PRESSESCHAUDie Diskussion wurde politisch, siewird jetzt in den politischen Gremiengeführt. Es gibt viele Vorstössein den Eidgenössischen Räten undKantonsparlamenten, die gesetzlicheRegeln fordern. Wir von <strong>Exit</strong>begrüssen das. Jetzt haben wir nurdie Regelung im Strafgesetzbuch.Beobachten sie eine Stimmungsveränderungin der Bevölkerung?Nein. Es werden in der Schweiz vonverschiedenen Seiten Meinungsumfragenzum Thema Sterbehilfedurchgeführt. Das Ergebnis istimmer dasselbe: Etwa 75 Prozentder Befragten befürworten die Sterbebegleitung.Die Mitgliederzahlvon <strong>Exit</strong> steigt; sie liegt jetzt über50’000.NZZONLINE VOM 4. NOVEMBER2008,Interview awyDie NZZ kommentiert das Ganzeunter dem Titel «Sterbehilfe-Studienicht überinterpretieren»:[…] Jetzt zu erwarten, dass einemdie Forscher den Weg aufzeigenkönnten, wie wir, die Gesellschaft,mit dem assistierten Suizid in Zukunftumgehen wollen, wäre verfehlt.Wir selber müssen uns darüberklarwerden, ob wir weiterhineine liberale Praxis der Sterbehilfewollen – oder eben nicht. Auf Tatsachen,die dazu zwingen würden,die Regeln sofort zu ändern, sinddie Forscher auf alle Fälle nichtge stossen: Alle untersuchten Fällefanden im Rahmen der vom Strafgesetzbuchgesetzten Grenzen statt.Alt Bundesrat Christoph Blocherhatte sich – anders als viele Politikerund einige Staatsanwälte – gegeneine weitere Regulierung derSterbehilfe auf Bundesebene ausgesprochen.Seine Nachfolgerin imAmt, Eveline Widmer-Schlumpf,hingegen hat das Dossier nochmalsaus der Schublade geholt, Hearingsmit verschiedenen Kreisen durchgeführtund will im kommenden JahrBericht über den Stand der Dingeabstatten. Dies wird wiederum zueiner notwendigen Debatte zu unseremUmgang mit dem Tod undmit hochbetagten Menschen führen.Doch der Bundesrat muss guteGründe vorweisen können, wenner die bisherige Praxis ändern will.Denn nicht nur das Selbstbestimmungsrechtvon Gesunden, sondernauch dasjenige von Kranken und sogenannt Lebensmüden ist eines derhöchsten Güter, die wir zu verteidigenhaben.NZZ VOM 5. NOVEMBER 2008,Kommentar hofSogar gewöhnlichen Bürgern istaufgefallen, dass mit der Studie etwasnicht stimmt. Diese Leserbriefschreiberinstösst sich daran, dassForschende im Nachhinein über dieMotive von Verstorbenen urteilen:Die angeblich rein wissenschaftlicheNationalfonds-Studie widersprichtsich schon in den eigenen Aussagen.Einerseits seien wissenschaftlicheDaten erhoben worden, da dieDebatte zu emotional geführt wird.Andererseits wird festgehalten, dassimmer mehr Lebensmüde, nichtTodkranke, in den Tod begleitetwer den und Gesuche nicht sorgfältiggeprüft würden. Deshalb seieine strenge Reglementierung angezeigt.Konnten die Beteiligten sowohlLebensmüdigkeit als auch dieQualität der Gesuchsbearbeitungaus den Daten lesen? Wollen sichnicht eher ein paar Exponenten inAnti-Sterbehilfepolitik engagierenund versuchen, Bundesrätin Widmer-Schlumpfnegativ zu beeinflussen?Natürlich finde ich Sterbetourismusnicht ideal. Ich verstehe jedochMenschen, die nicht nur sterbenskranksind, sondern ihr Lebenaufgrund unheilbarer Krankheitenals unerträglichen Kampf empfinden.Darum wollen sie diesem Lebenmit Anstand entfliehen. Esdürfte sich selten jemand leichtfertigdazu entschliessen, die Diensteeiner Sterbebegleitorganisation anzunehmen, und es muss hinterfragtwerden, wer entscheiden soll, wannjemand freiwillig und begleitet ausdem Leben scheiden darf. Der Arzt?Der Staat? Der Leidende? Das kannwohl nur Letzterem zustehen! Auchdie strikteste Reglementierung wirdeinen Sterbewilligen nicht vom finalenSchritt abhalten. Es wird lediglichdazu führen, dass dieser denletzten Gang weder in Gesellschaftnoch mit einem sicher wirkendenMittel in Angriff nehmen kann. […]TA VOM 10. NOVEMBER 2008,Brief Regula Schär24 EXIT 4/2008
