INTERVIEWzun gen. Man fand die Leute absolutfriedlich im Sessel, noch mit Stricknadelnoder der Zeitung im Schoss.Untersuchungen mit Helium zeigen:Der Sterbende verliert schnell dasBewusstsein und spürt gar nichts.Aber Achtung: Wenn der Suizidentneben dem Helium noch ein bisschenLuft einatmet, weil er etwa eineundichte Maske statt einer Rundumhülleverwendet, kann die Helium-Luft-Mischungim bewusstlosenZustand noch zu Zuckungen führen.Das könnten unwissende Begleiterals Schmerzen interpretieren.Das Buch ist kompliziert geschrieben.Wir wollten es so sorgfältig wiemöglich machen. Grundsätzlich istes aber für Laien.Weckt Ihr Buch falsche Hoffnungen?Das Zusammenkaufen der Medikamenteist doch schwierig.Kaufen Sie nicht im Internet! Es gabMenschen, die machten alles richtig– und schliefen nicht einmal ein. Ihnenwar Placebo untergejubelt worden.Besser also in Apotheken. BeiKranken müssen Angehörige helfen.Barbiturate erhält man kaummehr. Die neuen Malariamittel sindnicht tödlich. Ja, es ist aufwändig,deshalb rate ich zum Sterbefasten.Sie raten im Buch auch klar zumBeizug eines Arztes. Doch wie findetman den?Ich rate, sich dem Hausarzt anzuvertrauen,der hat oft Verständnis.Doch in der Schweiz haben heuteviele Menschen keinen langjährigenHausarzt mehr. Wer in einemkatholischen Dorf mit nur zweiÄrzten sucht, dürfte es schwerhaben.Wie stellen Sie sich zum Vorwurf,mit Ihrem Buch Suizide zu fördern?Das glaube ich entschieden nicht.Es hat sich gezeigt, dass das vielverkaufte US-Buch «Final <strong>Exit</strong>» dieSuizidrate nicht beeinflusste. UnsereMethoden sind aufwändig.Gerade Junge würden das nie aufsich nehmen, sondern eine schnelle,wenn auch gewaltsame Methodewählen. Deshalb kennen wir auchkeine Cool-Off-Periode. Wir versendendas Buch direkt nach Bestellungseingang.Bis Sie alle Medikamentezusammenhaben, vergehenohnehin Wochen. Ein Sterbewilligermuss sich also sowieso intensivmit dem Todeswunsch auseinandersetzen.Bestellinfos:www.wozzstiftung.deSPEZIALIST MIT 30 JAHREN ERFAHRUNGDr. med. Pieter Admiraal – Anästhesist im Ruhestand, Mitglied desKomitees für Ärztliche Tötung auf Verlangen der Königlichen NiederländischenGesellschaft für Pharmazie, weltweit anerkannter Sterbehilfespezialist,bekannt aus dem TV – über die Anfänge des Buchs:«Ich war als junger holländischer Arzt in der Schmerzbekämpfung tätig.Darüber kam ich schon in den 70ern zur Sterbehilfe. Damals erkannteich: Nach allen Behandlungen wird es am Ende in gewissen Fällen dochdie aktive Sterbehilfe brauchen. 1978 bat mich ein Verleger, ein Kapitelüber Sterbehilfe im Spital zu verfassen. Es wurde an 70 000 Ärzte, Apotheker,Medizinalpersonen versandt. Wir haben auf die Polizei gewartet – sieist nicht gekommen. In der Königlichen Gesellschaft für Pharmazie habenwir 1985 dann Methode und Medikamentenmix für die aktive Sterbehilfeentwickelt. Das wurde in die ganze Welt übernommen und gilt heute alsStandard.Ich merkte, dass es kaum Literatur gab. Wir zogen Fachleute bei undverfassten das Buch, das wissenschaftlich ist, aber von Laien verstandenwird.»KOMMENTARZurück zu gesundemMenschenverstandBanken behindern die Distributiondes Buchs «Wege zum selbstbestimmtenSterben». Ärzte wolleneinem Teenager eine Operationaufzwingen. Eine Frau mussRichter um Straffreiheit für ihrenMann anflehen, damit er ihr beimSterben beistehen kann. Ein Vaterkämpft dafür, dass die Maschine,die seine komatöse Tochter am«Leben» erhält, abgeschaltet wird.Aus dem Ausland sind wir solcheMeldungen gewohnt. Dochauch die liberale Schweiz ist nichtgefeit.Ein Freitodbegleiter muss vierJahre hinter Gitter. EvangelischePolitiker wollen Verhältnisse wiein Deutschland (wo der «Sterbetourismus»herkommt). Gemeinde rätesehen den Tod als «ideelle Immission».Der Presserat verbietet denMedien, Details zur Sterbehilfepublik zu machen.EXIT als seriös und offen agierenderVerein ist von keiner dieserSchlagzeilen betroffen. Die Tendenztrifft vielmehr die Bevölkerung,die mehrheitlich hinter derSterbehilfe steht: Die menschlicheHandhabung bei Schmerzen undvorzeitigem Tod soll bürokratisiertund erschwert werden.Die Motive der Verhinderer –neuerdings sogar aus dem Fachhochschulmilieu– sind kaum nach -vollziehbar.Die Schweiz braucht eine Abkehrvon Emotionen und die Rückkehrdes Verstands. Wie das geht,zeigt der Kanton Zürich, der einepraktikable Regelung anstrebt. Gefragtist nun auch JustizministerinWidmer-Schlumpf.BERNHARD SUTTER16 EXIT 4/2008
