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RELIGIONDas Kreuz mit der KircheDie katholische Kirche verdammtFreitodbegleitung. Wastaugen ihre Argumente? Der bekannteEthiker Edgar Dahl hatsie besehen.Ob Empfängnisverhütung, Schwangerschaftsabbruch,künstliche Befruchtungoder embryonale Stammzellenforschung– es gibt kein medizinethischesThema, zu dem dieKirchen sich nicht öffentlich zuWorte melden. Dass Geistliche zumoralischen Problemen unsererZeit Stellung beziehen, ist freilichihr gutes Recht. Dennoch muss derAnspruch, den sie mit ihren Verlautbarungenerheben, verwundern.Wohl nirgends wird dies so deutlichwie in der Debatte um die Sterbehilfe.Die Anhänger der Kirche zugemahnen, dass sie sich nicht zum«Herrn über Leben und Tod» aufschwingen,ist das eine; doch vonMenschen, die der Kirche gar nichtangehören, zu verlangen, dass sie«ihr Kreuz auf sich nehmen und inChristo leiden», ist etwas anderes.Trotz ihrer wenig ruhmreichenGeschichte erhebt die Kirche nachwie vor den Anspruch, Hüterinder Moral zu sein und nicht nurGläubigen, sondern auch Ungläubigenvorschreiben zu können, wiesie zu leben und zu sterben haben.Höchste Zeit also, die Kleriker daranzu erinnern, dass in säkularenGesellschaften, die auf Trennungvon Staat und Kirche beruhen, niemanddas Recht hat, anderen Menschenseine religiösen Werte aufzuzwingen.* * *Das Kreuz mit der Kirche beginntbereits mit ihren armseligen Argumentengegen die Sterbehilfe. Dasgeläufigste lautet bekanntlich, dassGott der alleinige Herr über Lebenund Tod sei und wir daher in dervon ihm beschlossenen Stunde zusterben haben. Wie leicht zu erkennenist, lässt sich diese Forderungnur schwer verteidigen. Denn wennwir tatsächlich in der von Gott bestimmtenStunde sterben müssten,hätten wir nicht nur kein Recht,das Leben todgeweihter Menschenzu verkürzen, sondern auch keinRecht, das Leben todgeweihter Menschenzu verlängern. Schliesslichschwingen wir uns nicht nur beimSuizid und der Euthanasie, sondernauch bei einer Bypassoperationoder einer Organtransplantationzum Herrn über Leben und Tod auf.Im einen wie im anderen Fall sorgenwir dafür, dass die Menschennicht in der von Gott beschlossenenStunde sterben.Ähnlich geläufig ist das Argument,dass unser Leben ein GeschenkGottes sei, über das wir nichtnach Belieben verfügen dürfen. Soanschaulich diese Analogie seinmag, sie ist offenkundig unhaltbar.Um ein Geschenk erhalten zu können,muss man schliesslich zuallererstexistieren. Wenn man nichtexistiert, kann man auch kein Geschenkin Empfang nehmen. Wemgenau könnte Gott also überhauptdas Leben zum Geschenk machen?Selbst wenn es auf wundersameArt und Weise möglich wäre,Nichtexistierenden etwas zu schenken,würde es sich offenbar um einGeschenk handeln, das der Betroffeneweder erbitten noch ausschlagenkonnte. Ein Geschenk aber, das manbuchstäblich nicht ablehnen kann,ist überhaupt kein Geschenk.Wie auch immer, selbst wenn dieAnalogie vom Leben als Geschenkschlüssig wäre, erreichte sie nichtihr Ziel. Denn definitionsgemäss gehendie Verfügungs- und Besitzrechteeines Geschenks stets vom Schenkendenauf den Beschenkten über,so dass dieser mit ihm tun kann,was ihm beliebt. Gewiss kann mandenjenigen, der ein Geschenk wegwirftoder gar vernichtet, der Undankbarkeitbezichtigen; doch niemandwird bestreiten können, dasser zumindest das Recht dazu hat.Das dritte Argument beruft sichauf die Heilige Schrift. In der Bibelwird alles in allem von neunSelbsttötungen berichtet; die bekanntestenbetreffen Abimelech,Samson, Saul und natürlich Judas,der sich, wie es bei Matthäus heisst,aus Reue über den Verrat an Jesuserhängt habe. In keinem dieser Berichte,nicht einmal in dem über Judas,wird die Selbsttötung auch nurmit einer einzigen Silbe missbilligt.Da sich also weder im Alten nochim Neuen Testament ein moralischesUnwerturteil über den Suizidfindet, sahen sich die Kirchenväterim vierten und fünften nachchristlichenJahrhundert denn auch zueinem Sophismus genötigt. So interpretierteAugustinus das FünfteGebot «Du sollst nicht töten» kurzerhandso um, dass es fortan auchdie Selbsttötung einschloss. Auchwer sich selbst tötet, töte einenMenschen, meinte er. Damit hatteer freilich recht. Dennoch lässt sichder definitorische Trick, dessen ersich hier bediente, kaum übersehen.Dies wird spätestens dann offenkundig,wenn wir berücksichtigen,dass das Fünfte Gebot eigentlich«Du sollst nicht morden!» lautet.Und mit Morden war auschliesslichdie Tötung der Mitglieder desVolkes Israels gemeint, nicht aberdie Tötung von Midianitern, Kanaanitern,Amoritern, Jebusitern oderHetitern. Nicht von ungefähr ruftdaher ja auch sogar Jahwe höchstpersönlichimmer wieder zur Tötungauf: «So spricht der Herr derHeerscharen: Schlage Amalek undvollstrecke den Bann an ihm undallem, was er hat; schone seinernicht, sondern töte Männer undFrauen, Kinder und Säuglinge.» (1.Samuel 15, 27).Dass das Fünfte Gebot nichtjedwede Tötung ausschliesst, wirdauch dadurch deutlich, dass die Kirchendie Tötung von Menschen zumindestim Falle der Notwehr unddes Verteidigungskrieges durchaus18 EXIT 4/2008

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