PRESSESCHAUWirbel um Asche im ZürichseeAm Seeufer ist Asche gefunden worden. Ein Zeuge und die Medien glauben, es handle sich um Reste von Seebestattungendurch die Sterbehilfeorganisation Dignitas. Diese Vermutung hat Ende Herbst viele Schlagzeilen ausgelöst.[…] Zeuge der Entsorgungsaktionwar ein Hausbesitzer, dessen Grundstücksich in Ufernähe befindet. Erwill anonym bleiben. Der Mann beobachtete,wie ein Unbekannter mitschwarzem Mantel und eine korpulenteFrau in der Nähe des Seeufersdamit beschäftigt waren, Graburnenaus Styroporschachteln auszupacken.«Die wollten Asche in den Seeschütten», sagte der Hausbesitzergegenüber der «Zürichsee-Zeitung».Als er die beiden fragte, ob sie vonDignitas seien, bejahten sie dies. Obsie die Entsorgung wirklich vollzogen,ist unklar. Im Lieferwagen hättensich rund 20 Urnen befunden.Die Sterbehilfeorganisation antwortetenicht auf eine Anfrage. <strong>Exit</strong>,eine andere Sterbehilfeorganisation,verneint, etwas mit der Aktionzu tun zu haben. «<strong>Exit</strong> hat keinenEinfluss auf die Bestattungsart undbietet auch keinerlei solche Dienstleistungenan», sagt VorstandsmitgliedBernhard Sutter.[…] Rechtlich sind Seebestattungennicht klar geregelt. Das Gewässerschutzgesetzschreibt lediglichvor, dass wasserverunreinigendeStoffe nicht eingelassen werden dürfen.Das kantonale Amt für Abfall,Wasser, Energie und Luft (Awel)erteilt einzelne Bewilligungen fürBestattungen im See. GewerbsmässigeBestattungen will das Awelaber verbieten. […] Zahlen überdiese Bestattungsart sind keine erhältlich.Der Betreiber eines Seetaxissagt, dass er höchstens einmaljährlich einen solchen Auftrag erhalte.Nur ganz vereinzelte Bestattungsunternehmerbieten diesenService an.TA VOM 10. OKTOBER 2008,Artikel Benno Gasser[…] Der Ethiker Klaus Peter Rippespricht über angebliche Seebestattungen,den Tod und die Beihilfezum Suizid.Herr Rippe, haben die Schweizer verglichenmit anderen Nationen einunterschiedliches Verhältnis zumTod?Nein, das glaube ich nicht. Bei dermomentanen Diskussion um Seebestattungengeht es weniger umdas Verhältnis zum Tod als vielmehrum das Verhältnis zu Dignitas.Viele Menschen, die Sterbebegleitungbefürworten, lehnen Dignitastrotzdem ab.Warum bricht jedes Mal grosse Aufregungaus, wenn der Name Dignitasfällt?Das liegt nicht allein an der Beihilfezum Suizid, sondern an Dignitasselbst. Es gibt ja auch die Organisation<strong>Exit</strong>, die nicht negativ auffällt.Dignitas aber schöpft immerwieder die Grenze des rechtlichMöglichen aus. Es fehlt die moralischeSen sibilität. Das ist es, wasden schlechten Eindruck hinterlässt.[…]Hat es auch etwas mit der Form derBestattung zu tun?Ich denke, die Bevölkerung hatnicht generell etwas gegen Seebestattungen.Die Zahl der bestattetenUrnen ist das Problem. Handeltees sich um einen Angehörigen,der eine ein zelne Urne voll Aschebestattet, wäre die Reaktion ganzanders. Aber hier entsteht ein Entsorgungseindruck.Man entsorgtTote wie irgendeine andere Ware.Diese Pietätlosigkeit gegenüberToten erzeugt das momentane Unbehagen.Das Gesundheitsgesetz verbietet «unschicklichenUmgang mit Leichenasche».Was ist für Sie als Ethikerunschicklich?Unschicklich ist, was ich als pietätlosbezeichnet habe. Es ist mangelnderRespekt gegenüber einemToten. Wenn zwanzig Urnen gleichzeitigim See ausgeleert werden,fragt man sich, ob das noch demWunsch der Toten entspricht. […]Handelt es sich um ein grundsätzlichesProblem mit Sterbehilfe?Nein, das denke ich nicht. Im Gegenteil,die Befürwortung der Beihilfezum Suizid ist in der Schweiznicht kleiner geworden, trotz allder negativen Vorkommnisse rundum Dignitas. Überraschend ist dieTatsache, dass Sterbehilfe befürwortetwird, solange es sich umSchweizer handelt. Dass Ausländerin die Schweiz kommen, weilSterbe hilfe in ihrem Land nicht erlaubtist, wird hingegen abgelehnt.Das ist die Angst, dass Sterbehilfezum Geschäft wird, die hier mitspielt.Warum ist Sterbehilfe in vielenSchweizer Nachbarländern verboten?Das hat kulturelle und historischeGründe. Italien und Spanien sindkatholische Länder, in Deutschlandliegt es an der Geschichte. In Italiendiskutiert man zurzeit über passiveSterbehilfe, also das Abstellen vonlebenserhaltenden Geräten. Es wärewünschenswert, wenn auch andereLänder Sterbehilfe erlauben würden.Die Angst der Menschen, dassman länger leben muss, als manwill, ist in allen Ländern da.TA VOM 18. OKTOBER 2008,Interview Petra SchanzEXIT 4/2008 25