Diskussion<br />

zeigte?<br />

Gleichzeitig finde ich folgende Meldungen<br />

(alle in der Berliner Zeitung<br />

v. 12.10.):<br />

„Herr Seehofer fühlt sich in seinen<br />

Äußerungen zum Zuzug missverstanden.“<br />

„Wir sind ein Team“, Fußballbegeisterte<br />

Mädchen aus Israel und<br />

Palästina kommen auf Trainingsbesuch<br />

nach Berlin. Der Artikel<br />

beschreibt eindrucksvoll die Probleme<br />

und Lösungsansätze in diesem<br />

schwierigen Verhältnis.<br />

„Wortmonster im Kulturkampf“<br />

Textauszug: „Die schwadronierenden<br />

Politiker müssen sich fragen<br />

lassen, ob sie Deutschland als offene<br />

und moderne Gesellschaft wollen,<br />

die wirtschaftlich leistungsfähig und<br />

kulturell attraktiv ist. Wenn sie für<br />

letztere eintreten, müssen sie keinem<br />

verklärten Multikulturalismus<br />

das Wort reden. Aber sie können<br />

auch nicht länger so tun, als ließe<br />

sich das Staatswohl am Flughafencounter<br />

regulieren. Jugendliche mit<br />

und ohne Migrationshintergrund<br />

schießen schöne Tore, treten aber<br />

manchmal auch auf der Straße Autospiegel<br />

ab. Über bei<strong>des</strong> sollte man<br />

reden. Begriffe wie Kulturkreis und<br />

Deutschenfeindlichkeit helfen da<br />

nicht weiter.“<br />

„Der weiße Speckgürtel“, Reiche<br />

New Yorker Vororte wehren sich<br />

gegen den Zuzug von Schwarzen.<br />

„Wowereit nimmt junge Migranten<br />

in Schutz“<br />

Das sind nicht mal alle Artikel,<br />

die sich an einem Tag (hier dem<br />

12.10.2010) aus unterschiedlichster<br />

Weise mit den Fragen beschäftigen,<br />

die eigentlich längst geklärt sind. Es<br />

ist in Deutschland ein Grundrecht,<br />

dass kein Mensch wegen seiner<br />

Religion, Herkunft, sexueller Orientierung<br />

oder Weltanschauung bevorzugt<br />

oder benachteiligt werden darf.<br />

Wie kann es dann nach einer Umfrage<br />

der Friedrich-Ebert-Stiftung in<br />

Deutschland sein, dass 25% der<br />

Befragten sich eine Diktatur mit völkischem<br />

Hintergrund wünschen oder<br />

vorstellen können?<br />

Es ist Zeit, dass wir alle an jeder Stelle<br />

furchtlos den Mund aufmachen,<br />

wenn Fremdenfeindlichkeit geduldet<br />

und unterstützt wird, sei es durch<br />

entsprechende Witze oder durch<br />

intellektuell verbrämte Argumentationsketten,<br />

die alle nur darauf abzielen,<br />

Stimmung mit Verallgemeinerungen<br />

zu machen.<br />

Und es ist Zeit, dass unsere Gesellschaft<br />

ihre Aufgabe ernst nimmt und<br />

sich um alle Menschen kümmert.<br />

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