<strong>LVR</strong>-<strong>Klinikum</strong> <strong>Düsseldorf</strong> - Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie – Allg. Psychiatrie 1"Behavior" ist das englische Wort für "Verhalten". Mit "Verhalten" ist allerdings nicht nur gemeint, wie wirhandeln, sondern auch alle Gedanken, Gefühle und körperlichen Empfindungen, die mit unseren Handlungenverbunden sind.Manche Menschen verbinden Verhaltenstherapie immer noch zu Unrecht mit Hundedressur, Erziehungdurch Strafen oder oberflächlichem Arbeiten an Symptomen. Vorurteile gegenüber der Verhaltenstherapiebesagen, dass durch die Verhaltenstherapie das innere Erleben nicht erreicht würde; Veränderungen nuroberflächlich oder von kurzer Dauer seien, solange nicht der Schwerpunkt der Psychotherapie bei den Ursachenund Entstehungsbedingungen der Störung liege. Das ist etwa so, als ob man einem Schwimmer, dergerade von einer Strömung abgetrieben wird und droht, ins offene Meer hinausgespült zu werden, hilft,darüber nachzudenken, wie es gekommen ist, dass er sich so unvorsichtig ins Wasser begeben hatte, dasser die Sturmwarnung übersehen und sich offensichtlich überschätzt habe. Dies mag alles wichtig sein, undes wird ihm helfen, sich zukünftig anders zu verhalten, zunächst bedarf es aber anderer Hilfe, um das Überlebenzu sichern.Die moderne Verhaltenstherapie geht davon aus, dass jedes Problemverhalten zwar irgendwann erlerntwurde, ab einem bestimmten Zeitpunkt wird die "Symptomatik", also der Versuch, die anstehenden Problemezu bewältigen, aber zum eigenständigen, manchmal lebensbedrohlichen Problem und muss direktangegangen werden. Bei der Bearbeitung dieser vordringlichen Symptomatik werden in aller Regel Gefühleund Gedanken freigesetzt, die Hinweise geben auf die zu Grunde liegenden Prozesse, die dann bearbeitetwerden. Verhaltenstherapeutische Methoden helfen Patient und Therapeuten, Zusammenhänge sehr klarund präzise zu analysieren. Das heißt zu unterscheiden zwischen belastenden Bedingungen, auslösendenUrsachen (Gedanken, Gefühlen oder körperlichen Phänomenen, die den entsprechenden Handlungen vorausgehen)und den Konsequenzen eines Handelns, die sehr häufig dafür sorgen, dass das Verhalten sichwiederholen wird. Durch die detaillierte Analyse des Problemverhaltens ermöglicht die Verhaltenstherapiegezielte und manchmal auch schnelle Veränderungen. In aller Regel werden erst durch diese Veränderungendie zugrunde liegenden Konzepte, Bewertungsmuster und Problembereiche aktiviert und deutlich, undkönnen dann weiter bearbeitet werden. Die kognitive Verhaltenstherapie konzentriert sich in dieser zweitenEbene immer auf diese Grundannahmen der Patientin über sich selbst und ihre Rolle in der Welt, um sodauerhafte Veränderungsprozesse einzuleiten.Welche Rolle spielen Medikamente in der Behandlung?Obwohl die psychotherapeutische Behandlung bei der <strong>Borderline</strong>-Störung an erster Stelle steht, wird häufigunterschätzt, dass zahlreiche Symptome durchaus medikamentös beeinflusst werden können. Bisweilen istder Einsatz von Medikamenten sogar unerlässlich. Eine spezifische Behandlung der <strong>Borderline</strong>-Störung mitMedikamenten gibt es nicht, gleichwohl lassen sich bestimmte Symptome der <strong>Borderline</strong>-Störung teilweisesehr gut mit Medikamenten behandeln.Die Beeinflussung von psychischen Erkrankungen mit so genannten Psychopharmaka ist eine verhältnismäßigjunge Entwicklung, denn erst in den fünfziger Jahren kamen die ersten wirksamen Psychopharmaka aufden Markt. Nach einer anfänglichen Euphorie über die damit erschlossenen Möglichkeiten folgte sehr eineErnüchterung wegen der zum Teil erheblichen Nebenwirkungen. Mittlerweile wird einer psychopharmakologischenBehandlung von vielen Patientinnen mit Skepsis begegnet. Auch wenn ein kritischer Umgang mitPsychopharmaka angebracht ist, kann ihr Einsatz doch in vielen Fällen eine deutliche Erleichterung bewirken.In den letzten Jahren ist eine Vielzahl neuer und teilweise sehr spezifischer Präparate entwickelt worden.Zur besseren Übersichtlichkeit werden die Medikamente Hauptgruppen zugeordnet, wie sie in deruntenstehenden Tabelle dargestellt sind. Der Einsatz bei <strong>Borderline</strong>-Störungen richtet sich nach den Zielsymptomen,die durch das Medikament beeinflusst werden sollen. Die Veränderung der Zielsymptomeerlaubt die Kontrolle der Medikamentenwirkung. Die einzelnen Psychopharmaka wirken gegen bestimmteSymptome oder Symptomkonstellationen, so genannte Syndrome. In Absprache mit den Ärzten muss diejeweilige Medikation sorgfältig besprochen werden und Wirkungen wie Nebenwirkungen müssen kurzfristigberücksichtigt werden. Auch die Möglichkeiten eines zufälligen Zusammentreffens von Medikamenteneinnahmeund Besserung oder Beschwerden muss berücksichtigt werden.Einige Medikamente, besonders Lithium und Valproat, sind deutlich embryotoxisch (schädigend für einungeborenes Kind) und bei allen Medikamenten besteht ein potentielles Risiko für Missbildungen oder- 12-