WELTKONGRESS PARISRight-to-die-Societiessollen schlagkräftigerwerdenDie World Federation of Right-todie-Societieshat vom 30. Oktoberbis 1. November ihren alle zweiJahre stattfindenden Weltkongressin Paris abgehalten. Diesem seit1980 bestehenden Dachverband gehören44 Sterbehilfeorganisationenaus 26 Ländern an.Die scheidende Präsidentin, JacquelineHerremans aus Belgien, verwiesin ihrer Ansprache auf die inder Vergangenheit erzielten Erfolgeund rief die Mitglieder dazu auf, derWeltorganisation in Zukunft mehrfinanzielle Mittel zur Verfügung zustellen, um mit mehr Durchschlagskraftwirken zu können.Ein von Rob Jonquiere, Ex-Direktorder holländischen Sterbehilfeorganisation,vorbereitetes Arbeitspapierwurde einstimmig genehmigt.Es sieht vor, dass in den nächstenMonaten eine Arbeitsgruppe (Mitwirkungvon EXIT erwünscht) dieheutige Situation mit einer Weltundeiner Europavereinigung überprüftund Vorschläge über die zukünftigeStruktur, die Ziele und dieFinanzierung macht. Dabei solleneine oder beide der heute bestehendenVereinigungen durch eine neue,unbürokratisch, aber professionellgeführte Organisation ersetzt werden.Turnusgemäss übernahm JuanMendoza, ein Arzt aus Kolumbien,das Präsidium für die nächstenzwei Jahre.Im Mittelpunkt der Tagung standein Informationsaustausch der Mitgliederüber die gesetzliche Regelungin ihren Ländern. Daran nahmauch Laurent Fabius, ehemaligerPremierminister von Frankreich,teil. Er beabsichtigt, zusammenmit Gleichgesinnten im Parlamenteinen neuen Gesetzesentwurf zurSterbehilfe einzubringen.Der nächste Weltkongress wirdvoraussichtlich in Israel in zweiJahren stattfinden.JEAN-CLAUDE DÜBYElke Baezner wirdDGHS-PräsidentinNach dem Weltkongress ist dieVorsitzende der European Rightto-die-Society,die ehemalige EXIT-Präsidentin Elke Baezner, vorzeitigzurückgetreten.Der Grund liegt in der Zusammenarbeitmit dem Weltverband.Dieser sei wenig effizient, und dieeuropäischen Gesellschaften hättenzu wenig von ihm. Zudem ist Baeznerder angestrebten Supra-Strukturgegenüber skeptisch. Im Rücktrittsschreibenruft sie dazu auf, zu deneigenen Wurzeln zurückzukehren(Back to the roots!). Wegen ungünstigerMehrheitsverhältnisse trat sieper sofort vom Amt zurück. DieNachfolge war noch nicht bestimmt.Elke Baezner, die auf 22 Jahre Erfahrungbei EXIT und der Right-todie-SocietyEurope zurückblickt, istnun zur Präsidentin der DeutschenGesellschaft für Humanes Sterbengewählt worden. Die schweizerischdeutscheDoppelbürgerin aus Genfbleibt Mitglied im Patronatskomiteevon EXIT.FRANKREICH STREITET WEITERDer Weltkongress in Paris hatte den katholischen Feiertag Allerseelenzum «Welttag für das Sterben in Würde» ausgerufen. Darob und an derTeilnahme des Ex-Premiers sowie des Pariser Bürgermeisters entzündetesich in Frankreich der politische Sterbehilfestreit erneut. Dieserhatte seinen traurigen Höhepunkt erreicht, als im Frühling 2008 eineFrau mit von Krebs zerfressenem Gesicht Präsident Nicolas Sarkozyvergebens um Sterbehilfe anflehte.Euthanasie-Befürworter und -Gegner unter Frankreichs Parlamentsabgeordnetenkritisierten sich gegenseitig scharf. In die hitzige Debatteschalteten sich Mediziner ein, welche die Einrichtung von Lehrstühlenfür Palliativmedizin forderten.Aktive Sterbehilfe ist in Frankreich (wie auch in der Schweiz) eineStraftat. Ärzte dürfen aber die Behandlung unheilbar Kranker sistieren,wenn der Patient es wünscht.EXIT 4/2008 17