BORDERLINE-STÖRUNG - EIN INFORMATIONSBLATT FÜR BETROFFENE UND ANGEHÖRIGEFehlgeburten bei Schwangerschaften. Vor einer Medikation muss die Frage der Empfängnisverhütung daherberücksichtigt und sorgfältig besprochen werden.Menschen mit einer <strong>Borderline</strong>-Störung entwickeln häufig die Symptome einer schweren Depression, siesind über Tage hinweg zutiefst niedergeschlagen, liegen die meiste Zeit des Tages grübelnd im Bett, könnennachts kaum schlafen und sich nicht mehr aufraffen, aus dem Haus zu gehen. Dadurch können sie nichtmehr ihrer Arbeit nachgehen, die ihnen sonst eigentlich Spaß gemacht hat, verlieren eventuell sogar ihrenArbeitsplatz. Sie sagen alle Verabredungen ab, die ihnen eigentlich wichtig waren, isolieren sich immer weiterund können immer weniger am Leben teilnehmen. So kann es zu einem Teufelskreis kommen, der fürDepressionen typisch ist: wegen der depressiven Symptome isoliert sich die Betroffene immer weiter, wasdie Depression verstärkt, was zu weiterer Isolation führt …Eine medikamentöse Behandlung der Depression kann in solch einer Situation sinnvoll oder sogar medizinischnotwendig sein, um aus der "Depressionsspirale" herauszukommen. Für die Behandlung von depressiverSymptomatik werden spezifische Antidepressiva eingesetzt.Zur Abschwächung von starken Gefühlsschwankungen werden Lithium, Carbamazepin, Valproat oder Lamotriginverwendet, die stabilisierend auf die Stimmung wirken können. Diese Substanzgruppen machennicht abhängig und provozieren keine Entzugssymptomatik. Sie sollten aber vom Facharzt verordnet werden,der auch über die Risiken und Nebenwirkungen aufklären kann.Zur Behandlung einer begleitenden Angststörung sind serotonerg wirksame Antidepressiva sinnvoll; beiakuten Angst- oder Erregungszuständen ist teilweise die Gabe von Benzodiazepinen ausgesprochen hilfreich.Allerdings eignen sich Benzodiazepine in der Regel nicht für eine Dauerbehandlung, da sie zwar kurzfristigeeine sehr gute Wirkung zeigen, aber bei Einnahme über mehrere Wochen oder bei einer langdauernden"bedarfsabhängigen" Medikation abhängig machen! Die Entzüge gestalten sich häufig als schwierig.Es gibt Hinweise dass dissoziative Zustände auf Naltrexon, einen Antagonisten des Opiat-Systems gut anzusprechen.Andere Therapeuten haben diesbezüglcih gute Erfahrungen mit modernen Antipsychotika gemacht.Auch der Schweregrad von "Flashbacks" scheint durch diese Medikamente beeinflussbar zu sein.Alpträume und schwere Schlafstörungen sind oft schwierig medikamentös zu beeinflussen. Oft helfen spezielleAntidepressiva, die den REM-Schlaf unterdrücken, bisweilen auch niederpotente Neuroleptika.Psychotische Episoden, die sich durch das Hören von Stimmen oder durch starke Verfolgungsängsten oderillusionäre Verkennungen auszeichnen, sprechen in der Regel gut auf Neuroleptika an. Es gibt mittlerweilemoderne Neuroleptika, deren Nebenwirkungen sehr gering sind. Auch Konzentrations- und Denkstörungen,sowie Derealisationsphänomene (Unwirklichkeitsgefühle) sprechen oft gut auf eine niedrigdosierte, neuroleptischeBehandlung an.MedikamentengruppeKlassischeNeuroleptikaAtypischeNeuroleptikaBeispiel Wirkung Nebenwirkung Einsatz bei der <strong>Borderline</strong>-StörungHaldol ®Fluanxol ®Zyprexa ®Abilify ®Risperdal ®Seroquel ®Solian ®Zeldox ®Leponex ®Die Wirkung der Neuroleptikaist abhängig von deren Potenz.Hochpotente Neuroleptikawirken gegen psychotischeSymptome, insbesonderegegen gedankliche Desorganisationund gegen das sogenannte paranoid- halluzinatorischeSyndromAtypische Neuroleptika wirkenauf die gleichen Symptomewie die klassischen Neuroleptika,- 13 -Abhängig von der Potenzhaben Neuroleptika Auswirkungenauf die Bewegungen.Es kann zu einem künstlichenParkinson-Syndrom kommen,auch Sitzunruhe und Verspannungender Muskulatursind möglich, teilweise AntriebsminderungDer Vorteil der atypischenNeuroleptika besteht in dergeringen Rate von motorischenNebenwirkungen. Füreinige sind Blutbildveränderungund Gewichtszunahmebeschrieben. Keine Abhängigkeit.Bei der <strong>Borderline</strong>-Störungkönnen die gelegentlich kurzauftretenden psychotischenEpisoden mit Neuroleptikabehandelt werden. Eine günstigeWirkung ist aber nur fürniedrige Dosen beschrieben.Eine langfristige Behandlung istnur selten erforderlich.Psychotische Episoden, gedanklicheDesorganisiertheit,Beziehungserleben.